English Fern Penhaligon's 1910 Eau de Toilette
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Top Rezension
Der kühle, geheime Ort
Hier und heute stehen dem Herrn (etwas vereinfachend gesprochen) drei Wege zur Verfügung, der warmen Jahreszeit olfaktorisch zu begegnen: Der erste ist der zeitgenössische Weg über die Aquatik, gerne versetzt mit diversen Früchten. Und auch wenn es aus diesem Bereich sicherlich kompetent gemachte, durchaus feine Vertreter geben mag - die eleganteste und subtilste Gattung der Sommerparfums ist dies zweifellos nicht. Als zweite Möglichkeit wären klassische, hesperidische Colognes bzw. "Kölnisch Wasser" zu nennen. Mit dieser Wahl hat man nicht nur die längstmögliche Traditionslinie hinter sich, die mindestens bis ins frühe achtzehnte Jahrhundert zurückreicht; vielmehr sind auch Verfügbarkeit und Geldbeutelfreundlichkeit ein starkes Argument: Ein kleiner Cologne-Boom innerhalb der letzten fünf bis zehn Jahre hat viele, mitunter sehr gute und moderne Variationen dieser uralten Duftrichtung auf den Markt gespült - und nicht wenige der Allerbesten sind für vergleichsweise kleines und kleinstes Geld zu haben. Allerdings kann diese ewig ähnliche, gefällige Erfrischungs-Zitrik auch ermüdend sein.
Wer etwas Spannung (auch im Sinne von geistiger An-spannung) in die mittäglichen, flimmernden Straßen tragen will, könnte nach meinem Dafürhalten auch gerne einmal in der unzeitgemäßen Duftrichtung der klassisch-straighten Fougères herumschnuppern. Diese ist nämlich für mein Empfinden die distinguierteste Möglichkeit, den hitzegeplagten Geist über die Nase zu erfrischen. Warum? Nun, sowohl Aquaten als auch klassische Colognes zeichnen sehr naheliegende Abkühlungs-Assoziationen im Kopf des Trägers und seiner Mitmenschen. Etwa: "Es ist heiß? Geh' halt ins Freibad und trink eine kalte Zitronenlimonade."
Schön und gut. Aber es gibt doch noch eine andere Möglichkeit; weniger sozialisierend, denn bewusst vereinzelnd: Der solitäre Waldgang, der versonnene Nachmittag in schattiger Laube, der verborgene Ort, an dem sich Kühle angesammelt hat. Der Ort, an dem der laue Sommerwind durch das Laubwerk streicht, dessen Rascheln wohltuende, kühlende Schauer über den Rücken schickt.
Ein solcher Umweg in die Erfrischung, Erfrischung durch Rückzug und Heimlichkeit, ist z.B. English Fern von Penhaligon's, einer der frühen Fougères in Nachfolge des Erstlingswerks von Houbigant. Belebend, nicht durch naheliegend-plumpe Südfrucht, sondern durch adstringierende Bitterkeit und krautige, beinahe minzige Herbe. Da Farne bekanntlich keinen nennenswerten Eigengeruch haben, habe ich mich oft gefragt, an was mich diese Ur-Fougères denn eigentlich erinnern. Am ehesten noch an Waldmeister - ein Kraut, das ich nur mit Widerwillen zu mir nehme, aber dafür umso lieber rieche. In Verbindung mit Lavendel und Sandelholz wird die vornehm-vergeistigende Bitterkeit des imaginierten Pseudo-Waldmeisters zugleich verstärkt und zivilisiert, sodass English Fern in mir das Bild eines hageren, älteren Herrn aufsteigen lässt (think Hermann Hesse), der selbst im Hochsommer oft zu langen Wanderungen aufbricht (im hellen Leinenanzug), aber auch nach Stunden niemals schwitzt.
Weil er sich - weigert.
