20.11.2024 - 09:07 Uhr

Mairuwa
54 Rezensionen

Mairuwa
Top Rezension
12
Stille Post
Ein Duft entsteht. Sein Schöpfer bereits versieht ihn mit Worten und Bildern. Eine Künstlerin schenkt ihm eine Hülle. Mir schickt sie ein Aquarell, und so darf ich Bild und Duft nun wieder in Worte übersetzen. Stille Post.
Wieder eine Reise mit dem olfaktorischen Travel-Agent N.O.A.M. – diesmal auf Einladung von BeJot, die dem Erlebnis zugleich ein, zwei weitere Sinnesebenen hinzufügt. Herzlichen Dank!
„Le Vent des Îles“ - der Name ließe zunächst wahlweise an die Südsee oder einmal mehr an die Antillen denken. Letzteres scheint auch hier zu passen, denn die Inspiration zu dem Duft war offenbar eine Wanderung auf einer Karibikinsel. Damit schließt „Le Vent des Îles“ thematisch tatsächlich an „Bois Verna“ aus dem gleichen Hause an, und Vergleiche, die ihn als dessen tiefere, dunklere Version charakterisieren, sind sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings ist er insbesondere im Auftakt stärker von einer herben Zitrik dominiert und insgesamt zugleich deutlich grüner, letztendlich auch dichter: Üppige tropische Vegetation, Flechten und Moos, Kräuter und Farne, beinahe bittere Hesperiden, würzige Holzigkeit, Vetiver, Patchouli, Oud. Eine komplexe Gemengelage, wieder einmal. Das kennt man schon, erwartet es beinahe von dem Haus. Trotz kleiner floraler und ozeanischer Einsprengsel liegt die Betonung hier deutlich auf herbgrün-wurzelig-holzig-würzig. Die Zitrik ist nicht fruchtig, sondern lässt an Zitrusblattwerk denken und sorgt bei mir in Verbindung mit dem Erdig-würzigen wieder einmal für nostalgische Assoziationen: früheste Kindheit, ein staubiger afrikanischer Garten im Harmattan, Versteckspiele in dichten Zitronengebüschen. Wenn es darum geht, Geruchserinnerungen heraufzubeschwören, ist N.O.A.M. – zumindest bei mir – immer wieder höchst produktiv.
Bald treten stärker krautige Noten dazu. Lavendel und vor allem Salbei machen sich hier vernehmbar, aber sicher spielen bei dieser Entwicklung auch noch andere Zutaten mit, die ich nicht recht isolieren kann. Dezidiert erwähnt der Parfümeur „Fleur d’Atoumo“ und „3 Tasses“, zwei karibische Heilkräuteressenzen aus einer kleinen Destillerie auf Guadeloupe, die offenbar Ingwer- und Anisnoten beisteuern. Medizin, mithin. Der Wind der Antillen lindert jedes Leiden.
Auch eine der zwei verwendeten Vetiveressenzen stammt aus Guadeloupe und ist damit eine Besonderheit, laut Herstellerangaben vermutlich zum ersten Mal überhaupt in einem Duft verbaut. Als dunkel-holzig, leicht rauchig beschreibt N.O.A.M. ihren Duft und als bekennender Vetiverliebhaber bekomme ich sofort Lust, ihn einmal in Reinform zu riechen. Da müsste man freilich eine wirkliche Reise unternehmen, sich in die Realität begeben und „Sarah’s Destillerie“ besuchen. N.O.A.M. arbeitet mit kleinen, handwerklichen Produzenten von Duftrohstoffen zusammen oder produziert diese gleich selbst. Sogar der Alkohol stammt aus einer kleinen lokalen Destillerie und wird speziell für das Haus produziert. Es sind nur kleine, wie Brosamen hingeworfenen Hinweise, die Aufschluss geben über die Herangehensweise, doch diese wirkt sehr authentisch. Die Düfte entstehen in enger Zusammenarbeit und im persönlichen Austausch zwischen Parfümeur und Rohstoffherstellern.
