Smitty

Es war Herbst 1989.
Die Botschaft in Warschau war nicht zu finden, die normale Adreese galt nicht, dort hielten sich die DDR Buerger auf, die es satt von dem besten System der Welt hatten. Ich auch, na ja, zwar wurde es uns so von den Medien und Regierenden angepriesen, aber die Wirklichkeit sah anders aus und wehe, wenn jemand es anders meinte.
Ende 80 ziger, war das beste System der Welt in Polen so schlimm, dass ich nur einfach, wenigstens fuer ein Jahr, in den Westen wollte, wo es alles gab, wo es Menschen so gut ging und alles so bunt war. Ich wollte nach West Berlin als Au Pair, war unheimlich motiviert, dort zu lernen und zu arbeiten.
Es war ein Wunder, aber ich habe die neue Botschaft gefunden und das Visum bekommen, fragt nicht, wie, daraus muesste eine kleine Novelle oder ein Thriller enstehen ;)
Ende Oktober kam ich nach West Berlin, ich musste 7 Stunden mit dem Zug fahren, normal 4, erinnere mich an die Menschenstimmen aus riesen Demos, die ich aus dem wartenden Zug entnahm.
Am 9.11 als ich wie immer zum Deustchkurs ging, sah ich vor der Bank viele Polen stehen, falsch, schon im Kurs hat es sich herausgestellt, es waren die DDR Buerger...Się bekamen Begruessungsgeld und durften einfach so nach West Berlin. Wunder!
Ich wohnte nicht weit vom Ku_Damm, damals war das DIE Strasse, fuer mich ein Maedchen aus dem Osten, ein Paradies, ein grosses wunderschoenes Weltstueck, zum Flanieren, Bewundern, sich mit neuen Freunden beim Berliner Klops zu treffen, im Europa Center bei der Wasser Uhr oder im Kino, um "Wenn Harry Sally traf" zu sehen...
Irgendwo da, weiss nicht mehr in welchem EInkaufshaus, vielleicht Wertheim, eher nicht in Woollworth, da gab es nicht so schoene Duefte, habe ich in einem Regal ganz hinten eine schoene Flasche entdeckt, blau, mit goldenen Verzierungen.
Ich war so jung, Duefte kannte ich nur von kleinen komischen Zeitungskiosks, so war es bei uns in Osteuropa, keine westlichen teuren, hoechstens von Bourjois Flamme, Evasion oder von Coty Masumi, oder Smitty.
Hier in West Berlin begann mein grosses Parfum und nicht nur Abenteuer.
Aber an Byzance und den Moment, wo ich den Duft kennenlernte, kann ich mich bis heute noch sehr gut erinnern. Es roch nicht so schwer und ernst wie die anderen z.B. Samsara oder Coco, wo ich nicht wusste, wohin mit meiner unerfahrenen Nase. Byzance war anders, lieblicher, geschmeidiger, ruhiger und fruendlicher, doch geheimnisvoll, suess und sooo weich, so dunkelblau wie der wunderschoene Flakon. Mich hat da auch eine besondere Note angezogen, heute wuerde ich auf Jasmin und Tuberose mit Heliotrop und Sandelholz tippen, eine goldene etwas trockene Note. Alles in feinen warmen cremigen nicht zu ueberladenen Aldehyden getuenkt.
Heute besitze ich den Schatz, von dem ich damals nicht mal traeumte, dass ich mir so einen Luxus goennen koennete, die 200 DM, die ich monatlich bekam, habe ich gespart, wie verrueckt, um meiner Mama nach Polen Geld zu schicken, damit się sich endlich eine Waschmaschine leisten kann. So ein Duft lag nur in meinen Traeumen, war unerreichbar.
Die DDR gibt es nicht mehr, Berlin hat sich veraendert, Ku Damm ist nicht mehr DIE Strasse, Polen hat viele schoene Perfumerien,.., nur meine Liebe zu Byzannce ist gleich geblieben :)
Und Ideologien?...……..Die mag ich immer nicht.

