56
Top Rezension
Ein klassischer Fougère
In den Les Exclusifs gibt es gegenwärtig zwei Düfte, die nach Persönlichkeiten benannt sind: "Misia" und "Boy". Fans der Marke Chanel ist bereits bekannt, dass Arthur Edward "Boy" Capel (1881-1919) von 1908 bis zu seinem Tod 1919 Liebhaber und finanzieller Förderer Coco Chanels war. Wie groß der Einfluss wirklich war, den der gebürtige Engländer Boy auf Coco Chanels Leben und damit auf das Modehaus Chanel hatte, ist hingegen vielen weniger bewusst. Boy ist bis heute omnipräsent bei Chanel. Er war der Mann, der aus der jungen Frau "Coco" endgültig Coco Chanel machte. Es ist daher treffend, wenn Coco Chanel später selbst über ihn sagte: "He gave birth to me". Boy lernte die damals 26-jährige Näherin 1908 bei dem gemeinsamen Freund, Pferdenarren, Polospieler und ihrem damaligen Liebhaber, Etienne Balsan, kennen. Im Gegensatz zu Balsan galt Boys Familie als 'neureich', das familiäre Vermögen war kaum eine Generation alt. Sein britischer Vater hatte sein Vermögen mit der Veschiffung von Kohle gemacht, die Mutter, eine Französin, war Coco Chanel nicht unähnlich, was wohl auch neben ähnlichen Temperamenten von Coco und Boy die Anziehung zwischen den beiden begründete. Boy war der Erste, der entdeckte, dass in Chanel eine vorzügliche Geschäftsfrau steckte. Schnell wurde er nicht nur ihr Liebhaber, sondern war auch Lehrer und Transformator. Er war es, der Chanel in die Welt der Künste, Philosophie, Politik, Musik und Literatur einführte, Er war es, der ihren Geschäftssinn weckte, sie modisch inspirierte und es wagte, die bereits damals kratzbürstige Coco offen zu kritisieren ["You acted badly", "You lied", "You were wrong"]. Er war es, dem Chanel ihre lebenslange Sammlerleidenschaft für die kunstvoll gefertigten asiatischen Holzfächer, die sog. Coromandeln, verdankte. Er war es, der die ersten Entwürfe Chanels aus Jersey von einem Maßschneider aus Tweed nachschneidern ließ. Er war es, der mit ihr die Boutique in dem Luxusbadeort Deauville eröffnete. Er war es, der ihr über seine gesellschaftlichen Kontakte neue Kundinnen zuführte. So fortschrittlich Boy in seinem Denken für die damalige Zeit vielfach war, ordnete er letztlich doch seine Gefühle den beruflichen Ambitionen und eigenen Prinzipien unter. Er hat Coco Chanel nie geheiratet und unterhielt auch während der Beziehung weitere Beziehungen bzw. heiratete 'standesgemäß' eine Engländerin, Diana Wyndham. [Während der kurzen Ehe des charakterlich inkompatiblen Paares "glänzte" Boy die meiste Zeit durch Abwesenheit, da er die Zeit lieber seinen Freundinnen oder beruflichen Ambitionen widmete.]
Duft:
Wenn man sich die Kritiken zu „Boy“ hier im Forum betrachtet, stößt man unweigerlich auf den Begriff fougère. Der erste Duft, der das Wort fougère (frz.: Farn) bereits im Namen trug, war der „Fougère Royal“ von Houbigant 1882. Bei dieser Duftfamilie bildet klassischerweise Lavendel die Kopfnote, während Kumarin oder Eichenmoos in der Basis enthalten sind. Kumarin ist dabei eine synthetische Komponente, die z.B. aus Tonkabohnen gewonnen werden kann.
Wie riecht der Duft nun? Die Lavendelnote ist von Anfang an gut erkennbar und während des gesamten Duftverlaufes der Hauptakteur. Sie riecht dabei nicht altbacken und auch nicht zu holzig-herb. Der Duft hat wie auch die anderen Düfte des Hauses die ‚typische Chanelnote‘, die ihm Eleganz verleiht. Eingebettet wird der Duft von Sandelholz und Vanille, die ihn weicher machen, sodass er, obwohl er von Chanel als Männerduft vermarktet wird, auch mit Leichtigkeit von einer Frau getragen werden kann. Die Kumarinnote wird oft mit „frisch gemähten Gras“ bzw. „Heu“ verglichen. Tatsächlich hat es einen leicht süßlichen Geruch, der später in eine intensive, würzig-aromatische Duftnote umschlägt. Zusätzlich sind in der Basis durch das Eichenmoos leicht grüne Untertöne wahrnehmbar. Wenn ich den Duft trage bemerke ich auch, dass er zirkuliert, soll heißen: immer wieder zu seiner Ausgangsnoten zurückkommt, sich wiederholt. Ich habe die Inhaltsstoffe und den –aufbau von dem historischen „Fougere Royal“ (1882) und „Boy“ (2016) verglichen. Dabei fällt auf, dass „Boy“ mehr mit dem historischen „Fougère Royale“ gemeinsam hat als mit anderen heutigen Düfte, die als moderne Fougère gelistet sind (z.B. Kouros, Armani Code, Eternity for Men, Azzaro Pour Homme). Der Duft ist insofern eher eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Fougère. Vielleicht hat der echte Arthur Capel ja sogar den „Fougère Royale“ getragen. Dies bleibt allerdings spekulativ. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass „Boy“ elegant ist, pudrig mit vanilligen und grünen Untertönen, würzig-aromatisch und nach Lavendel riecht.
