01.10.2024 - 15:41 Uhr

ElAttarine
77 Rezensionen

ElAttarine
Top Rezension
34
Nocturnes
Es sind diese heißen Nächte, in denen sie nicht zur Ruhe kommt. In ihrem hellen, weiten Sommeranzug geht sie im Dunkeln nach draußen, wo sich ein leichter Lufthauch regt. Der Duft ihrer geliebten gezüchteten Rosensorten, die sie „Töchter Gottes und der Menschen“ nennt, verbindet sich im Dunkeln mit anderen süßen Blumendüften, und sie trinkt ihn tief mit ihrem Atem ein. Hier auf dem Landgut riecht die Nacht ganz anders als in der großen Stadt, hier mischt sich auch immer wieder eine Ahnung der bäuerlichen Tierhaltung ringsum in die süßdunkle Nachtluft.
Aus einem der offenen Fenster klingt Klaviermusik. Melancholisch, liebevoll, sehnsüchtig schweben die Töne durch die Nacht und zu den Blumen… Es ist, als läuft ihr Herz vor lauter Liebe schmerzlich über - zu F., und gleichzeitig zu den vielen wunderbaren Menschen, die auch hier sind und die Abende mit anregenden nächtlichen Partys verbringen. Zudem trägt sie noch den Schmerz über eine verlorene Liebe in ihrem Herzen – in einem Brief hatte sie geschrieben, „der Duft der Seele ist die Erinnerung... Die Zuneigung eines Abwesenden ist nur noch ein Duft, aber wie süß und lieblich ist er! Fürchte dich nicht, o du, der du auf meinem Weg diese balsamische Spur hinterlassen hast, fürchte nie, dass ich sie verloren gehen lassen werde. Ich werde sie in meinem Herzen festhalten, wie eine Essenz in einem versiegelten Flakon.“
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Mein Dufteindruck von „Les Nuits“ ist der dieser dunklen nächtlichen Blumen, dazu gleich im Auftakt schon wunderschön harzigdunkles Labdanum (bin mir sicher, auch wenn hier nicht gelistet), dessen Animalik sich lebendig mit Facetten von Zibet und Castoreum überblendet… sinnlich-fellig schnurrend… Die Blumen sind für mich zu keiner Zeit grünlich oder frisch, ab und zu weht eine Ahnung von Ylang-Ylang (oder ist es Jasmin, oder beides?) vorbei. Auch die Rose ist mir gar nicht als solche erkenntlich, eher vintagemäßig Teil des Blumenbeets. Das Ganze ist eingebettet in dunkle Iris und eine schöne pudrig-süßlich-erdige Zimtpatchoulibasis mit Resten vom Labdanum.
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George Sand war Feministin und für ihre Zeit außergewöhnlich unabhängig - natürlich mit dadurch ermöglicht, dass sie wohlhabend war. Sie rauchte, trug Hosenanzüge und war nicht bereit, sich Männern unterzuordnen. Trotz ihrer beiden Kinder trennte sie sich von ihrem Ehemann, was sie aber nicht daran hinderte, ihn neben ihren zahlreichen Liebesbeziehungen weiter hin und wieder zu treffen. 1836 lernte sie Chopin kennen und war neun Jahre lang mit ihm zusammen. Auf ihrem Landgut in Nohant-Vic sind in diesen Jahren einige seiner Kompositionen entstanden.
Die Parfümhistorikerin Annick Le Guérer beschreibt auf ihrer Homepage, dass Christiane Sand, George Sands Erbin, ihr einen kleinen Flakon anvertraut hatte, der auf Georges Toilettentisch verblieben war. Le Guérer übergab ihn Dominique Ropion mit dem Auftrag, ihn zu analysieren und originalgetreu zu rekonstruieren. Der Flakon war allerdings wie zugeschweißt, hatte dadurch aber den Duft konserviert. Die Techniker von IFF haben den Boden der Flasche mit einer Mikroperforation versehen, um den Inhalt möglichst schonend zugänglich zu machen. Die Analyse ergab die folgenden Bestandteile: Rosenessenz, Iris, Vetiver, Patchouli, Labdanum, Zibet, Benzoe, Ylang-Ylang, Zimt, Bergamotte, Jasmin, Sandelholz, Castoreum. Es ist nicht bekannt, ob Dominique Ropion genau diese Zutaten für den aktuellen Duft verwendet hat, aber mir erklärt es meinen Dufteindruck. Und ich kann mir vorstellen, dass George Sand in ihrem Garten diesen schönen Duft trägt, wenn die Nacht hereinbricht, sie Chopin zuhört, wie er eine Nocturne komponiert, sie an ihren Lieblingsblumen riecht und die Musik in der Nachtluft zum Parfum wird.
