Ponticus

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Ponticus vor 8 Monaten 61 54
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Duft
Gerüchte um Gerüche – Vanille wieder obenauf !
Mittlerweile ist wieder etwas Ruhe eingekehrt. Nach den aufregenden Ereignissen rund um die Machenschaften zum Parfüm oudVanille hat sich die Lage entspannt und die entsprechenden Untersuchungen laufen. Zeitnah kursieren jedoch weiter heftige Gerüchte zum Geschehen. Dies ist unter anderem dem Umstand geschuldet, daß, in bälde zur frevelhaften Tat gegen die Vanille, ein rätselhafter Unfall geschah.

Man fand, ohne weitere Anzeichen eines Missgeschicks, einen total zerstörten Flakon mit drei leeren Dufthülsen direkt am Wegesrand. Die Dufthülsen gehörten zum einen der üppigen Frau Rose Geranie, eine weitere der starken Zistrose und schließlich eine ihrem vorlauten Lümmel Labdanum, alle Mitglieder der wilden Horde von Duftnoten, die der zarten Vanille so übel mitgespielt hatten. Gleichzeitig munkelte man, es habe Manipulationen am Verschluß und am Sprühkopf des Flakons gegeben, wobei wohl neben der Mifia vor allem alte Seilschaften der ehemaligen Naasi ihre Hände im Spiel gehabt hätten! Als potentieller Drahtzieher dahinter fiel der Verdacht natürlich recht schnell auf die, von den Toten ehemals arg gebeutelte, Vanille. Wie aber schon angedeutet, waren das nichts als Gerüchte!

Die Vanille hatte Krankenhaus und Reha gut verkraftet, war gewaltigt erstarkt und voller Energie. In Würdigung ihres Mutes und ihrer Tapferkeit wurde sogar vorgeschlagen, ihr den Titel Bourbon Vanille zu verleihen. So vor neuem Selbstbewustsein strotzend, wandte die Vanille sich zügig einem weiteren Projekt zu, dem EdP Jaïpur Homme von Boucheron.

Dieses Parfüm war nun ganz die Welt der Vanille. Hier kann sie mitten im Zentrum als Herznote alle Duftfacetten dirigieren, ist überall mit dabei, mal dominant, mal sich zurücknehmend und verleiht Jaïpur Homme diese schöne vanillige Aura ohne dabei als solitärer Vanilleduft beliebig zu sein.

Jaïpur Homme EdP startet im ersten Moment als ein wilder, intensiver, frischer Zitrusduft, der sofort im Gefolge zusätzlich deutliche Aromen von Vanille, Marzipan und Kirschkuchen einbringt und für die sich die Vanilleblume, auch Heliotrop genannt, verantwortlich zeigt. Der Kardamom verbreitet dazu eine sehr aromatische Würze, unterlegt mit einem recht herben, etwas strengen Ton. Mit fortschreitender Zeit treten die Zitrusnoten zügig in den Hintergrund und es beginnt kuschlig zu werden.

Von nun an übernimmt die Vanille höchstselbst. Die frischen Zitrusnoten zurücklassend, wird es wärmer, cremiger und eine florale Seifigkeit unterstreicht die gepflegte Makellosigkeit einer perfekten Zeit. Die markanten Facetten der sehr aromatischen Vanille, eines kraftvollen Zimtes und einer herben Nelke sorgen für ein orientalisches Flair. Aus dem Hintergrund riecht es anregend würzig nach Spekulatius und Kirschkuchen. Harzig-balsamische Holztöne verstärken das Gefühl wohliger Wärme und sorgen für behagliches Ambiente. Zum Ende hin wird Jaïpur Homme durch ein wenig Patchouli etwas geerdet, dabei streng kontrolliert von der Vanillearomatik um ja keinen Kellergeruch aufkommen zu lassen.

Jaïpur Homme EdP gehört zu den wenigen kleinen Wundern der Parfümwelt. Es riecht nicht nur ausgezeichnet, markant und anhaltend, sondern hat auch schon 25 Jahre „Kommen und Gehen“ gut überstanden, ist immer noch recht einfach zu bekommen und dies zu einem mehr als akzeptablen Preis. Es gibt viele gut duftende und noch mehr mir unangenehme Parfüme, aber nur wenige bei denen das Gesamtpaket so sehr positiv aus dem mittlerweile riesigen Massenmarkt (Nischen und Ecken eingeschlossen) herausragt! Viel besser kann man sein Geld für ein Parfüm kaum ausgeben!

