Zionist

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6 - 10 von 24
Zionist vor 10 Jahren 19 9
4
Duft
Adoptiveltern gesucht
Monoi Tiki Tahitis - Kokosnussöl mit Tiareblumen darin trage ich gerne nach ausgiebigem Sonnenbad auf meiner Haut auf und finde den denzenten Blutenduft dieses Produktes als sehr angenehm. Tiare Blüten wie auch Frangi pani und Ylang Ylang gehören in der Natur zu den Blüten, die mich auf Fernreisen immer magisch anziehen und faszinieren, wo sich für mich die Natur im Tropenbereich von seiner olfaktorisch schönsten Seite zeigt.
Bei einem Blindkauf der letzten Wochen bei A L z D dachte ich, dass mit den von mir so geschätzten Ingredienzien Tiare -Ylang Ylang u. Kokos zumindest was meine Erwartungen betrifft mit Montales Intense Tiare sicherlich nichts schief gehen wird.
Dieser Duft hat tatsächlich von allen heiss erwarteten Komponenten auch alle in konzentrierter Form enthalten, nur scheint er mit meiner Haut so gar nicht kompatibel.
Offensichtlich gibt es im Leben immer wieder Situationen, wo die Vorzeichen von Anfang an nicht stimmen und
bei noch so vielen Bemühungen kein konstruktives Ergebnis für sich dabei herauskommt.

Dieser als unisex ausgewiesene Duft hat aufgrund seines kompakt floralen Auftritts eine eher sehr feminine Akzentuierung, die ich mir bei anderen gut vorstellen kann, jedoch nicht mit meinem Selbstbild übereinstimmt .
Ohne diesen Duft schmälern zu wollen - natürlich werde ich auch in Zukunft weitere Blindkäufe tätigen - aber diese Komposition von Montale entspricht nicht dem Konstrukt meiner mit ihm assoziierten und antizipierten Erwartungen.
Insofern leite ich Montale Intense Tiare kostenlos gerne an jene Stelle weiter, wo er schliessendlich jene Wertschätzung erhalten soll, die ihm gebührt - einfach Nachricht auf meinem Postfach hinterlassen.
9 Antworten
Zionist vor 10 Jahren 20 7
10
Flakon
10
Sillage
7.5
Haltbarkeit
3.5
Duft
Frederic Malle und Marie Bonaparte
Ich nimm den Kommentar zu Noir Epices zum Anlass, meine Faszination für Düfte von F. Malle zum Ausdruck zu bringen.

Die Editions seiner Parfums, dessen neuen Kosmos ich mit den wenigen Kreationen, die ich bisher kennenlernen durfte, für mich einem Quantensprung in der Physik gleichkommen, ermöglichen es mir neue Duftmöglichkeiten in noch nie erfahrener Qualität zu genießen, gleich dem Aufstoßen eines Tores zu einem neuen Universum mit neuen Dimensionen und Gesetzmäßigkeiten, an denen ich noch lange am erforschen und erkunden sein werde.

Frederic Malle, der sich als künstlischer Direktor seines Unternehmens in Zusammenarbeit mit seinen Parfumeuren als Editor oder Kurator der Machbarkeit von Meisterdüften definiert, spielt bei dieser Idee einzigartige Kunstwerke zu konzipieren und deren Umsetzung zu realisieren als Feingeist mit familiärer genetischer Disposition eine exzeptionell einzigartige und genial- kreative Rolle.

Auch hinsichtlich der Zusammenarbeit mit seinen Parfumeuren zeigt er großes Geschick und verhalf auch Quereinsteigern wie Michel Roudnitska mit Noir Epices zum Durchbruch auf dem Parfumsektor.

Michel Roudnitska, Sohn des berühmten Parfumers Edmond Roudnitska ( Eau Fraiche, Diorissmo, Eau Savage und Eau d´Hermes) war davor vor allem als Kreativer in der Werbebranche höchst erfolgreich und ein gefragter Fotograph u.a. für Webebrochüren für Concorde Air France, IBM oder dem Shell Konzern.