Jahre sind es her, als ich mich auf Anhieb in der, damals absoluten Neuheit verliebt habe: Tendre Poison. Das leuchtende Gruen, frisch und heiter, vertraeumt und sooo maedchenhaft! Ich begehrte den Duft und den Flakon! Ich war ein Maedchen und Tendre Poison war wie fuer mich geschaffen! Die Farbe, der giftige blumig suesse Traum Duft!
Und heute? Immer noch schlendere ich in Parfuemerien und...sehe einen runden rosa Flakon, schimmernd, leuchtend. So schoen! Ich bin kein Maedchen mehr, doch tief in der Seele bin ich die gleiche geblieben und fuehle mich von der schoenen Flasche magisch angezogen, meine Augen, die jetzt zum Lesen eine Brille brauchen und von immer mehr Falten umrundet werden, leuchten und ich greife wie vor Jahren, neugierig nach dem Parfum. Diesmal: Girl Poison!
Unexpected soll es sein, das rosa Gift mit ein wenig schwarz...
Nein, vom Poison ist nix hier, und auch sonst alles expected, also das, was man/frau/maedchen aus dem Original Girl kennt: Mandeln, Tonka, Rose und Vanille. Aber es ist doch etwas anders: es beginnt mit einer heiteren Portion an Frische: Imbir soll es sein, aber es ist sehr harmonisch mit Vanille und Jasmin vermischt. Im Drydown kommt eine zarte etwas wuerzig - frische dennoch mandelige warme suesse Puderwolke zum Vorschein.
Unexpected ist aber mein Fazit: von den 3 Poison Girls finde ich diese am schoensten: etwas vertraeumt, ziemlich maedchenhaft, doch nicht naiv oder zu girly: einfach charmant, freudig und leicht, wie ein rosa Sonnenschein mittem im dunklen tristen Winter! Das brauche ich jetzt so sehr, das bisschen rosa, wie damals das bisschen Gruen :)

Haltbarkeit und Sillage in Ordnung.

Bald ist Valentinstag und ich ueberlege, sollte ich mir diesen Sonnenschein zum Fest der Liebe goennen? Man muss sich doch erst selbst lieben, damit die anderen uns auch lieben...oder so aehnlich? ;)
Das Gruene Gift bringt so viele Erinnerungen, vielleicht bringt sie auch das Rosa nach Jahren? :)

