Skuhn

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Skuhn vor 1 Jahr 8 5
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8.5
Duft
Blumenschätze
Dein Pfefferminzdropsatmen baut Wolkenkronen
unter Veteranenbäumen,
fang mich, versteck dich,
auf frischgeschnittenem Rasen in nasskalter Winterluft.
Der Waldfriedhof ist unser Mulmholzreich,
in Gewändern aus Grasflecken und Laubabrieb speisen wir Waldbeerenmus.
Wie Könige.

Auf Schatzsuche in Blumengräbern
sammeln wir furchtlos sterbende Lilienkelche
aus zerfallenen Blätterreichen, regenfeuchter Wiesenerde.
Fang mich, versteck dich,
im stillen Ozean aus ätherisch-herben Koniferensäufzern.
Dunkles Blumenwasser funkelt an geröteten Händen,
und Pflanzenstängel saften in salzige Arme.
Wir legen leuchtende Lilienschätze auf vergessene Gräber
damit es die Fremden freut in ihrem uralten Schweigen.

Das Angelusläuten mahnt im Dämmerlicht,
jage dich über dunkelgrün-moosige Mauern,
„Hab dich“, pfeffere ich gesalzen.
Drück dich in ursprüngliches Wurzeldickicht,
mit Schweissregenperlentropfen
und Grasflecken-übersähter Leichtigkeit.
An den Fingern triumphiert Grabgesteckerde,
doch wir sind äonenweit und werden nicht im Treibhaus schwarz.
Stolpern heim in warmwürzige Stuben und sanfte
Kinderträume.
5 Antworten
Skuhn vor 2 Jahren 14 4
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Duft
Smoke on the Water
Amorem Rose ist der Dritte aus einer bisher 7 Düfte umfassenden Kollektion. Dahinter steckt die bald 20-jährige Zusammenarbeit von Shalini (Modedesignerin u.a. für Valentino, Shalini Parfum Gründerin) und Maurice Roucel (Symrise; z.B. Musc Ravageur, Rochas Man, 24 Faubourg, L'Instant, Insolence). Angefangen hat die Kollaboration durch eine Immobiliensuche in New York und die Kreation eines Parfüms für Shalini. Betont wird das Augenmerk von hoher Qualität der verwendeten Duftstoffe, wie hier in Amorem Rose bulgarisches Rosen-Absolue der Damaszener-Rose aus dem Tal der Rosen. Nicht verwunderlich, dass Amorem Rose als „eine Ode an die Liebe, die größte Liebe“ vermarktet wird. So soll Shalini ein Liebessonnett geschickt haben um die gewünschte Stimmung zu vermitteln, Maurice interpretierte es zu dem Duft:

"Ich liebe dich, wie man gewisse dunkle Dinge liebt,
im Geheimen, zwischen dem Schatten und der Seele.
Ich liebe dich als die Pflanze, die nie blüht, aber das Licht der verborgenen Blumen in sich trägt;
Dank deiner Liebe lebt ein gewisser beständiger Duft, aus der Erde aufgestiegen, dunkel in meinem Körper." (Pablo Neruda)

Mich erinnert der erste frisch-mentholig-würzige Auftakt an einen kühlen Abend auf dem Balkon mit Insektenschutz, eine leichte Brise bringt Zitronengras mit einer guten Portion Eukalyptus und etwas kieferigem, was eine tiefgründige, ätherische und unantastbare Aura schafft. Die folgende, würzige und minimal bittere Safrannote ist schön eingebettet, eher ledrig-rauchig, nicht erschlagend und zu keiner Zeit zu jodig-medizinisch. In Kombination mit der Rose driftet es nicht ins metallische ab, sondern bleibt mythisch-distanziert, bildet einen tollen Gegenpol und verhindert so dass die geheimnisvolle, respekteinflößende Rose zu schwer und oppulent wird. Das ledrig-rauchige zieht sich durch den ganzen Duft. Laut Maurice war 'Smoke on the Water' sein Arbeitstitel für Amorem Rose, da sich Shalini eine Rose mit Feuer vorgestellt habe. Und tatsächlich bilde ich mir manchmal ein diese alte, relativ unsüße Rose wäre von verbranntem Holz und rauchigem Leder umarmt, mit einem Hauch von sonnengewärmtem Thymian im Gewürzgarten. Das Schönste für mich ist der gleitende, sanfte Übergang in den hautnahen Drydown mit ambrierten, warmen und leicht rauchigen Hölzern. Auf meiner Haut süßer werdend, gediegener, in feiner Symbiose mit der exquisiten Rose und Safranwürze, was dem Ganzen eine sinnliche, abgerundete Komplexität gibt. Ich weiß nicht wie Mahagoni riecht, für mich ist da ein dunkles, pudrig-harziges Sandel-Guajakholz. So wird Amorem Rose am Ende weniger sphärisch zu einer greifbaren, wärmenden Erinnerung.

