08.04.2020 - 13:21 Uhr
FvSpee
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CoViD-Kommentare, neunzehntes Stück: Reise mit ungewissem Ziel
Auch wenn mir scheint, dass das Auditorium sich ein wenig geleert hat, gibt es mit der Folgerichtigkeit des sprichwörtlichen Schweizer Uhrwerks auch heute wieder einen Kommentar aus der Corona-Reihe, und zwar den vorletzten! Welchen Duft ich morgen zum Abschluss bespreche, weiß ich auch schon, verrate es aber natürlich noch nicht. Heute fange ich mit dem Zerlegen des Namens "Rahele" an, was diesmal etwas komplexer ist als sonst. Dann geht es zur eigentlichen Duftbewertung, und am Ende, für diejenigen, die das vermissen, wenn es mal fehlt, kommt auch wieder eine Seuchen-Meditation. Das volle Programm!
"Rahele" lässt zuerst an die schöne Rahel (Rachel) denken, die Tochter Labans, Ehefrau Jakobs und Mutter Benjamins und Josefs aus dem Alten Testament. Da es sich bei dieser Kollektion aber um eine indische, und nicht um eine jüdische Angelegenheit handelt, recherchierte ich weiter. Auf der Seite von "Neela Vermeire Creations" wird, ohne weitere Erläuterung, angegeben, "Rahele" heiße "Reisender" und der Duft sei (warum auch immer, der Zusammenhang wird nicht erklärt), drei französischen Forschungs- und Entdeckungsreisenden gewidmet, die im 17. Jahrhundert das alte Indien bereist hätten. Ich recherchierte daher auf verschiedenen Internetseiten, u.a. solchen der Art: "Empfehlungen für muslimische Eltern zur Namensgebung für ihre Kinder" nach und komme zu folgenden, allerdings ungesicherten und von mir im Einzelnen nicht nachprüfbaren Ergebnis: Es scheint so zu sein, dass das Wort "Rahele" (bzw. eigentlich die Konsonantenfolge RHL) in den semitischen Sprachen, sowohl im hebräischen, als auch im koranischen Arabisch, und von dort entlehnt wohl auch im eigentlich indoeuropäischen Urdu, das in den mehrheitlich muslimischen Teilen Indiens gesprochen wird, neben "Mutterschaf" auch "Reisender", "Der, der aufbricht" usw. bedeutet. (Auch) mit der letzten Bedeutung soll "Rahele" auch als Vorname gebräuchlich sein, wobei nach manchen Quellen der Mädchenname wohl eher "Raheela", der Jugenname eher "Rahele" sein soll. Wie auch immer. Ich finde, der Name klingt schön und etwas geheimnisvoll; wegen der nicht aufgelösten Verwirrung gebe ich aber nicht mehr als 7 Punkte dafür.
Der Duft ist der dritte Neela Vermeire, den ich teste, und der dritte, der 7,5 Punkte bekommt. Ich dachte zunächst an etwas weniger, aber eigentlich gefällt er mir sogar etwas besser als der zuletzt getestete Pichola, sodass es als Kompromiss auch hier 7,5 gibt. Mein erster Eindruck dieses Duftes ist, dass er sehr ausgewogen zwischen drei Polen aufgespannt ist, zitrisch, floral und grün. Mir gefällt das erstmal gut. Der Duft erscheint mir als eher (aber keineswegs zwingend) feminin und als recht leicht und hell, aber dabei doch dicht gewebt und deutlich.
Erst nach einiger Zeit (etwas quer zur Duftpyramide, die Kardamom und Zimt schon in der Kopfnote verortet) nehme ich dann verstärkt auch Noten wahr, die man als würzig ansprechen könnte, bei denen ich aber weder den typischen Kardamom-Geruch, noch eine Zimtsternseligkeit vernehme, sondern eher eine etwas sperrige, ja fast schon kratzige und stinkige Unwucht; vielleicht entsteht sie aus dem Zusammenspiel der Gewürze mit der Rose, mit der ich oft (wie mit Vetiver) nicht ganz so gut klarkomme. Nach etwa zwei Stunden sind vom Eröffnungsdreiklang die zitrischen und grünen Noten bei mir ganz verschwunden und es herrscht eine gewisse knarzige Holzigkeit mit nach wie vor blumigem Einschlag vor. Als ich dachte, nun in der Basis angekommen zu sein, irrte ich mich allerdings, denn es ging noch ein Geschoss weiter runter, in ein cremiges, fast gourmandig schimmerndes (Noisette und Mandel) Untergeschoss (vielleicht zum Parken).
