12.02.2010 - 11:19 Uhr

Profumo
283 Rezensionen

Profumo
Top Rezension
29
Ein Meisterwerk!
Dieser Duft hat alles was ein wirklich großer Duft haben muß: Inspiration, Raffinesse und eine geniale Komposition aus harmonischen und dissonanten Elementen: die frischen Kopfnoten mit Minze kontrastiert, die floralen Herznoten mit würzigen Akzenten versehen und eine kräftige Chypre-Basis mit der berühmten Guerlinade und einer wunderbar weichen Ledernote gemildert.
Ein charismatischer Duft, eigenwillig und mit aristokratischer Attitüde, dabei nicht so gefällig wie Habit Rouge oder Heritage, was den Duft alles in allem etwas komplizierter macht, auf lange Sicht aber interessanter.
Jean-Paul Guerlains Meisterwerk!
Nachtrag 15.08.2010
Berichtet wird, dass J.P. Guerlain während einer Reise durch Tunesien vor dem großen Amphitheater in El Djem gestanden habe und das dieses, samt der Vorstellung, dass darin einstmals Pferderennen stattgefunden hatten, ihn derart faszinierte, dass er die empfangenen Eindrücke in einen Duft fließen lassen wollte. So inspirierten ihn die Arena und die vergangenen Wagenrennen zu seinem Duft Derby, den er zunächst ‚Centurion’ zu nennen gedachte, des alt-römischen Bezuges wegen. Da dieser Name aber doch zu steif klang, entschied er sich für den auch im Pferdesport üblichen Begriff ‚Derby’.
Olfaktorisch betrachtet führt die Reise dann auch tatsächlich eher in Richtung Maghreb, als in das Heimatland der Pferde-Derbys, nach England.
Zu Beginn des Duftverlaufes entfaltet sich das Aroma eines arabischen Bazars: Frische Zitrusfrüchte und eine ungewöhnliche Minze eröffnen den Reigen, um einer ganzen Kaskade von aromatischen Gewürzakkorden, dominiert von Artemisia (Beifuß), Piment, Muskat und Pfeffer, den Raum zu öffnen. Einige Blüten gesellen sich im Herzen dazu: eine deutlich erkennbar Nelke, etwas Rose und Jasmin.
Im Fond schließlich: süß-harziges Labdanum und jede Menge bitteres Eichenmoos (zumindest im ursprünglichen Derby). Dazu kräftige Ledernoten und eine feine, dabei unaufdringlich animalische Nuance die den gesamten Duft durchzieht. Derby ist sehr langlebig – noch Stunden nach dem Auftragen entfaltet sich ein exquisites Aroma von edlem, poliertem Holz und Würze, und der gesamte Duftverlauf ist fein austariert: alles fließt geräuschlos ineinander und vereinigt sich zu einem breit und mächtig dahin ziehenden Fluss.
Viele sagen dieser Duft sei das maskuline Pendant zu Mitsouko, so wie Habit Rouge als Shalimar pour Homme gilt – ich sehe das nicht ganz so. Derby fehlt es an der für Mitsouko so typischen Fruchtigkeit, der Duft ist unvergleichlich würziger und nur die Basis – vor allem der alten Fassung - weist gewisse Ähnlichkeiten auf. Doch auch hier entwickelt sich Derby in eine holzigere Richtung, während Mitsouko die herb-fruchtige, bitter-moosige Grundstruktur in allen Phasen geradezu durchdekliniert. Dennoch, im beziehungsreichen Guerlainschen Kosmos hat Derby die meisten Bezüge tatsächlich zu Mitsouko, ohne – in meinen Augen - einfach dessen maskuline Variante zu sein. Dafür ist der Duft dann doch zu eigenwillig und auch zu eigenständig.
