Scentimeter

Scentimeter

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1 - 5 von 7
Scentimeter vor 2 Jahren 1 1
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
ein duftender Stummfilm von Gaunern, Kunstblumen und Galopprennpferden
Ein scharfer und nobler Duft steigt in meine Nase auf und in meinen Kopf, lässt dort eine Leinwand aufspannen, gebietet mit schneidender Stimme, am Projektor zu kurbeln beginnen. Es rattert, machinsch, gemahlener Pfeffer. Spannung + Vorhang, dann Vorspann. Was zu sehen ist:

(den Flakon habe ich zwar selber nicht, aber wie es so mit der Vorstellung ist – wie im Kino – es muss nicht alles haptisch vorhanden sein): Eine klare elegante Schrift auf einem weißen, um den Flakon laufenden Streifen, die wie ein Vorspann zu einem alten Film aufscheint. Fast erwarte ich, Eadweard Muybridges Rennpferd über den Streifen galoppieren zu sehen. Seriell und immer in Bewegung. ITINERIS: der Titel bedeutet – heimlich schaue ich bevor der Film beginnt nach – "Reise". Reise kann heißen, weg aber wohin? Seriell, und immer in Bewegung. Heißt es, Reise durch die Filmgeschichte? In meiner Interpretation findet diese Reise nur mit großen Hutschachteln und einem monochromatischen Kofferset statt. Aber zurück zum Flakon. Der dunkle, runde und geäderte Deckel (wie ein Zylinder auf dem Flakon) ist schlicht und schön – so stelle ich mir den Boden der riesigen Marmorhalle vor, die eine Gaunerfigur in der ersten stummen Sequenz in meinem Kopf jetzt durchquert. Das Schreiten wird plötzlich durch einen Eindruck gestört: Riecht es nach Chlor?
Unsicher schnüffelt die Hauptfigur, kräuselt die Stirn in der Großaufnahme, und fährt unbeirrt fort.

Leise nur von dem kurbeln der Projektoren begleitet und in einem Tempo, das gerafft ist wie Damenröcke beim Spung über ein Hindernis (sei es ein Bächlein oder die Leiche eines tyrannischen Ehemanns) fällt der Blick der Kamera, auf dem fließenden Stoff, auf die glizernde Hand einer Dame. In dieser Einstellung sehen wir edle Juwelen an Ringen, die weich gecremte Finger umfassen. Ihre geschliffene Form reflektiert das Licht, wirft es in Farben gebrochen zurück – in kapriziösen Scherben – und blendet mich im dunklen Kinosaal.

Der Seidenhandschuh stielt sich ins Bild, ergaunert, von klandestiner Diebeshand geführt, im Vorbeigehen einen Blumenstrauß. Ein Kunstgriff, künstlich? Sind die Blumen echt? Nicht? So ein Pech. Immerhin haben die Kunstrosen keine Dornen, die die kostbaren Handschuhe hätten perforieren können. Vorwärts: der Gang nicht gerade lässig, aber geschmeidig. Die falschen Blumen verschwinden unbemerkt unter dem dunklen Jackett. Die ersten Minuten sind so spannungsreich und scharf getaktet, dass ich fast nicht hinsehen mag. Dabei ist es doch so schön, was zu sehen ist:

Die Pomade im Haar und das Bouquet zurechtgelegt, beugt sich und küsst die juwelenbestückte Hand. Das skeptische Gesicht der reichen Dame, ihre schroffe, zusammengekniffene Mine, weicht einem wattigen Ausdruck: Moschusvernebeltem, vanillig verzückten Sandelblick. Amber und Psyche, oder was war das noch? Die weicher werdenen, stummen Blicke, die klimpernden Wimpern und die ratternde Linse singen mich in einen leiernden Schlummer, legen sich wie ein seidiger Schleier auf mir ab.

