26.01.2020 - 11:04 Uhr

Konsalik
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Konsalik
Top Rezension
23
Spanisches Synästhetikum
[Disclaimer: Dieser Kommentar bezieht sich allein auf die Version "Mentolado Suave"; mehr dazu weiter unten.]
Kennt ihr dieses Gefühl, am Flußufer einen dieser über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg perfekt geschliffenen, großen Kiesel zu finden; einen jener Sorte, die einem keine andere Wahl lässt, als sich zu dem jeweiligen Exemplar herunterzubeugen und ihn zu befühlen, sein Gewicht in der Hand zu spüren und sich allein an seiner "natürlichen Ergonomie" und nackten Gravität zu erfreuen? Wie schön, wenn diese haptische Verlockung auch von menschgemachten Objekten ausgeht - und Floid ruft mich seit seinem Eintrudeln vor etwa einer Woche regelmäßig stumm ans Badregal, nur damit ich für wenige Sekunden, gleichfalls stumm, mit dem Fläschchen hantieren und mich an seiner perfekten Präsentation erfreuen kann. Hier stimmen nicht nur die Form und die Stärke der Glaswand, nein: Auch das leicht konisch zulaufende, bakelitartige Schraubdeckelchen vermittelt bodenständige Wertigkeit, die satte orangebraune Farbe (irgendwo zwischen Fanta Mandarine und Strohrum) verführt beinahe zum Nippen an der Splashöffnung... Ach ja, und gut riechen tut dieses so stolz und stattlich sich gebende Rasierwasser obendrein. Sehr gut sogar. Doch zunächst ein ganz knapper Exkurs.
Ich liebe florale Herrendüfte. Nicht, dass ich mich am modernen Geschäft des geschlechtlichen Relativismus versuchen wollte (in der Tat denkt sogar ein Teil von mir, dass der schillernde Otto Weininger bereits 1903 Wesentliches zu diesem Thema verewigt hat und wir seither nur noch selten Fortschritte und viel häufiger extremistische Regressionen auf diesem Gebiet erleben, aber das nur nebenbei), dies also gar nicht, nein, es geht mir eher um Folgendes: Das Floral-Herbale hat seit jeher die Möglichkeit, jene olfaktorischen Primärausdrücke harmonisch temperiert zu vereinen, die gerade in zeitgenössischen Herrenparfums nur zu gerne ins brutal-karikatureske Extrem geführt werden: Die betörende Süße und die frische Herbe. Floid vereint beides so kunstvoll wie beiläufig.
Wurde in vielen der anderen Wortmeldungen zum Duft insbesondere der Zimt hervorgehoben, ist Floid für mich ein primär floraler Duft - und zwar ein Rosenduft. Diese deutlich im Raum stehende Rose muss nun freilich bemeistert werden, könnte sie ansonsten doch ins Opulent-Weibliche (egal ob madamig oder lasziv) umschlagen. Hier springen praktisch zeitgleich erwähnter Zimt und das auf der Umverpackung (wertiger, dicker Pappkarton, hach! Pardon...) versprochene Menthol bei und tun ihr Werk: Das Menthol spaltet den wächsernen Schwulst kühlend auf und macht ihm den Garaus, der Zimt stiftet würzigen, stabilisierenden Charakter und stützt die vom Methol so arg angegangene Rose chevaleresk. Aus dieser simplen Rochade entsteht ein unverwechselbarer Duft, der aus zweierlei Gründen bemerkenswert ist:
1. Er ist für ein Rasierwasser (der User Yatagan hat recht: "After Shave" wird diesem Exemplar nicht gerecht) ausgesprochen ausdauernd und präsent, ohne wie ein Wolf im Schafspelz Eau de Toilette spielen zu wollen - was mit der Zeit doch nervtötend wäre.
2. Das Menthol, bei vielen anderen Pflegeprodukten aus dem Rasurbereich schlichtes Mittel zum Zweck, ist hier nicht einfach nur ein Hautirritationen vorbeugendes, die Poren schließendes "Kühlmittel", sondern als Riechstoff ernst genommen und wesentlich in die Komposition einbezogen worden.
Es lässt sich wohl kaum eine europäische Gesellschaft im 20. Jahrhundert denken, die so selbstverständlich in ihren geschlechtlichen Archetypen ruhte wie das (ansonsten überaus unruhige) Spanien der Dreißiger Jahre. Und so selbstverständlich maskulin ist auch Floid - ganz ohne aufgetümmeltes Mackertum, das am Ende doch nur tiefsitzende Unsicherheiten bemänteln soll.
Ich bin entzückt!
[EDIT März 2020: Der Direktvergleich mit einer der anderen Versionen des Duftes, namentlich "Fragrancía moderna y masculina", brachte erhebliche Unterschiede zum Vorschein. Ich würde soweit gehen, zu sagen, dass beide Düfte kaum etwas miteinander zu tun haben. Letzterer ist ein vergleichsweise frisches, modern-holziges After Shave von zwar hoher Qualität, aber ganz ohne die nischig-einzigartige Rosen-Menthol-Note meiner Version. Ich konstatiere: Die verschiedenen Floïd-Versionen verdienen eigene Datenbank-Einträge!
