Gewürz mag ich. Grün sowieso. Doch hier zucke ich: Quietschgrün-grasig-würzig-pikant mit leicht säuerlichem Unterton geht es los; die Bergamotte, sonst ja nicht schüchtern, wirkt im Vergleich zur "Hallo-hier-komm'-ich"-Geste des satt dosierten Kardamoms wie ein Mauerblümchen. Ähmm - sollte das nicht was Rosiges werden?! Gemach, gemach, das knallige Grün verzieht sich rasch. Blüten tauchen auf. Im Hintergrund, vage, eine Ahnung von Rose. Aber erstmal drängt sich anderes vor, hell, noch immer leicht mit Säure unterlegt – Jasmin? Möglich. Eindeutig herausriechen kann ich ihn aber nicht; die Aromen sind fein verwoben, vom Anfang bis zum Schluss.
Nach 20 Minuten ist die Rose dann aufgeblüht, groß, dunkel, schwarzroter Samt. Ihr Duft hält, was die Farbe verspricht. Er hat nicht die kompakte, betäubende Süße der (rosa blühenden) Damaszenerrose, die laut Duftpyramide im Flakon steckt. Es ist "Rose-rouge"-Duft (den Begriff hat die Rosenkennerin Alma de l'Aigle geprägt) vom Feinsten, Intensität plus Würze, dabei "verströmend", leicht beweglich, und ein Honighauch spielt mit. Der rosige Farbwandel ist ein Parfümeurskunststück, bewirkt von dezenten Gewürznoten, einer Prise Weihrauch und der anhaltenden Spur von Säure. Nach Stunden hat die Rose unmerklich das Feld geräumt. Immer tiefer und runder ist der Duft derweil geworden, mit warmen, weichen, balsamischen Noten und einem Hauch von Pudrigkeit klingt er langsam aus.
Kräftig dosiert, passt der aparte, eigenwillige, vorzüglich ausbalancierte Duft bestimmt auch zum besonderen (Abend-)Anlass (nicht ausprobiert). Sparsam verwendet, hält er ausgezeichnet und ist gut wahrnehmbar, bleibt dabei jedoch transparent und zart. Und hat keine der Schwächen, die mir Rosendüfte sonst oft verleiden: Er ist kein bisschen seifig, und er ist völlig unsüß, so angenehm knochentrocken wie ein guter, reifer Rotwein. Er steht Jüngeren wie Älteren, taugt für den Alltag und ist trotz seiner traditionell "fülligen" Machart eine schlanke, moderne Erscheinung.
Genau da fängt mein Unbehagen an. Nicht am Duft, oh nein. Sondern an dessen unsäglichem Marketing. Es präsentiert uns diesen Duft als Lieblingsparfum der Königin Marie Antoinette, original aus dem 18. Jahrhundert überliefert. Wer, bitte, soll sowas glauben? Und wer braucht sowas?!? "Duften wie die Königin" – mir Republikanerin stellen sich da die Nackenhaare auf. Erst recht, wenn ich mir vorzustellen versuche, wie die Haute Volée des 18. Jahrhunderts wohl gerochen hat: Puder und Parfum statt Wasser und Seife, Düfte jener Epoche mussten gegen den Mief ungewaschener Leiber anstinken – für heutige Nasen unerträglich. Käuferverdummung. Vermutlich konzipiert für den US-Markt, wo Aristokratisches und "Historisches" prima zieht, Wissen über good ol' Europe aber rar ist. Und um den heimischen Markt wieder zu versöhnen, der den politisch unkorrekten Verweis auf die Vor-Marseillaise-Ära übelnehmen könnte, hat man den Duft mit großem Getöse exakt am Quatorze Juillet herausgebracht. Zum Tag des Bastillesturms, der Marie Antoinettes Herrschaft und Herrlichkeit beendete – für eine Huldigung an diese Königin, die das Parfum ja wohl doch irgendwie sein soll, nicht eben geschmackvoll. Grrrrrr…
Warum ich trotzdem Lust bekam, "Black Jade" zu testen? Irgendwo im WWW las ich, dass Madame la Reine nach Zeitzeugenberichten täglich zu baden pflegte; dann brauchte sie, falls das royale Marketingmärchen wider Erwarten stimmen sollte, also keine zeittypischen Stinkerparfums ;-)).
Quatsch ;-): Neugierig wurde ich durch viele sehr positive Anmerkungen zum Duft. Die kann ich bestätigen. Und werde mir "Black Jade" vielleicht zulegen. Dass ich "nur" mit 80 Prozent bewerte, hat nichts zu tun mit dem Marketingbrimborium, sondern einzig mit dem too much-Auftakt; weniger Kardamom wäre da mehr.
P.S. Auf der Lubin-Website findet man eine sortierte Duftpyramide, die mir recht schlüssig vorkommt:
Kopfnote: Galbanum, Bergamotte, Kardamom
Herznote: Jasmin, Damaszenerrose, Weihrauch, Zimt
Basisnote: Sandelholz, Patchouli, Vanille, Tonkabohne
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Update 11. März 2012: Nach ausgiebigen Ganztagstests hat sich "Black Jade" nun doch als Nicht-Kaufkandidat erwiesen - die schon angesprochene grün-säuerliche Unternote mag ich nicht täglich in der Nase haben. Gerade diese Note ist aber sehr ausdauernd, heftet sich zudem intensiv an Kleidung... Deshalb auch eine Korrektur bei der Bewertung, auf 70 Prozent.