Profumorist

Profumorist

Rezensionen
Filtern & sortieren
16 - 20 von 76
Profumorist vor 6 Jahren 13 3
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Perfektion zur falschen Zeit
Ich bin momentan in Schreiblaune und habe mir zum Ziel gesetzt, dass ich jedem Duft in meiner Sammlung zuzüglich meiner Abfüllungen abzüglich meiner Düfte im Souk einen Kommentar widmen möchte. Warum? Weil sie es verdient haben. Sie sind ja nicht umsonst in meiner Sammlung.

Derby ist wohl einer der besten Männerdüfte aller Zeiten, der nie wirklich einen Durchbruch erlebt hat. Der nie ernsthaft im Blitzlichtgewitter stand. Und der nie die Gazetten dieser Welt schmückte. Woran lag es? Schwer zu sagen. An dürftiger Werbung oder am ziemlich hässlichen Flakon?

Oder vielleicht daran, dass dieser Duft selbst für die 80er Jahre einfach zu opulent, zu ausladend, zu schwer, zu komplex und zu aromadicht geraten ist. Diesen Duft könnte man ohne Probleme auch in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts verorten. Oder von mir aus Ende der 60er / Anfang der 70er.

Preisfrage zur Duftbeschreibung: „Was haben Orangen, schweres altes Holz und Gewürze mit einem klassischen englischen Pferderennen zu tun?“. Kurz nachgedacht. Richtig! Keinen blassen Schimmer. Ich habe bislang immer gedacht, dass Dior die Firma sei, die Probleme mit der Namensfindung hat. Wie dem auch sei, im Grunde ist es eh wurscht.

Die Eindrücke, die man bei diesem Duft beim Sprühen erlebt, sind überflutend, rauschhaft. Der Beginn startet mit einer vollen Breitseite gewürzter reifer Orangen. Normale Kopfnoten verfliegen nach ein paar Sekunden. Diese hier bleibt und bleibt. Die Bestandteile der Herznote sind klar erkennbar. Fast fließend gesellen sich zur gewürzten Orange die (indischen) Hölzer und Gewürze begleitet von ein wenig Nelke hinzu. Ich persönlich hätte eher auf indische Gewürze denn auch indisches Holz getippt. Das Ganze weiterhin opulent, schwer und raumfüllend. Zur Basis hin dimmt sich der Duft ein wenig runter. In seiner Ausrichtung und Anmutung wird er hier holzig-balsamisch mit einem leichten Anflug von Rauch.

Haltbarkeit und Sillage sind überragend. Mehr muss man hierzu nicht erwähnen.

Das hier ist Guerlainsche Parfümkunst in Perfektion. Oder um es mit den Zeilen von Luca Turin zu sagen: „Einer der besten Herrendüfte aller Zeiten.“ Leider war es Perfektion zur falschen Zeit. Zudem könnte es sein, dass er mittlerweile eingestellt wurde.

Gruß

Euer Profumorist
3 Antworten
Profumorist vor 6 Jahren 8 2
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Zu 90% der Männerduft
Es bewahrheitet sich mal wieder, wie so oft im Leben, dass man den Inhalt nicht anhand seiner Verpackung beurteilen sollte. Ob nun im Zwischenmenschlichen oder im Grundsätzlichen.

Für üblich baue ich meine Kommentare über Düfte fast immer nach dem gleichen Schema auf. Eine kurze Einleitung über Gott und die Welt. Dann folgt eine Beschreibung des Duftes inkl. Beurteilung der Haltbarkeit, Sillage und des Flakons und abschließend eine kurze Empfehlung.

Hier muss ich aber mit dem Flakon anfangen. Mein Gott ist der billig. In echt sieht er noch schlechter aus als auf dem Bild. Wirklich nicht schön. Wie gesagt: Inhalt ist aber wichtiger als die Verpackung.

Und der hat es in sich. Wer Davidoffs Erstling kennt, schätzt und nachtrauert, finde hier einen ebenbürtigen, recht günstigen Ersatz. Für mich wirklich zu gut 90 % gleich. Wobei der Davidoff in seiner Grundausrichtung rauchiger erscheint. Der Vermeil ist durch die hier gelistete Johannisbeere eindeutig frischer und obstiger. Weit entfernt aber von jeglicher übertriebener Gartenobst-Süße. Im Mittelteil folgt, wie es sich für eine klassisch angehauchten Männerduft gehört, eine Blüten-Blumen-Mix. Aber keine Angst. Hier riecht nichts floral oder gar zu feminin. Das hier sehr ausgewogen gemacht. Leicht tabaklastig-herb in der Basis unterstützt durch das Patschuli verliert er aber über den gesamten Duftverlauf kaum merklich an seiner Frische.

Die Haltbarkeit und die Sillage sind hervorragend austariert. Ich rieche ihn auch nach einem ganzen Arbeitstag noch. Zudem zieht er merklich eine Duftwolke hinter sich her. Sehr schön.