Hinzu kommt in diesem Fall noch: die Flakongestalterin. Sieben der insgesamt zwanzig Flakons wurden als Sonderedition von der Künstlerin Barbara Josfeld gestaltet – jeder ein Unikat aus so disparaten Materialien wie Beton, Maulbeerbast, und Farn. Eine Kombination, die durchaus funktioniert: selten habe ich so organischen Beton gesehen. Die Künstlerin beschreibt den kreativen Prozess in einem Bericht als engen Austausch mit dem Parfümeur. Naturfotos halfen beim Übersetzen des Dufts in Flakon-Kunst und es ist erstaunlich, dass der Entwurf scheinbar entstanden ist, bevor die Künstlerin dann, erst im Nachgang, auch den Duft kennenlernen konnte. Erstaunlich, weil Flakon und Duft eine perfekte Einheit bilden, als wären sie aus einem Guss entstanden. So kann stille Post funktionieren.
Doch nicht nur eine Serie von Flakons entsteht als Produkt des künstlerischen Austauschs über Sinnesgrenzen hinweg, sondern auch eine Reihe von Aquarellen zu Düften. Zwei davon erhalte ich als Ergebnis eines Austauschs im Banne von N.O.A.M. Nun ist es an mir, meinen Beitrag zum Spiel zu leisten, Teil der Stillen Post zu werden. Und da erscheinen die stilistischen Mittel der Rezensionsprosa unbefriedigend, stoßen an ihre Grenzen. Der Prozess verlangt nach einer anderen Diktion.
Vielleicht so:
Hesperidische Fraktale am Firmament des Waldes, Meteoritenschauer, wie die überdimensionalen tropischen Blüten eines Feuerwerks. Irisierende Wolken tragen Irdenes heran, prismatisch das Spektrum von Graugrün über Moos und Blassgelb bis hin zu vereinzelten Einsprengseln von Blau und Violett buchstabierend. Farnwind zerpflückt spielerisch schimmernde Lavendelzirren, verstreut sie mit leichter Hand über den Himmel, wie hingetupft. Schierlingsnadeln spiegeln sich in der Salbeisee, verschmelzen mit dem Salzatem der Gischt. Hölzerne Dunkelheit ballt sich an der Peripherie, bitter-würzige Medizin. Das Zentrum bleibt licht, fast kristallin. Die Karten sind neu gemischt; die Teile fügen sich zu einem Ganzen.
Als Teil der limitierten „Essences“-Reihe ist „Le Vent des Îles“ aufgrund der Einzigartigkeit einzelner Rohstoffe nicht reproduzierbar. So wird der Wind der Inseln diesen Duft bald verweht haben. Es gilt ihn bewusst zu genießen, sein Verduften zu feiern, solange es ihn gibt.
Wieder eine Reise mit dem olfaktorischen Travel-Agent N.O.A.M. – diesmal auf Einladung von BeJot, die dem Erlebnis zugleich ein, zwei weitere Sinnesebenen hinzufügt. Herzlichen Dank!
„Le Vent des Îles“ - der Name ließe zunächst wahlweise an die Südsee oder einmal mehr an die Antillen denken. Letzteres scheint auch hier zu passen, denn die Inspiration zu dem Duft war offenbar eine Wanderung auf einer Karibikinsel. Damit schließt „Le Vent des Îles“ thematisch tatsächlich an „Bois Verna“ aus dem gleichen Hause an, und Vergleiche, die ihn als dessen tiefere, dunklere Version charakterisieren, sind sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings ist er insbesondere im Auftakt stärker von einer herben Zitrik dominiert und insgesamt zugleich deutlich grüner, letztendlich auch dichter: Üppige tropische Vegetation, Flechten und Moos, Kräuter und Farne, beinahe bittere Hesperiden, würzige Holzigkeit, Vetiver, Patchouli, Oud. Eine komplexe Gemengelage, wieder einmal. Das kennt man schon, erwartet es beinahe von dem Haus. Trotz kleiner floraler und ozeanischer Einsprengsel liegt die Betonung hier deutlich auf herbgrün-wurzelig-holzig-würzig. Die Zitrik ist nicht fruchtig, sondern lässt an Zitrusblattwerk denken und sorgt bei mir in Verbindung mit dem Erdig-würzigen wieder einmal für nostalgische Assoziationen: früheste Kindheit, ein staubiger afrikanischer Garten im Harmattan, Versteckspiele in dichten Zitronengebüschen. Wenn es darum geht, Geruchserinnerungen heraufzubeschwören, ist N.O.A.M. – zumindest bei mir – immer wieder höchst produktiv.