In den 14 Jahren seit der Gründung der Editions de Parfums Frederic Malle wurden 22 Parfums kreiert.
Eine sehr große Bewunderin seiner Düfte ist die Schauspielerin Catherine Deneuve, die bis zum Kennenlernen der Frederic Malle Parfums nur einen Stammduft – L´Heure bleu von Guerlain hatte.

Im Gegenzug dazu ließ sich im Jahr 2000 Pierre Bourdon bei der Schöpfung von Iris Poudre von Deneuve´s Darstellung der Severine Serizy in Louis Bunuel´s 1967 gedrehten Film Belle de Jour inspirieren.

Catherine Deneuve betonte in einem Interview im Rahmen des 2004 unter der Regie von Benoit Jaquot gedrehten Spielfilm Marie Bonaparte, dass sie während den Dreharbeiten ausschließlich F. Malle´s Noir Epices verwendete, da dieser Duft wie geschaffen dafür war, sich in die Figur der Marie Bonaparte einzuleben, und sie dadurch der Filmfigur auch die richtige Authentizität verleihen
konnte.

Was ist das Besondere an Michel Roudnitska´s Duft, der als meisterliche Komposition einer perfekten Synthese aus dunklen Gewürzen und exotischen Holz gepriesen wird, der einen orientalischen Charakter hat der lieber auf den typischen Vanilleakkord verzichtet, und anstatt dessen ausgiebig in sehr würzigen Noten suhlt, und durch seinen hohen Anteil an Patchouli eine exotisch sinnliche Akzentuierung verliehen bekommt ?

Den wirklich umfassenden und wunderbaren Duftbeschreibungen bezüglich Noir Epices von Bertel, Sumari und Profumo ist nichts mehr hinzuzufügen.
Catherine Deneuve Darstellung der Marie Bonaparte gibt hier vielleicht mehr Aufschluss bezüglich der unterschiedlichen Wahrnehmung dieses Duftes.

Marie Bonaparte, die von 1882 bis 1992 lebte, war die Urgoßnichte von Kaiser Napoleon und Prinzessin von Griechenland und Dänemark, und eine der schillerndsten Figuren des europäischen Hochadels des 20. Jahrhunderts.

In ihrer Autobiographie 1958 „ Derrie´re les vitres closes“ - Hinter verschlossenen Vorhängen – sucht sie mit den Werkzeugen der Psychoanalyse Antworten auf Fragen zu bekommen, die sie seit frühester Kindheit beschäftigen.

Die Frage nach den Beweggründen von Mördern und Anarchisten beschäftigt sie ihr ganzes Leben, und war vermutlich auch durch den Vorfall getriggert, da ihr Großvater Prinz Pierre Bonaparte einen Journalisten im Streit erschoss.

Als intellektuelle Adelige arbeitete sie als Schrifstellerin in Paris, nahm sich immer mehr sozialpsychologischen Gesellschaftsfragen an , ignoriert dabei damals bestehende Tabus und wurde vor allem politisch aktiv - forderte vehement die Abschaffung der Todesstrafe und die psychologische Betreuung psychisch kranker Täter in Haftanstalten, oder versuchte in Krankenhäusern Studien bezüglich der Frigidität bei Frauen zu implementieren.

1915 im Rahmen einer schweren Lebenskrise aufgrund einer unglücklichen Liebesbeziehung fährt sie nach Wien und begibt sich bei Sigmund Freud in psychoanalytische Behandlung.

Aus der ehemaligen Analysandin wird im Laufe der weiteren Jahre eine enge Vertraute und unverzichtbare Mitarbeiterin Freuds, die selbst eine analytische Ausbildung beendete und sowohl Freuds Schriften ins Französische übersetzt, als auch zur Institutsgründerin der Psychoanalyse in Frankreich wird, triebtheoretisch weiterhin fasziniert von der Genese des triebhaften Handelns und libidinös gesteuerten Phantasien.