Kann es sein, dass ein Duft eine oder zwei Traenchen im Auge verursacht?
Vielleicht ist das mein Alter, vielleicht liegt es an dem tristen als ob Winter eher Herbst oder frueher Fruehling Wetter, vielleicht liegt es an meiner unverbesserlichen sentimentalen Natur, aber Royal Muska hat mich heute auf eine Zeitreise in die Vergangenheit genommen...zu Menschen, die es nicht mehr gibt, zu den Plaetzen, die nur in meinen und Erinnerungen nicht mehr vieler Menschen existieren.
Und wieder muss ich feststellen, wie wichtig unsere Kindheitserinnerungen sind, wie schoen, dass ich manche ueberhaupt habe.
Meine Oma, Jahrgang 1905 wohnte in einer eher kleinen Wohnung aber diese war wie aus einer anderen Welt, zumal rundherum der einfallslose und einheitliche Kommunismus herrschte, die Qualitaet war damals ein vergessenes und unbedeutendes Wort.
Die Wohnunhg meiner Oma bestand kommplett aus Moebeln, die sie massgeschneidert noch kurz vor dem Krieg bestellte, alles natuerlich aus schwerem massivem Holz und sehr in 30 ssiger Jahre Look, dazu viele Sachen aus 20 ziger und sogar frueheren Jahren, die zahlreichen alten Sepia Fotos nicht vergessen, mit den eleganten Frauen in aufwaendigen Frisuren, langen Kleidern, breiten Kragen und vertraeumten Blicken...
Meine Oma war sehr elegant. Und dank ihr behalte ich bis heute viele interessante und einzigartige Dufterinnerungen, Dufterfahrungen und Duftentdeckungen, gepaart mit dem schoenen Ambiente ihrer Wohnung sitzen sie fest in meinem Gedaechtnis und mit den Jahren beginne ich sie immer mehr zu schaetzen.
Endlich komme ich zum Punkt. Denn dank Royal Muska habe ich mich wieder an etwas erinnert, was unentbehrlich mit meiner Oma verbuneden ist: mit ihren feinen cremefarbenen Handschuehen, aus feinstem duennen Leder. Sie waren schon etwas verbraucht, aber sie waren ein Synonim fuer ausgesprochene Eleganz. Meine Oma trug sie im Sommer zu leichten Kleidern, aber vor allem wenn sie in die grosse alte Kirche ging.
Ja, was soll ich eigentlich noch zum Duftverlauf schreiben, wenn fuer mich Royal Muska einfach meine Oma, ihre Eleganz, ihre Distanz und diese schoenen Handschuhe darstellen, dazu ihre ewige Unzufriedenheit und Unglueck, denn ihre Mutter ist bei der Geburt des 10 Kindes gestorben, als sie 12 war und auf einmal musste sie aus Deutschland nach Polen gehen, in die Familie ihres Vaters, ohne die Sprache und die Leute zu kennen...
Dennoch war sie meine Oma, auch wenn nicht mit einfachem Charakter aber mit so vielen spannenden Geschichten, die ich immer in ihrer Wohnung, Moebeln, Fotos und...cremfarbenen hauchduennen ledernen Handschuhen fand.
Eins will ich noch klaeren. Der Duft ist gar nicht altmodisch, altbacken oder omamaessig. Nein. Aber ich finde, er hat diesen heute kaum vorkommenden Touch von Eleganz, den man heute, in Zeiten der bequemen Sportschuhen und immer oefter auf den Strassen getragenen Sportanzuegen, kaum erleben kann. Insofern eine Raritatet :)
Sillage und Haltbarkeit von Royal Muska sind mittelmaessig. Aber fuer dieses Stueck Erinnerung, das mich fast zum Weinen ruehrt, wuerde ich den Duft sehr gerne tragen....zu bestimmten eleganten Anlaessen, wie frueher meine Oma ihre Handschuehe trug.

Es ist schon unglaublich, wie die Mode vergeht, dabei habe ich den Eindruck, das waere gestern.

Mitte achtizger, der duestere Kommunismus tobt.
In meiner Schule eine neue Biologielehrerin. Weisser grosser Kragen, Schulterpolster und die Frisur a la Alf ( steif stehender kleiner Pony uber der Stirn) .
Sie sitzt an einem langen Schreibtisch, ich hasse Biologie, aber die neue junge und attraktive Lehrerin duftet himmlisch. Der Duft ist so weiss, sauber, weich, kremig, weiblich und stark! Irgendwie erfahre ich ( vielleicht von der Lehrerin), dass der Duft Smitty heisst! Von nun an, traeume ich von Smitty!

Nach paar Jahren, schon als Studentin Anfang neunziger bekomme ich den Duft von meiner Mama zu Weihnachten.
Smitty ist schon anders verpackt, der Kommunismus ist zu Ende, ich kann ueberall reisen und mein Land ist endlich frei. Ich beginne neue Parfums zu entdecken und es gibt sie jetzt nicht nur in PeWeX also in den speziellen Laeden, wo man nur mit Dollar zahlen kann, sondern in neu entstehenden Parfuemerien mit westlichen Parfums! Smitty ist nicht mehr sooo ein Traum...da gibt es jetzt viele andere.

Doch nach so vielen Jahren bleibt die Erinnerung an diesen wunderschoenen Duft immer noch stark.

Heute habe ich die Probe auf meinem Handgelenk. So viel Eichenmoos habe ich nicht vermutet, auch die holzigen Nuancen, der Duft ist stark, ich spuere auch die weiche kremige Note, nur...man spuert auch die Jahre, dass der Duft den Chypres entspringt, die gleiche Familie, Smitty ist fast maennlich, ziemlich altmodisch und nicht so weiss, eher grau gruen. Die warme weiche Note finde ich auch heute - Aldehyde, sie ist sehr angenehm, nicht zu stark aber mir ist das Parfum zu vintage, zu altmodisch, einen Tick zu maennlich sogar.

