Sisyphos

Sisyphos

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11 - 15 von 143
Sisyphos vor 7 Jahren 29 14
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
The Hour of Tauer
Orange Star ist ein miss- bzw. unverstandenes Parfum - zumindest auf Parfumo Deutschland. In der englischsprachigen Community erfährt der Duft mehr Anerkennung. Zudem kann er bisher in der deutschen Fangemeinde nur selten beim männlichen Geschlecht punkten. Ich verstehe es nicht. Denn: Im Grunde bringt OS alles mit, um in unterschiedlichen Kontexten zum Einsatz zu kommen und von allen denkbaren Geschlechtern getragen zu werden. Der geht im Sommer im Schwimmbad zum Split-Eis und zur Vorweihnachtszeit zum Mandarinen-Schälen, im Büro an einem nicht enden wollenden Mittwoch und an einem noch weniger enden wollenden Sonntag im November-Regen. Aber: Der benötigt Zeit.

Der Auftakt ist wuchtig und scharf, keine Frage. Das verfliegt, ist doch klar. OS will wirklich nur spielen. Beim allerersten Test war ich irritiert, nach dem dritten ausführlichen Test habe ich den heiligen Orangenduft-Gral gefunden. Die Struktur des Dufts ist jedoch meilenwert entfernt von jeglicher Cologne-Stilistik; vielmehr könnte man einen leichten orientalischen Einschlag vermuten. Man darf OS auch nicht vorschnell in die Synthetik-Schublade stecken, der Duft ist ein Evolutionswunder. Und das Beste kommt bekanntlich zum Schluss. OS ist eine markante Fruchtbombe nach dem Aufsprühen und entwickelt sich mit viel Saft und Kraft auf der Haut über einen dezenten floralen Sidestep und ganz viele Stunden hin zu einem Ambra-Tonkabohnen-Schmeichler ohne Ende. Wer Concenrée d´Orange Verte von Hermès mag, muss doch mit Orange Star etwas anfangen können! Hier wie dort spielt Ambra eine zentrale Rolle, aber wer OS kennt, dem wird "Concentrée" blass und dünn vorkommen. Das eine ist die Idee, das Urbild, das andere das Abbild.

Der Tauer-Vibe schwingt auch hier immer mit. Auf Textilien ist OS märchenhaft schön und zeigt sich für meinen Geschmack noch einmal von einer etwas anderen Seite. Am nächsten Morgen riecht er in gewisser Hinsicht sauber und man selber wie bereits geduscht, ja, fast unschuldig. Projektion und Haltbarkeit sind bei diesem Spektakel ausgezeichnet. OS empfinde ich als verdammt lecker. Kein Reinigungsmittel, kein Chemie-Unfall. Wenn ich ihn über Nacht trage, bin ich am nächsten Morgen richtig überrascht, wie charmant sich der Duft entfaltet und wie souverän er sich gesetzt hat. Auf der Haut verschmolzen mit der eigenen "Persönlichkeit", sinnlich-ambriert - auf dem Schlafshirt eher fruchtig-frisch, dabei aber reif und weich. Mit Orange Star hat Andy Tauer einen sehr eigenständigen Orangen-Duft entwickelt, der sich nicht in seiner Andersartigkeit verliert, sondern bestens tragbar und dabei enorm komplex ist.
14 Antworten
Sisyphos vor 7 Jahren 23 10
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
This is the end, my only friend, the end
"I really don´t know. I think, it´s sufficiently complex and universal in it´s imagery that it could be almost anything you want it to be."
(J. Morrison)

Ein olfaktorischer Endpunkt
Das romantische Glotzen im epischen Theater
und der Wille zur gesellschaftlichen Veränderung
ein singuläres Ereignis
der Urknall, der Raum und Duft erst hervorbrachte
und die permanente Ausdehnung
der Yatagan (sic!) gegen das klapprige Klappmesser
ein Monument aus Stahlbeton und Liebe in einer geruchlichen Wüste mit Papiertigern und Duftwetterfähnchen

Inspiriert, so sagt man, von einer aphrodisierenden Paste eines zentralafrikanischen Stammes
oder einer Wurzel
oder einem Gute-Nacht-Kuss
oder dem Orakel
gnothi seauton
alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende

Grün, Gummi, Ozon-Frische, Seife
in your face!
Orangensirup und Blüten und Würze und wundersame Verästelungen im strahlenden Regen(-wald)
(dort ist ein Papagei!)
Alles geht schließlich so schön runter wie Kaba
und raubt mir den Verstand wie Ali Baba.
Dry down, Drydown!

