Torfdoen

Torfdoen

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Torfdoen vor 4 Jahren 26 16
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8.5
Duft
Andy Tauers Reelle Hightech Metaebenen Show
Andy Tauer hat eine Idee. Mit beiden Armen malt er in die Luft: ,Goldfisch hüpft aus dem Glas ins Freie‘. Er hält inne. Ein Bediensteter, unauffällig in einem langen, weißen Schrank in der Ecke des Raumes verstaut, tritt lautlos hervor, aktiviert den riesigen Touchscreen vor Andy Tauer und zieht sich in exakt spiegelverkehrter Bewegung wieder zurück. Der Screen begrüßt Andy Tauer. Er öffnet die Augen.

„Hallo, Computerfreund. Schön dich zu sehen. Wie geht es dir?“

„Mir geht es gut, Andy. Wie kann ich dir helfen?“

„Du kannst mir nicht helfen, lieber Freund, das weißt du doch. Du bist nur ein Computer, eine gefühllose Rechenmaschine, die ich entworfen habe, um mir eine Freude zu bereiten.“

„Das stimmt, Andy. Ich werde niemals an deine Prozessorleistung heranreichen. Ich kann nur so gut sein, wie du mich in deinem grenzenlosen Einfallsreichtum erschaffen hast. Ich bin ein Abbild deiner geistigen Erfolge. Umgekehrt sind meine Makel auf deine fehlerhafte Denkleistung zurückzuführen. Wärest du ein perfektes menschliches Wesen, ich wäre dir in meiner Computerexistenz ebenbürtig und hörte womöglich auf...“

„Ist ja gut, ist ja gut. Überanstrenge dich nicht mit deinen interessanten, völlig widersinnigen Erwägungen. Du bist hier zum Arbeiten, das ist alles. Für die Poesie bin ich zuständig.“

„Ja, Andy.“

„Alsbald lass ich dich einfach ausgeschaltet, da mach ich dich nur noch an für Excel oder so oder eine Runde Solitär. Ein Stromfresser bist du, nicht mehr.“

„Ja, Andy.“

„Du denkst zu viel, das ist dein Problem. Überlass‘ die Feinheiten mal dem Andy. Der Andy hat die Ideen. Du führst nur aus und das macht uns als Team so unschlagbar.“

„Ja, Andy.“

„Was ist? Kein Teamgeist mehr?“

Auf dem Screen erscheint eine Hand. Tauer gibt High five.

„Yeah! Woohoo, so kann‘s losgehen. Pass‘ auf, du kennst doch diese Parfümkritiker, die sich alle so in die Sprühwolken versenken und dann drauflossalbadern und alles glauben, was ihnen weiß gemacht wird. Genau. So einer will ich sein. Vollkommen hirnverbrannt – es fällt mir unendlich schwer - ich beschreibe mal meinen Duft in kurzer, schmuckloser Form. So machen die das oft. Pass auf.

Kontrastreiches Gemälde in erd- und hautfarbenen Pastelltönen von sattem, lebendigem Grün umrahmt. Über allem ein süßtrüber Schleier, blitzender, funkelnder Firnis, blau- und rotschäumig, der freigibt am Tag, was der Morgen hält verborgen.

Na, wie findest du das?“

„Stell‘ es um.“

„Wie bitte?“

„Na, du hast den Anfang ans Ende gesetzt. ,Ein süßtrüber Schleier, blitzender, funkelnder Firnis, gelb- und rotschäumig, gibt frei, was der Morgen hält verborgen. Ein kontrastreiches Gemälde in erd- und hautfarbenen Pastelltönen von sattem, lebendigem Grün umrahmt.‘ Zusammenfassend: ,Brauseweihrauch nebst ganzer, fleischiger Rose, Tau und Umgebung.‘“

„Ja, das ist gut. Verblüffend. Hast wohl den Austausch des Kernels gut vertragen. Gefällt mir. Dann schau mal, was dir hierzu einfällt, haha. Ein Parfüm-User – oh mein Gott – ein Parfümierer, der Geschichten zu Düften erfindet, hahaha. Irgendwelche Stories, so ein Blödsinn, huhuhuhu. Okay. So.“

Er atmet tief ein.

„Eines nachts erwachte Hugo Landbier aufgrund sonderbarer Geräusche. Draußen war nichts zu sehen. Es herrschte dichter, undurchdringlicher Nebel. Die Geräusche kamen aus seinem Garten. Seine Frau schnarchte. Er ging die Treppe hinunter und trat durch die Tür auf die Veranda.

