Viques

Viques

Rezensionen
Viques vor 2 Jahren 14 2
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Opa sagt: Früher war alles besser.
Der Sessel ging durch dick und dünn. Kleine Kerben, abgeplatzter Lack und seine ausgebleichte Sitzfläche sind Bildnis eines bewegten Lebens. In jedem Quadratzentimeter steckt echte Handarbeit. Vielleicht sogar Blut oder eine abgesägte Fingerkuppe. Früher war man hart im Nehmen. Wie dieser Stuhl. Und heute? Ist alles anders.

Nach wenigen Jahren klappen ihre Nachkommen zusammen. Das nennt man Altersschwäche, obwohl sie doch so jung sind. Mit dem Blick nach oben gerichtet, in Erinnerungen schwelgend, wandern vier Worte über seine Lippen: „Früher war alles besser.“

Ach Opa, dann fahren wir eben nicht zu IKEA.

„Sieh dir die Jugend von heute an: Sie kaufen löchrige Hosen. Als ob es ein gut gereifter Käse wäre. Sie fahren E-Scooter statt Fahrrad, weil das viel zu anstrengend ist. Und zu allem Überfluss lassen sie die Dinger wie einen durchgekauten Kaugummi am Boden liegen. Es ist schrecklich. Früher hätte es so was nicht gegeben.“

Ja, Opa. Früher lauschte man dem Kofferradio und heute guckt man eben Netflix. Die Zeiten ändern sich. Und sie dich auch.

Das gilt wohl ebenso für Creed. Heute ist der selbst ernannte König der Duftwelt in der Ständeordnung zu einem Bauerntölpel abgestiegen. Das hat er vor allem seinen qualitativen Einbußen zu verdanken. In den ersten Jahren bis in die 16er war er laut und rauchig. Heute vergleichsweise flach auf der Brust. Ihm fehlt das Holz wie einem alten Herrn der Gehstock. Der Verrat an der eigenen DNA. Das gibt es sonst nur in der Fantasie irgendwelcher abgedrehten Militärgeneräle.

Früher war alles besser. Worte, die mich immer zum Schmunzeln gebracht haben. Hinter denen aber doch viel Wahres steckt. Das klingt vielleicht etwas elegisch. Meine Nase mag es aber kaum glauben, dass sich unter dem gleichen Gewand ein anderer Duft versteckt. Es wichen ganze Noten, die sich zu vergangenen Zeiten um meine Geruchsrezeptoren schmiegten.

Aventus: die Ankunft des Königs? Nein, für mich ist er schon längst von dannen gezogen. Nur der Mythos hält ihn noch am Leben. Und eine Zeitmaschine in meinem Regal.
2 Antworten
Viques vor 2 Jahren 25 1
9
Flakon
9
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Tempomat auf 40 Nœuts
40 Knoten, das entspricht 74,08 km/h. Für die meisten Yachten ist das kaum zu erreichen. Die haben von Natur aus eher ein ruhiges Gemüt. Anders formuliert: Yachten sind die Blauwale der Schifffahrt. Deshalb ist es für den Staat auch so einfach, sie zu beschlagnahmen. Endlich jemand, bei dem die Maschinerie noch langsamer arbeitet.

Schnell voran geht es aber mit dem 40 Nœuts. Der braucht nämlich nur wenige Sprühstöße, um auf Volldampf zu fahren. Die Performance ist ausgesprochen gut. Sowohl in puncto Sillage als auch Haltbarkeit. Alles andere als ein schwaches Wässerchen. Und das, obwohl sich der Duft diesem Element widmet oder eher denjenigen, die es für sich nutzen.

Das Opening trumpft mit einer ordentlichen und spritzigen Champagner-Note auf. Als ob man gerade einen Grand Prix gewonnen hat oder Dita Von Teese umarmt. Definitiv nichts für jeden, aber gut getroffen. Denn in Monaco fließt wahrscheinlich ähnlich viel Champagner wie in Deutschland Bier. Und damit die Gäste auch an Bord nicht auf dem Trockenen landen, sind die Vorratskammern gut gefüllt.