Mit eloquent diplomatischer Taktik gelingt es ihr 1938 Sigmund Freud aus den Händen der Gestapo freizukaufen und organisiert und finanziert seinen Umzug in sein Londoner Exil.

Noir Epices wirkt auf mich mit seiner Souveränität und in seinem charaktervollen Auftreten wie ein schöner Vintageduft, der von einem Teil der User mit selbstbewußten mystisch, eleganten, verwegenen, warmen aber auch erotisierend obsessiven Anteilen beschrieben wird , während er von Anderen durchaus auch als sehr anstrengend, fordernd, unharmonisch und mit irritierenden Eigenschaften wahrgenommen wird.

Deneuves Überlegungen bezüglich ihrer Filmrolle sind für mich gut nachvollziehbar, und unterstreichen für mich oben beschriebene Eigenschaften bei beiderlei Geschlecht, indem
durch eine meisterhafte harmonische Komposition dunkle Gewürzen und exotisches Holz eine geradezu perfekte Synthese eingehen.

PS: Das Grab des von Prinz Pierre Bonapate erschossenen Jounalisten Victor Noir befindet sich auf dem Pariser Friedhaof Pe´re Lachaise. Die grünspänige kupferne männliche Figur der Grabplatte von Victor Noir wurde zu einer Art Pilgerstätte für Besucher.
Der Bildhauer hat im Genitalbereich der männlichen Figur eine Ausbuchtung angedeutet, die im wunschvollen abergläubischen Denken bei Besuchern als dezente Erektion interpretiert wird, deren Berührung Frauen zu Fertilität und Männern zur Potenz verhilft.
7 Antworten
Zionist vor 10 Jahren 31 10
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Sinnliche Samtigkeit
Dass ich mal selbst Geld für einen Duft von Roja Dove ausgebe, wäre vor ein paar Jahren ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, und ich hätte mit einer Inbrunst der tiefsten inneren Überzeugung, Wetten dagegen abgeschlosssen.

Bertels "entrückte" Kommentare bar jeder sonst ihm abrufbaren Objektivität bezüglich Aoud und Amber Aoud als auch der letzte Kommentar über Amber Aoud von Labormaus der Züge eines "freiwilligen Offenbarungseids" annahm, hatten letzte Woche in dem Moment als ich im Quartier 206 stand, dann offenbar doch den entsprechenden Nachhall bewirkt, Amber Aoud testen zu wollen, obwohl bei mir eine klare Grenzlinie im Preis/Leistungsverhältnis besteht, und ich das Terrain, wo für mich die Preisobszönität beginnt eigenlich in keinen meiner Lebensbereiche beschreite.

Ja eins steht fest, hier hat man es mit einem wundervollen klassischen Orientalen zutun, dem offensichtlich eine alt tradierte britische Eleganz und Raffinesse mit in die Wiege gegeben wurde, denn von so einer meisterhaften großartigen subtilen Parfumkunst wurden meine Sinne schon lange nicht mehr weggespült.

Das was mir als allererstes auffiel ist , dass meine Ohren gleich beim ersten Aufsprühen des Duftes auf meine Haut heiß werden und sich vor Aufregung röten – dieses Phänomen stellt sich auch bei wiederholten Gebrauch immer wieder von Neuen ein.

Die Kopfnote aus Bergamotte, Zitrone und Limette ist für mich nicht wahrnehmbar, da sich statt des Ablaufs einer klaren Duftpyramide, eine glückselig machende Schummrigkeit in meinem Kopf breitmacht, die mich zur Unfähigkeit verurteilt, klar zu fühlen.

Diese perfekt mit- und ineinander verwobenen Stimmungsbilder durch Amber, Oud, Zimt , Zibet Moschus und Schwertlilie treten mit so einer kraftvollen Sanftheit im Verlauf auf, dass man sich ihrer Verführung nicht sofort bewußt wird, und sich unvermutet in nicht erträumten harmonischen Tiefen wiederfindet, die sich aus Gefühlen von betörender Sinnlichkeit und Begierde und wärmender Geborgenheit bis hin zur sättigend - umschmeichelnder Zufriedenheit zusammensetzten.

