06.03.2016 - 11:17 Uhr
Meggi
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Im Orient-Express
Monsieur Alphonse Lubin strich sich über den kunstvoll gezwirbelten Schnurrbart und sah amüsiert zu seiner Frau Madeleine hinüber, die mit gerunzelter Stirn in ihrem ‚Guide Bleu Constantinople ‘ las. Er hatte dergleichen auf seiner ersten Reise in die Hauptstadt der Osmanen ebenfalls getan, aber inzwischen war er häufig dort gewesen und wusste gut Bescheid. Einmal im Jahr schaute er nämlich seinem Agenten auf die Finger und in die Bücher.
Ihr Vorbereitungs-Eifer war freilich nicht der Grund für seine Belustigung. Sie saß arg straff und gewiss unbequem aufrecht, weil sie darauf bestanden hatte, ihr Korsett anzulegen. Darüber schmunzelte er. Morgen würde sie es weglassen, wahrscheinlich bereits heute Abend zum Diner. Er hatte ihr ohnehin mehrfach lachend gesagt, dass sie dieses Gräten-Gerät weit weniger dringend nötig habe als er und es einfach fortwerfen solle.
Er freute sich, dass sie bei ihm war. Es war unüblich, wenn nicht gar unschicklich für eine Dame der gehobenen Gesellschaft, ihren Gatten auf eine Geschäftsreise zu begleiten. Allemal auf eine ins ferne Ausland. Nun, sie war schon immer eigenwillig gewesen. Die kriselnde Lage am Bosporus mit der beunruhigenden Annäherung der Osmanen an das Deutsche Reich schreckte sie nicht, auch nicht die Aussicht, sich unter einem Schleier bewegen zu müssen. Neugierig war sie außerdem und begeistert von seinem Vorhaben:
Einen neuen Duft wollte er schaffen. Und dazu benötigte er die Inspiration des Orients vor Ort. Was war dessen Essenz? Was wären die entscheidenden Zutaten, die einem europäischen Duft eine Prise Morgenland verliehen. Ihm schwebte ein im Herzen vornehmes Parfüm vor. ‚Le Vetiver‘ würde es heißen und selbiges wäre zweifellos das Gerüst. Erdig, nussig, gehaltvoll und dennoch würde es zugleich seine grüne Seite zeigen. Eher Gentleman aus dem British Empire als Franzose. Eröffnen würde Le Vetiver mit einer dezent-flüchtigen, zitrischen Frische. Bergamotte für ungefähr eine Stunde. Im Anschluss allmählich eine Ahnung vom Orientalischen, indes ohne klischeehafte Schwülstigkeit; kaum mehr als eine spannende Nuance davon. Gewürze wären dafür vermutlich eine gute Idee, Piment und Muskat. Womöglich eine Spur Weihrauch, die dem Träger bald nach dem Auftragen andeuten würde, dass er es mit einem Herrenduft von subtiler Exotik zu tun hat.
Trotzdem: im Kern ein Duft von Vetiver. Ein grün geprägter Fortgang würde das unmissverständlich unterstreichen. Vielleicht mit einem moosigen Hauch im Hintergrund. Bis…ja…bis in den Nachmittag hinein. Eine stärkere Betonung des Holzigen würde dann gut passen. Zeder. Oder Tanne. Aber selbst in dieser Phase würde ein Schuss Exotik den Duft verzieren. Luftige Myrrhe und heller, kräftiger Tabak, alles durch und durch unsüß. Den Ausklang könnte am späten Nachmittag eine gedämpfte, holzige Würze bilden. Ja, das waren doch schon ansprechende Ideen. Abwarten, ob die Stadt am Bosporus mit ihren mannigfachen Gerüchen ihm bei der Kreation half. Und natürlich die feine Nase seiner Frau. So, wie er sie kannte, würde sie es sich keineswegs nehmen lassen, den Duft persönlich zu probieren und zu benutzen. Warum nicht? Sollten die anderen Damen der Hautevolée wieder indigniert die Nasen rümpfen. Er jedenfalls hatte daran stets größten Spaß.
