16.07.2020 - 21:50 Uhr
FvSpee
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FvSpee
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60
Der Große Gebieter
Der Duft
Duchaufours Tycoon gehört unter den fast 1000 von mir getesteten Düften vielleicht zu den 30 schönsten und zu den 5 faszinierendsten.
Auftakt in Fulminanz und Opulenz: gedeckte, überreiche, waldige Naturtöne. Bitter und dunkel verfremdete Pomelo-Zitrik; kühle, mächtige, tiefgrün wummernde Galbanumbässe, der vermeintlich feste Boden vibriert bedrohlich pfeffrig. Perfekte Balance von Natur und Künstlichkeit; höchste Unkonventionalität, doch keine Spur von Exaltiertheit. Beherrschung und Selbstbeherrschung. Lebendig durchwirkte weite Öffnung ins Freie: weder eine Landschaft, noch bloß kalt einschüchternde Architektur. Gewaltsamkeit lauert. Doch auch Zartheit schlummert, oder wird sie nur erhofft?
Verwirrende Stunden: Anziehende, kriechende Schärfe von Ingwer und schleichende Würze von gefühltem Kardamom. Holzig-schweres, fremdartig-mysteriöses Nussgras. Elektrisierend: Geheimnisvolle magnetische Anziehung. Verstörend: Lässt sich nicht in die Karten schauen. Bald höchste Gefährlichkeit (heißer Naturkautschuk, giftige Kröten und Insekten), bald gemüsige Harmlosigkeit. Das vegane Gericht in der Auftragskillerkantine? Hand vor dem Mund: Wer um alle Welt ist das?
Unendlicher Ausklang: Sechzehn lange Stunden Wandlungen, ruhiger werdend, aber nie ganz beruhigend. Warmes Blumenbukett (bedingt glaubhaft), weiche Wallungen, Ledersofas mit Tropenholzarmaturen (noch immer tief gesättigt). Ganz am Ende langer dunkelsüßer Ausklang: verschatteter Arsène Lupin.
Die Edition
Meister Duchaufour schafft für Privatiers schöne Kollektionen. Der Dilettant (was ja ursprünglich Liebhaber hieß und nicht abwertend gemeint war) kann sich als Editor einer Duftserie geben, ohne selbst Parfumeur lernen zu müssen. Das ist praktisch. Die Ergebnisse lassen sich sehen. Neela Vermeires Indien-Serie, vollständig von BD gemacht, enthält einiges Mittelmaß, aber auch Trayee, für den die ganze Reihe sich mehr als gelohnt hat. Der "Creative Director" dieser Duftserie hier heißt Michael Donovan; worin seine Direktion außer im Engagieren der Supernase bestand, weiß ich nicht genau.
Die Serie besteht außer aus The Tycoon (Der Tycoon, oder meinetwegen Der Oligarch) noch aus den vier anderen berufsbeschreibenden Düften The Writer, The Stylist, The Mechanic und The Actress. The Actress, die Schauspielerin, ist auch im Englischen nur weiblich, die anderen vier Namen haben im Englischen den Reiz, grammatisch ebenso unisex zu sein wie die Düfte vermarktet werden, obwohl ich keine Tycooninnen kenne und auch die Mechanikerinnen immer noch relativ selten sind. Die vier anderen Düfte kenne ich nicht. Auch auf Parfumo sind sie kaum belichtet.
Die gesamte Fünferreihe ist noch erhältlich, und zwar entweder im Online-Shop von St.-Giles / Michael Donvan (St Giles Fine Fragrances) oder exklusiv über Selfridges. Der Preis ist hier und da gleich, nämlich 130 Pfunde Sterling für eine 100-ml-Flasche. Für "Der Taikun", den Duft mit der Wucht eines Taifuns, sicher nicht zu teuer.
Verliebt bin ich ein ganz klein bisschen in die Flakons, aber ganz massiv in die Kartons. Art Déco vom Feinsten, ich könnte mir die Wände damit vollhängen. Ebenso schön wie die in einem bunteren und fröhlicheren Art Déco gehaltenen Kartons der Unisex-Reihe von Tuttotondo. Vielleicht bin ich verrückt, aber für mich ein Kaufargument. Ein leerer TT-Karton steht in meinem Büro im Regal.