Jede einzelne der Duftkomponenten wirkt auf mich wie in ihrem Detail harmonisch auf die jeweils andere perfekt abgestimmt, alles erscheint als Ganzes perfekt arrangiert und zum großen Auftritt ohne Pomp orchestriert.

Patchouli, Safran und Sandelholz ziehen einen zusätzlich, so wie das Laub vom Wind erfasst wird, mit sich, und durchlebte Gefühlssensationen, lassen einen an einem Ort wieder aufwachen, wie wenn man durch eine starke Meeresstörmung hinweggespült, hunderte Meter vor sich hingetrieben hätte.

Bei Songe d´un Bois d´E´te´, der trotz seiner völlig anderen Konzeption bei mir ein annähernd vergleichbares beeindruckendes Dufterlebnis voller sinnlicher Wärme erzeugen kann, ist mir in seinem Charakter oft zu dominat und kann mich, je nach Tageslaune aufgrund seiner würzigen Schwere, die auch so eine raumergreifende Tendenz haben kann, leicht nerven, welches ich bei Amber Aoud völlig misse.

Amber Aoud ist sicher nicht ein Duft für jeden Tag, aber die Tage an denen er eingesetzt wird stehen ganz unter dem Zeichen der sinnlichen Samtigkeit seines Charakters.
10 Antworten
Zionist vor 10 Jahren 19 5
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
5.5
Duft
Zagorsk und der Pariser Chic
Die russische Großstadt Sagorsk ( früher Sergijew) liegt mit etwa 70 km Entfernung in unmittelbarer Nachbarschaft von Moskau.
CdG hat das im 14. Jahrhundert erbaute Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit in Zagorsk in seiner Insence Serie zum Symbol für das religiöse Zentrum der russisch - orthodoxen Kirche erkoren.

Da ich selbst noch nie in Russland war, und sich bei mir aus Film- und Fernsehdokumentationen klare Bilder der russischen Orthodoxie verfestigt haben, war ich auch nicht überrascht die Beschreibung bei Liebe zum Duft zu lesen, wo die Parfumeurin Evelyne Boulanger quasi den Auftrag von CdG zur vollsten Zufriedenheit umgesetzt haben soll:

deren poetische Beschreibung:
Klösterliche Anklänge ergeben sich durch intensive rauchige Weichrauchnoten, die an dunkle Klostergewölbe erinnern, die durch Koniferennoten und würzigen Pfeffer die kühle Trockenheit unterstreichen und somit kontemplative Ruhe bei meditativer Beschaulichkeit eine besinnliche Klosterstimmung authentisch vermitteln.

Fein dachte ich mir, dann erspare ich mir in Zukunft beim nächsten beruflichen Zustand eines möglichen Burnouts die avisierten Exerzitien im Kloster und lege schon mal höherfrequent prophylaktisch Zagorsk bei den nächsten inzipienten Anzeichen von Stressüberlastung an.

Evelyne Boulanger hat sich mit einigen ihrer bisherigen Arbeiten bereits in mein Herz geschlichen.

Mit Silver von Amouage hat sie bereits vor Jahren ein perfekt ausbalanciertes harmonisches Weihrauchthema abgeliefert , firmierte für CdG auch bei der Umsetzung des Weihrauchthemas im Hinduismus mit Jaisalmer, und hat auch Giorgio Armanis Oud Royal geschaffen.
Für mein Dafürhalten, konnte sie - was ich zumindest - unter Weihrauch in der russisch orthodoxen Handhabung verstehe, nicht umsetzen, und hat mir somit eine große Freude bereitet. da der Duft schlichtweg ein wunderbarer Duft - auch ffür den Alltag - ist.

Nach mehreren Versuchen konnte ich klar erkennen, dass Zagorsk vor allem durch seinen geradlinigen und klaren Verlauf charakterisiert ist. Wer hier einen schweren Weihrauchduft erwartet ist hier fehl am Platz.

