Oud Divin von Robert Piguet

Oud Divin 2015

Serenissima
28.01.2022 - 23:26 Uhr
16
Top Rezension
8.5Duft 9Haltbarkeit 8Sillage 8Flakon

Der Kaffee ist fertig!

Wer alt genug ist, erinnert sich sicher noch an diesen Schlager: ab 1980 weckte uns Peter Cornelius mit dieser sanften Mitteilung und brachte sogleich Behaglichkeit in den Morgen.
Denn bei ihm klingt diese Ankündigung wirklich „unheimlich zärtlich“.

Robert Piguet hingegen will die Sinne weder zärtlich noch nett streicheln; er gönnt ihnen kein „noch ein wenig kuscheln“ und danach langsam in den Tag gleiten.
Er will sie aufwecken, ohne ihnen eine Anlaufzeit zu gewähren und so kredenzt er mit „Oud Divin“ eine duftende Kaffee-Majestät, die es in sich hat.

Die verwendeten Kaffeebohnen duften herb, fast schon bitter, bevor sie auf eine großzügige, aber elegant austarierte Dosis Oud zu einem holzigen, rauchig-würzigem Auftakt treffen.
Besänftigt wird diese Duftbombe durch die Beigabe von Tonkabohnen; diese schmeicheln der Intensität diese Kaffee-Oud-Melange mit ihrer wärmenden, an aromatische Vanille erinnernde Süße.
So erscheinen helle Schlieren in dieser dunklen, ebenso kräftigem wie balsamischen Duft-Kreation, die an geäderten Marmor erinnert, bevor Patchouli, diesmal nicht allzu erdig, sondern eher pudrig wie Kakaopulver dieses schon jetzt göttliche Gebräu überzieht.
Auch erhält „Oud Divin“ den Hauch einer salzigen Aura (wie verändern doch einige Salz-Kristalle den Kaffeegenuss!); hier sorgt Vetiver dafür.
Unwiderstehlich entfaltet dieser sinnliche Wachmacher seine Duftmagie; weckt geheime Begehrlichkeiten: wahrhaft göttlich und voller Mysterien umgibt „Oud Divin“ machtvoll und langanhaltend.

Hier zeigt sich wieder einmal, dass die „Piguet-DNA“ nicht für empfindsame Seelen gedacht ist; sie überrascht und weckt die Sinne, verbreitet Leidenschaft und leise glimmende Magie.
Sie ist bereit, Grenzen zu überschreiten: ist es noch Parfum oder ist es schon eine Droge, der ich verfallen könnte?

Für sein Modehaus fand Robert Piguet keinen Nachfolger; aber sein Name leuchtet durch die Kollektion von außergewöhnlichen Düften in den geheimnisvoll schwarzen Flacons noch immer.
Die Duft-Kunstwerke, die ich bisher testen durfte, faszinierten und entführten mich; ich folge ihnen willig, wenn ich auch manchmal nicht weiß, wohin eigentlich.
Das Duftland Robert Piguets ist eine Welt für sich und deshalb auch wert, umgeben von „Oud Divin“ oder einer anderen der geheimnisvollen Kreationen, dort zu verweilen.
Zu entdecken gibt es noch so viel.

„Guten Morgen, Duftwunderland: Der Kaffee ist fertig!“
12 Antworten
GelisGelis vor 4 Jahren
Ha! Ich sehe genau die Crema auf dem Espresso vor mir.
NuiWhakakoreNuiWhakakore vor 4 Jahren
So arg kaffeelastig fand ich den gar nicht, aber ansonsten recht ähnlich wir Du - vor allem zurückhaltend ist hier mal gar nichts! Unterm Strich war er recht spannend, aber für micht nicht wirklich tragbar, im Gegensatz zum Oud, der mir sehr gefällt und auch wesentlich zurückhaltender ist...
VrabecVrabec vor 4 Jahren
Oh, ich hab den sehr ähnlich empfunden wie du! Nur dass für mich eine deutliche Kiefernote dabei war. Einer der wenigen Kaffedüfte, der mir gefiel. Und das obwohl ich Kaffee liebe.
Greenfan1701Greenfan1701 vor 4 Jahren
1
Ja der Peter Cornelius, der ist schon ein Faserschmeichler. ;-)
Wir wollten zum Konzert, ging nicht w/Corona, schade. Ein ausgezeichneter Musiker und Gittarist.
Aber der DUFT ist ja hier in Vordergrund. Daher: vortrefflich beschrieben obwohl Kaffee im Parfüm? Das klingt schon sehr interessant. Und wenn der Duft ein Kunstwerk ist, deine Beschreibung ist es auch!
ManogiManogi vor 4 Jahren
1
Klingt interessant. Aber Vetiver und salzig? Das kann nicht sein. Ich habe ca. 20 Vetiver-Öle, und keines davon ist auch nur annähernd salzig, auch die gereiften nicht. Insbesondere haitianisches Vetiver ist weit davon entfernt.
Brelles530Brelles530 vor 4 Jahren
Schöne Rezension zu einem interessanten Duft - so jetzt lege ich mir den P. Cornelius ein. Eigentlich eine Schande das ich den als "Ösi" mind. 20j nicht mehr gehört habe;)
NelleNelle vor 4 Jahren
Starker Duft für starke Menschen. Hat mich begeistert und überfordert zugleich.
TaurusTaurus vor 4 Jahren
Den Kaffee nehem ich doch sehr gerne :-)
AzuraAzura vor 4 Jahren
Du triffst den Charakter des Duftes mal wieder ganz genau. Obwohl einiges drin ist, mit dem ich mir sonst schwer tue - den mochte sogar ich! Feines schwarzes Stöffchen, das sämtliche Hirn- und Riechzellen aktiviert :-)
ExUserExUser vor 4 Jahren
Der Song von Peter Cornelius weckt Erinnerungen :) Ich kenne ihn noch gut aus meiner Kindheit und mochte (mag) ihn (noch) immer. Die Kaffeenote in Oud Divin mag ich ebenfalls … nur leider ist mir Robert Piguets Holz immer etwas zu balsamisch-cremig.
Can777Can777 vor 4 Jahren
Na wenn dieser feine Kommentar nicht gleich wacht macht am frühen Morgen,dann weiß ich auch nicht. Das Parfum kenne ich gut. Genau so ist er!
Morgenkaffee-Gruß-Winker mit Pokal..!
KollerlKollerl vor 4 Jahren
Mit großem Interesse gelesen! Danke für die detailreiche Schilderung. Jetzt bin ich angefixt.