Der Name
Taikun (Großer Gebieter) war der Ehrentitel der japanischen Schogune und wird heute für superreiche und supermächtige Industrie- und Finanzkapitäne verwendet. Das Wort existierte früher direkt aus dem Japanischen eingedeutscht: Taikun. F. Scott Fitzgeralds Roman "The Love of the Last Tycoon" heißt in der deutschen Ausgabe noch "Der letzte Taikun" (obwohl das Buch von einem amerikanischen Wirtschaftsboss und nicht von einem japanischen Schogun handelt). Heute ist das Deutsche um dieses Wort verarmt, und wir schreiben auch englisch "Tycoon".
In älteren Texten über die Seefahrt hätte man auch noch lesen können: Das Schiff der Reederei aus Mexiko-Stadt legte auf den Kaiman-Inseln an und versorgte sich dort mit Kaschu-Nüssen und anderem Proviant. Heute stünde da Cayman-Islands, Mexico-City (was eigentlich besonderer Schwachsinn ist, denn wenn schon, dann Ciudad de Mexico) und Cashew-Nüsse. Schade eigentlich. Im Übrigen würde man auf den Kaimaninseln auch nicht mehr zum Proviantaufnehmen, sondern zum Geldwaschen anlegen.
Einer kulturhistorischen Untersuchung bedürfte mal, warum die Journalisten die Neigung haben, die richtig großen Oligarchen (die kleinen heißen ja auch nach Tieren, wie Baulöwe und Finanzhyäne) immer nach Herrschertiteln aus dem Osten zu benennen: Neben Tycoons fallen mir da noch Magnate, Mogule und Zaren ein; gerne auch alliterativ: Medienmogul, Zeitungszar und, naja, Stahlmagnat oder Ölmagnat, aber Müslimagnat klänge besser. Als weitere Varianten schlage ich hiermit vor: Socken-Sultan, Toastbrot-Tenno und Würstchen-Wesir.
Duchaufours Tycoon gehört unter den fast 1000 von mir getesteten Düften vielleicht zu den 30 schönsten und zu den 5 faszinierendsten.
Auftakt in Fulminanz und Opulenz: gedeckte, überreiche, waldige Naturtöne. Bitter und dunkel verfremdete Pomelo-Zitrik; kühle, mächtige, tiefgrün wummernde Galbanumbässe, der vermeintlich feste Boden vibriert bedrohlich pfeffrig. Perfekte Balance von Natur und Künstlichkeit; höchste Unkonventionalität, doch keine Spur von Exaltiertheit. Beherrschung und Selbstbeherrschung. Lebendig durchwirkte weite Öffnung ins Freie: weder eine Landschaft, noch bloß kalt einschüchternde Architektur. Gewaltsamkeit lauert. Doch auch Zartheit schlummert, oder wird sie nur erhofft?
Verwirrende Stunden: Anziehende, kriechende Schärfe von Ingwer und schleichende Würze von gefühltem Kardamom. Holzig-schweres, fremdartig-mysteriöses Nussgras. Elektrisierend: Geheimnisvolle magnetische Anziehung. Verstörend: Lässt sich nicht in die Karten schauen. Bald höchste Gefährlichkeit (heißer Naturkautschuk, giftige Kröten und Insekten), bald gemüsige Harmlosigkeit. Das vegane Gericht in der Auftragskillerkantine? Hand vor dem Mund: Wer um alle Welt ist das?
Unendlicher Ausklang: Sechzehn lange Stunden Wandlungen, ruhiger werdend, aber nie ganz beruhigend. Warmes Blumenbukett (bedingt glaubhaft), weiche Wallungen, Ledersofas mit Tropenholzarmaturen (noch immer tief gesättigt). Ganz am Ende langer dunkelsüßer Ausklang: verschatteter Arsène Lupin.