Wie bereits angedeutet wurde könnte das ein Rosenduft für Rosenskeptiker sein. Denn die Rose übernimmt nie die Oberhand und ist perfekt ins würzig-ambrig-rauchholzige Gesamtbild eingebettet, verliert sich nicht in unnötigen Details. Durch das kühl-würzige bleibt es eine abgeklärte, ernsthafte Rose. Ein No-Bullshit-Rosenduft, keine Spielchen, gradlining. Was mir diesen hochwertigen, gut gemachten Duft sehr interessant macht. Ein Abendduft, elegante Anlässe, Dates, nicht übersprüht auch im Alltag. Preislich anspruchsvoll: weltgewandter, kultivierter Luxus zwischen Bergdorf Goodman & Harrods, nächtigen im 'The Pierre Hotel' mit Blick auf den Central Park. Falls es nicht der limitierte Lalique-Kristall- oder der byzantinische Glasflakon sein soll, gibt’s Travelsizegrößen und reguläre Flakons.

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Assoziativ trägt mich Amorem Rose in den dunklen, kleinen Garten aus meiner tiefen Erinnerung. Links und rechts hohe, tiefgrün-moosige Mauern und undurchdringbares Dickicht. Im hintersten Ende, an der einzigen Stelle mit direktem Sonnenlicht, Sträucher von Rosa damascena vor der geweißten Wand. Üppige, rosa-samtige Blütenkelche, die zart das Gesicht kitzeln und mit feinem Duft berauschen.
Emotional ist Amorem Rose für mich nicht Liebe, sondern Erinnerung an Abschied.
Abschied von einer bedingungslosen Zuneigung. Die tief in einem verwurzelt ein Teil von einem ist. Ein Baum der aus einem Baum wächst. Und Entfernen bedeutet dieses Geäst mit den winzigsten Wurzeln herauszuschneiden, und danach ist Fleisch vom eigenen Fleisch nicht mehr. Ein Miteinander jenseits von Fassbarem, mit allen daraus folgenden emotionalen Konsequenzen. Verbundenheit die nicht von der Seite weicht, bis kein Schritt mehr zu gehen und kein Lied mehr zu singen ist. Einen nicht loslässt, bis man loslässt. Ein Seelenfreund, der die Hand hält bei der einen Fahrt, der über rauchiges Wasser, unter brennendem Himmel.

Für mich ein besonderer, sehr ausgewogener Duft der mich beeindruckt und berührt.
Diese zeitlose Rose hier, die ist knochentief in meinem innersten Sein verwurzelt und blüht leise hinter hohen Mauern, wie meine Erinnerung.
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Skuhn vor 2 Jahren 6 1
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7.5
Duft
Heaven & ein bisschen Hell

Anfang der 70er, irgendein Veranstaltungsort:

18h:
Verspätete Ankunft und direkt auf 100 in den Soundcheck vor VIP Publikum, das liebe ich 'Iron Man' ja, bin 'Paranoid'. Zum Glück können wir gleich bergamottig-frisch, wenn auch leicht herb loslegen, Kudos an Mike, der schon ne ordentliche Rumfahne hat. Wie irgendwie jeder hier, die Fahne bläst einem frontal mit nem Hauch Patchouli entgegen und zieht sich bis spät in den Abend. Hab mir für heut extra meine legendäre rote 'Monkey' 1964 Gibson SG Special vom Hard Rock Café zurückgeborgt (hing am Times Square).

