No 39: Honey and Deermusk von Meleg Perfumes

No 39: Honey and Deermusk 2020

DerDefcon
10.04.2020 - 09:27 Uhr
12
Top Rezension
8.5Duft 8Haltbarkeit 7Sillage 5Flakon

Animalik geht auch alltagstauglich!

Ich möchte mich zuerst bei Pollita bedanken, die mir diesen besonderen Duft - und das ist er definitiv - in Form einer kleinen Abfüllung zukommen ließ. Schon der auf dem Bild abgebildete Flakon löste Skepsis in mir aus, erinnert er doch tatsächlich an einen Indianer Jones-Fan-Artikel - so ein bisschen ramschig, billig und überladen. Aber ich möchte nicht zu viele Worte über diesen verlieren, denn schließlich hatte ich ihn nie in der Hand. So mancher Flakon überrascht in Natura dann nämlich doch ungemein und man ist erstaunt, wie sehr Bilder einen täuschen können. Wieso ich all das schreibe? Ganz einfach: Nicht selten kauft das Auge - ja, auch bei Düften - irgendwie mit, obwohl das natürlich nicht so sein sollte, sofern man mit dem Erwerb keine dekorativen Zwecke verfolgt.

So, genug zum Flakon, den ich ja nie in der Hand hatte ... kommen wir zum Duft.

Ich gestehe, dass diese Duftkombination absolutes Neuland für mich ist. Mit animalischen Düften habe ich bis jetzt noch keinerlei Erfahrung gesammelt beziehungsweise nicht mit solchen, die sich exolizit als animalisch schimpfen. Bezüglich der Animalik schauderte es mir vor dem ersten Sprühstoß schon ein wenig. Werde ich jetzt nach Schweiß "duften", nach Urin oder gar Fäkalien? Und dann ist da ja auch noch dieses "Chypre" in der Duftbeschreibung. Am Ende soll all das chypre-artig-animalisch riechen, wobei ich beim erneuten Betrachten der Duftbeschreibung sehe, dass nun von "animalisch-würzig" die Rede ist, was meiner Meinung nach auch deutlich mehr zutrifft, da ich das typisch Grün-Bittere nicht eine Sekunde wahrnahm, welches Chypredüfte oft mit sich bringen.

Aber wie riecht es denn nun?

Auf dem Handrücken aufgesprüht, vernehme ich zu Beginn eine an Wild erinnernde Note. Vielleicht kennen das manche von euch. Man spaziert mit seinem Hund durch den Wald, dessen Nase erhebt sich, er holt sich Wind. Wenige Sekunden später könnt ihr den Geruch ebenfalls wahrnehmen, den euer Hund um ein Vielfaches stärker erspähte. Es duftet recht schweißig und dunkel samt einem minimal fäkalen Einschlag. Das ist dann der Augenblick, an dem ihr froh seid, euer Haustier an der Leine gehabt zu haben, denn irgendwo in der Nähe hat ein Fuchs sein Revier markiert - ein sehr duftintensives Erlebnis.
Nun riecht der Auftakt natürlich nicht zu 100 Prozent nach Fuchsurin, aber gewisse Assoziationen kommen da schon zustande. Die Zistrose oder der Hirschmoschus dürften hierfür keine Verantwortung tragen, denn dafür riecht alles noch zu scharf. Der Verdacht richtet sich auf die Gewürznelke, die in Kombination mit anderen leicht verdorrten Blühern ihr Spielchen treibt.

Die Fuchsurin-Assoziation bleibt - und das ist auch ganz gut so - natürlich nicht die ganze Zeit präsent. Das Schweißige bleibt zwar nach wie vor vorhanden, wird nun jedoch vom staubig-trockenen Zimt unterlegt, während der muffige Fäkaleinschlag gänzlich verschwindet. Mit Einsetzen des Zimts wandelt sich das Duftbild beinahe vollends und es wird einem wieder einmal vor Augen geführt, was nur eine einzige Duftnote bereits bewirken kann.
Das zimtig-würzige Duftkonglomerat erfährt später die animalische Ergänzung schlechthin - Zistrose und Hirschmoschus gesellen sich hinzu. Für meine in dieser Duftkategorie ungeübte Nase ist es schwierig, beide Duftnoten auseinanderzuhalten, denn beide treten - so recherchierte ich - gerne süßlich auf und haben dabei einen sehr "körperlichen" Geruch. Ich wüsste nicht, wie ich es anders beschreiben sollte. Auf jeden Fall wird das Zimtig-Schwitzge, welches aber wirklich absolut sozialverträglich daherkommt, mit einer leicht cremigen Süße verziert. Für die Cremigkeit dürfte, so meine Vermutung, der Moschus verantwortlich sein. Das Animalische erinnert ein wenig an den körpereigenen Geruch, den jedes Tier, jeder Mensch in welcher Form auch immer irgendwie hat, jedoch hier mit einer zähmenden Süße unterlegt. Es ist einfach - und das möchte ich abschließend sagen, ehe ich das Fazit ziehe - unglaublich schwierig zu beschreiben. Zudem dürfte hier auch jede*r etwas anderes herausriechen. Da bin ich mir sicher.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass man es hier mit einem nicht allzu lauten und somit letzlich sehr alltagstauglichen Duft zu tun hat, bei dem nichts stinkt oder allzu sehr aneckt. Man kann damit durch den Wald laufen, ohne die Brunftzeit frühzeitig auszulösen. Lediglich unsere Hunde waren seeeeehr anhänglich und wollten gar nicht mehr von meinem Handgelenk ablassen. Und da wären wir bei einem wichtigen Punkt, zu dem ich abschließend noch etwas sagen möchte.