Den Rest vom Film habe ich nicht mitgekriegt. Bin eingenickt. Der Fortgang wird also hier nicht mehr aufgedeckt. Und mein Eindruck vom Stück? Ich weiß nicht recht. Das Schauspiel war ein bisschen aufgesetzt, aber irgendwie hat es mich trotzdem in seinen Bann genommen. Auch wenn der Stummfilm nur kurz dauert, hängen die Bilder noch lange nach.
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Scentimeter vor 2 Jahren 5
8
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
10
Duft
Jasminschatten und Kumquatlicht
Ich sitze auf einem abgewärmten Stein an einem Wasserfall im Jasminschatten (der kleine Sonnenspitzen hereinlässt wie ein Sonnenschirm aus weißer Spitze - der wenig funktional, dafür um so dekorativer ist) und die Sonne neigt sich ohne zu zögern in den Nachmittag herein. Die Sonne verhält sich zum Stein wie der Duft der Jasminblüten zu meiner Haut; legt sich darauf - so sanft wie ein Zitronenfalter und so angenehm warm, dass die betreffende Fläche (sei es nun Stein oder Haut) den Duft/das Licht am liebsten in sich aufnehmen möchte, sich dann allerdings doch mit einer unsichtbaren aber wahrnehmbaren Schicht zufrieden gibt. Selbstvergessen sitze ich da und Schrecken kurz auf: ich habe die Kumquats vergessen! Oder haben sie sich, von vorneherein verkleidet als bittersüßes Nachmittagslicht, in die Szenerie geschlichen? Das Wasser, dass, ähnlich wie das zitrische Licht, den Wasserfall herunter (oder aus dem Sprühkopf eines gelben Falkons?) fällt und bricht, flüstert dem Stein in aufschäumender Gelassenheit, mit flüsterndem Stäuben, Fabeln von der Vergänglichkeit ein. Der stoische Stein nebelt sich einfach immer wieder aufs Neue ein.
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Scentimeter vor 3 Jahren 5 2
Unrein Reimen mit drei Feigen
Heute habe ich drei Feigen einige Zeit gewidmet.
Es regnet, ich bin feige, bleibe im Haus und greife mir drei Feigen heraus, weil ich eine der drei in meine kleine den Düften geweihte Schrankseite zum bleiben einladen will. Eieiei: Welche Seite werde ich einnehmen? Welche der drei wird die meine sein? Keine einfache Entscheidung!
Sogleich schreiben sich in die Seiten meiner Hände drei Feigenschleier ein.
eins: Premier Figuier, drei: Figuier Eden. Einem der dreien entweicht nach einiger Zeit ein breitbeinig seifiger sandelholzig-moschus-geifernder Beiklang (Premier Figuier) – sein schmeichelndes Eifern scheint mir reichlich einseitig. Zu schwülstig schleimt er sich bei mir ein. Nein, scheint als sei Feige Nr. eins leider nicht meins. Bleiben noch 2 Seiten zwischen denen sich mein zweifelndes Nasenbein beileibe nicht entscheiden kann. Beide Feigen erscheinen beinahe zeitgleich, an Eitelkeit fehlt es keiner: Philosykos feiert das eigene Feigensein unbescheiden, weil er weiß: seine Echtheit bleibt zu beneiden – seine Feige ist ungemein rein und hat eindeutig nichts zu beichten: ein einzig von leise-pfeffrigem Pfeifen begleiteter, einfacher Reigen seiner Dreieinigkeit der Feigenbaumzweige: Feigenfleisch, Feigenzweige und paradiesisch grüne Blatt-Verkleidung – (verzeiht hier entgleitet mein "ei"-Schreiben vielleicht). Einfach und eigen. Leiser, seidiger, schleichender und feiner reibt sich derweil die Feige von Figuier Eden, beinahe heimlich an die Mandarinenscheiben, gleichzeitig verleitet sie der roten Pfeffer nicht klein beizugeben, der seichten, weißmilchig feuchten Feige Beine zu machen. Beide verweilen eine kleine Weile, leider keine Ewigkeit. Und ich? Ich kann mich nicht entscheiden...
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Scentimeter vor 3 Jahren 12 3
für die erste Ahnung vom Herbst
Ein einfacher, warmer, bisschen melancholischer, aber irgendwie abgeklärter Duft, wie ein Tag Anfang Herbst, an dem es zum ersten Mal so frisch ist, dass man sich etwas warmes anzieht und sich den Scharnieren des Jahres bewusst wird. Wie ein Tag, an dem man zum ersten Mal wieder eine Lederjacke trägt, und sich ein bisschen schick macht, aber nicht so schick, so dass man trotz all der nervigen patriarchalem Zuschreibungen, die der Weiblichkeit anhaften, noch ernstgenommen wird. Irgendwie geht es in allen Bildern, die mir zu diesem Duft einfallen, um Verschalungen; Zartheit in Lederjacke, warme Kleiderhüllen, die vor der frischen kühlen Luft schützen. Für mich kann der Duft beides, zart und ernst, melancholisch und aufgeräumt, warm und frisch, weiblich und wasauchimmer!
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Scentimeter vor 3 Jahren 4 1
Auf eine Tasse Wulong Chá
Nachdem ich gestern schon Thé pour un été getestet habe, wollte ich heute direkt weiter machen mit den teedüften, weil ich einen großen gefallen daran gefunden habe. Danke an BleuDQ! Ich muss sagen, dass mir die hesperidischen Noten in beiden Parfums sehr gut gefallen, weil sie herb-würzig sind, eher wie die Schale als das Fleisch, und auch nicht irgendwie aufdringlich spritzig oder so. Die Würze ist bei Wulong Chá auf jeden Fall auch sehr viel ausgeprägter als bei Thé pour un Été, aber dabei trotzdem fein, delikat, nicht abgebrüht oder stechend. Irgendwoher rieche ich auch das weiche Feigenfleisch, der Muskat ist klar erkennbar, beide Noten umwehen die Teenoten und wärmen den Duft ungemein auf der Haut. Trotzdem gleicht das herb hesperidische, irgendwie auch grünstängelige (keine Ahnung wo das herkommt, oder ich bilde es mir nur ein) diese Wärme auf der Haut aus und lassen den Duft trotzdem erfrischend wirken. Wie auch Tee einen gleichzeitig wärmen und dabei eine kühlende Wirkung haben kann, den Geist aufräumen und wach machen kann, so wirkt auch dieses Parfum auf mich (wahrschienlich einfach weil die Teenote so gut getroffen sind, da liegt es ja auch nahe dass man dieselben Dinge damit assoziiert.)
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