Für mich stellt dieser Duft eine absolute Empfehlung dar. Ein klassischer Männerduft wie er im Buche steht. Leicht machohaft. Vielleicht ein wenig aus der Zeit gefallen. Dennoch finde ich es schön, dass es ihn heutzutage noch gibt.

Für viele hier ist der Davidoff D E R Männerduft schlechthin. Punkt. Dann müsste dieser hier zu 90 % D E R Männerduft sein.

Eine persönliche Anmerkung zum Schluss: Für mich ist „Gianfranco Ferré for Man“ D E R Männerduft.

Gruß

Euer Profumorist
2 Antworten
Profumorist vor 6 Jahren 23 4
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ich bin ein Kind der 90er
Die 90er. Ich habe sie zwischen meinem zehnten und 20. Lebensjahr verbracht. Ich bin aufs Gymnasium gekommen. Ich habe mein Abitur gemacht. Ich war das erste Mal besoffen in meinem Leben. Ich habe meine Jugend mit ihnen verbracht.

Die 90er waren Snap!, Dr. Alban, Haddaway. Techno und Eurodance. Aber auch Guns n Roses, Nirvana, REM, Rage against the machine. Top of the pops, Brit-Pop, Kelly Familiy und die schier unüberschaubare Anzahl an Boybands.

Die 90er waren Partys in den Rhein-Rock-Hallen und im Tarm-Center. Sie waren Smirnoff und Kleiner Feigling. Viel Kölsch, viel Schnaps, viel Übelkeit.

Die 90er waren auch Game-Boy, Super Nintendo, Super Mario, Sonic und Doom. Ego-Shooter am PC. Beverly Hills 90210, Baywatch, Diddl, Tamagotchi und die G-Shock.

In den 90er Jahren waren die Backstreet Boys noch bei MTV frei empfangbar, Jasmin Wagner hieß noch Blümchen, ohne die 501 von Levis oder den Rucksack von Eastpack ging es nicht, Tattooketten waren noch in, Plateausohlen noch modisch und die Jungs trugen Bomberjacken.

Olfaktorisch war das Jahrzehnt überwiegend frisch. Cool Water, CK One und BE, den Tommy, Acqua di Gio und Konsorten roch man an jeder Ecke. Rückblickend eher erstaunlich war der Issey für mich in diesem kultigsten aller Jahrzehnte gar nicht präsent. Ihn habe ich erst vor ein paar Jahren für mich entdeckt.

Ein Blick in meine Sammlung verrät, dass ich augenmerklich auf frische, zitrische, chypre-artige Düfte stehe. Das Ganze garniert mit ein paar auserlesenen älteren Düften. Fertig. Mehr brauche ich nicht. Und der Issey Miyake passt genau in mein Beuteschema.

Der Start ist geprägt durch die Yuzu-Frucht. Fast säuerlich, belebend und erfrischend. Herrlich. Einen noch schöneren Start dieser Art kenne ich nur noch durch Carons „Yuzu Man“, der aber leider nur aus seiner Kopfnote besteht. Unterstützt wird das Ganze klar erkennbar durch die herb-metallische Frische des Eisenkrauts. Die Blumen im Mittelteil, die hier so oft beschrieben wurden, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Insgesamt wird der Duft für meine Nase in Richtung Basis lediglich angenehm holzig, leicht moschuslastig und bleibt weiterhin schön frisch-belebend.

Die Haltbarkeit und Sillage sind für einen frischen Duft wirklich hervorragend. Anders als viele vergleichbare Düfte, die über die Jahre reformuliert wurden, kann ich diesen hier in seiner aktuellen Variante ohne Probleme einen ganzen Arbeitstag wahrnehmen.

Ich konnte vor ein paar Tagen eine ältere Version sowie eine aktuelle Version dieses Duftes gleichzeitig testen. Einmal links, einmal rechts. Und ich konnte ganz ehrlich keine großen Unterschiede beim Duft und bei der Haltbarkeit feststellen. Er scheint offenbar die Jahre halbwegs glimpflich überstanden zu haben.

Was für mich bleibt, ist ein herrlicher frisch-zitrischer und belebender Duft, der in seiner Machart wohl außergewöhnlich war, ist und bleiben wird. 24 Jahre nach seinem Erscheinen ein kultiger Klassiker, der weiterhin die meisten der heute erscheinenden Frische-Düfte in allen Facetten in den Schatten stellt.

Gruß

Euer Profumorist
4 Antworten
Profumorist vor 6 Jahren 14 3
7
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Furztrockenes Gewürzorchester
Bitte nicht direkt von der Überschrift abschrecken lassen. Der Alte hier ist wirklich tragbar. Ich bin stolzer Eigentümer eines Vintage-Flakons. Der mit der marmorierten Verschlusskappe. Und die Duftbeschreibung zielt auch lediglich auf diese Version.