Herzlichen Dank !

54 Antworten
Ponticus vor 8 Monaten 69 58
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Duft
Üble Machenschaften aufgedeckt! Duftnotenbande verduftet!
Ein Verbrechen ist geschehen, eine Gewalttat die ihresgleichen sucht und uns in bisher unbekannte Abgründe der Duftwelt hineinblicken läßt. Durch glückliche Umstände begünstigt, kann Ponticus hier auf Parfumo aus erster Hand vom unglaublichen Hergang der erschnüffelten Tatsachen berichten.

Als Franck Olivier das Parfüm oudVanille in Auftrag gab, setzte er ganz auf die namensgebenden Duftnoten Oud und Vanille in der Hoffnung, deren intensive Aromatik in einer gelungenen Komposition zu einem süßlich-holzigen, orientalischen Vanilleduft zu vereinen. Dieser Versuch ist völlig misslungen. Leider ist dennoch dieses Parfüm mit Namen oudVanille von Franck Olivier erschienen. Für nicht Wenige war dies der Beweis dafür, daß zwielichtige Gestalten der Mifia oder die berüchtigte Rosa Kostra hier ihre Hände im Spiel hatten!

Meine Informationsquelle aus erster Hand erschien incognito. Der Vermutung nach handelte es sich um das Oud und sie war recht verstört. Wahrscheinlich aus preislichen Gründen von Beginn an nur als Namensgeber vorgesehen, wurde es jetzt zum Kronzeugen und berichtete mir vom unglaublichen Geschehen rund um den Duft von oudVanille.

Gleich nach dem Aufsprühen war sie da, die liebliche Vanille, dezent und verletzlich aber trotzdem sehr gut wahrnehmbar. Jedoch noch bevor sich der zarte Vanillehauch mit der Frische eines Anfangs vereinen kann, wird er auch schon meuchlings abgewürgt. Die Vanille wird nicht einfach erstochen oder erwürgt, nein! Unter den Schreien „Wehret den Anfängen“ wird sie komplett überrannt und arglistig zertrampelt. Die Schuldigen sind, vereint in finsterer Absicht, in einer lauten Horde von Duftnoten zu finden, alles gestandene Kämpen, wild, stramm und von kräftiger Statur. Aus diesem Haufen grantiger Typen ragt walküreartig Mutter Zistrose gemeinsam mit ihrem kräftig-harzigem Lümmel Labdanum heraus. Zusammen mit dem Chef der Truppe, dem schokobraunen Benzoe und seiner üppigen, schwitzenden Frau Rose Geranie, bildet diese Viererbande den Kern der Verschwörung.

Zwischenzeitlich, so berichtete mir „Incognito", kam die Meldung, daß die fruchtigen Geschwister Orange und Himbeere vermisst werden. Sie waren auf dem Weg zur Vanille um mit ihr, einer der Namensgeberin und Hauptakteurin, einen neuen fruchtig-gourmandigen Duft zu kreieren. Beide tauchten jedoch nie wieder auf und blieben für immer verschwunden.

Mittlerweile ist etwas Ruhe eingetreten, ein Holzgrill wurde angefacht (Sandel und Zeder ist ja genug da), die Gruppe macht Rast und dampft vor sich hin. Dunstschwaden und Nebelwolken wabbern umher und verbreiten streng-harziges, auch erdig-würziges, aber immer sehr herbes Raucharoma. Und in der Tat, der hagere Patchouli hat reichlich Rauchtöpfe aufgestellt und versucht mit süßlich-sinnlichen Aromen Amyris zu bezirzen. Die hat keine Lust, schüttelt sich und dreht sich unter Absonderung intensiver, warm-würziger Holztöne auf die andere Seite. Letztendlich beschließt man weiter zu ziehen und gemächlich verlassen die Übeltäter, einer nach dem anderen, den großen Park. Das Grillfeuer erlischt, die Rauchtöpfe verglimmen und langsam wird es dunkel. Die Spuren der Tat wurden mir Rauch und Harz kaschiert, den Ort der Übeltat umweht noch ein ganz zarter Schleier von Vanillearomen, aber das Opfer fehlt. Am nächsten Tag wurde berichtet, eine schwer angeschlagene Vanille sei von Nachtschwärmern gefunden worden und ins Krankenhaus verbracht. Sie wird überleben, ist aber sehr verstimmt.