Während die letzten Vororte von Paris zurückblieben, ließ Madeleine das Buch in ihren Schoß sinken und sah mit leerem Blick aus dem Fenster. Alphonse wusste, dass ihr Bewusstsein sich soeben zum ersten Mal wirklich auf das ferne Ziel der Reise richtete. In wenigen Augenblicken würde sie ihn liebevoll-strahlend ansehen und beginnen zu schwärmen.
Ihr Vorbereitungs-Eifer war freilich nicht der Grund für seine Belustigung. Sie saß arg straff und gewiss unbequem aufrecht, weil sie darauf bestanden hatte, ihr Korsett anzulegen. Darüber schmunzelte er. Morgen würde sie es weglassen, wahrscheinlich bereits heute Abend zum Diner. Er hatte ihr ohnehin mehrfach lachend gesagt, dass sie dieses Gräten-Gerät weit weniger dringend nötig habe als er und es einfach fortwerfen solle.
Er freute sich, dass sie bei ihm war. Es war unüblich, wenn nicht gar unschicklich für eine Dame der gehobenen Gesellschaft, ihren Gatten auf eine Geschäftsreise zu begleiten. Allemal auf eine ins ferne Ausland. Nun, sie war schon immer eigenwillig gewesen. Die kriselnde Lage am Bosporus mit der beunruhigenden Annäherung der Osmanen an das Deutsche Reich schreckte sie nicht, auch nicht die Aussicht, sich unter einem Schleier bewegen zu müssen. Neugierig war sie außerdem und begeistert von seinem Vorhaben:
Einen neuen Duft wollte er schaffen. Und dazu benötigte er die Inspiration des Orients vor Ort. Was war dessen Essenz? Was wären die entscheidenden Zutaten, die einem europäischen Duft eine Prise Morgenland verliehen. Ihm schwebte ein im Herzen vornehmes Parfüm vor. ‚Le Vetiver‘ würde es heißen und selbiges wäre zweifellos das Gerüst. Erdig, nussig, gehaltvoll und dennoch würde es zugleich seine grüne Seite zeigen. Eher Gentleman aus dem British Empire als Franzose. Eröffnen würde Le Vetiver mit einer dezent-flüchtigen, zitrischen Frische. Bergamotte für ungefähr eine Stunde. Im Anschluss allmählich eine Ahnung vom Orientalischen, indes ohne klischeehafte Schwülstigkeit; kaum mehr als eine spannende Nuance davon. Gewürze wären dafür vermutlich eine gute Idee, Piment und Muskat. Womöglich eine Spur Weihrauch, die dem Träger bald nach dem Auftragen andeuten würde, dass er es mit einem Herrenduft von subtiler Exotik zu tun hat.
Trotzdem: im Kern ein Duft von Vetiver. Ein grün geprägter Fortgang würde das unmissverständlich unterstreichen. Vielleicht mit einem moosigen Hauch im Hintergrund. Bis…ja…bis in den Nachmittag hinein. Eine stärkere Betonung des Holzigen würde dann gut passen. Zeder. Oder Tanne. Aber selbst in dieser Phase würde ein Schuss Exotik den Duft verzieren. Luftige Myrrhe und heller, kräftiger Tabak, alles durch und durch unsüß. Den Ausklang könnte am späten Nachmittag eine gedämpfte, holzige Würze bilden. Ja, das waren doch schon ansprechende Ideen. Abwarten, ob die Stadt am Bosporus mit ihren mannigfachen Gerüchen ihm bei der Kreation half. Und natürlich die feine Nase seiner Frau. So, wie er sie kannte, würde sie es sich keineswegs nehmen lassen, den Duft persönlich zu probieren und zu benutzen. Warum nicht? Sollten die anderen Damen der Hautevolée wieder indigniert die Nasen rümpfen. Er jedenfalls hatte daran stets größten Spaß.
Während die letzten Vororte von Paris zurückblieben, ließ Madeleine das Buch in ihren Schoß sinken und sah mit leerem Blick aus dem Fenster. Alphonse wusste, dass ihr Bewusstsein sich soeben zum ersten Mal wirklich auf das ferne Ziel der Reise richtete. In wenigen Augenblicken würde sie ihn liebevoll-strahlend ansehen und beginnen zu schwärmen.
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