No 50: Civet Cat Chypre 2020

Version von 2020
Talisker
04.06.2020 - 13:15 Uhr
31
Top Rezension
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft

Matt and his cat

Liebe geneigte Leser*innen,

bevor ich ich hiermit im Folgenden meine "Kommentar- Unschuld" einbüße, eines vorweg:

Mir ist bewusst, dass viele Nutzer dieses Forums Düfte, die echte tierische Inhaltsstoffe beinhalten, von vorneherein aus ethischen Gründen ablehnen. Dies verstehe ich sehr gut, denn anders als die Entnahme der Moschusdrüsen von bereits toten Hirschen, die in erster Linie ihres Fleisches wegen gejagt werden, ist die Gewinnung von Drüsensekret aus lebenden Tieren sicher eine sehr schmerzhafte und fragwürdige Prozedur, die ich an dieser Stelle absolut nicht schönreden möchte.

Dennoch muss ich zugeben, dass ich zumindest einmal im Leben wissen wollte, wie echtes Zibet riecht, ähnlich wie andere Menschen gerne mal einen Hummer probieren wollen (auch nicht sonderlich schön für das Tier) oder einmal riskant und egoistisch mit 300+ Sachen im Leih- Sportwagen über die Autobahn brettern möchten (nicht exakt dasselbe, weiß ich).
An dieser Stelle also schon einmal rein prophylaktisch "Asche auf mein Haupt" und das Versprechen, mein Karma- Konto alsbald wieder auszugleichen. ;-)

Und nun zum eigentlichen Thema:

Heute kam endlich das heißersehnte "Civet Cat Chypre" nach längerer Odyssee (Matthew Meleg hatte meine Bestellung versehentlich mit "surface mail" aufgegeben) aus Vancouver bei mir an.
Ehrfürchtig öffnete ich das kleine beige Päckchen und betrachtete den schlichten, aber edlen, flachen Glasflakon.
Wie würde sie riechen, die sagenumwobene "Katze", deren Duft in Parfums aus vergangenen Zeiten so häufig Verwendung fand?

Nachdem ich bereits häufiger die Begriffe "Katzenpipi" und "urinös" in diversen Rezensionen zu anderen Düften gelesen hatte, in denen Zibet (oder dessen synthetische Variante) enthalten ist, drückte ich todesmutig, wenn auch ein wenig beklommen, auf den Zerstäuber und zielte mit zusammengekniffenen Augen auf meine rechte Ellenbeuge.

Die Überraschung stellte sich dann auch prompt ein, jedoch völlig anders als erwartet. Was mir da, versteckt zwischen allerlei lautstarken, seifig- blumigen Noten verstohlen leise in die Nase drang, erinnerte mich entfernt an geriebenen Parmigiano reggiano. Zugegeben, kein Duft, der in einem Parfum sonderlich erstrebenswert erscheint, aber hatte ich eben noch befürchtet, meine Katzen könnten eventuell feindselig auf den vermeintlichen Eindringling reagieren, fragte ich mich nun kurz verwirrt, ob ich nicht vielleicht stattdessen Mäuse anlocken würde.

Diese Vorstellung zerstob jedoch binnen weniger Sekunden, die "Käsenote" verschwand komplett. Von Minute zu Minute wandelte sich der Geruch und wurde von einem eher schrillen, aldehydverstärkten Blumenbouquet (Rose und vor allem Jasmin) langsam zu einem weichen und warmen Duft.

Jetzt, nach 4 Stunden stehen m.E. die Tonkabohne sowie die Holznoten im Vordergrund und die "Katze" schnurrt ganz saft dazu. Es riecht "kuschelig" und "wohlig" und lädt zum Entspannen ein. Ich mag den Geruch auf meiner Haut sehr gerne und habe den Eindruck, dass der Duft jetzt deutlich körpernäher und "persönlicher" ist und nicht mehr so extrem ausstrahlt wie zu Beginn.

Ich habe das Parfum äußerst vorsichtig ausprobiert und nur einen einzigen Sprühstoß verwendet, was ich wohl auch in Zukunft so halten werde, da ich denke, dass es völlig ausreichend ist, um den Duft selbst gut wahrnehmen zu können, aber gleichzeitig andere, die vielleicht tatsächlich eine "Katzenpipi"- Assoziation haben, zu schonen

Fun Fact zum Schluss: Den von Matthew Meleg assoziierten Geruch von weiblichen Genitalien kann ich (immerhin selbst Inhaberin weiblicher Genitalien) nicht nachvollziehen. Da wäre ein weicher (synthetischer) Moschus, wie ich ihn in einer 90er Jahre Abfüllung von "Clair de Musc" von Serge Lutens und in "Kingdom" von Alexander McQueen in Erinnerung habe, ein treffenderes Geruchsdouble. Gerade letztgenannter Duft entriss einem amerikanischen Freund seinerzeit den verwunderten (leider weithin hörbaren) Ausruf "Whoa! Smells like my fingers after prom night back then." Selbstredend verließen wir die Parfümerie umgehend und unter den verstörten Blicken einiger in Hörweite Umstehender...
12 Antworten