Das Dufthaus "Meleg Perfumes" setzt auf echten Hirschmoschus. Man ist da auch sehr transparent und gibt dies offen zu. Man komme, so heißt es, an das Produkt, da die Tiere zwecks des Verzehrs gejagt werden. Der Moschus sei daher sowas wie ein Abfallprodukt. Ob das wirklich stimmt, kann ich nicht beurteilen. Sollte dies so sein, wäre es moralisch für mich noch vertretbar, da das Tier nicht rein wegen seiner Rolle auf dem Parfümmarkt bejagt wird. Ein seltsames Gefühl bleibt trotzdem zurück.

12 Antworten
ChicoRoch1ChicoRoch1 vor 2 Jahren
Es ist FÄKAL, NICHT FAECAL.
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KovexKovex vor 5 Jahren
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Ein toller Kommentar zu einem ebenso tollen Duft. Gut beschrieben!
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 6 Jahren
Hirschmoschus - da muss ich gleich weinen. Wusstest du, dass Chanel irgendwann nur noch auf künstlich produzierten Moschus gesetzt hat? Auch wenn ich kein Chanel-Fan bin, fand ich diese Tatsache super. Du hast den Duft sehr interessant beschrieben, daher Pokal für dich
Can777Can777 vor 6 Jahren
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Sehr schöner und sinnlicher Duft,der durch eine sehr prägnante und versteckte Honignote und die sehr dezent eingesetzte Animalik schon sehr körperlich flimmert. Ich finde ihn unglaublich sexy. Interessanter Kommentar!
Helena1411Helena1411 vor 6 Jahren
Ich bin ganz bei Dir und Yatagan: Es bleibt ein schales Gefühl zurück und muss heutzutage auch - ethisch korrekt gewonnen hin oder her - nicht mehr echter Hirschmoschus sein.
ChicoRoch1ChicoRoch1 vor 2 Jahren
Echte Tierstoffe sind der EINZIGE Weg, um wahres Glück zu erleben. Synthetik ist einfach das, was sie sind... FALSCH.
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Melisse2Melisse2 vor 6 Jahren
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Irgendwie muss ich den dich unbedingt selbst mal testen, denn ich schüttele immer noch ungläubig den Kopf, wie hoch Fuchsurin hier benotet wird. Ja, ja ich weiß, ist nur ein bisschen, gibt auch noch Anderes zu riechen, z.B. Zimtig-Schweißiges, liebes Lottchen! Sehr spannend.
JackWalshJackWalsh vor 6 Jahren
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Das ist kaum Tier drin....danke für Deine Worte
SchatzSucherSchatzSucher vor 6 Jahren
Ein wirklich toller Kommentar! Den Duft habe ich ja auch kürzlich kennengelernt und bin auch die gleiche Bewertung gekommen. Da ich ja ein großer Chyprefan bin, war ich besonders interessiert. Zu den klassischen Chypredüften wird häufig ein animalischer Zusatz in der Basis zugefügt für eine gewisse Tiefe und Würze. Zibet z.B. kann überdosiert schnell wie Fuchsbau riechen ;-) Von den Düften wird keiner gekauft, da sie mir u.a. zu hochpreisig sind.
GschpusiGschpusi vor 6 Jahren
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Uuuuunbedingt muss ich den testen. Ist schon auf meiner Merkliste
PollitaPollita vor 6 Jahren
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Interessant. So viel Tier hab ich da gar nicht explizit wahrgenommen. Ich fand den einfach nur weich und schön. Aber deshalb sind unsere Nasen ja auch unterschiedlich. Freut mich, dass er Dir gefällt.
YataganYatagan vor 6 Jahren
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An anderer Stelle hat Meleg mal was von ethischen Farmen fabuliert. Mir geht es wie dir. Ein schales Gefühl bliebt in jedem Fall, zumal echtes Hirschmoschus oder Zibet heutzutage einfach nicht notwendig ist. Es gibt sehr gute Ersatzstoffe.