Jahrgang 1970 und immer noch erhältlich. Das muss man Hermès lassen. Sie vergessen ihre Helden vergangener Tage nicht. Reformuliert, aber immer noch da. Der aktuelle ist etwas weicher, weniger perfekt austariert, abgerundeter, aber immer noch schön und unverkennbar Equipage.

Der Alte feuert direkt los. Gewürznelke und Muskatellersalbei in einer bislang nicht da gewesenen Intensität. Mir fällt spontan kein weiterer Duft ein, der so etwas bietet. Herb, trocken-würzig das Ganze. Fast schon zu viel des Guten. Der Zimt soll wohl der Gegenpart zu dieser furztrockenen Würze sein. Aber ich nehme ich nicht wahr. Da ist keine riechbare Süße erkennbar. Wahrscheinlich wird der Zimt nur genau in der Dosis eingesetzt, damit der Rest ertragbar bleibt. Die Zitrusfrüchte rieche ich beileibe hier auch nicht. Sie spielen wohl die gleiche Rolle wie der Zimt. Zur Basis hin beruhigt sich dieser Duft ein wenig. Durch das hier wohl noch natürliche Eichenmoos bleibt aber die herb-würzige Grundstimmung erhalten. Das Ganze jedoch etwas geschmeidiger.

Die Haltbarkeit und die Sillage sind bei meiner Version hervorragend und sehr zufriedenstellend. Dafür wirkt der alte Flakon vollkommen aus einer anderen Zeit zu sein.

Wow! Dieser Duft ist wirklich kompromisslos. Herb-trocken. Geschmeidig-würzig. Null Komma null Süße. Männlich ohne machohaft zu sein. 1970 hat auch noch niemand über Unisex nachgedacht. Ich würde mir wünschen, dass sich der ein oder andere Parfümeur so etwas heute mal trauen würde.

Gruß

Euer Profumorist
3 Antworten
Profumorist vor 6 Jahren 38 2
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Wir werden sagen können: „Wir waren dabei“
Ich habe eine interessante Historie hinter mir, was Duftvorlieben angeht. Ich bin Jahrgang 1980. Entsprechend begann meine Vorliebe zu Parfums so um das Jahr 1994 herum. Ich trug CK One, CK Be, Cool Water und Tommy Cologne. Aber auch schon solche Schätze wie das alte Havana, Fahrenheit, What about Adam oder Azzaro pour homme. In den 00er Jahren wiederum trug ich alles, was der hiesige Douglas an Calvin Klein, Hugo Boss, Baldessarini, Kenneth Cole und Konsorten bereit hielt. Düfte, bei denen ich mich heute nur frage: "Wie konnte das passieren?".

Dann entdeckte ich Terre d'Hermès für mich. Es muss irgendwann in 2011 gewesen sein. Mein Comeback in der Duftwelt. Und was für eins. Ein Facettenreichtum und eine Qualitätsanmutung, die ich vorher so nicht kannte. Wahrscheinlich auch kein Wunder, bei der Vorgeschichte. Dieser wunderbar frisch-fruchtige Start der Orange mit einer gehörigen Portion Pfeffer, das es einem in der Nase nur so kribbelt. Geerdet durch das Patschuli. Und im Drydown der Vetiver mit dem Bernstein. Eine Kombi, die verantwortlich ist für diese geniale erdige-mineralische Basis. Einzigartig. Für mich ganz persönlich neben Green Irish Tweed mit der beste Drydown eines Parfums. Dazu eine sehr gute Haltbarkeit und fast perfekte Sillage. Das Ganze verpackt in einem ziemlich stylischen Flakon mit coolem Verschluss.

So kam es schlussendlich, wie es kommen musste, er wurde mein Signaturduft. Letztes Jahr musste er leider „Green Irish Tweed“ weichen. Ich bin ihm mit der Zeit wahrscheinlich ein wenig über geworden. Dennoch verrät ein Blick in meinen Assistant, dass ich ihn dennoch sehr häufig trage bzw. getragen habe. Im meinem Flakon sind noch gut 20 ml. Die werde ich aufbrauchen und ihn mir erstmal nicht mehr nachkaufen. Wir brauchen mal etwas Abstand. Dennoch wird diese Liebe nie ganz vergehen.

Terre d'Hermès. Elenas Meisterstück. Für Hermès Gold wert. Die Cashcow, die lobenswerterweise gar nicht so gemolken wurde, wie es vielleicht andere Hersteller getan hätten.

Wenn wir in 20 Jahre weiterhin diese Community betreiben, werden wir wahrscheinlich genauso sehnsuchtsvoll an den Vintage-Terre d'Hermès zurück denken, wie es heute dem ein oder andere mit den Düften wie Azzaro pour homme oder Antaeus geht. Und wir werden sagen können: „Wir waren dabei.“

Ich hoffe, dass ich mit diesem Kommentar über meine einstige große Liebe dem ein oder anderen Neuling hier das Interesse an diesen Duft geweckt habe. Ein möglicher Einstieg in die schier unendliche Welt der Parfumkunst.

Gruß

Euer Profumorist
2 Antworten
16 - 20 von 76