18h30:
Meet & Greet Backstage. Das ist mal was anderes: Gigantisches Früchtebuffet und noch mehr Rum, daher also die Fahne. Der ganze Backstagebereich ist gehüllt in die Ausdünstungen der Rum-Passionsfrucht-Bowle. Komm mir vor wie auf nem Schiffsfrachter, der von den Tropen exotische Früchte, Rohrzucker und Rum in alten Bourbonfässern transportiert. Etwas spritziger Champagner und was Cremiges steht auch noch im Hintergrund rum. Schon ziemlich süß das alles, Flashbacks an Großvaters Eisdiele und unseren Süßigkeitenladen in Aston. Bin ja eigentlich ein Gourmand... Irgendjemand hat noch nen Strauß aromatischer, erdiger Blumen ans Buffet gestellt, möglicherweise Weißblüher mit ein paar vereinzelten Rosen. Die Vorbands? Lungern schon rum und schlagen sich die Bäuche voll. 'Symptom Of The Universe'. Mit etwas Langeweile.

20h:
Erste Vorband, Polka Tulk: Was für Rockstars, oh mann. Waren wir auch mal so?! Naja, Zeugs haben die. Diese angetrunkenen 'Lords of this World' brettern ziemlich würzig los. Die spielen alles völlig gegen die Zimtwand. Bevor das High Voltage-like eskaliert und die uns die Patch-Show stehlen muss ich mal ein ernstes Wörtchen reden. Glaub die haben weitere Gewürzfreunde am Bühnenrand stehen, meine sie zu kennen? Halten sich sehr bedeckt.

21h:
Zweite Vorband, Earth: Entgegen der Vorankündigung spielen sie heute Leder. Haben nen harten Start erwischt, das hätte man anders abmischen können, da ist kein Druck dahinter. Die hätten definitiv Van Halens M&M's-Trick versuchen sollen... Das was ich ausm Backstage mitbekomme ist dezent, nett, ein bisschen edgy, aber sehr massentauglich, trotz 'The Commanchies' Lederjacke. Nen Zigarettenzug, nen schneller Arabica-Kaffee – 'Born again'. Einspielen, schnell aufs Klo, Sänger einfangen. Das Früchtchen ist schwer zu greifen, ich folge der Rumfahne.

22h30:
Endlich, stage time, 'the Eternal Idol'! Die Luft ist warm, üppig süffig-süß, der Boden vor der Bühne plattgetretene, dunkle Erde. Wir bringen die Menge zum Kochen und zeigen wo der berauschende Patchoulihammer hängt! Das also war des Pudels Kern. Die Vorbands fügen sich gut ein und machen neben der Bühne ordentlich Party. Zimty begleitet uns sogar auf der Bühne würzig durchs Set, was ne Rampensau! Ledery im Background geht etwas im Soundgeflecht unter. 'Sabbra Cadabra', immer wieder streift mich ein sinnlicher Blumenhauch von Marias rosigen Wangen, hätte mans mir nicht gesagt hätt ich sie nicht gesehen. 'The Mob Rules', ist aufgeheizt und schwitzt den Alkohol aus. Es riecht nach harzigem Rauch, dabei hab ich Bill nicht angezündet. Ganz schön balsamisch, süßlich-würzig und ambrig menschelt es in der tobenden Meute!

1h:
Runterkommen backstage. Jemand kocht warmen Vanillepudding mit einem großen Holzlöffel, die Luft ist bereits mit süßlichem Patchouliambra gesättigt. Ich brauch mehr Zucker und schieb mir Karamell-Fudge rein. Das ist der cremig-balsamisch-süße Duft der Dunkelheit. Chillen ist schwierig, wer hat die alle reingelassen? Definitiv grad wenig Bock die selben Fragen again and again zu beantworten. It's 'Heaven & Hell'.

6h:
'When bed calls': Endlich Hotel. Marias Haare riechen nach Backstage, meine Haut nach erdiger Lederjacke. Ab in die Wanne und ne Runde bei Vanilleduftkerzen und Sinatra entspannen. Vielleicht sollt ich meinen Bart mal wieder ändern, was sagt Maria dazu? Noch kurz im weichen Moschusbett auf der Gitarre klimpern, bevor ich an warme, ambrige Vanille gekuschelt 'Into The Void' entschwinde...


