Tonimria

Tonimria

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1 - 5 von 12
Tonimria vor 3 Monaten 6 2
"H/S schlecht, zu teuer"
Ach ja, so welche Rezensionen lese ich häufig, anscheinend ist das ultimative Merkmal für einen hochwertigen Duft eine extreme Sillage, damit in der U-Bahn auch die im hinteren Wagen noch etwas davon haben. Frei nach dem Motto "Je doller, desto besser."

Meine Meinung dazu ist ein wenig anders. Ich finde, für jeden Duft gibt es einen Anlass.
Möchte ich einen Duft tragen, um die Leute aus dem Wartezimmer wirklich restlos zu vergraulen, um schneller beim Zahnarzt dranzukommen, möchte ich einen Duft den man auf einer Party gut wahrnehmen kann wenn man neben mir steht, oder möchte ich einen Duft, der vielleicht einfach wirklich nur mir gehört, und den Leuten die ich in den Arm nehme?

"Ethereal Wave | Liis" ist definitiv einer der letzteren Düfte. Er hat eine super intime und körpernahe Sillage, die behält er aber auch bei. Haltbarkeit also gut.
Beim Aufsprühen kommt einem erstmal ein Schwall Bergamotte entgegen, der sich auf der Haut aber zu einer wunderschönen, leichten Wolke aus grünem Jasmintee, fluffigem Moschus und hellem Holz verwandelt. So zart und schön wie Glitzerfäden, die in einem Windhauch tanzen. Das wars. Diese Kombination ist das, was der Duft einem verspricht, und so bleibt er auch.

Zu den Assoziationen: was würde ich tun, wenn ich wirklich, wirklich viel Geld hätte, und mich verstimmt und gestresst fühlen würde? Vielleicht wäre mir das Planen des letzten alljährlich veranstalteten Champagnerempfangs für Dackelbesitzer über den Kopf gewachsen, oder die Entscheidung, ob ich den neusten Porsche nun in tannengrün metallic oder matt nehme.

Ich würde mir auf jeden Fall einen Aufenthalt in einem Luxusresort kaufen, das vegane Rohkost anbietet, Klangschalenkurse und Meditationen bis zum Abwinken.
Das Resort ist minimalistisch-schick gehalten, holzverkleidet und begrünt. Nirgendwo ein Mensch zu sehen und im Hintergrund läuft leise Bergmönchgesang. Natürlich gibt es auch einen Spa-Bereich. Und dieser Spa-Bereich, der duftet garantiert so wie "Ethereal Wave | Liis". Zurückhaltend, edel konzipiert und holzig.

Leider kann ich mir das nicht leisten, aber das meditative Gefühl, das gibt mir "Ethereal Wave | Liis" trotzdem.
2 Antworten
Tonimria vor 3 Monaten 24 3
Akute weibliche Hysterie
Man schreibe die späten 50er. Ich sitze auf der Veranda, in eine Wolldecke gehüllt. Ein kleines Haus an einem Strand, mit aufgewühlter, unruhiger See direkt vor mir. Der Himmel ist wolkenbedeckt und grau, Möwen ziehen über mir ihre Runden.

Weswegen ich dort bin? Ein Arzt attestierte mir aufgrund meines störrischen, weiblichen Gemütes die Hysterie und schlug vor, mich an die See zu schicken, da dies sich wohl positiv auf die bei Frauen mittlerweile übliche, durch fanatische Ideen von Feministinnen ausgelöste Furore ausüben könne.
Meine Familie stimmte dem zu, man hatte zum Glück ein einsames Häuschen am Meer und es wurde Zeit, dass ich mich normte, um vielleicht noch einen vernünftigen Mann zu finden.
Was der Arzt natürlich nicht wissen konnte, ist dass ich meine Pflichtlektüre von Simone de Beauvoir "Das andere Geschlecht" dabeihabe, welche mich in meiner Renitenz nur weiter bestärken wird.

Um dem Geist ein bisschen Klarheit zu geben, entschließe ich mich, einen Spaziergang zu machen. Ich grabe mit meinen Zehen im kalten Sand, lasse die Gischt meine Beine umspülen und spüre die Sonnenstrahlen, die durch die dichte Wolkendecke brechen, auf meiner salzigen Haut kitzeln.
Ein einsames, trockenes Stück Treibholz liegt auf dem weißen Sand. Kurz überlege ich ob ich es zurück ins Meer werfe, aber ich halte inne und beschließe, es mit in meine Hütte zu nehmen. Ich schaue den Möwen zu, die schwerelos durch die Luft gleiten und wünschte, ich könnte mit ihnen fliegen, um das raue Meer von oben zu betrachten. Komischerweise stört mich meine Einsamkeit am Meer kein bisschen.