Ich bin wieder on the road (sic!)
allein und einsam und mit Tränen der Bitterkeit
verwüstet und verwunschen
wühle ich aufgewühlt in der wütenden Erde
mit Körnern, mit Staub und mit Teer
ohne zu wissen warum
und bin plötzlich glücklich dabei
Akowa begleitet mich und steht mit mir über den Dingen wie Emil Cioran

Perfume Review? Yes, Son? I want to kill you.
Akowa? In want to ...
10 Antworten
Sisyphos vor 7 Jahren 15 8
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
6
Duft
Die Sache mit dem Wein und den Schläuchen ...
Um direkt mit der Tür ins Haus zu fallen: Loewe 001 Man ist kein schlechtes Parfum. Es ist samtig, mollig und wärmt wie Glühwein zu vorgerückter Stunde. Passt ganz hervorragend in die kalte Jahreszeit. Dass offenbar keine Iris drin ist, überrascht dann doch. Denn: Pudrig und ein wenig "papierhaft" ist der Duft schon, nur ist dieser Aspekt nicht so präsent wie bei anderen Vertretern dieser Duftrichtung. Mit einer gesalzenen Kardamom-Süße, die sich gewaschen hat, geht es jedenfalls erst mal los.

L001M will, so hat es zunächst den Anschein, neue Wege gehen, wandelt am Ende des Tages dann aber doch nur auf ausgelatschten Pfaden: Dior Homme (mit seinen Varianten, wenngleich das EdT als Vergleich wohl am ehesten taugt), Carthusia 1681 (Papier) oder - um mal einen neueren Vertreter zu nennen - L´Homme von Prada (mit dezentem Frische-Kick, aber sonst konventionell) sind eklatante Referenzen. Neuartig ist L001M jedenfalls duftthematisch nicht. Keine Kontrastierung, keine Wendung. Das ist fast ein wenig verwunderlich: Klar, Loewe ist keine experimentelle Geheimtipp-Schmiede, hat aber beispielsweise mit dem blauen 7 Loewe eine äußerst beachtenswerte Weihrauch-Spielart herausgebracht: Modern, schlank, drahtig, etwas überdreht-apfelig und dabei jeglicher sakralen Nähe völlig unverdächtig. Und auch sonst sind die Düfte dieses Labels, das sich im Niemandsland zwischen "Nische" und Mainstream zu bewegen scheint, einen Test wert. Gegen 7 Loewe wirkt Loewe 001 Man jedenfalls bestenfalls wie der nette Schwiegersohn von nebenan ...

Dass mit Zeder und Zypresse sowie Sandelholz ein holziger Drift initiiert werden soll, kann man kaum gelten lassen. L001M verharrt recht deutlich in seiner leicht langweiligen und gerade zu Beginn sedierenden Süße. Die ist im weiteren Verlauf zum Glück nicht allzu klebrig und die bloß angedeutete Holzigkeit ist nicht kratzig (wie bei Bleu de Chanel etwa) - das macht L001M tragbar und obendrein gefällig. Die Basis des Dufts liest sich kompliziert und suggeriert einen Touch Unsauberkeit. Ob es sich um eine self-fulfilling prophecy handelt, bleibt offen ... Die formale Beschaffenheit von L001M ist jedenfalls tadellos. Projektion und Ausdauer tun solide ihren Dienst wie der alte Dieselmotor in U96. Der Flakon ist sehr ansehnlich und wirkt klassisch-edel. Fazit: L001M ist zwar ein neuer Wein, doch in alten Schläuchen. Kann man aber auch mal trinken.
8 Antworten
Sisyphos vor 8 Jahren 19 7
6
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Neue Sachlichkeit
Das Werk "Perfumes The A-Z Guide" vom Godfather der Duftkritik, Luca Turin, ist ja mitunter ganz unterhaltsam, hat mich persönlich aber auch immer wieder genervt. Lapidare, in vielen Fällen einfach nur destruktive Kurzkritiken mit dem Mehrwert taiwanesicher Bedienungsanleitungen für den Leser. Unsachlich wie Zank um eine gemischte Tüte im Kindergarten. Und mit Vergleichen bemühter als diese hier. Wer in Knize Ten "a splendid strawberry top note" erkennt. Bitte schön. Und wer Vetiver Extrême von Guerlain als "vetiver disaster" bezeichnet, macht mir Angst, weil ich mich frage, wie so jemand dann echte Desaster bezeichnet, z.B. Spiele vom HSV.

Ich war also auf das Schlimmste vorbereitet, als ich die Seiten nach "Contradiction for men" von C. Klein durchblätterte. Und siehe da, da steht tatsächlich geschrieben: "... this one is laconically more expressive than most, shifting delicately from gray-citrus top to a woody-spicy heart and, most important of all, to an interesting drydown that does not smell like a shortage of cash, as most others do." Gern hätte ich erfahren, was für Luca Turin so interessant am Drydown ist. Vier Sterne gibt es dafür vom King of Scents. Unglaublich.

Cfm ist aus dem Jahr 1999 und hielt sich einige Jahre am Markt. Eine graue Maus ist der Duft auf parfumo. Ein völliger Außenseiter. Ich kaufte ihn um das Jahr 2004. Erster Job. Bürotaugliches Parfum gesucht. Dieses gekauft. Und schätzen gelernt. Auch heute, nach vielen Jahren, funktioniert Cfm tadellos bei mir. Und er hat tatsächlich etwas Funktionelles. Man wird einräumen müssen: Ja, der ist synthetisch. Ja, Abstrahlung und Ausdauer sind nur Mittelmaß. Ja, man wird kaum Komponenten erkennen können, mit ziemlicher Sicherheit jedoch Lavendel. Ich mag Lavendel sehr, in allen Ausprägungen. Hier wurde ihm jedenfalls jegliche Krautigkeit genommen. Es ist ein Labor-Lavendel. Egal. Riecht gut. Doch Koriander? Muskat? Finde ich nicht.