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Epilog:

Nach dem offiziellen Tourende von Black Sabbath hätt ich ein Mitwirken an einem Parfüm nicht erwartet. Monkey SG special Gitarren mit Gibson, diverse Alben, Gastauftritte, klar, aber ein Parfüm?! Laut Tony interessiert er sich schon lange für Parfüms und began das Duftsammeln auf Tour, gibt an um die 80 Düfte zu besitzen (Cartier, Bond No. 9, Tom Ford,...). Sergio Momo soll er über seinen Freund Jimmy Crutchley kennengelernt haben, der ihm dann angeboten habe, sein eigenes Parfüm zu kreieren. Und nachdem er ihm eine Liste der Dinge schickte, deren Geruch er mag, wurden mehrere Testdüfte entwickelt und er suchte den aus, den er am meisten mochte und der dann weiter verfeinert wurde. Dass Sergio zum Instrumentalstück Scent of Dark auf der Gitarre beigetragen hat, find ich schließt gelungen den Kreis. Auch dass es der Kopf des Cartoonaffen von Tonys legendärer Gibson als punktförmiges Muster um die Flasche geschafft hat. Und dank Video weiß ich jetzt, dass man mit XerJoff-Flakons Billiard spielen kann...

Ich persönlich finde der Duft passt zur Person Iommis, und ich freue mich, dass dies nicht in die Klischee-Richtung abgedriftet ist, die vermutlich einige (inklusive mir) zunächst erwartet oder befürchtet haben. Das ist kein Duft einer jungen Metalband, die schocken und es bis ans Limit krachen lassen will. Als Film wäre der Duft „Almost Famous“, aber 40 Jahre später, mit verklärter, süßer Erinnerung an Abenteur, jugendlichen Leichtsinn, auf Tour abgleiten in eine andere Realität, ein verrücktes Universum grenzenloser Freiheit. Jahrzehnte später, nachdem man alles erreicht hat was man niemals zu träumen gewagt hätte, nachdem man Geschichte geschrieben und Genres erschaffen hat, mit der Aura eines gewissen Standings, man hat genügend gesehen, gelebt, muss nichts mehr beweisen.

Herausgekommen ist ein ziemlich komplexer, süß-würziger Gourmandduft, der Ausflüge in verschiedene Richtungen macht. Letztendlich dreht sich aber alles, mal mehr, mal weniger offensichtlich um Patchouli. Das zieht sich von Anfang an durch den Duft, plus die Süße (Frucht-Zimt-Zistrose-Karamell-Vanille). Dabei driftet es m.M. nie in die Schokoladen-Patch-Richtung ab, bleibt beschwipst würzig-ambrig. Leder seh ich hier maximal unterstützend, aber nicht tonangebend. Der 'Lord of this World' ist hier Patchouli, der 'Iron Man' an der Gitarre, der hervorragend eingebettet und abgemischt mit seinen Bandkollegen glänzen kann. Für Kilian-und Gourmand-Liebhaber, definitiv unisex. Ein Freizeit/ Abendduft mit erstaunlicher H/S, bis auf Hitzewellen find ich ihn Jahreszeit-unabhängig.

Mein Fazit? Der Duft ist ansprechend, interessant, gut, tragbar, rund. Für mich ein bisschen zu sehr auf der sicheren Seite, ein Mix aus funktionierenden Kombinationen mit einer attraktiven, exotischen Kopfnote, hätte ihn mir grenzgängerischer gewünscht. Der süßer-würziger-cremiger werdende drydown wird mir leicht zu viel, ebenso ists mir fast zu komplex. Anzumerken ist, dass mein Umfeld durchweg erstaunlich stark & positiv auf den Duft reagiert und an mir klebt (hoff nicht aus völliger Verweiflung ob meiner sonstigen Duftwahl). Für mich kein Kaufkandidat, aber meine Abfüllung werd ich benutzen und ans Wilde Leben denken.