Smitty passte zu den weissen grossen Kragen, zu den gepolsterten Jacken, zu U2, Madonna und George Michael, zu pinkem Lippenstift, blauem Lidschatten, plastik Schmuck und unbedingt einem grossen Ohrring im Ohr.

Heute passt Smitty zu mir nicht, Die Mode aendert sich, die Zeiten auch...

Die Lehrerin habe ich vor einiger Zeit in einem Laden getroffen: eine immer noch attraktive gepflegte Mittfuenfzigerin, in Polen gibt es ueberall Sephoras, Douglas und zig andere Laeden, reisen kann ich immer noch, nur habe ich jetzt etwas Angst zu reisen...

Smitty gibt es nicht mehr und...meine Mama auch.
Aber die Erinnerung an diesen Duft, an diese Zeiten und diese Menschen, die bleibt.

Sillage und Haltbarkeit sehr sehr gut!

Die Probe behalte ich, sie gehoert in den Karton mit meinen kleinen Erinnerungsschaetzen :)

In mir steckt eine alte Tante und das schon seit frueher Kindheit!
Mit Begeisterung habe ich immer Bekannte meiner Oma beobachtet, ihre Huete und Kostueme, ja ich bin so alt: in meiner Kindheit trugen die eleganteren Frauen Kostueme, also Zweiteiler: ein Sakko und ein Rock, aus dem gleichen Stoff. Dazu Schmuck, alles wurde von mir sorgfaeltig beobachtet, registriert und im Gedaechtnis notiert.
Oft trugen diese Frauen alte Kostueme aus sechziger Jahren, auch meine Oma, die selber naehte oder die Sachen, die sie von ihren beiden Schwestern von West Germany bekam ( ich lebte nur in West Polen...). Die Brillen, der Schnitt sogar Frisuren, alles 60 ziger Jahre angehaucht.
Mich hat das fasziniert! Schon damals, die alten Fotos, die alten laut und gleichmaessig tickenden Uhren, uralte Kommoden, Stuehle, alles viel besser als die haesslichen Produkte gemacht in kommunistschem Polen.

True Love stammt aus Anfang 90 ziger, verstroemt aber die Aura, die ich am Anfang beschrieb: aeltere Damen, altes Ambiente, Roesschen, Spitzen und das Klima von was Vergangenem, jedoch Liebliechem und Ruhigem. Etwas spiessigem, doch einfach unagestrengt Huebschem
True Love ist cremig, pudrig, blumig, Hyazinthe, ( oh wie ich sie mag!) plus Ylang, Vanille und Iris wuerde ich tippen, ohne auf die Duftpyramide zu gucken.
Was mich bei diesem Parfum positiv ueberrascht: die Leichtigkeit. Trotz der altmodischen etwas staubigen Komponenten, True Love killt uns und unsere Umgebung nicht, dabei sollte man das Erscheinungsjahr beachten!
Den Duft fand ich anfangs nicht so schoen, auf meiner Haut roch es nach altem Gummi, alte helle Latex Handschuhe. In die Haare gesprueht wirkt es anders: vor allem blumig, cremig, dezent, doch dank Hyazinthe hat True Love eine Unterschrift, etwas Anziehendes, Bemerkabares.
Der Duft riecht altmodisch, es ist nur eine Spur, mich stoert es aber nicht, irgendwie ist True Love ganz angenehm zu tragen, es ist anschmiegsam, komfortabel und leicht, aber ich spuere die Anwesenheit dieses Eau de Toilettes den ganzen Tag.
Als ich jung war, suchte ich nach Wahrer Liebe, es kam damals anders...Viele Enttaeuschungen, Schmerz, Unsicherheit, Traene...kurzum: ein dramatisches Overkill! Wahre Liebe ist aber anders: anschmiegsam, ruhig, leicht und sehr angenehm zu (er)tragen ;)
Vielen Dank an eine nette Parfuma, die mir neulich ein liebes Ueberraschungspaeckchen zuschickte, mit allem, was der kraenkednen Seele gut tut: Schoki und Parfums, darunter fand ich auch eine kleine Abfuellung mit True Love.