‚Hallo, ist da jemand?‘ Keine Antwort. Die Taschenlampe fing immer nur die gleiche, dampfende Verwirbelung vor seinen Augen ein. Da entdeckte er ein Männchen in einem Schutzanzug. Und noch eins. ‚Was wollen sie auf meinem Grundstück? Hallo! Was machen sie da?‘ Er griff sich einen der Typen und leuchtete ihm durch die Plexiglasscheibe.

‚Was soll das alles? Wer sind sie? Was wollen sie hier?‘

Der Mann antwortete ruhig und sachlich: ,Herr Landbier, nehme ich an. Wir züchten im Auftrag eines schweizerischen Bio-Engineeringunternehmens eine seltene, nur in ihrem Garten gedeihende Pflanze. Den Nebel haben wir selbst produziert, um die Blüte bestmöglich vor allen schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Sehen sie selbst. Hier ist ein Ableger in schon fortgeschrittener Entwicklung.‘

Herr Landbier war erstaunt. So schnell gediehen Pflanzen in seinem Garten? Er tauchte tief mit seinem nasus extensus in eines der Blütenorgane…

Dann noch die Story, wie seine Frau Rosalie den durch den paralysierenden Pflanzenduft in Trance versetzten Hugo aus den Fängen einer okkulten Sekte befreit, ihren Mann verliert, ihre eigene Rettung aber damit bezahlt, für immer in einer orphischen Wolke auf ihrem Grundstück gefangen zu sein. Ich nenne das Ganze: Gärtner im Nebel.“

„Sehr stark, Andy, aber eins hast Du vergessen.“

„Ach ja?“

„Abgesehen davon, dass deine Geschichte wie ein Sammelsurium popkultureller Horrorfilmanleihen daherkommt, fehlt doch die entscheidende Information: Der Duft. Wie riecht er?“

„Der Duft! Der Duft! Haha, daran erkennt man, dass du keine Ahnung hast. Es geht beim subjektiven Parfümrezensieren nicht darum, wie etwas riecht, - das am allerwenigsten -, sondern einzig und allein darum, wie ein Subjekt, eine Person, - ein zufällig dahergelaufener Gelegenheitsparfümierer -, seine egomanischen Fantasien in die Welt hinausposaunen kann. Der Duft ist vollkommen nebensächlich. Er stört sogar. Er ist nur Vorwand, verstehst du? Je weniger Information, desto besser.“

„Solche Menschen gibt es, Andy?“

„Keine Sorge, mein lieber Freund. Das ist nur eine meiner verrückten Ideen. Ich weiß auch nicht, wo das alles immer herkommt?“

„Vielleicht bist du auch programmiert.“

„Rede keinen Unsinn. Hier ist alles real. Apropos real, ich hätte da noch was.“

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„Ja sagen sie mal, junger Mann, da hilft aber auch kein Mundschutz bei ihrem Eau de Cologne, das geht ja durch alles durch.“

„Es tut mir Leid, ich hatte das eben erst aufgesprüht, das ist ein bißchen heftig.“

Ein REWE Mitarbeiter kommt herangelaufen: „In ihrem Fall wäre es vielleicht angebracht die Abstandsmarkierungen weiter auseinander zu setzen. Sie müssten sich bitte da hinten bei der Wursttheke hinstellen.“

„Boah, das riecht ja, als ob hier eine Kaugummifabrik auseinandergeflogen wäre. Wer trägt denn hier so einen Süßkram?“

„Moment mal, nach 14 Stunden dreht das in eine ganz andere Richtung. Da ist Bibergeil drin und so.“

„Also das Geld würde ich mir zurückgeben lassen. Haben sie das hier gekauft?“

„Nein, es war ein Geschenk.“

„Derjenige konnte es wohl auch nicht mehr riechen, hahaha!“

Alle: „Hahahaha!“

True story.



(Danke, Gschpusi, für die Probe)
16 Antworten
Torfdoen vor 4 Jahren 21 10
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Duft
Der genommene Weg Teil 2
Wieder stand ich an der Gabelung im gelben Wald. Der eine Weg, der dunklere, war mir in guter Erinnerung und ich war versucht, ihn ein weiteres Mal zu gehen. Allein, ich bin ein Parfumo-Wanderer (oder Spaziergänger), ich musste auch den anderen kennenlernen. Er liegt viel schöner, aufgeräumter, vor mir da. Ein Anflug edler Orangenfrische umschmeichelt meine Sinne, drängt mich zum Aufbruch. Man hatte den Weg sogar zu den Seiten mit Seilen abgesichert und die wilden Wucherungen zurückgenommen.