(mit Dank an Neary).
1 Antwort
Skuhn vor 2 Jahren 5 1
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Duft
Er im Namen der Rose
Prolog: Für mich kein expliziter Lederduft, sondern eine bezaubernde, junge Strahlezistrosenrose in Ledersymbiose. Rosen sollte man nicht abgeneigt sein und eine generelle Toleranz für Safran, etwas Süße und Ouduntermalung mitbringen. Ansonsten könnte der Spaßfaktor begrenzt sein, da sich hier mM in erster Linie ein wunderschöner, in Leder gerahmter Rosenduft versteckt. Der Cavalier ist der Reiter, eine sonnengegerbte Ledereinheit mit dem Tier. Es ist aber auch der Tanzpartner, der die Rosendame für ihren großen Auftritt ins rechte Licht rückt. Und es ist der, der das Lederprotokoll nicht befolgt, entgegen gesellschaftlicher Etikette. Kein alter Ledersessel, kein Bianchisches Fellvieh, kein beerensaures Fruchtleder. Ich würd ihn nicht tragen, wenn ich Leder will, aber für die Rose... und beides zusammen... wirklich schön gemacht!

Kennenlernen war Anziehung auf den ersten Blick, unerwartet im Alltragstrott zwischen Tür und Angel. Während eines warmen Frühlingssamstagnachmittags. Die Pariser Straßen im 1eme um die Tuileries und den Louvre waren überrannt von Städtetriptouristen in zu sommerlicher Kleidung, die kamikaze und gutgelaunt auf Trottinettes vorbeirauschten oder geduldig bei Angelina anstanden. Dazwischen Pariser Jungvolk von der Rue de Rivoli, definitiv Wichtiges wild gestikulierend diskutierend, unkompliziert am Kir nippend oder die Ampel bei Rot überquerend zum Picknick auf Tuileries-Stühlen. Dazwischen Er und ich im Baumarktmarathon, oder fast, denn ich hatte getrickst. Zwischenstop: Parfümerie. Er wartete lieber draußen, um die offensichtlich bevorstehende Eskalation einzudämmen. Und nach würzigem, rauchigem, versautem und krautigem Leder: Hineingestolpert in die offenen Arme des Cavaliers, ein in Rosenextrakt getauchtes, hach, so schönes, safraniges Blumenblütenhonigleder! Sekundenschnelle Euphorie, anders als erwartet. Während Er genug vom Warten hatte und meiner irrationalen Anarchie gegenüber unserem Zeitplan Einhalt gebot: „Ich geh jetzt mal bei LeroyMerlin und Ikea weiter Parfüms testen...“.
Was? Jezt? Wir lernen uns doch gerade erst kennen! Ohne zu Zögern ungestüm aufs obere Handgelenk, meine roten Lederjackenärmel färben ab – Du erschütterst mich. Schlagartig bringt deine Safranpeitsche heißes, in Rosenöl gesalbtes Leder. Eine herbgewürzte Jodbombe explodiert im prallen Rosenbouquet, schwül, pulsierend, die verschreckte Mandarine versteckt sich schüchtern. Du katapultierst mich auf den alten Holzboden in einem ehemaligen Stall, Lichtstrahlen drücken sich durch trockene Holzbalken. Ich bin umhüllt von deiner glatten, griffigen Lederdecke, rauchiges Honigheu. Das Entfesselte beruhigt sich. Eine dicke Schicht aus betörenden, süß-pudrigen Rosenblüten begräbt dein Lederlacken, getunkt in Zistrosensafranhonigharz und einem Schluck Rum, trockene Lavendelhalme, erdiges Gras, weich, warm, sinnlich, gebettet auf dezenter Oudkohle. An mir bist du rot, zügellos, fordernd, opulent, berauschend, und lächelnd, zärtlich, echt. Du scheidest balsamisch leise, ein hingehauchter Rosenkuss, deine vertraute Vanillemoschusumarmung, ein Fuß der unter der zerwühlten Bettwäsche suchend nach mir tastet...