Die Edition
Meister Duchaufour schafft für Privatiers schöne Kollektionen. Der Dilettant (was ja ursprünglich Liebhaber hieß und nicht abwertend gemeint war) kann sich als Editor einer Duftserie geben, ohne selbst Parfumeur lernen zu müssen. Das ist praktisch. Die Ergebnisse lassen sich sehen. Neela Vermeires Indien-Serie, vollständig von BD gemacht, enthält einiges Mittelmaß, aber auch Trayee, für den die ganze Reihe sich mehr als gelohnt hat. Der "Creative Director" dieser Duftserie hier heißt Michael Donovan; worin seine Direktion außer im Engagieren der Supernase bestand, weiß ich nicht genau.
Die Serie besteht außer aus The Tycoon (Der Tycoon, oder meinetwegen Der Oligarch) noch aus den vier anderen berufsbeschreibenden Düften The Writer, The Stylist, The Mechanic und The Actress. The Actress, die Schauspielerin, ist auch im Englischen nur weiblich, die anderen vier Namen haben im Englischen den Reiz, grammatisch ebenso unisex zu sein wie die Düfte vermarktet werden, obwohl ich keine Tycooninnen kenne und auch die Mechanikerinnen immer noch relativ selten sind. Die vier anderen Düfte kenne ich nicht. Auch auf Parfumo sind sie kaum belichtet.
Die gesamte Fünferreihe ist noch erhältlich, und zwar entweder im Online-Shop von St.-Giles / Michael Donvan (St Giles Fine Fragrances) oder exklusiv über Selfridges. Der Preis ist hier und da gleich, nämlich 130 Pfunde Sterling für eine 100-ml-Flasche. Für "Der Taikun", den Duft mit der Wucht eines Taifuns, sicher nicht zu teuer.
Verliebt bin ich ein ganz klein bisschen in die Flakons, aber ganz massiv in die Kartons. Art Déco vom Feinsten, ich könnte mir die Wände damit vollhängen. Ebenso schön wie die in einem bunteren und fröhlicheren Art Déco gehaltenen Kartons der Unisex-Reihe von Tuttotondo. Vielleicht bin ich verrückt, aber für mich ein Kaufargument. Ein leerer TT-Karton steht in meinem Büro im Regal.
Der Name
Taikun (Großer Gebieter) war der Ehrentitel der japanischen Schogune und wird heute für superreiche und supermächtige Industrie- und Finanzkapitäne verwendet. Das Wort existierte früher direkt aus dem Japanischen eingedeutscht: Taikun. F. Scott Fitzgeralds Roman "The Love of the Last Tycoon" heißt in der deutschen Ausgabe noch "Der letzte Taikun" (obwohl das Buch von einem amerikanischen Wirtschaftsboss und nicht von einem japanischen Schogun handelt). Heute ist das Deutsche um dieses Wort verarmt, und wir schreiben auch englisch "Tycoon".
In älteren Texten über die Seefahrt hätte man auch noch lesen können: Das Schiff der Reederei aus Mexiko-Stadt legte auf den Kaiman-Inseln an und versorgte sich dort mit Kaschu-Nüssen und anderem Proviant. Heute stünde da Cayman-Islands, Mexico-City (was eigentlich besonderer Schwachsinn ist, denn wenn schon, dann Ciudad de Mexico) und Cashew-Nüsse. Schade eigentlich. Im Übrigen würde man auf den Kaimaninseln auch nicht mehr zum Proviantaufnehmen, sondern zum Geldwaschen anlegen.
Einer kulturhistorischen Untersuchung bedürfte mal, warum die Journalisten die Neigung haben, die richtig großen Oligarchen (die kleinen heißen ja auch nach Tieren, wie Baulöwe und Finanzhyäne) immer nach Herrschertiteln aus dem Osten zu benennen: Neben Tycoons fallen mir da noch Magnate, Mogule und Zaren ein; gerne auch alliterativ: Medienmogul, Zeitungszar und, naja, Stahlmagnat oder Ölmagnat, aber Müslimagnat klänge besser. Als weitere Varianten schlage ich hiermit vor: Socken-Sultan, Toastbrot-Tenno und Würstchen-Wesir.
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