Die Süße ist auf Kirké-Niveau, gepaart mit etwas Fruchtigem und über die gesamte Zeit deutlich wahrnehmbar. Ohne in eine feminine Richtung zu gehen. Wem jedoch die griechische Verführungskünstlerin etwas zu drüber ist, sollte lieber Abstand nehmen.

Hat der 40 Nœuts Ähnlichkeiten zu seinem älteren Bruder? Nein, nicht wirklich. Es sind zwei komplett verschiedene Charaktere. Wie Joey und Angelo Kelly. Die Frage ist nur: Ist einem nach einer Feier oder einer leichten Brise zu Mute? Falls jedoch noch ein luxuriöser Sommerabend-Duft in den Reihen fehlt, ist er in jedem Fall ein guter Kandidat.

Volle Fahrt voraus!
1 Antwort
Viques vor 2 Jahren 9 1
9
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
O Tobaccobaum
Großunternehmer mit Vollbart, dickem Schlitten, einen Haufen an Angestellten und Immer-wieder-Start-up-Mindset.

Nein, das ist keine Mischung aus Mark Cuban und Aquaman. Sondern: ein Mysterium und Marketing-Coup zugleich. Er leert das Konto und füllt die Kassen. Wie ein unseriöses Investmentprojekt von Frank Thelen. Er sorgt für Stau auf den Autobahnen und in den Einkaufspassagen. Zaubert Kindern ein Lächeln ins Gesicht und den Eltern die Sorgenfalten beim Anblick der Aufbauanleitung. Er beschert Kindern wund geschriebene Finger und den ersten großen emotionalen Betrug: Es ist der Weihnachtsmann.

Manche haben ihn gesehen. Erstaunlich oft handelte es sich dabei um den Onkel, Opa oder eine gescheiterte Schauspielkarriere. Aber was wäre, wenn es ihn wirklich gäbe? Würde er sich zu Weihnachten selbst beschenken? Fährt er privat Fahrrad, E-Scooter oder doch einen Schlitten mit zwölf Zylindern und Lachgaseinspritzung? Das sind Fragen, die ich mir stelle. Aber auch: Was wäre sein Parfum?

Es muss etwas sein, das seine imaginäre Präsenz unterstreicht, zum Träumen einlädt und wie ein großer Teddybär umarmt. Schwer. Würzig. Mystisch.

Würzig ist der Tobacco Vanille auf jeden Fall. Vor allem durch den Kakao und Tabak, der gleich zu Beginn angenehm präsent wird. Dadurch könnte man meinen, der Weihnachtsmann ist Kubaner oder dreht nebenberuflich Zigarren. Doch im Dry Down gesellt sich noch mehr hinzu. Ein süßlicher Twist, durch die Vanille bedingt, der in einer leicht ausstrahlenden Wärme gipfelt.

Oft wird der Duft mit Weihnachten assoziiert. Die Verbindung liegt nah. Doch ist er auch ein Weihnachtsmannduft? In gewisser Weise schon. Zumindest, wenn er nach all den Dächern zu Hause runterkommen möchte. Oder um sich vor seinem großen Auftritt in Stimmung zu bringen. Sozusagen ein weihnachtliches Pendant zu Careless Whisper von George Michael.

Tom Ford hat mit dem Tobacco Vanille einiges richtig gemacht. Auch wenn nicht alle auf den ersten Riecher mit ihm warm werden. Oder nie. Aber das ist völlig okay. Und fest steht auch: Könnte sich Tom Ford ein „Approved by Santa“ auf seinen seidenen Anzug sticken lassen, würde er es machen. Und die Preise erhöhen.

Also lieber Weihnachtsmann: Hol ihn dir, den Tom Ford. Aber nur als Duft. Und wenn du bei mir später den Schornstein runterrutschst, darf es ruhig etwas anderes sein.

In diesem Sinne: ho ho ho.
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