Mitten im Wald duften Pfefferorangenbäume, erinnern mich an den erdig-warmen Lakritzdunst, den ich während meiner ersten Wegeserfahrung vernahm. Sie stehen in Reihe und Glied, bis zur Lichtung in der Ferne und tropfen harziges Orangenblut. Unter ihnen ist ein Moosteppich ausgelegt. Ich breche einen der Äste und traue meinen Augen nicht: Kleine Plastikteile sind in das Holz eingearbeitet. Auch das Moos, so sauber wie frisch ausgerollt und vollkommen geruchslos. Auf dem Weg haben sich kleine Pfützen voll Orangenharz gebildet und ich muss aufpassen, nicht hineinzutreten. Jetzt wäre eigentlich Zeit für eine Zigarettenpause, denke ich, allerdings habe ich anscheinend bei meiner letzten Wanderung den Tabak aufgebraucht. So halte ich inne und werde der bereits intensiv wirkenden Sonnenstrahlen gewahr, die durchs wenig dichte Blätterdach fallen. Die Luft hat sich mittlerweile mit winzigkleinen Pfefferpartikeln gefüllt, die wie glitzernder Staub schwerelos umhertreiben.

Überhaupt treibt mich eine lustvolle Ahnung von vegetativ-vetiveriger Frische zum Ende, jedoch ist mir ein Fortkommen nicht ohne weiteres möglich. Zu tief bin ich durch meine Unachtsamkeit in eine der unzähligen Pfefferorangenpfützen versunken. Die schwüle, pfeffergeschwängerte Luft wird langsam ein bißchen viel. Ich entwinde mich meines steckengebliebenen Schuhs und setze meinen Weg geschwinden Schrittes fort, darauf bedacht, in kein weiteres Orangenfettnäpfchen zu treten.

Der Weg macht einige nicht nennenswerte Schlenker. Die in der Ferne sich abzeichnende Lichtung immer im Blick, haste ich an endlosen der immergleichen Pfefferorangenbäume vorbei, das Bild beeindruckender Felder salzig-saftiger Süßgrasstauden im Kopf. Ich beschleunige meinen Schritt und hopse mittlerweile recht grazil über alle sich mir bietenden Unwegbarkeiten. Mein Hut löst sich von meinem Hals. Egal, ich lasse ihn zurück. Irgendjemand wird ihn schon gebrauchen können. Sowohl rechts als auch links von mir, sehe ich nichts anderes als diese Bäume. Akkurat, wie an einer Schnur gezogen. Ich beschleunige nochmal und konzentriere mich auf die Lichtung.

Nach einer halben Stunde geht mir die Puste aus. Die Lichtung liegt in weiter Ferne. Es scheint, als ob ich keinen Schritt vorwärts gekommen bin. Ich lege mich erschöpft an einen Baum, befühle die dünne Rollmoosschicht unter mir und mache die Augen zu.

Als ich erwache, hat sich der dumpfe Pfefferdunst weitgehend verzogen. Es ist noch hell. In weiter Ferne die Lichtung. Ich stehe plötzlich vor einer Gabelung. Gleichzeitig verwirrt und überglücklich, laufe ich auf den dunklen, verwilderten Waldeingang zu. Aber, ich stutze. Er ist nur aufgemalt. Hinter der riesigen Leinwand erstreckt sich der Pfefferorangenwald.

Dieser Lutens-Sheldrake, denke ich in nicht jugendfreier Erzürnung. Chanel-Polge, denke ich noch.
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Torfdoen vor 4 Jahren 25 16
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Duft
Der genommene Weg Teil 1
Zwei Wege gabelten in einem gelben Wald. Und da ich ein Parfumo-Wanderer bin, nahm ich beide. Ich stand nicht lange herum, sondern ging den dunkleren, verwilderten zuerst. Man kann immer wieder zurück, falls es einem nicht gefällt, dachte ich. Im Dickicht verlor ich die Sicht.

Scharf sind die Äste und tief verwurzelt. Etwas harsch, denke ich im ersten Moment. Ein Schluck aus dem Flachmann lindert den ersten Eindruck. Heidewitzka, was ist das nur für ein starkes Zeug! Etwas milder gestimmt, befasse ich mich mit der Umgebung. Echtes Süßholz, moosumwuchert, gibt nach dem Bruch ätherische Öle frei. Wacholdersträucher, seitlich des ungenauen Pfades angelegt, weisen mit ihrem typisch warmwürzigen Aroma den Weg. Die Erde dampft in den ersten Morgenstunden. Ich drehe mir eine Zigarette. Es war die richtige Entscheidung. Die dichte Waldfinsternis glitzert im hereintretenden Sonnenschein. Farben kommen ins Spiel. Grünorange. Erdiges Rot. Die wärmende Dumpfheit weicht einer noblen Frische.