Wer etwas Spannung (auch im Sinne von geistiger An-spannung) in die mittäglichen, flimmernden Straßen tragen will, könnte nach meinem Dafürhalten auch gerne einmal in der unzeitgemäßen Duftrichtung der klassisch-straighten Fougères herumschnuppern. Diese ist nämlich für mein Empfinden die distinguierteste Möglichkeit, den hitzegeplagten Geist über die Nase zu erfrischen. Warum? Nun, sowohl Aquaten als auch klassische Colognes zeichnen sehr naheliegende Abkühlungs-Assoziationen im Kopf des Trägers und seiner Mitmenschen. Etwa: "Es ist heiß? Geh' halt ins Freibad und trink eine kalte Zitronenlimonade."
Schön und gut. Aber es gibt doch noch eine andere Möglichkeit; weniger sozialisierend, denn bewusst vereinzelnd: Der solitäre Waldgang, der versonnene Nachmittag in schattiger Laube, der verborgene Ort, an dem sich Kühle angesammelt hat. Der Ort, an dem der laue Sommerwind durch das Laubwerk streicht, dessen Rascheln wohltuende, kühlende Schauer über den Rücken schickt.
Ein solcher Umweg in die Erfrischung, Erfrischung durch Rückzug und Heimlichkeit, ist z.B. English Fern von Penhaligon's, einer der frühen Fougères in Nachfolge des Erstlingswerks von Houbigant. Belebend, nicht durch naheliegend-plumpe Südfrucht, sondern durch adstringierende Bitterkeit und krautige, beinahe minzige Herbe. Da Farne bekanntlich keinen nennenswerten Eigengeruch haben, habe ich mich oft gefragt, an was mich diese Ur-Fougères denn eigentlich erinnern. Am ehesten noch an Waldmeister - ein Kraut, das ich nur mit Widerwillen zu mir nehme, aber dafür umso lieber rieche. In Verbindung mit Lavendel und Sandelholz wird die vornehm-vergeistigende Bitterkeit des imaginierten Pseudo-Waldmeisters zugleich verstärkt und zivilisiert, sodass English Fern in mir das Bild eines hageren, älteren Herrn aufsteigen lässt (think Hermann Hesse), der selbst im Hochsommer oft zu langen Wanderungen aufbricht (im hellen Leinenanzug), aber auch nach Stunden niemals schwitzt.
Weil er sich - weigert.
8 Antworten
Saemm vor 6 Jahren
Ach, wie gerne würde ich mich auch erfolgreich dem Schwitzen verweigern... ;)
FvSpee vor 6 Jahren
Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer dass ich bei der Hitze zuletzt immer die 250 ml Flasche des Fougere Cologne von Alpa im Kühlschrank hatte. Ernst-Jünger-Pokal (der geht auch, statt Hesse, oder?).
Meggi vor 6 Jahren
Ich bin hager und mittelalt. Wir werden sehen...
3lbows vor 6 Jahren
Ich bin jetzt weder hager noch (hoffentlich) älter. Aber ob ihrer Platzierung gegen Ende des Kommentars, hängt mir diese Konnotation doch etwas nach. Ansonsten wie immer toll komponiert; Von der Zusammenfassung sommerlicher Duftoptionen bis hin zur eigentlichen Beschreibung. Sehr schön.
Ttfortwo vor 6 Jahren
Mein lieber Herr Konsalik, Du verstehst es aber, das Latte-Hochlegen. Was für ein Kommentar!
Yatagan vor 6 Jahren
Ich mag Wild Fern von Trumper noch etwas lieber.
Floyd vor 6 Jahren
Das ist Sprachgewandtheit, Bildgewalt und gelassene Distanz mit Eleganz. Offenbar exakt die richtige Eloquenz für diesen Duft. Danke!
SchatzSucher vor 6 Jahren
Der Duft scheint mir so angenehm und sympathisch zu sein wieder dieser sehr ansprechende und lesenswerte Kommentar. Grüne Düfte funktionieren im Sommer wunderbar. Doch leider schaffe ich es nicht, ohne zu schwitzen durch den Sommer zu kommen, auch wenn ich mich noch so vehement weigere. Die aktuellen Temperaturen knapp unter 20 Grad sind mir die allerliebsten.