Fast Forward 70 Jahre. Mittlerweile kann kein Arzt einem mehr weibliche Hysterie attestieren, feministische Ideen sind kein Fanatismus mehr, sondern bei einer breiten Bevölkerung angekommen und ein einsames Haus am Meer besitzt meine Familie auch nicht. Störrisch und unverheiratet bin ich aber trotzdem.

Wenn ich "Une Nuit à Montauk - Nothing but Sea and Sky | Une Nuit Nomade" aufsprühe, kommt in mir trotzdem diese Melancholie hoch, diese Sehnsucht nach dem Meer und das unbestimmte Gefühl, weit weg von Zuhause zu sein. Dieser Weltschmerz, den der Duft für mich transportiert, ist wunderschön und zutiefst berührend.

Für mich absolut kein Tropenduft, Urlaubsduft oder Kokosnussfeeling, stattdessen salziges, raues Meer, beobachtet aus der wohligen Umarmung einer Wolldecke. Irgendwie tröstend, diese sanfte Brise aus trockenem Holz und frischer Meeresluft. Im Auftakt ist er kratzig, salzig und wird dann im Verlauf cremiger und der Haut sehr nah. Trotzdem behält er seinen eigenen Geruch bei, der sich doch deutlich vom Hautgeruch unterscheiden lässt.

Kein Sillagemonster, kein Ausgehduft, sondern etwas ganz Unbeschreibliches, dem wohl jeder für sich selber eine Bedeutung geben muss.
3 Antworten
Tonimria vor 4 Monaten 18 6
5
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Stalkergefahr
Diesen Duft habe ich nicht ausgewählt, weil ich so ein großer Fan vom Label Versace bin oder eine besondere Zuneigung für die italienischen 2000er habe, stattdessen bin ich einer Frau über 10 Minuten in der Stadt hinterhergelaufen, um auch ganz sicher zu sein, dass sie es war, die ich gerochen habe.
Nachdem ich mir irgendwann zu seltsam vorkam, habe ich sie angesprochen. Sie lachte, es war wohl nicht das erste Mal dass sie angesprochen wurde. Meine Erleichterung war sehr groß, als ich gesehen habe, dass es sich um einen sehr preiswerten Designerduft handelt und keinen unbezahlbaren High Performance Nischenduft, auch wenn er es meiner Meinung nach sein könnte.
Nachdem ich mich jetzt länger mit Düften beschäftige, weiß ich woher diese manische Begeisterung in diesem Moment kam. Ich liebe Kardamom, Ingwer und Sandelholz gepaart mit Cremigkeit. Dieser hier schafft das einfach so mühelos.

Er öffnet mit scharfem Ingwer und Pfeffer, laut und ziemlich heftig, Im Drydown übernimmt dann nach und nach die Cremigkeit, aber kühl und unnahbar ist und nicht vanillig und warm. Kokosnuss und Sandelholz bilden für die florale und trotzdem irgendwie düstere Süße den perfekten Rahmen. Ich nehme auch Feige wahr, obwohl sie nicht gelistet ist, tatsächlich haben für mich auch dieser hier und "Gris Charnel (Eau de Parfum) | bdk Parfums" einen sehr ähnlichen Vibe. Diese unnahbare Aura, die trotzdem irgendwie einladend und weich ist, ist das, was diesen Duft für mich zu einem absoluten Nachkaufkandidat macht, anders als bei "Gris Charnel (Eau de Parfum) | bdk Parfums", welcher zwar cooler und unsüßer ist, mir aber irgendwie einfach nicht die selbe Geborgenheit geben kann.