Ganze zwanzig Jahre brauchte Guerlain um nach dem großen Erfolg von Habit Rouge mit einem neuen Herrenduft (der aber genauso für Frauen geeignet ist und von diesen auch häufig hymnisch gepriesen wird!) auf den Markt zu kommen – ein Zeitraum, den sich heute vermutlich kein Haus mehr leisten könnte. Damals aber war der Markt noch nicht so überhitzt und der Parfumeur arbeitete an einem einzigen Duft mitunter Jahre. Und meines Erachtens ist Derby so ein Duft dem man auch heute, in seiner nunmehr dritten Fassung, noch immer anmerken kann wie sehr an ihm gefeilt und mit welcher Sorgfalt er erarbeitet wurde – ein duftendes Kunstwerk! Nur leider verwendete man nicht dieselbe Sorgfalt an Verpackung und Präsentation des Duftes: die sogenannte ‚Eagle-Bottle’ war auch schon damals nicht wirklich schön, und vollends verunglückt die unter dem Motto ‚Barbare et très civilsé’ stehende Kampagne in den Medien. Das Model: ein Herr, mittleren Alters, mit markantem Kinn und monströser Fliege, irgendwie nach rechts oben ins Nichts schauend. Ein bisschen wenig für die hedonistischen 80er Jahre – man sehe sich dagegen an wie Antaeus von Chanel beworben wurde!
Nun, wie auch immer: Derby, obwohl von Kritikern wie Parfum-Enthusiasten gefeiert, war kein Erfolg beschieden (vielleicht hatte das Parfum auch einfach für seine Zeit zu wenig Sex?!) und nach nur wenigen Jahren verschwand es von den Regalen. Schließlich war es nur noch in Paris in einer neuen Aufmachung erhältlich, in der kurzzeitig alle Herrendüfte von Guerlain präsentiert wurden: in der sogenannten Habit-Rouge-Flasche. Vor kurzem erneut umgearbeitet (aufgrund der mittlerweile dritten Restriktion von Eichenmoos) ist es nun Bestanteil der exklusiven Reihe ‚Les Parisiennes’ - so gut und so delikat wie eh und je, nur etwas leichter und transparenter.
Luca Turin – der Derby zu den zehn besten Herrendüften zählt – beschrieb einmal das Verhältnis des Duftes zu seinem Nachfolger ‚Héritage’ wie folgt: „ Si Derby était le dream-car... Héritage est un superbe coupé...“ Er zählt auch zu meinen Traum-Autos.
Ein charismatischer Duft, eigenwillig und mit aristokratischer Attitüde, dabei nicht so gefällig wie Habit Rouge oder Heritage, was den Duft alles in allem etwas komplizierter macht, auf lange Sicht aber interessanter.
Jean-Paul Guerlains Meisterwerk!
Nachtrag 15.08.2010
Berichtet wird, dass J.P. Guerlain während einer Reise durch Tunesien vor dem großen Amphitheater in El Djem gestanden habe und das dieses, samt der Vorstellung, dass darin einstmals Pferderennen stattgefunden hatten, ihn derart faszinierte, dass er die empfangenen Eindrücke in einen Duft fließen lassen wollte. So inspirierten ihn die Arena und die vergangenen Wagenrennen zu seinem Duft Derby, den er zunächst ‚Centurion’ zu nennen gedachte, des alt-römischen Bezuges wegen. Da dieser Name aber doch zu steif klang, entschied er sich für den auch im Pferdesport üblichen Begriff ‚Derby’.
Olfaktorisch betrachtet führt die Reise dann auch tatsächlich eher in Richtung Maghreb, als in das Heimatland der Pferde-Derbys, nach England.
Zu Beginn des Duftverlaufes entfaltet sich das Aroma eines arabischen Bazars: Frische Zitrusfrüchte und eine ungewöhnliche Minze eröffnen den Reigen, um einer ganzen Kaskade von aromatischen Gewürzakkorden, dominiert von Artemisia (Beifuß), Piment, Muskat und Pfeffer, den Raum zu öffnen. Einige Blüten gesellen sich im Herzen dazu: eine deutlich erkennbar Nelke, etwas Rose und Jasmin.