Draußen an der frischen Pariser Verkehrsluft schnupperte ich schmunzelnd an ihrem roten Handgelenk, nicht schlecht! Stundenlanger Baumarktmarathon bei Strahlewetter, mir wehte immer wieder alternierend ein Hauch Lederhandschuh oder Blumenstrauß ins Gesicht... Verweile doch! Du bist so schön! Auf ihrer Haut sehr körperlich-sinnlich, ein bisschen schwülstig, tierisch, auf Papier bleibt er ledriger, wenn auch hier eine starke Rosenpräsenz. Fazit am Ende des Tages, nach fleißigem Blumenkübeldurchparisschleppen und weiterem Hokuspokus: H/S immer noch beachtlich, sehr angenehm und stimmig.
Aber dieser Geruch... Zuhause hänge ich an ihrem rosigen, rotgefärbten Handgelenk, ich mag ihn sehr! Hab nie ein Parfüm besessen. Ich duldete ihre kleinen Eskapaden, fand es irgendwie interessant, wissenschaftlich betrachtet, wie wine tasting, mit für Außenstehende unbekannten Codes. Aber hier ist es anders. Ich will den Geruch wiederhaben. Jetzt. Sofort. Hat Sie es gekauft? Wann kauft Sie es? Kann Sie mir eine Probe bestellen? Ich will meine eigene Probe. Der Cavalier war sofort mein Mottenlicht, unwiderruflich. Mein Lederdetektor schlägt wenig an, für mich primär Rosen. Im Vergleich bleibt er an meiner Haut trockener, holziger, würziger, ein leicht staubiges, intensives Rosenleder mit durchscheinender Vanilletonka, gesitteter. Sie fragt mich warum, nach allen, hunderten Parfüms, es dieses eine ist das mich in Fesseln schlägt. Nun, weil ich Rosen liebe. Weil es mich an den Rosengarten meiner Eltern erinnert, an frühe Extraktionsversuche diesen Geruch zu konservieren, Blütenblätter-zerstossend auf der Wohnzimmerledercouch. Ein Flashback ins Studium, Praktika mit Geruchsproben und Extrakten. Und weil es mich an einen unbeschwerten, sonnigen Parisspaziergang mit ihr erinnert. Als hätte jemand den Vorhang weggezogen, nehme ich mit einem Mal Parfüms an Menschen wahr, eine zweite Stimme, eine undeutliche Tonspur, ich verstehe den Wortlaut nicht, aber Tonfall und Lautstärke erzählen mir eine Geschichte.

