27.03.2012 - 07:01 Uhr
Ginger
23 Rezensionen
Ginger
Top Rezension
27
Minimalistisch und pur
Mir war nicht schlecht. Noch nicht.
Ich hatte sie doch so geliebt und genossen, jahrelang. Die dunklen und schweren, geheimnisvollen und verführerischen, opulenten und orientalischen. Und nun war nur noch dieser bedauerliche Zustand von Sättigung und Überdruss übrig, im wahrsten Sinne des Wortes die Nase voll. Nichts ging mehr. Ein Gefühl, als hätte ich zuviel von der Torte genascht.
Konnte es nicht ein Parfum geben, das natürlich, echt und lebendig war, und einfach, aber trotzdem schön? Ich brauchte was Grünes, ich wollte Blätter, Farne, Gräser und Stängel.
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Issey Miyake wollte einen Duft herausbringen, der so schön sein sollte, wie die Luft, die wir atmen, die reine Gebirgsluft seiner Heimat Japan meinte er. 2009 war Japan´s Welt diesbezüglich ja noch in Ordnung.
Nach WASSER (L´eau d´´ Issey,1992) und FEUER (le Feu d´Issey,1998) nun also die LUFT...
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In einem Interview gestand Daphne Bugey, die Parfümeurin, deren Vorschlag sich letztendlich durchsetzen sollte, dass ihr diese Aufgabe zunächst gar nicht einfach erschien. Verständlicherweise, wer kann schon sagen, wie reine frische Luft riecht und diese anschließend in ein Reagenzglas bannen? Die Erinnerung an eine Fahrt in die Berge Java´s sei ihr kreativer Moment gewesen, erklärte die bildhübsche dunkelhaarige Französin. Dort auf 2000 m Höhe fernab jeder Zivilisation erschien ihr die Luft so frisch und klar, die feuchte Erde war leuchtend grün. Es folgte ihr Entschluss, einen grünen Duft zu kreieren und um I.M., dem Verbinder von Tradition und Hochtechnologie gerecht zu werden, sollten traditionelle und möglichst reine Zutaten Verwendung finden, als da wären: Galbanum, Eisenkraut, zweierlei Jasmin, Anteile einer Hyazinthe und Holz.
Galbanum, eine fenchelartige Pflanze, wurde schon im Altertum in Zentralasien zu Räucherzwecken verwendet. In der Parfumherstellung lange Zeit vergessen, wird die Wurzel nun wieder verwendet, um eine klackig-grüne Duftnote zu erzeugen. Bei "a Scent" wird er gesamte Duftverlauf von Galbanum getragen, die anderen Bestandteile treten nacheinander auf, und teilweise wieder ab.
Minimalismus scheint die Losung zu sein, um die sich hier alles dreht. Angefangen beim Namen, der mit "ein Duft" oder gar nur mit "ein Geruch" übersetzt werden kann. Ebenso der überaus schlichte, völlig farblose Flakon, der um nichts in der Welt ablenken soll von seinem Inhalt.
Auch die Kopfnote ordent sich dem Thema unter, frische Noten von Zitrone und Eisenkraut, auch genannt Zitronenverbene, das war´s. Der grüne Unterton ist auch hier schon erkennbar.
Schon kurz darauf kommt die Hyazinthe ins Spiel, verdrängt die Kopfnote und drückt dem Duft ihren Stempel auf. Kraftvoll bildet sie mit Galbanum die Herznote. In mein inneres Auge schleicht sich folgende Szene:
....Ich sehe mich in einem Blumenladen stehen, rundherum diese Frühlingsblüher und die Floristin hat begonnen, die Stiele meines Blumenstraußes auf eine Länge zu kürzen, wobei sich an den Schnittstellen winzige Tropfen des frischen Pflanzensaftes bilden...
Jedoch bin ich der Ansicht, dass hier die Toleranz mancher Liebhaber stark-blumiger oder orientalischer Parfums ein jähes Ende findet. Die leicht herbe Seifigkeit der Hyazinthe gepaart mit dem vitalen Grün ist wohl nicht jedermans Sache. Hyazinthe schwächt sich nur ganz allmählich ab, "a Scent" hat Zeit. Kurz bevor sie nach Stunden ganz verschwindet und Galbanum merklich weicher geworden ist, ereignet sich der magische Moment; ich meine hier wurde das Versprechen am besten umgesetzt: mit geschlossenen Augen nochmal einen tiefen Atemzug nehmen....als ob eine leichte Brise über eine feuchte Wiese streicht...
Dann gibt Galbanum ein kurzes Solo, bemerkt man aber nur auf Papier oder Stoff, auf der Haut geht der Übergang fließender vonstatten. Jasmin rollt heran, ganz sachte, blumiger werdend, nie süß und doch nicht von dieser Kraft der Hyazinthe, im Gegenteil. Mit der mittlerweile pastellenen Kräuter-Würz-Note bildet sie eine Basis von so zarter Konsistenz, dass ich mich frage, ob sie eine Wette mit den Fönwolken laufen haben, wer denn nun eigentlich feinstofflicher ist. Gemeint sind jene filigranen Gebilde, die bei uns im Süden der Republik wie zerissene Schleier reglos am klarblauen Firmament hängen, wenn warme Fallwinde aus Italien über die Alpen kommend in den kalten deutschen Himmel fahrn.
Genauso eine Witterung braucht der anmutige, sehr japanische Duft, um sich perfekt zu entfalten, laue Luft, im Winter mag ich ihn nicht auflegen. Und später dann, im Sommer bei flirrender Hitze und wenn in der Stadt drückende Schwüle herrscht, so wird das gar nicht so schlimm sein, denn ich trage die Illusion asiatischer Gebirgsluft an mir.
