Opôné 2001 Eau de Toilette

Florin
09.05.2011 - 15:29 Uhr
22
Top Rezension
7.5
Haltbarkeit
8
Duft

Auf einen „Kurzen Braunen“ in's Sperl?

Mir behagt nicht recht, den ersten Kommentar zu einem Duft zu schreiben. Man steht so allein auf weiter Flur. Aber wenn er denn so schön ist, wie dieser...
Dabei war er, letzte Woche auf eine Feder gesprüht, ganz ok. Am nächsten Tag auf der Haut, ja, doch. Das passte schon. 50% reduziert. Dafür allemal. Heute aber, als er das erste Mal ausgeführt wurde, da...

...ja, da öffnete ich auf einmal die doppelflügelige Holztür und trat hinein, hinein in dass Café Sperl, 6. Bezirk, Gumpendorfer Straße. Wenn auch leider nur in Gedanken, waren sie alle wieder da: die Herren Ober, selbstverständlich im Smoking, wie es sich für ein Haus mit Tradition gehört. Die Herren Magister, jene, die ihre etwas abgegriffene Ausgabe von Kafkas "Der Proceß" ausführen und öffentlich lesen, die Studenten an den Karambole-Tischen.

Man atmet tief ein und riecht in dem Duft etwas Gediegenes. Der starke, würzige Kaffee, der gerade an der Theke frisch gemahlen wird, der verfliegt fast schon mit dem ersten Sprühstoß. Das ist nicht schlimm, denn schon wird Milch mit in die Tasse gegeben. Warm und aufgeschäumt. Eine Prise Zucker dazu. Und nach und nach entfaltet sich der Duft des perfekten Milchkaffees. Warm und weich, da klingt Karamell an, vielleicht von der erwärmten Milch kommend. Hin und wieder meint man, eine cremige Vanille lugt ganz kurz hervor. Eine ganz leichte Säure schwingt mit. Oder ist es eine zart fruchtige oder florale Komponente? So genau weiß man es nicht, sie scheint zu schüchtern. Fakt aber ist, dass sie das Bouquet des Milchkaffees wunderbar und harmonisch abrundet.

Später, sehr viel, später, nachdem man schon einen ganzen Nachmittag die Zeit hat passieren lassen, mit nicht viel mehr als Schauen, auf die Leuchter des Art Déco, auf die Zeitungshalter, an denen die Presse präzise aufgespießt wurde, eben auf die goldenen Zeiten von K. u. k. höchstselbst, da verfliegt das würzig-erdige des Kaffees leicht und wird klarer, blumiger. Da trägt die angegebene Rose ganz bestimmt ihr Scherflein zu bei.

Viel, viel Zeit kann man mit diesem schönen Werk von Diptyque verbringen, so schnell verlässt er einen nicht. Um 7:00 Uhr heute früh aufgetragen ist er noch immer präsent und wickelt um den Finger.

Der Duft passt hervorragend in den Frühling, wenn man endlich draußen an der Promenade sitzen kann. Im Herbst kann man mit ihm die letzten Sonnenstrahlen genießen, im Winter auf dem Fell vor dem Kamin kuscheln. Im Hochsommer ist er wohl etwas zu warm. Dann doch lieber einen G'spritzen.

Wie überaus bedauerlich, dass der Duft gerade offenbar vom Markt genommen wird. Also schnell noch einen Schluck. Einen letzten Schluck...
17 Antworten