Er hat sich lange nur in dich gehüllt, täglich, mein Rosenkavalier. Heimlich hab ich deinen letzten Tropfen versteckt, seitdem testet Er sich durch meine Dunkelkammer. Ich mag dich, weil Du mich an dieses erwachte Kind erinnerst, dass neugierig in den Kaninchenbau kriecht. Das jetzt, durch dich, mit mir gemeinsam auf der anderen Seite des Vorhangs steht und im Wunderland fernen Stimmen lauscht. Denn du bist seine ersten Liebe, unerwartet im Alltagstrott zwischen Tür und Angel, am roten Handgelenk an den Tuileries. Du bist seine rosenerblühte Parfümbegeisterung. Eine Stimme die seine wird und im Halbschlaf Unbewusstes murmelt, während der Fuß tastet. Du bist der den man zu lieben beginnt, im sanften Vanillemoschusbett, lächelnd mit verblassender, wilder Rosenahnung, losgelöst vom Holzgerüst nach verstummter Animalik. Der selbe Moment, tausendmal erlebt, und dann ist es der eine Moment, der bleibt. Der, den man zu kennen glaubt, und der sich unerwartet eigensinnig in die Seele brennt. Sein Revier deutlich bemerkbar und langanhaltend markiert. Den man überall hin mit sich bringt, da seine Heimat naturgemäß überall bei einem ist. In den man die Nase vergräbt und sich gänzlich fallenlässt. Einfach. Echt.
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Skuhn vor 2 Jahren 25 3
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Duft
Careful with that axe, Hermann
Hermann begleitet mich schon eine Weile, obschon wir ein gespaltenes Verhältnis zueinander haben. Er ist too cool for school, on the road less travelled, rebel rebel, understatement am start und wer kann der kann. Er macht es mir nicht leicht, und genau das macht mich an. Unter meine Nase kam er dank ELdO Mitarbeiter, neugierig auf die Reaktion des sadistischen Dünenmädchens mit Affinitäten zu intensivem Nichts. Überlange Namen nerven mich, ebenso ist mir diese offensichtliche Synthetik grenzwertig, und Hermann knallt sie mir eklatant, diskret verblümt und... erstaunlich tragbar ins Gesicht. Obwohl nicht mein Typ, schmiege ich mich regelmäßig an diesen Stürmer & Dränger, diesen distanzierten Dunkelromantiker und kühlen Einzelgänger in meinem Duftfreundeskreis. Schattenhermann ist nüchtern, geht zum Lachen in den Keller und behauptet sich sonst gut. Er ist für mich verwirrened, seltsam sperrig, unauffällig auf Krawall gebürstet, und genau deswegen ziemlich sexy.
Ich suchte einen anderen Frischeduft. Und da war Hermann – kühl, sauber, voller Gegensätze und doch mitmenschenkompatibel und fesselnd. Ohne sonnige Zitrik und Aquatik, nix Pudriges zum Glätten, stattdessen grau und kantig.
Etienne De Swardt im Interview: „Hermann, it's the first gothic perfum we have in the landscape of the perfum industry. It is dark and at the same time very depressive but it is beautiful.“ (Persolaise, Ep. 88).
Ich rieche ordentliche Pfefferwürze unterlegt mit Blattwerk und abstrakter Synthetikfrucht. Präsenter werdender Weihrauch mit für mich stark zitrisch-holziger Note, immer noch pfeffrig. Das zusätzliche Kitzeln in meiner Nase erinnert mich an Frühlingsgewitter, im Freibad mit dem Geruch von verdunstetem Chlorwasser auf Beton, Minimalrasen und Schwimmgeländer. Er klingt artifiziell aus, nicht sehr erdig, immer noch irgendwie frisch-grünlich, ganz dezent süß. Herman ist gradlinig, erstaunlich haltbar und zu fortgeschrittener Stunde ziemlich körpernah. Zuviel von diesem undurchsichtigen Chamäleon macht mir jedoch das Gift, dann haut er mir die Chlorophyll- und Waldboden-getränkte Holzaxt kräftigst um die Ohren. Dann kettet er mich mit kaltem Aluminum an einen hochprozentigen Chlorpool, Nachts im Kubawald.
Ich bin skeptisch, ob das was Längeres mit uns wird. Anziehung ist da aber es ist keine große Liebe. Mein Verhältnis zu ihm ist zunehmend gespalten. Unter der tragbaren, unkomplizierten Oberfläche bockt er mich ziemlich an. Mein Busen drängt sich nach ihm hin, und an anderen Tagen, Hermann, da graut's mir vor dir. Trotz meiner Ambivalenz ihm gegenüber, trotz seiner für mich stellenweise beißenden Synthetik und seiner unbeugsamen Dominanz in Layerversuchen, kommt er bemerkenswert regelmäßig zum Einsatz. An manchen Tagen nur minimal dosiert auf Armlängendistanz, sonst scharre ich im Drydown unruhig mit den Hufen. Gleichzeitig klebe ich mit meiner Nase an dieser wohldosierten Adrenalinspritze. Bin ich entspannt ist auch Hermann entspannt, dann flüstert er frisch-lockend, und ich genieße diesen Sonderling an mir, blind für seine Schatten.

Epilog: „Hermann à mes côtés me paraissait une ombre“

ist eine Zeile aus dem Gedicht À quoi songeaient les deux cavaliers dans la forêt von Victor Hugo (google bonjour poesie + Titel + Autor). Auf mein skeptisches Fragen nach Henne & Ei die Antwort, dass das Gedicht wirklich Ursprung des Dufts sei. Ob Marketingstrategie oder Parfüminspiration, wie nah Duft und Gedicht beieinander sind ist wohl subjektiv. Es spiegelt mein Duftempfinden relativ gut wieder, insbesondere die Dissonanz und das Halbverborgene. Hermann empfinde ich als persönlich, bei Zeiten bizarr und aufwühlend, dabei auf eine verquere Art anziehend und ausgesprochen schön, wie das Gedicht. Der Unterschied ist dass das Gedicht für mich über schwermütige Romantik hinaus geht, tiefschwarz und sehr finster ist. Für Interessierte hier eine krumme Übersetzung von Vicors Meisterwerk. Vieles funktioniert nicht, weder die für eine subtile Unruhe sorgende Dynamik, noch die Präzision, die beeindruckende Vieldeutigkeit bei Wortwahl, Zeit... Es ist zum Niederknien!