Das ist sicher ein interessanter und streckenweise auch sehr schöner Duft, aber mir persönlich ist das alles etwas zu wenig klassisch, zu fahrig modern, too much, zu viel Reise, zu wenig Ziel. Deshalb warte ich noch immer auf den Vermeire, der mich flasht.
Der biblisch mindestens angehauchte Name des Duftes und das herannahende Osterfest mag legitimieren, dass die heutigen Corona-Betrachtungen ein religiöses Thema betreffen, nämlich den Ausfall der Gottesdienste. Auch über andere Religionen gäbe es da sicher so manches zu beobachten und zu bedenken, aber ich will mich auf die christliche und hier vorrangig auf die katholische Kirche beschränken. Mich persönlich hat es eher überrascht, dass das totale Gottesdienstverbot aus Infektionsschutzgründen (das sicher sehr gut begründbar ist und gegen das ich gar nicht grundsätzlich opponiere) so ganz weitgehend gut angenommen wurde und nicht einmal eine klitzekleine Revolte des Klerus oder der Gläubigen ausgebrochen ist. Immerhin hätte man ja sagen können: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, also wenn der Supermarkt offen hat, warum dann nicht auch (mit meinetwegen 5 Meter Sitzabstand, Schutzmasken vorm Gesicht und Desinfektionsmitteln) die Gottesdienste? Dass da - soweit mir bekannt - fast niemand rebelliert hat, könnte man auch als - für die Christenheit vielleicht doch sehr besorgniserregendes - Zeichen dafür werten, dass das innere Feuer, die Messe zu halten oder zu besuchen, möglicherweise mehr allzu groß ist und man vielleicht gar nicht so traurig ist, mit dem ganzen Schmonzes mal Pause machen zu können. Auch meine ich mich aus alten Pestberichten an Erzählungen zu erinnern, dass im Mittelalter, wenn wegen der Pest die öffentlichen Messen ausgefallen sind, jedenfalls die geweihten Hostien von den Priestern einzeln irgendwo ausgereicht oder zur Einzelabholung ausgelegt worden sind, damit die danach hungernden Gläubigen nicht ohne diese physische Präsenz des Erlösers bleiben mussten. Auch davon habe ich dieser Tage nie etwas gehört. Und auch das hat mich etwas überrascht. Auch wenn die Spendung des Sakraments an einem "Schalter" vielleicht etwas befremdlich wirkt und bedenklich an eine "Döner-To-Go-Ausgabe" erinnern könnte: ich hätte eigentlich gedacht, dass für einen kleinen, aber doch sichtbaren sehr frommen Teil der Bevölkerung das ein Bedürfnis wäre. Aber sogar aus Italien oder Spanien habe ich nichts davon gehört; aber freilich habe ich aus diesen Ländern auch nicht so viele Quellen.
Und damit Vorhang für heute, und auf Wiedersehen morgen zum letzten Teil!
"Rahele" lässt zuerst an die schöne Rahel (Rachel) denken, die Tochter Labans, Ehefrau Jakobs und Mutter Benjamins und Josefs aus dem Alten Testament. Da es sich bei dieser Kollektion aber um eine indische, und nicht um eine jüdische Angelegenheit handelt, recherchierte ich weiter. Auf der Seite von "Neela Vermeire Creations" wird, ohne weitere Erläuterung, angegeben, "Rahele" heiße "Reisender" und der Duft sei (warum auch immer, der Zusammenhang wird nicht erklärt), drei französischen Forschungs- und Entdeckungsreisenden gewidmet, die im 17. Jahrhundert das alte Indien bereist hätten. Ich recherchierte daher auf verschiedenen Internetseiten, u.a. solchen der Art: "Empfehlungen für muslimische Eltern zur Namensgebung für ihre Kinder" nach und komme zu folgenden, allerdings ungesicherten und von mir im Einzelnen nicht nachprüfbaren Ergebnis: Es scheint so zu sein, dass das Wort "Rahele" (bzw. eigentlich die Konsonantenfolge RHL) in den semitischen Sprachen, sowohl im hebräischen, als auch im koranischen Arabisch, und von dort entlehnt wohl auch im eigentlich indoeuropäischen Urdu, das in den mehrheitlich muslimischen Teilen Indiens gesprochen wird, neben "Mutterschaf" auch "Reisender", "Der, der aufbricht" usw. bedeutet. (Auch) mit der letzten Bedeutung soll "Rahele" auch als Vorname gebräuchlich sein, wobei nach manchen Quellen der Mädchenname wohl eher "Raheela", der Jugenname eher "Rahele" sein soll. Wie auch immer. Ich finde, der Name klingt schön und etwas geheimnisvoll; wegen der nicht aufgelösten Verwirrung gebe ich aber nicht mehr als 7 Punkte dafür.