Zagorsk hat initial, in der Sekunde nach dem aufsprühen, eine sehr rauchige Note, die extrem kurz ist, und für einige irritierend sein mag, die sich aber sofort verflüchtigt, und auch nicht mehr auftaucht.
Die Kopfnote beginnt kratzig grün und pfeffrig krautig, aber auch dieser Eigenschaft ist nur eine kleine Kurzatmigkeit beschieden.

Ein schwerer rauchiger Charakter, ( wie ich ihn für den Duft erwartete) und wie er in den ersten Sekunden auch wahrnehmbar war, ist dann beim Breitbandauftritt von Weihrauch nicht erkennbar.

Der Weihrauchton kommt sehr mild daher und ist durch Birken- Kiefern- und Zederholz von einer dezenten holzig harzigen Würzigkeit, die keine Assoziationen von Klostergewölben, sondern eher Bilder einer sonnig warmen mediterranen Landschaft bei mir aufkommen lassen.

Vetyver, welches im Inhalt nicht angegeben ist, ist mit den bereits beschriebenen Vertretern und den zarten Intermezzi von Iris und Veilchen für den weiteren warmen cremigen Verlauf verantwortlich, der über Stunden einen wohltemperierten Ausklang nimmt.

Das franz. „ Comme des Garcons“ steht für „ jugendlicher Mann „ oder „Junge“ insofern entspricht auch der Duft nicht den reichgeschmückten alttestamentarischen russisch orthodoxen Priesterornaten, sondern Madame Boulanger ist sich paradoxerweise, was die Intention mit Zagorsk betrifft, unbewußt der eigenen Firmenphilosophie von C d G treu geblieben, die mit moderner puristisch klarer und auf reduzierte Formen beschränkte Männerkleidung bisher im Geschäft ist.
5 Antworten
Zionist vor 10 Jahren 32 10
10
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
4
Duft
Avignon und der Weihrauch
Die japanische Firma Comme des Garcons wurde bereits 1969 in Tokyo von der erfolgreichen Modedesignerin Rei Kawakubo gegründet, die seither erfolgreich mit ihrer aussergewöhnlich anspruchsvoll erscheinenden und intellektuell angehauchten Avantgardemode im internationalen Hochpreissegment in der Modebranche mitmischt.

Seit Mitte der 90er produziert CdG vom Firmensitz in Paris aus auch Parfums, die die Besitzerin selbst teilweise als „Non- Parfumes“ bezeichnet, da es ihr bei ihren Duftkreationen nicht so sehr auf Massenkompatibilität ankommt, sondern sie mit ihren Düften auf schon erlebte emotional sensorische Erfahrungsprozesse des Individuums abzielt, und sich und den anderen somit einen breiten Raum für individuelle Interpretationsmöglichkeiten offen lässt.

Die INCENSE Edition von CdG besteht aus 5 Parfums, wobei jedes dieser Reihe nach einem religiösen Zentrum benannt ist und eine Glaubensrichtung symbolisieren soll.

Incense – also Räucherwerk oder Weihrauch, war bei mir vor Jahren, als ich mich bei Parfumo anmeldete gar kein Thema, da Weihrauchdüfte auf das heftigste mit frühkatholischen Kirchenassoziationen verknüpft waren und daher ein für allemal uninteressant waren.

Doch ich habe allzuschnell die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Aufgrund meines fortbestehenden regen Interesses an neuen Düften, nie gekannten und erahnten oder vorstellbaren Duftkreationen, wie ich sie jetzt im Laufe meiner Aktivität hier in diesem Portal kennengelernt habe, wurde ein unglaublicher Weiterentwicklungsprozeß meinerseits vorangetrieben, der durch einige inzwischen liebgewonnene Parfumos geradezu katalytisch angetrieben wurde, und im Rückblick jetzt eher dem Durchlaufen einer unglaublichen Metamorphose entspricht.