Woran die beiden Reiter im Wald dachten
Die Nacht war tiefschwarz und der Wald sehr finster.
Hermann an meiner Seite erschien mir wie ein Schatten.
Unsere Pferde galoppierten. In der Obhut Gottes!
Die Wolken am Himmel sahen aus wie Marmor.
Die Sterne flogen durch die Äste der Bäume
Wie ein Schwarm von Feuervögeln.

Ich bin voll von Reue. Gebrochen vom Leiden,
Hermanns tiefer Geist ist leer von Hoffnung.
Ich bin voll von Reue. O meine Liebsten, schlaft!
Nun, beim Durchqueren dieser grünen Einöden,
Sagt Hermann zu mir: "Ich sinniere über halboffene Gräber;"
Und ich sage zu ihm: "Ich denke an nun verschlossene Gräber."

Er schaut nach vorne: Ich schaue zurück,
Unsere Pferde galoppierten über die Lichtung;
Der Wind trug uns fernes Angelusläuten zu; sagt(e):
"Ich denke an diejenigen, die von der Existenz geplagt sind,
An die, die sind, an die, die leben. - Ich, sag(t)e ich,
Ich denke an die, die nicht mehr sind!"

Die Brunnen sangen. Was sagten die Brunnen?
Die Eichen murmelten. Was murmelten die Eichen?
Die Büsche flüsterten wie alte Freunde.
Hermann sagt(e) zu mir: "Niemals schlummern die Lebenden.
In diesem Augenblick weinen manche Augen, andere Augen wachen/sind wach".
Und ich sag(t)e zu ihm: "Ach! Die anderen schlafen!"

Hermann fuhr dann fort: "Das Unglück, das ist das Leben.
Die Toten leiden nicht mehr. Sie sind glücklich! Ich beneide
Ihr Grab, wo das Gras wächst, wo die Bäume sich entblättern.
Denn die Nacht streichelt sie mit ihren sanften Flammen;
Denn der strahlende Himmel beruhigt alle Seelen.
In allen Gräbern auf einmal!"

Und ich sag(t)e zu ihm: "Sei still! Respekt vor dem schwarzen Mysterium!
Die Toten ruhen liegend unter unseren Füßen in der Erde.
Die Toten, das sind die Herzen die dich einst liebten!
Das ist dein Engel, der nicht mehr ist! Das ist dein Vater und deine Mutter!
Lasst sie uns nicht mit bitterer Ironie betrüben.
Wie durch einen Traum hören sie unsere Stimmen".

Une songerie sur la mort als Zwiegespräch mit dem Alter Ego Hermann. Das Gedicht erschien Oktober 1853 in Les Contemplations, soll aber 1841 entstanden sein, inspiriert von Rheintalreisen. Zu einer Zeit wo Hermann einer der meistvergebenen Namen in Deutschland war und das Hermannsdenkmal erbaut wurde. Im Gedicht prallen im ambivalenten Dialog zwischen lyrischem Ich und zweifelhaftem Schatten-Ich zwei Vorstellungen vom Todesmysterium aufeinander. Es beginnt als surreale Träumerei in eine tiefschwarzen Nacht, in eine grüne Waldeinöde, das Spirituelle, Gemeinschaftliche ist weit fort (Kirchturmuhr in der Ferne), geheimnisvoll und unheimlich, ganz germanische Ballade. Kontraste & Widersprüche für den inneren Konflikt: Finster-Licht, Bewegung-Stillstand, Leichtigkeit-Schwere, nah-fern, fließen-stocken, Leben vs. Tod. Das zerissene Ich zwischen halboffenen Gräbern (sein unausweichlicher Tod) und verschlossenen Gräbern (die verstorbenen Geliebten). Hermann schaut nach vorne auf den Tod der das hoffnungslose Leiden beendet, das Ich schaut bereuend zurück auf den Verlust der Geliebten. Ist empört von Hermanns Nihilisms, den Tod als besser als das Leben zu betrachten. Denn die Natur sei unsterblich, Leben sei unsterblich, das Alter Ego betrübe die Geliebten mit respektloser, bitterer Ironie. Am Ende gebietet das Ich dem lebensverneinenden, todessehnsüchtigen Schatten zu schweigen, im finstren Wald.
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