Anmerkung: Das erschienene Parfüm oudVanille riecht locker acht Stunden und mehr, Vanille ist nur in Spuren und am Rand wahrzunehmen, Oud und Frucht kann ich gar nicht ausmachen, dafür ist reichlich Rauch, Harz und Erdiges vorhanden, auch viele Klafter Holz welches größtenteils angekokelt und harzig ist.

Herzlichen Dank für Euer Interesse und für die Vanille gute Besserung!

58 Antworten
Ponticus vor 9 Monaten 83 75
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Duft
Nase voll !
Kurz vor Ende der umfangreichen Corona-Schutzmaßnahmen vor gut einem Jahr hatte ich die Nase gestrichen voll. Das passierte zu jener Zeit recht oft und ich ärgerte mich über mich selbst, denn für die unerfreuliche Situation gab es ja niemanden, den ich hätte verantwortlich machen können. Die ganzen Regeln, Vorschriften, auch die Impfungen sah und sehe ich ein und fand fast alles irgendwie notwendig, schließlich war und bin ich persönlich nah dran an den Risikogruppen zu Corona. Irgendwann läuft aber jedes Fass über und der sich damals erneut andeutende Ausfall unseres Urlaubs war ein weiterer, herber Schlag. Mir stank es gewaltig und noch hatte es nichts mit Parfüm zu tun.

Um etwas herunterzukommen und mich zu beruhigen beschloss ich mein jungfreuliches, also noch verpackt bereitstehendes „Urlaubsparfüm“ zu öffnen, um ein wenig Abstand vom Alltag zu gewinnen. Dies ging gründlich schief. Ordentlich aufgesprüht bemerkte ich plötzlich eine stechende Minznote und neben reichlich Komposthaufen, insbesondere zu früh umgesetzten Komposthaufen roch es vor allem nach nassem Fuchs in der Ranz und das muss man nun wirklich nicht haben. Hundebesitzer können sicher ein Leidenslied davon singen, wenn sich „Lumpi" beim Waldspaziergang wieder einmal genüsslich auf dem Boden gewälzt hat. Obendrein lief meine Frau vorbei und rief, ich möge endlich das alte, zum Düngen angesetzte Brennnesseljauchefaß vom Vorjahr reinigen, aus dem Garten röche es gerade sehr anrüchig.

Als ob ich es geahnt hätte beim Kauf des Parfüms Yatagan der Marke Caron. Was soll das überhaupt bedeuten, ein Parfümname mit Y. Ypsilon kann ich ohnehin nicht leiden, ein Buchstabe als Wort. Kann Y nicht yp heißen oder yps so wie all die anderen Laute ce, de, em, ka, vau, zet ...., aber ypsilon? Und dann diese faulig-braune Farbe im Flakon, meine Frau hat wohl doch recht! Ja, wenn schon aufregen, dann richtig.

Ein paar Tage später, die Dramatik war gewichen, das Wetter sonnig und ich saß entspannt auf der Terrasse. In den vorangegangenen Tagen war Yatagan mehrmals zur Anwendung gekommen und auch gerade eben wurden nochmals zwei ordentliche Sprühstöße zur entgültigen Duftbeurteilung bemüht. Wie schon in den vorherigen Versuchen gab es keine stechende Minznote mehr, weiß der Kuckuck was man in der Erregung so riecht. Kräuterkräftig geht’s aber schon los, Küchenkräuter satt ob mit oder ohne Sellerienote mag ich nicht entscheiden, dazu weiche, humusreiche Erde, Waldboden und Harziges von Kiefernadeln. Alles recht herb und dunkelbraun wie das torfige Wasser für den Whisky und Yatagan selbst. Das für mich Gelungenste an diesem kraftvollen, herbalen, lavendelwürzigen und derb männlichen Beginn ist aber das Fehlen der ansonsten oft üblichen zitrischen Eröffnungsorgie. Frische Zitrik ist belebend, aber hier wäre sie eindeutig zu viel.

