19.12.2021 - 06:32 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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98
Humunkulus
Wenn Bertrand Duchaufour einen Duft lanciert, darf man schon mal genauer hinschauen. Immerhin hat er legendäre Düfte wie Timbuktu und andere L'Artisan-Klassiker, eine Reihe der schönsten Düfte aus den CdG-Sonderserien, spannende Neuerscheinungen aus jüngster Zeit wie Chypre Shot und einige Penhaligon's-Bestseller komponiert. Nicht alles gefällt mir, aber so gut wie nichts davon ist platter Mainstream, sondern beweist immer ein wenig mehr Mut als die Konkurrenz, gelegentlich um den Preis eines sperrigen Nonkonformismus.
In diese Reihe gehört vielleicht auch The Writer, denn immerhin gibt es ihn bereits seit 2017, aber selbst auf Parfumo, wo sich Nischenbegeisterte tummeln, finden sich nur 30 Bewertungen und bislang nur ein (hervorragender) Kommentar. Woran liegt das?
Der Duft eröffnet eigenwillig, entwickelt sich eigenwillig und hat einen eigenwilligen Drydown. Dazu gehört Chuzpe, und zwar beim Hersteller und beim Parfümeur.
Dabei erinnert vieles an große Düfte vorausgegangener Jahrzehnte, insbesondere der 70er und 80er Jahre, als starke Duftnoten en vogue waren, Aldehyde nur so flirrten und animalische oder ambriert ledrige Akzente gar nicht stark genug sein konnten. Gekonnt werden nostalgische Referenzen mit neuen und gewagten Ideen verbunden. Dem Destillierkolben entschlüpft ein Humunkulus: neu und bekannt zugleich. Der Ingwerauftakt findet sich (wenn auch dezenter) etwa bei Sagamore Eau de Toilette , Monsieur Balmain (1964) Eau de Toilette , Pour Monsieur Eau de Toilette oder der alten Formel von Versace L'Homme Eau de Toilette . Die Kombination aus Weihrauch mit Fruchtnote (hier: Rhabarber) war ein Kennzeichen von Timbuktu . Aldehyde wiederum finden sich in derart vielen Düften der Vergangenheit, dass eine Aufzählung ermüden würde, als Referenz für einen geradezu seifigen Aldehyd-Duft der 80er erwähne ich deshalb hier nur Pour Lui Eau de Toilette . Weshalb ich hier überwiegend Herrendüfte aufzähle? The Writer ist zwar als Unisex-Duft kategorisiert, erscheint mir aber so markant maskulin, dass ich ihn mir leichter an einem Mann als an einer Frau vorstellen kann. Zudem folgt er m.E. den Mustern klassischer Herrenduft-Tradition: weder florale noch weiche oder süße Töne, stattdessen aromatisch, etwas scharf (und damit an Rasierwasser erinnernd), markant und würzig.
Wie von NuiWhakakore m.E. völlig richtig bemerkt, wirkt der Duft mit zunehmender Tragedauer animalischer, sicherlich der Entwicklung des Bibergeils geschuldet. Auch dies eine Duftkomponente, die sich in den 70ern und 80ern großer Beliebtheit erfreute: Antaeus Eau de Toilette , Man Pure Eau de Toilette , New-York können als Beispiele genügen, auch wenn sie inzwischen bereits eingestellt oder dem Zeitgeschmack angepasst wurden.
Die Aufzahlung mag nahelegen, dass der Duft durch und durch nostalgisch sei, aber The Writer wäre kein Duft von Duchaufour, wenn nicht auch raffiniert innovative Komponenten enthalten wären: Dazu zählt der bereits erwähnte Rhabarber, bis in die 90er-Jahre völlig unüblich, sowie der synthetische Weichleder-Ton, der früher so nicht erzeugt werden konnte, sondern durch harzige, ambrierte und animalische Noten (Zibet, Bibergeil) komponiert wurde. So wenig ich diesen postmodernen Ton mag, so gelungen integriert er sich hier in das Gesamtkunstwerk.