Im Fond schließlich: süß-harziges Labdanum und jede Menge bitteres Eichenmoos (zumindest im ursprünglichen Derby). Dazu kräftige Ledernoten und eine feine, dabei unaufdringlich animalische Nuance die den gesamten Duft durchzieht. Derby ist sehr langlebig – noch Stunden nach dem Auftragen entfaltet sich ein exquisites Aroma von edlem, poliertem Holz und Würze, und der gesamte Duftverlauf ist fein austariert: alles fließt geräuschlos ineinander und vereinigt sich zu einem breit und mächtig dahin ziehenden Fluss.
Viele sagen dieser Duft sei das maskuline Pendant zu Mitsouko, so wie Habit Rouge als Shalimar pour Homme gilt – ich sehe das nicht ganz so. Derby fehlt es an der für Mitsouko so typischen Fruchtigkeit, der Duft ist unvergleichlich würziger und nur die Basis – vor allem der alten Fassung - weist gewisse Ähnlichkeiten auf. Doch auch hier entwickelt sich Derby in eine holzigere Richtung, während Mitsouko die herb-fruchtige, bitter-moosige Grundstruktur in allen Phasen geradezu durchdekliniert. Dennoch, im beziehungsreichen Guerlainschen Kosmos hat Derby die meisten Bezüge tatsächlich zu Mitsouko, ohne – in meinen Augen - einfach dessen maskuline Variante zu sein. Dafür ist der Duft dann doch zu eigenwillig und auch zu eigenständig.
Ganze zwanzig Jahre brauchte Guerlain um nach dem großen Erfolg von Habit Rouge mit einem neuen Herrenduft (der aber genauso für Frauen geeignet ist und von diesen auch häufig hymnisch gepriesen wird!) auf den Markt zu kommen – ein Zeitraum, den sich heute vermutlich kein Haus mehr leisten könnte. Damals aber war der Markt noch nicht so überhitzt und der Parfumeur arbeitete an einem einzigen Duft mitunter Jahre. Und meines Erachtens ist Derby so ein Duft dem man auch heute, in seiner nunmehr dritten Fassung, noch immer anmerken kann wie sehr an ihm gefeilt und mit welcher Sorgfalt er erarbeitet wurde – ein duftendes Kunstwerk! Nur leider verwendete man nicht dieselbe Sorgfalt an Verpackung und Präsentation des Duftes: die sogenannte ‚Eagle-Bottle’ war auch schon damals nicht wirklich schön, und vollends verunglückt die unter dem Motto ‚Barbare et très civilsé’ stehende Kampagne in den Medien. Das Model: ein Herr, mittleren Alters, mit markantem Kinn und monströser Fliege, irgendwie nach rechts oben ins Nichts schauend. Ein bisschen wenig für die hedonistischen 80er Jahre – man sehe sich dagegen an wie Antaeus von Chanel beworben wurde!
Nun, wie auch immer: Derby, obwohl von Kritikern wie Parfum-Enthusiasten gefeiert, war kein Erfolg beschieden (vielleicht hatte das Parfum auch einfach für seine Zeit zu wenig Sex?!) und nach nur wenigen Jahren verschwand es von den Regalen. Schließlich war es nur noch in Paris in einer neuen Aufmachung erhältlich, in der kurzzeitig alle Herrendüfte von Guerlain präsentiert wurden: in der sogenannten Habit-Rouge-Flasche. Vor kurzem erneut umgearbeitet (aufgrund der mittlerweile dritten Restriktion von Eichenmoos) ist es nun Bestanteil der exklusiven Reihe ‚Les Parisiennes’ - so gut und so delikat wie eh und je, nur etwas leichter und transparenter.
Luca Turin – der Derby zu den zehn besten Herrendüften zählt – beschrieb einmal das Verhältnis des Duftes zu seinem Nachfolger ‚Héritage’ wie folgt: „ Si Derby était le dream-car... Héritage est un superbe coupé...“ Er zählt auch zu meinen Traum-Autos.
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