Das Aufkommen der sinnlich-ledrigen und auch leicht tierischen Aromen im Parfüm Yatagan geschieht im weiteren Verlauf fließend. Sie verführen dabei wie Don Giovanni die arme Zerlina: mit großer Raffinesse, etwas Eleganz und ebenjenem animalisch-würzigen Timbre, das einen kleinen Bonaparte zum Kaiser macht. Rustikales Walkleder, etwas harziger Rauch und faunale Noten reihen sich harmonisch ein in die beständige, erdig-krautige und provokante Grundidee des Parfüms. Dem Duft liegt eine kräftige, animalisch-ledrige und sehr maskuline Projektion zugrunde, die auch deutlich wahrnehmbar ist. Das ist großes Kino, sehr gelungen und gereicht dem Hause Caron zur Ehre, auch wenn der Duft nicht meiner bevorzugten Richtung entspricht.

Yatagan ist ein Draußen-Parfüm mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal und keine grün-waldige Rauchbombe mit zitrischem Herrenfrisörtouch, die sonst des öfteren als würzig-holziger Duft präsentiert wird. Der Mann sollte sich für Yatagan entsprechend kleiden, Understatement, naturbelassen, Landhausstil, country style, schottisch. Bequemes Sakko, Weste, Hose (auch Kniebund), Schiebermütze, sehr gern und passend aus Tweed, vielleicht Oliv-Fischgrät, feste Schuhe, sogar Gummistiefel wären in Ordnung, aber ich schweife ab und komme ins schwärmen. Yatagan ist ein Duft der bemerkt wird, aber dennoch sehr gut zu klassischer, landadliger Bescheidenheit passt. Nur die wilden, osmanischen Reiterhorden mit ihren Krummsäbeln, nach denen das Parfüm benannt wurde, wollen nicht so recht in mein eigenes Yatagan-Bild passen.

Allen Mitlesern ein Dankeschön sowie einen entspannten Urlaub wann und wo immer dieser auch sein mag!

75 Antworten
Ponticus vor 10 Monaten 68 54
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Duft
Mit dem 49€ Ticket auf Duftsuche!
Ich fahre gern und häufig mit dem eigenen Auto und diese Eigenständigkeit ist mir wichtig. Noch zu DDR-Zeiten bin ich jahrelang sehr viel Bahn gefahren, jeden Tag, auch lange Strecken, erst allein und später mit der ganzen Familie. Nach der Wende war ich dann sehr froh, der gewonnenen Freiheit auch durch ein eigenes Kraftfahrzeug mehr Raum geben zu können. Die Bahn und den ÖPNV meide ich seit Jahrzehnten. Nun habe ich mir dennoch eines dieser neuen 49€ Tickets gekauft!

Heutzutage lerne ich nicht mehr viele fremde Menschen kennen und vor allem riechen. Aus der umfangreichen Bekannt- und Verwandtschaft ist ein jeder duftbekannt, in Feld, Wald und Flur ist man meist allein oder auch nur mit Vertrauten unterwegs und am Strand oder im Bad riecht alles gleich. Und ein gebührender Abstand ist überall einzuhalten! Mein 49€ Ticket wollte ich nun projektmäßig vor allem dazu nutzen, um mal wieder unbekannte, vergessene, außergewöhnliche oder ganz neue Dufteindrücke zu gewinnen, wobei ich nicht unbedingt nur auf Parfüm aus war.

Nach nun etlichen Fahrten im ÖPNV, im Bahnnahverkehr, auch zu Stoßzeiten, sowie einer etwas längeren Zugstrecke bin ich sehr enttäuscht, tote Hose überall! Selbst das „unauffällige“ Ranwanzen an Menschengruppen (als alter Mann klappt das gut) brachte keine neuen Dufterkenntnisse. Duftmäßig war alles wie vor ca. 30 Jahren, kaum Veränderung! Nicht überall und zu jeder Zeit, aber ab und an schweißig-muffiges Deo oder Rasierwasser, angetrocknetes Pipi in dunklen Ecken, Knoblauch- und Zigarettenatem, to-go-Kaffeeduft mit Geruchsfetzen von Essen und üble, unklare Ausdünstungen von was auch immer. Mehr an auffälligem Duft war nicht, Projekt gescheitert.