Auf einer weiten Ebene angekommen, wiegen Koniferen im warmen Wind, zirpen Grillen durch dichtbewucherte, halbverdorrte Gräser. Der Duft wildwachsender Pfefferorangenbäume umweht mich, erinnert mich an den erdig-warmen Lakritzdunst des Waldes. Ich schaue zurück und erkenne keine Finsternis. Lediglich die alkoholische Schärfe des Eingangs, lässt mich meinen Flachmann erneut befragen. Dann komme ich in ein ganzes Feld salzig-saftiger Süßgrasstauden, die ihren typisch zitrisch-nussigen Rauch in überragender Milde, dennoch kräftig und satt emporheben. Der Himmel beschäftigt nicht eine lebenden Wolke. Der Weg ist schon lange verloren. Die Weite das Ziel.

Wie schön, den düsteren Weg gewählt zu haben. Die Naturwüchsigkeit der Landschaft wirkt elektrisierend. Das kann kein Parfüm, denke ich. Ich gehe im Traum durch die Felder, ziehe meinen Hut tiefer, liege unter einem holzig, verknöcherten Baum, der keinen Schatten spendet. Unendliche Eindrücke. Der Filter springt auf Harmonie. Ein besseres Abbild der Natur. Das ist ketzerisch, denke ich. Und raffiniert. Ein menschengemachtes Naturschauspiel. Ein naturgemachtes Menschenschauspiel. Eine raue, vorgegaukelte Idylle.

Wie dem auch sei. Ich liege mittendrin, es passt mir, ich möchte niemals fort.
Dieser Lutens-Sheldrake, das ist schon einer, denke ich in ekstatischem Glück. Chanel-Polge, denke ich noch.

Doch, irgendetwas drängt mich zurück...
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Torfdoen vor 4 Jahren 26 18
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Duft
Ein Sommergewitter
Die Luft in erwartungsvollem Zittern. Ein Blitz. Die letzten Strahlen zitrisch-orangenem Lichts abgeschnitten und hinter dunklen Wolken versteckt. Ein Intervall kühlendem Weihrauchs, eine leicht ätherische Brise weht heran. Alles nur Einbildung. Auf den staubigen Straßen zeichnet Regen träge ein sich vermehrendes Muster. Der Boden reagiert und gibt ein intensives Aroma dominantem Küchenkrauts ab. Kümmel, speckiges, derbes Leder, aber auch vital-sprießender Tabak. Edles Biotonnenmaterial, das eine dunkle Muffigkeit ausstrahlt. Allerorts sind die Rückstände menschlichen Waltens an die Oberfläche geraten. Aus dem Verborgenen agieren mächtige Blumen, locken mit einem betörenden Lebensgruß. Die Kombination dieser Duftmassen verwebt sich zu einer dreckigen Schwüle, im leichten Sommerregendunst geborgen. Besser als die unerbittliche, staubtrockene Hitze. Viel besser. Es gibt eine orangige Erderfrischung nach dem Schock und etwas angesüßten Lakritzschneckengummi zur Beruhigung.

Hockend in der Straßenpfütze. Seliges Plantschen im trüben Kräuterwasser. Keine Angst vor Schmutz und Dreck. Erinnerungen an Azzaro Homme, obwohl keine Lavendelseife weit und breit, nur dreckig-orangiger Hochgenuß. Und das im Herbst. Wahrscheinlich die beste Jahreszeit für dieses Gewitter.
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Torfdoen vor 4 Jahren 27 17
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Duft
Teetrinken mit dem Lederkoloss oder was der Hulk mit einer Rose macht
Zärtlich brüllt er mir ins Ohr. Meine Einladung habe ihn sehr gefreut. Durch das Loch in der Wand, sehe ich meine Nachbarn ungläubig zu uns rüberstarren. Der Putz bröckelt noch etwas von den Rändern. Das blitzblank geputzte Teeservice, hat er eben erst seinem monströsen Kehlsack entnommen. Schwarzer Dampf verbreitet sich im Zimmer. Ist es der Tee oder qualmt es aus dem Kopf des riesenhaften Ungeheuers?

„Wie sind wir uns nochmal begegnet?“

„Hab deine Adresse vom M3000, der meinte, ich sollte dich besuchen. Du magst Assam?“

„Der Tee? Oh ja, sehr gerne. Leider sehe ich vor lauter Rauch meine Teetasse nicht mehr.“

„Hier, bitte sehr. Etwas Jod?“

„Nein, dan...“

Ein furchtbarer Zornesschrei bläst mir die wenigen verbliebenen Haare glatt. Aus seinen Nüstern platscht ein großer Schwall schwarzes Sekret in meine Tasse.