Vielen Dank an FvSpee für die Zusendung der Vergleichsprobe!]
Kennt ihr dieses Gefühl, am Flußufer einen dieser über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg perfekt geschliffenen, großen Kiesel zu finden; einen jener Sorte, die einem keine andere Wahl lässt, als sich zu dem jeweiligen Exemplar herunterzubeugen und ihn zu befühlen, sein Gewicht in der Hand zu spüren und sich allein an seiner "natürlichen Ergonomie" und nackten Gravität zu erfreuen? Wie schön, wenn diese haptische Verlockung auch von menschgemachten Objekten ausgeht - und Floid ruft mich seit seinem Eintrudeln vor etwa einer Woche regelmäßig stumm ans Badregal, nur damit ich für wenige Sekunden, gleichfalls stumm, mit dem Fläschchen hantieren und mich an seiner perfekten Präsentation erfreuen kann. Hier stimmen nicht nur die Form und die Stärke der Glaswand, nein: Auch das leicht konisch zulaufende, bakelitartige Schraubdeckelchen vermittelt bodenständige Wertigkeit, die satte orangebraune Farbe (irgendwo zwischen Fanta Mandarine und Strohrum) verführt beinahe zum Nippen an der Splashöffnung... Ach ja, und gut riechen tut dieses so stolz und stattlich sich gebende Rasierwasser obendrein. Sehr gut sogar. Doch zunächst ein ganz knapper Exkurs.
Ich liebe florale Herrendüfte. Nicht, dass ich mich am modernen Geschäft des geschlechtlichen Relativismus versuchen wollte (in der Tat denkt sogar ein Teil von mir, dass der schillernde Otto Weininger bereits 1903 Wesentliches zu diesem Thema verewigt hat und wir seither nur noch selten Fortschritte und viel häufiger extremistische Regressionen auf diesem Gebiet erleben, aber das nur nebenbei), dies also gar nicht, nein, es geht mir eher um Folgendes: Das Floral-Herbale hat seit jeher die Möglichkeit, jene olfaktorischen Primärausdrücke harmonisch temperiert zu vereinen, die gerade in zeitgenössischen Herrenparfums nur zu gerne ins brutal-karikatureske Extrem geführt werden: Die betörende Süße und die frische Herbe. Floid vereint beides so kunstvoll wie beiläufig.
Wurde in vielen der anderen Wortmeldungen zum Duft insbesondere der Zimt hervorgehoben, ist Floid für mich ein primär floraler Duft - und zwar ein Rosenduft. Diese deutlich im Raum stehende Rose muss nun freilich bemeistert werden, könnte sie ansonsten doch ins Opulent-Weibliche (egal ob madamig oder lasziv) umschlagen. Hier springen praktisch zeitgleich erwähnter Zimt und das auf der Umverpackung (wertiger, dicker Pappkarton, hach! Pardon...) versprochene Menthol bei und tun ihr Werk: Das Menthol spaltet den wächsernen Schwulst kühlend auf und macht ihm den Garaus, der Zimt stiftet würzigen, stabilisierenden Charakter und stützt die vom Methol so arg angegangene Rose chevaleresk. Aus dieser simplen Rochade entsteht ein unverwechselbarer Duft, der aus zweierlei Gründen bemerkenswert ist:
1. Er ist für ein Rasierwasser (der User Yatagan hat recht: "After Shave" wird diesem Exemplar nicht gerecht) ausgesprochen ausdauernd und präsent, ohne wie ein Wolf im Schafspelz Eau de Toilette spielen zu wollen - was mit der Zeit doch nervtötend wäre.
2. Das Menthol, bei vielen anderen Pflegeprodukten aus dem Rasurbereich schlichtes Mittel zum Zweck, ist hier nicht einfach nur ein Hautirritationen vorbeugendes, die Poren schließendes "Kühlmittel", sondern als Riechstoff ernst genommen und wesentlich in die Komposition einbezogen worden.
Es lässt sich wohl kaum eine europäische Gesellschaft im 20. Jahrhundert denken, die so selbstverständlich in ihren geschlechtlichen Archetypen ruhte wie das (ansonsten überaus unruhige) Spanien der Dreißiger Jahre. Und so selbstverständlich maskulin ist auch Floid - ganz ohne aufgetümmeltes Mackertum, das am Ende doch nur tiefsitzende Unsicherheiten bemänteln soll.
Ich bin entzückt!
[EDIT März 2020: Der Direktvergleich mit einer der anderen Versionen des Duftes, namentlich "Fragrancía moderna y masculina", brachte erhebliche Unterschiede zum Vorschein. Ich würde soweit gehen, zu sagen, dass beide Düfte kaum etwas miteinander zu tun haben. Letzterer ist ein vergleichsweise frisches, modern-holziges After Shave von zwar hoher Qualität, aber ganz ohne die nischig-einzigartige Rosen-Menthol-Note meiner Version. Ich konstatiere: Die verschiedenen Floïd-Versionen verdienen eigene Datenbank-Einträge!
Vielen Dank an FvSpee für die Zusendung der Vergleichsprobe!]
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