Cfm ist einfach. Fast simpel. Er riecht charmanter und fassettenreicher, wenn man direkt am Sprühkopf riecht und auf Kleidung, wenn der Wind ihn einem wieder um die Nase weht. Cfm ist unsüß und doch rund, der Auftakt kurz und dabei konventionell zitrisch (hier hätte ich eher auf Grapefruit als auf Limette oder Mandarine getippt). Dann kommt Sauberkeit. Frische Wäsche. Es ist eine blumenlose Serge-Lutens-L´eau-Mainstream-Frische mit etwas mehr Würze. Erst der Drydown ist pudrig und lässt ein wenig helles Holz frisch aus der Werkstatt erkennen. Aber die Pudrigkeit ist nicht übermäßig stark. Keine Dior-Homme-Pudrigkeit, eher eine eingezogene Handcreme.

Das alles klingt nicht besonders prickelnd. Sondern langweilig. Warum mir der Duft dennoch so viel Freude bereitet? Weil er es kann. Es ist in jedem Fall etwas, das nichts mit einer sentimentalen, verklärenden Rückschau zu tun hat. Was ich sehr an Cfm schätze, ist, dass er für mein Empfinden keine Duschgel-Assoziationen zulässt. Es ist kein aquatisches Parfum. Das ist eine negative Bestimmung. Und eine positive? Es ist vermutlich die entspannte Sachlichkeit (genau jene, die ich bei den Duftkritiken Luca Turins mitunter vermisse), die Cfm aus-/abstrahlt. Das Ganze gibt es, die Produktion ist ja längst eingestellt, für rund 18 EUR in diversen Internetshops (50 ml). Ein absoluter Schnapper. Und tragbarer als Jeans obendrein.
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Sisyphos vor 8 Jahren 21 11
8
Flakon
4
Sillage
4
Haltbarkeit
8
Duft
Reduce to the max
Der Werbeslogan von Mercedes-Benz für den Smart meint so viel wie: Weniger ist mehr. Und wenn dieser Ausspruch auf ein Parfum der vergangenen drei, vier Jahre aus dem sogenannten Mainstream-Bereich zutrifft, dann vermutlich auf Bottega Veneta pour Homme EdT aus dem Jahr 2013. Man findet hier gar einen derart dezidierten Reduktionismus vor, dass man sich bei Bottega Veneta offenbar recht schnell veranlasst fühlte, eine "Extreme"-Variante nachzulegen.

Es ist sinnlos, hier einzelne Duftbestandteile abzuleiten. Abgesehen von sehr feinem, sehr hellem Leder. Hier bleibt sich das Haus Bottega Veneta treu. Und obwohl der Start im Grunde nichts Zitrisches preisgibt, ist BVpH wenn auch nicht frisch im eigentlichen Sinne, so doch ein wenig gestriegelt. Der Gesamteindruck ist samtig, clean und gepflegt. Die Würze ist bloß hintergründig, das Holz ist ganz glatt geschliffen und poliert, hat aber absolut nichts Vanilliges, wie man es beispielsweise von Parkettböden kennt. Das ist verdammt charmant. Und ja, es ist linear.

Die neuralgischen Punkte liegen auf der Hand: Ein Duft dieser Bauart verfügt weder über eine präsente Projektion noch über eine nennenswerte Haltbarkeit. Auch auf Papier und Kleidung vermag sich BVpH nicht richtig festzukrallen. Das alles geht schon deutlich Richtung Hautduft. Zu förmlichen Anlässen und im Büroalltag wird BVpH über das ganze Jahr allerdings eine richtig gute Figur machen. Und auch ein wenig ältere Semester finden hier ein vielseitig einsetzbares Herrenparfum ohne übertriebene Süße.

Die Stilistik von BVpH ist konsequent umgesetzt. Der Duft ist dezent animierend. Das ist durchaus wohlig und schmeichelt ungemein. Aber er spielt nicht, versucht nicht, den Träger candy-like zu überfallen und einzulullen. BVpH wahrt stets ein wenig Abstand. Wer damit nichts anfangen kann, wird dem Duft Einseitigkeit bescheinigen. Wer damit etwas anfangen kann, wird das Konzept gerade in der "Schlichtheit" schön finden. Schade nur, dass man nicht mehr auf die "Koniferen" gesetzt hat. Sie hätten dem Ganzen noch mal ordentlich Profil einhauchen können. So bleibt bestenfalls bloß die Ahnung eines Silberstreifs am Horizont, ein sanfter Flash, eine Tagträumerei.
11 Antworten
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