Es ist keiner meiner geliebten "Kuscheldüfte", die man auch gerne mal Zuhause trägt, es ist ein absoluter Ausgehkandidat. Wie ein kleines Schwarzes, geht immer und kommt auch sehr gut an. Auch ich bin süchtig nach ihm, und kann nie aufhören an meinem Handgelenk zu schnuppern, wenn ich ihn trage. Vor allem Frauen sprechen mich immer wieder auf diesen Duft an, weswegen er auch (siehe oben) absolutes Stalkerpotenzial hat. Wenn man also nicht möchte, dass einem fremde Frauen hinterherlaufen, sollte man diesen Duft wohl besser meiden.
6 Antworten
Tonimria vor 4 Monaten 3
5
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Stiefmütterlich behandelt
So, das kann ja nicht sein. Nach dem ganzen Carolina-Herrera-Hype ist nicht eine Rezension für diesen Duft rausgesprungen? Nicht eine?
Zugegeben, ich bin nicht der größte Fan der Duftlinie mit den High Heels, für mich riechen alle ein wenig profan, schon mal gerochen, kann, muss nicht, eher Kopfschmerzkandidaten.

Anders ist es bei diesem kleinen Schätzchen hier. Nach der Reformulierung 2017 hat man wohl verpasst, den Duft auch anständig zu vermarkten. Davor war der Duft wohl eher ein gefällig blumiges Designerparfümchen, mit Praline drin (?) und nicht besonders .. besonders.

Das ist jetzt ganz anders. Obwohl ich mich eigentlich als Liebhaberin von cremigen, holzigen Düften identifizieren würde, habe ich bei diesem Duft einen Blindbuy gewagt, weil er von einer befreundeten Parfümenthusiastin derart angepriesen wurde.
Der Duft hat mich absolut überzeugt und ist der erste Freshie, der mich wirklich abgeholt hat. Er öffnet mit Zitrusfrüchten und auch der Pfeffer kitzelt in der Nase. Blumige Noten finde ich kaum wahrnehmbar. Was mich an dem Duft überzeugt hat, ist was unmittelbar danach kommt. Eine kräftige grüner Tee-Note, gepaart mit einem leichten Jasmin-Aroma. Riecht wie eisgekühlter Tee, der mit einem Spritzer Zitrone serviert wird. Der Tee ist klar und absolut ungesüßt. Ich bin kein wirklicher Experte was Teedüfte angeht, und kann mir vorstellen, dass es auch noch komplexere und nischigere Düfte als diesen gibt, ich schätze ihn aber einfach wegen seiner Geradlinigkeit.

So einen Duft könnte ich mir auch von Goldfield&Banks vorstellen, bloß das dieser hier für einen Bruchteil des Preises erhältlich ist.
Ein wirklich schöner Duft für heiße Tage, an denen die Sonne auf die verschwitzte Haut knallt und man eine Erfrischung möchte, die nicht aquatisch oder blumig ist. Du darfst bleiben, kleiner Freshie.
0 Antworten
Tonimria vor 4 Monaten 5 5
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Liebeskummer
Ich dachte immer mir würde Vanille in Parfüms nur als Statist gefallen. "Goddess | Burberry" war mir zu langweilig, zu überschnuppert und ich dachte, es würde an der Vanille liegen. Auch andere gehypte Vanilledüfte wie "Vanilla | 28 | Kayali" konnten mich leider überhaupt nicht abholen. Oft riecht Vanille als Hauptakteur in Düften für mich buttrig, künstlich und lahm. Deswegen hatte ich sehr geringe Erwartungen an "Vanille | Outremer / L'Aromarine" und habe ihn aufgrund seines schönen Flakons bestellt und um einen geradlinigen Duft zum layern von sehr herben Düften zu haben.
Oh, wie hab ich dieser Note unrecht getan. Anscheinend ist es nur die Vanille die in Verbindung mit blumigen Noten steht, die mich so langweilt.
Dieser Duft ist total schlicht. Vanille und wirklich nichts außer Vanille. Kein Vanilleeis, keine Duftkerze, keine Vanillebodylotion.
Vanille, wie frisch aus der Schote gekratzt. Super linear, keine Überraschung im Drydown, sondern einfach nur pure Süße, die kein bisschen aufdringlich ist und sehr warm.
Sehr versatil außerdem, den Duft kann ich mir an einem kalten Wintertag vorstellen, aber auch an einem warmen Sonnentag.

Leider wird er wohl nicht mehr hergestellt, was mich traurig macht, weil meine 50ml wohl nicht ewig reichen. Jetzt hat unsere Liebesgeschichte ja eigentlich gerade erst angefangen und schon endet sie wieder. Ein bisschen bittersüß ist unsere Liebe also. Macht nichts, ich freue mich jedes Mal umso mehr ihn aufzusprühen und die schönsten Dinge im Leben sind ja bekanntlich endlich.
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