Der Zufall spielte mir aber wieder einmal positiv in die Karten. Zu unserem Sommerfest vor ein paar Tagen erschien auch wieder mein Sohn mit Frau, Enkel und diesmal eingehüllt in eine neue, mir unbekannte Duftwolke. Bevor ich fragen konnte, setzte meine Schwiegertochter zu einem ihrer oft nervenden Monologe an. Sie wäre es leid, daß ihr Mann zwar sehr gut, aber immer so roch wie sein Vater, weil er dessen überzählige Düfte auftragen muss. Entweder männlich-herb oder basarwürzig wie weihnachtlicher Orient, und dann überall dieser Tabak mit dabei. Das neue Parfüm hätte sie ihm gekauft, denn ihr Mann brauchte mal was Frisches. Ja, das riecht gut, es riecht sogar sehr gut, versuche ich einzuwerfen, um ihren Redeschwall wenigstens zu unterbrechen und augenscheinlich zufrieden hält sie auch wirklich inne. Tatsächlich roch dieses neue Parfüm sehr gut!

Diesen neuen Duft, Turathi (Blue) von Afnan Perfumes, haben wir dann das Wochenende über ausgiebig probiert und getestet. Ich bin immer noch positiv überrascht, denn mit dominanter Zitrik bin ich normalerweise nicht so gut Freund. Unser Haus roch danach wie eine Limonadenfabrik und auch den Garten durchzogen etliche Duftschwaden frisch gepressten Saftes mit dem Geruch nach Mandarinen, Apfelsinen und Limetten.

Der Duftbeginn von Turathi (Blue) ist prickelnd frisch mit dominanter, mandariniger Zitrik und würzigem Abrieb praller Zitrsfrüchte. Dieser zitruslastige Mandarinengeruch ist sehr fordernd, tief und kräftig und bleibt so im Zusammenspiel mit den anderen Duftnoten bis zum Schluss erhalten. Von diesen, ich sag mal „Beinoten“, nimmt als erster der Amber der mandarinigen Zitrusfrische die zitronigen Spitzen, gibt Wärme und etwas Behaglichkeit. Durch die feinen, samtigen Hölzer entsteht wohliger, aromatischer Tiefgang. Duftbestimmend bleibt aber weiterhin die bis hierhin eher säuerliche als süße Saftigkeit frischer Zitrusfrüchte. Der Moschus als tonangebende Note der Basis konserviert diese saftig-fruchtige Duftaromatik auf lange Zeit um nach ca. acht Stunden etwas abzuflachen und langsam zu verschwinden. Zusätzliche Gewürze und Patchouli können keine weiteren eigenen Akzente setzen und integrieren sich unauffällig. Die durchgehende, gut eingebundene, intensive orangig-mandarinige Zitrusnote ist allerdings etwas anstrengend und sicher nichts für jeden Tag, aber sie duftet ganz wunderbar und verträgt sich gut mit allen Aktivitäten.

Mir ist durchaus bewusst, daß synthetische Duftnoten für die Duftkomposition des Parfüms Turathi (Blue) bestimmend sind. Diese Komposition ist hier aber ausgezeichnet gelungen und das gute Ergebnis entzieht der Kritik daran schnell den Boden, zumal diese Vorgehensweise mittlerweile gängige Praxis ist und dies nicht nur bei preiswerteren Düften!

Herzlichen Dank!

54 Antworten
Ponticus vor 10 Monaten 79 58
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Flakon
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Duft
Besuch von Tante Gudrun!
Duftmäßig befindet sich unsere Familie im Stillstand. Meine Frau schwört seit Jahrzehnten auf Chanel N°5, vielleicht ab und an mal ein Spritzer Choco Musk. Meine Mutter steht auch auf die N°5 und aus Nostalgie auf "ihr" Tosca. Mein Sohn trägt tapfer meine, von mir aussortierten, Flakons auf und meine Tochter orientiert sich eher im Drogeriesegment. Alle Anderen sind vom Geruch her unauffällig und beratungsresistent insbesondere von mir dem spinnerten, alten Parfümsammler. Ich selbst habe meine Lieblingsdüfte und bin damit auch sehr entspannt. Überraschungen gibt es da nur selten.