Der Duft ist der dritte Neela Vermeire, den ich teste, und der dritte, der 7,5 Punkte bekommt. Ich dachte zunächst an etwas weniger, aber eigentlich gefällt er mir sogar etwas besser als der zuletzt getestete Pichola, sodass es als Kompromiss auch hier 7,5 gibt. Mein erster Eindruck dieses Duftes ist, dass er sehr ausgewogen zwischen drei Polen aufgespannt ist, zitrisch, floral und grün. Mir gefällt das erstmal gut. Der Duft erscheint mir als eher (aber keineswegs zwingend) feminin und als recht leicht und hell, aber dabei doch dicht gewebt und deutlich.
Erst nach einiger Zeit (etwas quer zur Duftpyramide, die Kardamom und Zimt schon in der Kopfnote verortet) nehme ich dann verstärkt auch Noten wahr, die man als würzig ansprechen könnte, bei denen ich aber weder den typischen Kardamom-Geruch, noch eine Zimtsternseligkeit vernehme, sondern eher eine etwas sperrige, ja fast schon kratzige und stinkige Unwucht; vielleicht entsteht sie aus dem Zusammenspiel der Gewürze mit der Rose, mit der ich oft (wie mit Vetiver) nicht ganz so gut klarkomme. Nach etwa zwei Stunden sind vom Eröffnungsdreiklang die zitrischen und grünen Noten bei mir ganz verschwunden und es herrscht eine gewisse knarzige Holzigkeit mit nach wie vor blumigem Einschlag vor. Als ich dachte, nun in der Basis angekommen zu sein, irrte ich mich allerdings, denn es ging noch ein Geschoss weiter runter, in ein cremiges, fast gourmandig schimmerndes (Noisette und Mandel) Untergeschoss (vielleicht zum Parken).
Das ist sicher ein interessanter und streckenweise auch sehr schöner Duft, aber mir persönlich ist das alles etwas zu wenig klassisch, zu fahrig modern, too much, zu viel Reise, zu wenig Ziel. Deshalb warte ich noch immer auf den Vermeire, der mich flasht.
Der biblisch mindestens angehauchte Name des Duftes und das herannahende Osterfest mag legitimieren, dass die heutigen Corona-Betrachtungen ein religiöses Thema betreffen, nämlich den Ausfall der Gottesdienste. Auch über andere Religionen gäbe es da sicher so manches zu beobachten und zu bedenken, aber ich will mich auf die christliche und hier vorrangig auf die katholische Kirche beschränken. Mich persönlich hat es eher überrascht, dass das totale Gottesdienstverbot aus Infektionsschutzgründen (das sicher sehr gut begründbar ist und gegen das ich gar nicht grundsätzlich opponiere) so ganz weitgehend gut angenommen wurde und nicht einmal eine klitzekleine Revolte des Klerus oder der Gläubigen ausgebrochen ist. Immerhin hätte man ja sagen können: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, also wenn der Supermarkt offen hat, warum dann nicht auch (mit meinetwegen 5 Meter Sitzabstand, Schutzmasken vorm Gesicht und Desinfektionsmitteln) die Gottesdienste? Dass da - soweit mir bekannt - fast niemand rebelliert hat, könnte man auch als - für die Christenheit vielleicht doch sehr besorgniserregendes - Zeichen dafür werten, dass das innere Feuer, die Messe zu halten oder zu besuchen, möglicherweise mehr allzu groß ist und man vielleicht gar nicht so traurig ist, mit dem ganzen Schmonzes mal Pause machen zu können. Auch meine ich mich aus alten Pestberichten an Erzählungen zu erinnern, dass im Mittelalter, wenn wegen der Pest die öffentlichen Messen ausgefallen sind, jedenfalls die geweihten Hostien von den Priestern einzeln irgendwo ausgereicht oder zur Einzelabholung ausgelegt worden sind, damit die danach hungernden Gläubigen nicht ohne diese physische Präsenz des Erlösers bleiben mussten. Auch davon habe ich dieser Tage nie etwas gehört. Und auch das hat mich etwas überrascht. Auch wenn die Spendung des Sakraments an einem "Schalter" vielleicht etwas befremdlich wirkt und bedenklich an eine "Döner-To-Go-Ausgabe" erinnern könnte: ich hätte eigentlich gedacht, dass für einen kleinen, aber doch sichtbaren sehr frommen Teil der Bevölkerung das ein Bedürfnis wäre. Aber sogar aus Italien oder Spanien habe ich nichts davon gehört; aber freilich habe ich aus diesen Ländern auch nicht so viele Quellen.
Und damit Vorhang für heute, und auf Wiedersehen morgen zum letzten Teil!
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