Weihrauch ist bei mir zu einem Alltagsgebrauchsgegenstand mutiert, ohne ihn dadurch schmälern zu wollen, der inzwischen völlig entkoppelt ist von seiner überproportionalen Vereinnahmung - kulturell gesehen - durch den sakralen und kultischen Bereich.

Irgendwie ist mir diese bis dahin bestehende Ehrfurcht vor ihm verloren und abhanden gekommen, - fast schon so, wie wenn man am PC die Delete - Taste drückt.

Im Gegenzug dafür kann ich mich angstfrei in seine transzendente meditative Vielfalt einfühlen, erkenne erst jetzt seinen ganzen olfaktorischen Reichtum infolge neuer nie dagewesener Duftkombination, da endlich all diese angelernten oder auch nur eingetrichterten dogmatischen Überbauten beiseite gelegt sind.

Dieser für mich entmystifizierte Weihrauch wurde somit zu einem wertvollen und liebgewonnenen Gewürz, nicht mehr und nicht weniger, quasi ein von mir sehr geschätzter säkularer Teil meines gelebten Lustprinzips.

Aufgrund der Brückentage der letzten Woche sind bei mir überproportional viele CdG Düfte in mein Heim eingezogen, was natürlich mit meiner Vorliebe für Labdanum, Elemiharze, Styrax, Galbanum, Myrrhe und Benzoe - allein als Solist, oder als variantenreiches Gruppenorchester zu tun hat.

Warum eine japanische Firma die Stadt Avignon als Vertreter des Katholizismus wählt, mutmaße ich m. E., kann nur aufgrund einer historischen blinden Flecks der römisch katholischen Kirchengeschichte erfolgt sein , oder weil CdG mit Paris als Firmenschwerpunkt eben auch in Frankreich angesiedelt ist, und die schön restaurierten katholischen Bauten Avignons mit uneingenommener japanischer Wahrnehmung einfach nur beeindruckend sind ?.

Bertrand Duchaufour hat mit Avignon neuerlich sein Talent bewiesen, und einen einzigartigen Meilenstein im Incense Segment geschaffen, der keine Wünsche offenlässt.

Avignon hat alles was wir von einem verzaubernd schönen katholischen Hochamt kennen, keine
Muffigkeit sondern alles sehr ausgewogen mit einem hellen kamillig unterlegten Weihrauchbeginn, der sehr freundlich wirkt und im weiteren Verlauf gewürzig zu einer warmen liebevoll vanillig süsslichen Herz- Basisnote wird , die für mich auch noch mit Sandelholz unterlegt ist.

Aber genau hier stellt sich mir die Frage nochmals nach dem Grund warum CdG gerade Avignon jeder anderen römisch katholischen Hauptstadt in der Namnesgebung des Parfums den Vorzug gegeben hat.

Als die Kirchenspaltung im Jahre 1309 begann und sich die Kurie für die nächsten 68 Jahre mit ihren 6 Päpsten in Avignon im sogenannten babylonischen Exil befand, waren kirchliche Exzesse was Pomp, Intrige und Verschwendung betrifft an der Tagesordnung.

Allerdings halte ich CdG gerade was derartige spezielle Überlegungen betrifft nicht so „sofisticated“ genug, um im Rahmen eines global agierenden sehr gehypten Avantgardeconcerns so ein Backgroundwissen in ihre modernen Firmenmarketingstrategien noch zusätzlich zu berücksichtigen.

Avignon ist für mich ein Duft, den ich vermutlich großzügig und oft an Tagen, an denen ich weniger unter Leute gehen werde ausgiebig gebrauchen werde, aber auch gleichzeitig über die kritische Stimme des Dichters Francesco Petrarcas hinwegsehen werde , der den Papstpalast am Ufer der Rhone nur abfällig mit den Worten kritisierte, daß in dieser Lasterhöhle und Sündenpfuhl nur die Selbstherrlichekit regiere, wo statt Gott nur das Geld angebetet werde.
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