21 Conduit St 2020

Ala79
06.04.2024 - 02:14 Uhr
2
9
Preis
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

Das fabelhafte Haus Jovoy - Duftreise mit vielen Wendungen

Pfffft... "Ohhh ha." So fiel die spontane Reaktion aus. Obstfrische, spritzig, ja, definitiv Rhabarber, nicht zitronenzitrisch, wobei die Bergamotte eher eine leichte Teenote bringt. Dann setzt sich alles, wird ruhiger.

Vor einem Wums Amaretto braucht man keine Angst haben, ich merke nur eine sich entwickelnde mandelig-synthetische, aber ganz leichte, Spannung bringende Süße. Der Tannenbalsam ist für mich da deutlicher wahrnehmbar. Er vermittelt vorübergehend eine erdige, maskuline, irgendwie auch seifige After-Shave-Note. Dann wird der Conduit bald insgesamt weniger nadelbalsamisch, sondern allgemein holziger, weicher süßer, auch dieTonkabohne ist nach einigen Stunden klar rauszufiltern. Das Ambroxan hält sich hier bei mir zurück, zum Glück - da habe ich schon andere Kaliber getestet.

Insgesamt sehe ich den Duft als echten Unisex - mal pendelt er ganz leicht in die feminine, dann aber wieder in die maskuline Richtung, aber jeweils nur dezent.

Was ich angenehm finde, es war der zweite Duft, den ich von Jovoy getestet habe, dass wie auch beim Remember Me , die Noten für mich wirklich deutlich identifizierbar sind. Das heißt aber nicht, dass es irgendwie unharmonisches Stückwerk wäre. Im Gegenteil. Es erzeugt eine Spannung, eine gewisse Aufregung und Abwechslung durch die besonderen Partner, die für die Noten jeweils gewählt wurden. (z.B. Mandelsüße und Tannenbalsam) Ich wüsste nicht, was fehlt oder zuviel wäre.

Ich würde es eher mit der französischen Küche vergleichen, die auf die Kraft, das Aroma und den Geschmack der einzelnen Zutaten und Komponenten vertraut, sie jeweils in ihrer Besonderheit erhält und sie nebeneinander wirken lässt, nicht durch starke Verarbeitung "verschmilzt", nicht überwürzt, sondern aus einfachen Einzelzutaten tolle, überraschende Komponenten-Kompositionen zaubert, die sich stützen, aber wo trotzdem jede für sich steht. Und je nachdem, was und wie viel davon man auf die Gabel nimmt, ein immer wieder anderes Geschmackserlebnis entstehen lassen. Nur dass es eben hier ein Geruchserlebnis ist...

Das Schöne daran, hier war es zum zweiten Mal, inzwischen habe ich noch weitere getestet, dass der Duft eine wirkliche Entwicklung bei mir durchmacht (Ausnahme in Sachen Entwicklung: Musc Pallas ), er verändert sich sehr und das auf wunderschöne und stille Weise (doch, doch, die Sillage ist gut, aber unaufdringlich - kein Statementduft).

Erneut ist das Tragen eines Jovoys wie eine wirkliche Duftreise über Stunden, die nicht nur beim ersten Tragen, viele Wendungen, Überraschungen bereithält. Und selbst, wenn mal eine halbe Stunde Strecke zu gehen ist, die einen nicht so richtig verzaubert, besteht Hoffnung, dass es dann bald wieder zu einem "Oh ja"-Moment kommt. Es ist eben genau nicht diese inzwischen oft gemachte Erfahrung, ah ja, die vanilletypische, weiche (schöne, aber sehr häufig irgendwie gleichmutende) Basis. Oder zu Beginn bei fruchtigen Düften die süßige Obstkorblast, die kirschig-ledrige verrucht-niedliche Aufmachung. Der hier riecht für mich unaufgeregt, vornehm französisch und zurüchaltend, na ja, "simpel" anders - gar nicht, wie teils gelesen, an so viele andere DNAs erinnernd. Für mich tut dieser Duft genau das nicht. Er startet fruchtig-spritzig, wandelt sich zwischen dezent süß und ölig nadelholzig hin und her und klingt in einer leicht holzig herben Tonkabasis aus.

Ich bin wirklich gespannt auf weitere Entdeckungen aus diesem Haus - und danke an dieser Stelle der lieben @Skimmia, die mich durch ihre Überraschung, eine Abfüllung von Remember Me , für mich jetzt schon die Entdeckung dieses Jahres, überhaupt erst drauf gebracht hat. Ich war sofort so hin und weg, dass ich auf eine zweite Abfüllung verzichtet habe und gleich der Flakon eingezogen ist. Denn das Preis-Leistungsverhältnis ist meiner Meinung nach top.

Jovoy sagte mir vorher nichts, scheint aber ein unheimlich spannendes Haus zu sein, mit dem ich mich mehr beschäftigen muss. Es sind bislang keine "Beast"-Performer, aber alle in ihrer Art setzen Bewährtes mit einem neuen, anderen, besonderen Twist um. Nische für feine Anfänger-Näschen vielleicht.

Inzwischen habe ich vier Düfte getestet, einer voll ins Schwarze, einer nur knapp am Sofortkauf vorbei, dafür direkt auf der Wunschliste gelandet (Fire at Will), Musc Pallas als 10ml-Abfüllung schon fast aufgebraucht (körpernaher Sauberduft, der beim Umarmen zur Begrüßung wiederholt Komplimente brachte) und der 21 Conduit St immerhin so gut, dass er definitiv eingehender getestet werden muss und auf die "könnte passen Liste" kommt und zu 60:40 auch irgendwann einzieht... Da teste ich ganz gewiss noch einige.

Testen - das ist das, was ich bei den Jovoys nur jedem dringend empfehlen kann!
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