Dann kam vor ein paar Tagen Tante Gudrun zu Besuch! Eher Bekanntschaft denn Verwandschaft ist sie schon seit Jahrzehnten Teil des Freundeskreises meiner Frau. Als meine Kinder noch klein waren, war Gudrun für sie immer die Tante Gudrun und so ist es bis heute geblieben, mittlerweile für alle in der Familie. Gudrun ist eine recht attraktive Frau, etwas korpulent, Ende Fünfzig und sehr jugendlich in Wesen und Erscheinung. Einen Onkel dazu gibt es nicht.

Eine dichte, süßliche, aber nicht unangenehme Duftwolke begleitete Tante Gudruns Auftritt nahezu raumgreifend und legte sich über den Platz, der ihr angeboten wurde. Charmeur wie ich bin, machte ich gleich ein nettes Kompliment über ihr duftiges Erscheinen, indem ich den tollen und mir unbekannten Duft ihres Parfüms lobte und dabei erwähnte, er hätte auch etwas sehr betörendes an sich. Glücklich strahlend sagte sie, es wäre La Vie est Belle von Julia Roberts und ob ich mal probieren wollte! Natürlich wollte ich und bekam drei Sprüher aus ihrem Taschenflakon auf den Unterarm. Ich zog mich hierauf zügig zurück, denn meine Frau verdrehte schon die Augen und dann ist mit ihr nicht zu spaßen.

La Vie est Belle L'Eau de Parfum (LVEB) von Lancôme ist die richtige Bezeichnung des Duftes mit Julia Roberts als Werbegesicht. Er wird hier auf Parfumo sehr kontrovers besprochen. Das Parfüm ist von Beginn an eine süße Urgewalt! Die oft beschriebene Zuckerwatteassoziation kann ich durchaus bestätigen, denn über allem liegt eine süß-fluffige Wolke, die als Hintergrund durchaus angenehm daherkommt. Zusätzlich zeigt sich am Anfang mit Vehemenz ein süß-fruchtiger Geruch, etwas säuerlich unterlegt und kräftig duftend wie dunkle, sämige Konfitüre. Parallel dazu ist auch eine opulente Blumigkeit präsent, die weitere süße Noten beisteuert und die den Duft lange begleiten werden, während die fruchtigen Anteile langsam, aber stetig weniger werden. Die Süße der ersten zwei, drei Stunden ist damit haupsächlich der Iris, dem Jasmin und der Orangenblüte zu danken, die mit ihren honigartigen, süß-blümeligen Gerüchen die Fruchtsüßen weit übertreffen. Dennoch bleibt eine gewisse Fruchtigkeit lange erhalten.

Nach etwa zwei bis drei Stunden reihen sich verstärkt gourmandige Noten in den Duft von La Vie est Belle ein. Die Vanille macht dabei eine sehr gute, aber eher dezentere Figur, derweil die marzipanige Pralinennote sehr an die Resterampe eines großen Pralinenkartons erinnert. „Man weiß nie, was man bekommt“, aber wenn der Krokant, der Schichtnougat, die guten Marzipan- und die Likörkonfekte gegessen sind, bleiben oft nur noch sehr dunkle, runde und kleine Pralinen unklaren Inhalts übrig. Diese Übrigbleibsel aus dunkler Schokolade und klebrigen Persipanfruchtfüllungen fügen sich nahtlos in die Parfümsüße ein, machen den Duft aber weder begehrenswerter, noch interessanter oder gefälliger. Er bleibt in seiner Linearität locker 8 Stunden aromatisch-süß, schwer, blumig, auch noch etwas fruchtig sowie dunkel, warm und anschmiegsam.

La Vie est Belle ist zu jeder Zeit fordernd, raumgreifend und dominant. Es macht die Frau, die es trägt zu einem Duftleuchtturm, weithin bemerkbar, auffällig, begehrt und oft eine Sünde wert, indes in ihrer Umgebung immer Gefahr herscht und viele Frauen solch ein Duftgebiet einfach lieber meiden. Das Parfüm im dicken Glasflakon riecht, je nach Dosierung, grandios süß-gourmandig bis penetrant aufdringlich. Die Trägerin steht damit, wie schon gesagt, meist im Mittelpunkt, so oder so!

Ich danke Tante Gudrun für die Anregung und Euch für hoffentlich wohlwollendes Lesen!
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