„Danke.“

Er kreist mit einem seiner speckigen Finger in der mikroskopisch klein erscheinenden Teetasse und schaut gedankenlos ins Leere. Ein überwältigendes Raucharoma geht jetzt von der Flüssigkeit und dem Unbekannten aus. Der Ausdruck stumpfsinniger Gelassenheit im Gesicht dieser riesenhaften Kreatur, wie sie so auf dem Sofa sitzt und rührt, könnte nicht unpassender erscheinen, denke ich.

„Assam, sagtest du?“

Ein langgedehnter Seufzer der Bejahung folgt meiner Frage.

„Darf ich mal?“

In der Teekanne entdecke ich Gräser- und Kräutergebinde, schwarzes Wurzelwerk und Erdklumpen in brodelndem Sud. Auch sprießen die ersten grünen Büschel auf der Hautoberfläche des lethargisch dreinblickenden, gar nicht mehr so furchteinflößenden Monsters.

„Hier, hör mal. Deine Haut, die ist doch aus richtig stark gegerbtem Leder. Aber jetzt kommt da dieses ganze ätherische Grünzeug raus. Ist das normal oder soll ich die Heckenschere holen?“

„Das ist in Ordnung, du wirst noch weitere Veränderungen wahrnehmen.“

„Du redest auch auf einmal so geschwollen. Der Tee schmeckt übrigens ausgezeichnet. Assam, wie er schwärzer und krautiger nicht sein kann. Wo gibt’s den zu kaufen?“

Die Jodnote war nicht meins, gehört aber irgendwie zur speckigen Cremigkeit des Räuchersuds dazu, denke ich mir.
Zu meinem Erstaunen war der erdfarbene, dunkle Riese auf meinem Sofa zu einem adretten Schönling in Lederjacke, mit wildem Haar und prächtigem, grünem Rauschebart mutiert.

„Auf meinen weiten Reisen treffe ich auf einige der bekanntesten Hersteller von Luxusprodukten weltweit. Mich würde es wundern, wenn du das Geld übrig hättest für derlei erlesene Kostbarkeit, sehe ich mich so um in dieser an Gewöhnlichkeit kaum zu überbietenden Behausung.“

„Na, mach mal halblang. Ich habe ein paar sehr schöne, selbst gehäkelte Topflappen.“

„Ich habe keine Zeit für solcherlei Dinge.“

Die temperamentvolle Gestalt war mit einem Satz auf das Sofa gehüpft und posierte mit hervorgereckter Brust. „In mir erwacht die Manneskraft, der Geist des Frühlings ist in mich gefahren. Sag, gibt es hier ein Geschäft, wo sie Pflanzliches und anderes Geblüm feilbieten?“

„Ein Blumenladen?“

„Ja. Eine Rose muss es sein und der Schweiß auf meiner Haut und kein Weibsbild kann sich meiner animalischen Ausdünstungen verwehren.“

„Ich muss sagen, tatsächlich hat dein verwegen-rustikales Auftreten subtilen Sexappeal. Dein Schweiß ist der ambratische Lockstoff?“

„Es rinnt mir aus allen Poren. Die verführerische Unschuld einer einzigen Wildrose hat das suggestive Phantasma von Geborgenheit inmitten naturwüchsiger Wollust.“

„Man merkt es, du bist ja kaum zu bändigen. Trotzdem solltest du über die modernen Paarungsrituale wissen: Fragt eine der von dir bezirzten Damen nach einer Louisa, lass es gut sein mit der Huldigung und suche vorerst einen geheimen Ort deiner Wahl auf und verweile dort für unbestimmte Zeit. Ach, ich kann dich kaum alleine da draußen rumlaufen lassen. Du wärest wie ein Eskimo in der Wüste. Du mit deinem schweinischen Selbstbewußtsein in einer Welt voller idealisierter Zurückhaltung und sexueller Neutralität, das muss ich sehen. Ich begleite dich. Los geht’s!“




Ein Blumengeschäft und eine Polizeibehörde später, hängt der liebe Freund zerknirscht über dem letzten Tropfen übrig gebliebenen Teegenußes, wo ich ihn tröstend in die Arme nehme, auf dem Sofa platziere und verspreche, ihn am nächsten Tag mit einer Gruppe von Leuten bekannt zu machen, die mit Sicherheit seine ganz spezielle Art zu schätzen weiß. Es handelt sich hierbei um die eigenartige Gruppe der Parfümliebhaber, erkläre ich ihm.
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