Chanel: "1919, the year I woke up famous and I lost everything". Chanel betrauerte 1919 einen doppelten Verlust. Sie verlor nicht nur Boy durch einen Autounfall, sondern erlitt kurz vor dessen Tod auch einen Fehlgeburt, infolgedessen sie später nie mehr eigene Kinder haben konnte. Mit der großzügigen Erbschaft, die ihr Boy testamentarisch vermachte, erwarb sie die letzten Spuren, die er auf dieser Erde hinterlassen hatte: das Ferienhaus Bel Respiro, dessen Inneneinrichtung sie in den heute charakteristischen Firmenfarben streichen ließ [beige und schwarz für die Rollläden als Zeichen der Trauer]. Zusammenfassend äußerte Chanel über ihn: "He was the only man I ever loved. He died. I have never forgotten him. He was the great chance of my life...He was for me my father, my brother, my whole family".
Duft:
Wenn man sich die Kritiken zu „Boy“ hier im Forum betrachtet, stößt man unweigerlich auf den Begriff fougère. Der erste Duft, der das Wort fougère (frz.: Farn) bereits im Namen trug, war der „Fougère Royal“ von Houbigant 1882. Bei dieser Duftfamilie bildet klassischerweise Lavendel die Kopfnote, während Kumarin oder Eichenmoos in der Basis enthalten sind. Kumarin ist dabei eine synthetische Komponente, die z.B. aus Tonkabohnen gewonnen werden kann.
Wie riecht der Duft nun? Die Lavendelnote ist von Anfang an gut erkennbar und während des gesamten Duftverlaufes der Hauptakteur. Sie riecht dabei nicht altbacken und auch nicht zu holzig-herb. Der Duft hat wie auch die anderen Düfte des Hauses die ‚typische Chanelnote‘, die ihm Eleganz verleiht. Eingebettet wird der Duft von Sandelholz und Vanille, die ihn weicher machen, sodass er, obwohl er von Chanel als Männerduft vermarktet wird, auch mit Leichtigkeit von einer Frau getragen werden kann. Die Kumarinnote wird oft mit „frisch gemähten Gras“ bzw. „Heu“ verglichen. Tatsächlich hat es einen leicht süßlichen Geruch, der später in eine intensive, würzig-aromatische Duftnote umschlägt. Zusätzlich sind in der Basis durch das Eichenmoos leicht grüne Untertöne wahrnehmbar. Wenn ich den Duft trage bemerke ich auch, dass er zirkuliert, soll heißen: immer wieder zu seiner Ausgangsnoten zurückkommt, sich wiederholt. Ich habe die Inhaltsstoffe und den –aufbau von dem historischen „Fougere Royal“ (1882) und „Boy“ (2016) verglichen. Dabei fällt auf, dass „Boy“ mehr mit dem historischen „Fougère Royale“ gemeinsam hat als mit anderen heutigen Düfte, die als moderne Fougère gelistet sind (z.B. Kouros, Armani Code, Eternity for Men, Azzaro Pour Homme). Der Duft ist insofern eher eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Fougère. Vielleicht hat der echte Arthur Capel ja sogar den „Fougère Royale“ getragen. Dies bleibt allerdings spekulativ. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass „Boy“ elegant ist, pudrig mit vanilligen und grünen Untertönen, würzig-aromatisch und nach Lavendel riecht.
Chanel: "1919, the year I woke up famous and I lost everything". Chanel betrauerte 1919 einen doppelten Verlust. Sie verlor nicht nur Boy durch einen Autounfall, sondern erlitt kurz vor dessen Tod auch einen Fehlgeburt, infolgedessen sie später nie mehr eigene Kinder haben konnte. Mit der großzügigen Erbschaft, die ihr Boy testamentarisch vermachte, erwarb sie die letzten Spuren, die er auf dieser Erde hinterlassen hatte: das Ferienhaus Bel Respiro, dessen Inneneinrichtung sie in den heute charakteristischen Firmenfarben streichen ließ [beige und schwarz für die Rollläden als Zeichen der Trauer]. Zusammenfassend äußerte Chanel über ihn: "He was the only man I ever loved. He died. I have never forgotten him. He was the great chance of my life...He was for me my father, my brother, my whole family".
15 Antworten
Was ein informativer, außergewöhnlich fesselnder Kommentar! Wow