Faszinierender Gedanke.
Ich hatte sie doch so geliebt und genossen, jahrelang. Die dunklen und schweren, geheimnisvollen und verführerischen, opulenten und orientalischen. Und nun war nur noch dieser bedauerliche Zustand von Sättigung und Überdruss übrig, im wahrsten Sinne des Wortes die Nase voll. Nichts ging mehr. Ein Gefühl, als hätte ich zuviel von der Torte genascht.
Konnte es nicht ein Parfum geben, das natürlich, echt und lebendig war, und einfach, aber trotzdem schön? Ich brauchte was Grünes, ich wollte Blätter, Farne, Gräser und Stängel.
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Issey Miyake wollte einen Duft herausbringen, der so schön sein sollte, wie die Luft, die wir atmen, die reine Gebirgsluft seiner Heimat Japan meinte er. 2009 war Japan´s Welt diesbezüglich ja noch in Ordnung.
Nach WASSER (L´eau d´´ Issey,1992) und FEUER (le Feu d´Issey,1998) nun also die LUFT...
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In einem Interview gestand Daphne Bugey, die Parfümeurin, deren Vorschlag sich letztendlich durchsetzen sollte, dass ihr diese Aufgabe zunächst gar nicht einfach erschien. Verständlicherweise, wer kann schon sagen, wie reine frische Luft riecht und diese anschließend in ein Reagenzglas bannen? Die Erinnerung an eine Fahrt in die Berge Java´s sei ihr kreativer Moment gewesen, erklärte die bildhübsche dunkelhaarige Französin. Dort auf 2000 m Höhe fernab jeder Zivilisation erschien ihr die Luft so frisch und klar, die feuchte Erde war leuchtend grün. Es folgte ihr Entschluss, einen grünen Duft zu kreieren und um I.M., dem Verbinder von Tradition und Hochtechnologie gerecht zu werden, sollten traditionelle und möglichst reine Zutaten Verwendung finden, als da wären: Galbanum, Eisenkraut, zweierlei Jasmin, Anteile einer Hyazinthe und Holz.
Galbanum, eine fenchelartige Pflanze, wurde schon im Altertum in Zentralasien zu Räucherzwecken verwendet. In der Parfumherstellung lange Zeit vergessen, wird die Wurzel nun wieder verwendet, um eine klackig-grüne Duftnote zu erzeugen. Bei "a Scent" wird er gesamte Duftverlauf von Galbanum getragen, die anderen Bestandteile treten nacheinander auf, und teilweise wieder ab.
Minimalismus scheint die Losung zu sein, um die sich hier alles dreht. Angefangen beim Namen, der mit "ein Duft" oder gar nur mit "ein Geruch" übersetzt werden kann. Ebenso der überaus schlichte, völlig farblose Flakon, der um nichts in der Welt ablenken soll von seinem Inhalt.
Auch die Kopfnote ordent sich dem Thema unter, frische Noten von Zitrone und Eisenkraut, auch genannt Zitronenverbene, das war´s. Der grüne Unterton ist auch hier schon erkennbar.
Schon kurz darauf kommt die Hyazinthe ins Spiel, verdrängt die Kopfnote und drückt dem Duft ihren Stempel auf. Kraftvoll bildet sie mit Galbanum die Herznote. In mein inneres Auge schleicht sich folgende Szene:
....Ich sehe mich in einem Blumenladen stehen, rundherum diese Frühlingsblüher und die Floristin hat begonnen, die Stiele meines Blumenstraußes auf eine Länge zu kürzen, wobei sich an den Schnittstellen winzige Tropfen des frischen Pflanzensaftes bilden...
Jedoch bin ich der Ansicht, dass hier die Toleranz mancher Liebhaber stark-blumiger oder orientalischer Parfums ein jähes Ende findet. Die leicht herbe Seifigkeit der Hyazinthe gepaart mit dem vitalen Grün ist wohl nicht jedermans Sache. Hyazinthe schwächt sich nur ganz allmählich ab, "a Scent" hat Zeit. Kurz bevor sie nach Stunden ganz verschwindet und Galbanum merklich weicher geworden ist, ereignet sich der magische Moment; ich meine hier wurde das Versprechen am besten umgesetzt: mit geschlossenen Augen nochmal einen tiefen Atemzug nehmen....als ob eine leichte Brise über eine feuchte Wiese streicht...
Dann gibt Galbanum ein kurzes Solo, bemerkt man aber nur auf Papier oder Stoff, auf der Haut geht der Übergang fließender vonstatten. Jasmin rollt heran, ganz sachte, blumiger werdend, nie süß und doch nicht von dieser Kraft der Hyazinthe, im Gegenteil. Mit der mittlerweile pastellenen Kräuter-Würz-Note bildet sie eine Basis von so zarter Konsistenz, dass ich mich frage, ob sie eine Wette mit den Fönwolken laufen haben, wer denn nun eigentlich feinstofflicher ist. Gemeint sind jene filigranen Gebilde, die bei uns im Süden der Republik wie zerissene Schleier reglos am klarblauen Firmament hängen, wenn warme Fallwinde aus Italien über die Alpen kommend in den kalten deutschen Himmel fahrn.
Genauso eine Witterung braucht der anmutige, sehr japanische Duft, um sich perfekt zu entfalten, laue Luft, im Winter mag ich ihn nicht auflegen. Und später dann, im Sommer bei flirrender Hitze und wenn in der Stadt drückende Schwüle herrscht, so wird das gar nicht so schlimm sein, denn ich trage die Illusion asiatischer Gebirgsluft an mir.
Faszinierender Gedanke.
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