Eines zum Schluss: Der Duft braucht Zeit. Er entwickelt sich langsam, darf keinesfalls überdosiert werden, weil er geradezu erschlagend wirken kann. Für mich reicht ein einziger, sparsamer Sprühstoß. Die Marke St. Giles jedenfalls muss man im Blick behalten. Neben The Writer überzeugt auch The Tycoon auf ganzer Linie.
In diese Reihe gehört vielleicht auch The Writer, denn immerhin gibt es ihn bereits seit 2017, aber selbst auf Parfumo, wo sich Nischenbegeisterte tummeln, finden sich nur 30 Bewertungen und bislang nur ein (hervorragender) Kommentar. Woran liegt das?
Der Duft eröffnet eigenwillig, entwickelt sich eigenwillig und hat einen eigenwilligen Drydown. Dazu gehört Chuzpe, und zwar beim Hersteller und beim Parfümeur.
Dabei erinnert vieles an große Düfte vorausgegangener Jahrzehnte, insbesondere der 70er und 80er Jahre, als starke Duftnoten en vogue waren, Aldehyde nur so flirrten und animalische oder ambriert ledrige Akzente gar nicht stark genug sein konnten. Gekonnt werden nostalgische Referenzen mit neuen und gewagten Ideen verbunden. Dem Destillierkolben entschlüpft ein Humunkulus: neu und bekannt zugleich. Der Ingwerauftakt findet sich (wenn auch dezenter) etwa bei Sagamore Eau de Toilette , Monsieur Balmain (1964) Eau de Toilette , Pour Monsieur Eau de Toilette oder der alten Formel von Versace L'Homme Eau de Toilette . Die Kombination aus Weihrauch mit Fruchtnote (hier: Rhabarber) war ein Kennzeichen von Timbuktu . Aldehyde wiederum finden sich in derart vielen Düften der Vergangenheit, dass eine Aufzählung ermüden würde, als Referenz für einen geradezu seifigen Aldehyd-Duft der 80er erwähne ich deshalb hier nur Pour Lui Eau de Toilette . Weshalb ich hier überwiegend Herrendüfte aufzähle? The Writer ist zwar als Unisex-Duft kategorisiert, erscheint mir aber so markant maskulin, dass ich ihn mir leichter an einem Mann als an einer Frau vorstellen kann. Zudem folgt er m.E. den Mustern klassischer Herrenduft-Tradition: weder florale noch weiche oder süße Töne, stattdessen aromatisch, etwas scharf (und damit an Rasierwasser erinnernd), markant und würzig.
Wie von NuiWhakakore m.E. völlig richtig bemerkt, wirkt der Duft mit zunehmender Tragedauer animalischer, sicherlich der Entwicklung des Bibergeils geschuldet. Auch dies eine Duftkomponente, die sich in den 70ern und 80ern großer Beliebtheit erfreute: Antaeus Eau de Toilette , Man Pure Eau de Toilette , New-York können als Beispiele genügen, auch wenn sie inzwischen bereits eingestellt oder dem Zeitgeschmack angepasst wurden.
Die Aufzahlung mag nahelegen, dass der Duft durch und durch nostalgisch sei, aber The Writer wäre kein Duft von Duchaufour, wenn nicht auch raffiniert innovative Komponenten enthalten wären: Dazu zählt der bereits erwähnte Rhabarber, bis in die 90er-Jahre völlig unüblich, sowie der synthetische Weichleder-Ton, der früher so nicht erzeugt werden konnte, sondern durch harzige, ambrierte und animalische Noten (Zibet, Bibergeil) komponiert wurde. So wenig ich diesen postmodernen Ton mag, so gelungen integriert er sich hier in das Gesamtkunstwerk.
Eines zum Schluss: Der Duft braucht Zeit. Er entwickelt sich langsam, darf keinesfalls überdosiert werden, weil er geradezu erschlagend wirken kann. Für mich reicht ein einziger, sparsamer Sprühstoß. Die Marke St. Giles jedenfalls muss man im Blick behalten. Neben The Writer überzeugt auch The Tycoon auf ganzer Linie.
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