Mit liebem Dank an Spatzl!
Annick Le Guérer zur Entstehung des Dufts und mit Zitaten aus Georges Korrespondenz:
https://annickleguerer.com/wp-content/uploads/2022/10/Astier-de-Villatte.pdf
Chopins Nocturne Op. 37 Nr. 1 in g-moll:
https://www.youtube.com/watch?v=kXvofjPNkCY
Aus einem der offenen Fenster klingt Klaviermusik. Melancholisch, liebevoll, sehnsüchtig schweben die Töne durch die Nacht und zu den Blumen… Es ist, als läuft ihr Herz vor lauter Liebe schmerzlich über - zu F., und gleichzeitig zu den vielen wunderbaren Menschen, die auch hier sind und die Abende mit anregenden nächtlichen Partys verbringen. Zudem trägt sie noch den Schmerz über eine verlorene Liebe in ihrem Herzen – in einem Brief hatte sie geschrieben, „der Duft der Seele ist die Erinnerung... Die Zuneigung eines Abwesenden ist nur noch ein Duft, aber wie süß und lieblich ist er! Fürchte dich nicht, o du, der du auf meinem Weg diese balsamische Spur hinterlassen hast, fürchte nie, dass ich sie verloren gehen lassen werde. Ich werde sie in meinem Herzen festhalten, wie eine Essenz in einem versiegelten Flakon.“
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Mein Dufteindruck von „Les Nuits“ ist der dieser dunklen nächtlichen Blumen, dazu gleich im Auftakt schon wunderschön harzigdunkles Labdanum (bin mir sicher, auch wenn hier nicht gelistet), dessen Animalik sich lebendig mit Facetten von Zibet und Castoreum überblendet… sinnlich-fellig schnurrend… Die Blumen sind für mich zu keiner Zeit grünlich oder frisch, ab und zu weht eine Ahnung von Ylang-Ylang (oder ist es Jasmin, oder beides?) vorbei. Auch die Rose ist mir gar nicht als solche erkenntlich, eher vintagemäßig Teil des Blumenbeets. Das Ganze ist eingebettet in dunkle Iris und eine schöne pudrig-süßlich-erdige Zimtpatchoulibasis mit Resten vom Labdanum.
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George Sand war Feministin und für ihre Zeit außergewöhnlich unabhängig - natürlich mit dadurch ermöglicht, dass sie wohlhabend war. Sie rauchte, trug Hosenanzüge und war nicht bereit, sich Männern unterzuordnen. Trotz ihrer beiden Kinder trennte sie sich von ihrem Ehemann, was sie aber nicht daran hinderte, ihn neben ihren zahlreichen Liebesbeziehungen weiter hin und wieder zu treffen. 1836 lernte sie Chopin kennen und war neun Jahre lang mit ihm zusammen. Auf ihrem Landgut in Nohant-Vic sind in diesen Jahren einige seiner Kompositionen entstanden.
Die Parfümhistorikerin Annick Le Guérer beschreibt auf ihrer Homepage, dass Christiane Sand, George Sands Erbin, ihr einen kleinen Flakon anvertraut hatte, der auf Georges Toilettentisch verblieben war. Le Guérer übergab ihn Dominique Ropion mit dem Auftrag, ihn zu analysieren und originalgetreu zu rekonstruieren. Der Flakon war allerdings wie zugeschweißt, hatte dadurch aber den Duft konserviert. Die Techniker von IFF haben den Boden der Flasche mit einer Mikroperforation versehen, um den Inhalt möglichst schonend zugänglich zu machen. Die Analyse ergab die folgenden Bestandteile: Rosenessenz, Iris, Vetiver, Patchouli, Labdanum, Zibet, Benzoe, Ylang-Ylang, Zimt, Bergamotte, Jasmin, Sandelholz, Castoreum. Es ist nicht bekannt, ob Dominique Ropion genau diese Zutaten für den aktuellen Duft verwendet hat, aber mir erklärt es meinen Dufteindruck. Und ich kann mir vorstellen, dass George Sand in ihrem Garten diesen schönen Duft trägt, wenn die Nacht hereinbricht, sie Chopin zuhört, wie er eine Nocturne komponiert, sie an ihren Lieblingsblumen riecht und die Musik in der Nachtluft zum Parfum wird.
Mit liebem Dank an Spatzl!
Annick Le Guérer zur Entstehung des Dufts und mit Zitaten aus Georges Korrespondenz:
https://annickleguerer.com/wp-content/uploads/2022/10/Astier-de-Villatte.pdf
Chopins Nocturne Op. 37 Nr. 1 in g-moll:
https://www.youtube.com/watch?v=kXvofjPNkCY
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