Bald treten stärker krautige Noten dazu. Lavendel und vor allem Salbei machen sich hier vernehmbar, aber sicher spielen bei dieser Entwicklung auch noch andere Zutaten mit, die ich nicht recht isolieren kann. Dezidiert erwähnt der Parfümeur „Fleur d’Atoumo“ und „3 Tasses“, zwei karibische Heilkräuteressenzen aus einer kleinen Destillerie auf Guadeloupe, die offenbar Ingwer- und Anisnoten beisteuern. Medizin, mithin. Der Wind der Antillen lindert jedes Leiden.
Auch eine der zwei verwendeten Vetiveressenzen stammt aus Guadeloupe und ist damit eine Besonderheit, laut Herstellerangaben vermutlich zum ersten Mal überhaupt in einem Duft verbaut. Als dunkel-holzig, leicht rauchig beschreibt N.O.A.M. ihren Duft und als bekennender Vetiverliebhaber bekomme ich sofort Lust, ihn einmal in Reinform zu riechen. Da müsste man freilich eine wirkliche Reise unternehmen, sich in die Realität begeben und „Sarah’s Destillerie“ besuchen. N.O.A.M. arbeitet mit kleinen, handwerklichen Produzenten von Duftrohstoffen zusammen oder produziert diese gleich selbst. Sogar der Alkohol stammt aus einer kleinen lokalen Destillerie und wird speziell für das Haus produziert. Es sind nur kleine, wie Brosamen hingeworfenen Hinweise, die Aufschluss geben über die Herangehensweise, doch diese wirkt sehr authentisch. Die Düfte entstehen in enger Zusammenarbeit und im persönlichen Austausch zwischen Parfümeur und Rohstoffherstellern.
Hinzu kommt in diesem Fall noch: die Flakongestalterin. Sieben der insgesamt zwanzig Flakons wurden als Sonderedition von der Künstlerin Barbara Josfeld gestaltet – jeder ein Unikat aus so disparaten Materialien wie Beton, Maulbeerbast, und Farn. Eine Kombination, die durchaus funktioniert: selten habe ich so organischen Beton gesehen. Die Künstlerin beschreibt den kreativen Prozess in einem Bericht als engen Austausch mit dem Parfümeur. Naturfotos halfen beim Übersetzen des Dufts in Flakon-Kunst und es ist erstaunlich, dass der Entwurf scheinbar entstanden ist, bevor die Künstlerin dann, erst im Nachgang, auch den Duft kennenlernen konnte. Erstaunlich, weil Flakon und Duft eine perfekte Einheit bilden, als wären sie aus einem Guss entstanden. So kann stille Post funktionieren.
Doch nicht nur eine Serie von Flakons entsteht als Produkt des künstlerischen Austauschs über Sinnesgrenzen hinweg, sondern auch eine Reihe von Aquarellen zu Düften. Zwei davon erhalte ich als Ergebnis eines Austauschs im Banne von N.O.A.M. Nun ist es an mir, meinen Beitrag zum Spiel zu leisten, Teil der Stillen Post zu werden. Und da erscheinen die stilistischen Mittel der Rezensionsprosa unbefriedigend, stoßen an ihre Grenzen. Der Prozess verlangt nach einer anderen Diktion.
Vielleicht so:
Hesperidische Fraktale am Firmament des Waldes, Meteoritenschauer, wie die überdimensionalen tropischen Blüten eines Feuerwerks. Irisierende Wolken tragen Irdenes heran, prismatisch das Spektrum von Graugrün über Moos und Blassgelb bis hin zu vereinzelten Einsprengseln von Blau und Violett buchstabierend. Farnwind zerpflückt spielerisch schimmernde Lavendelzirren, verstreut sie mit leichter Hand über den Himmel, wie hingetupft. Schierlingsnadeln spiegeln sich in der Salbeisee, verschmelzen mit dem Salzatem der Gischt. Hölzerne Dunkelheit ballt sich an der Peripherie, bitter-würzige Medizin. Das Zentrum bleibt licht, fast kristallin. Die Karten sind neu gemischt; die Teile fügen sich zu einem Ganzen.
Als Teil der limitierten „Essences“-Reihe ist „Le Vent des Îles“ aufgrund der Einzigartigkeit einzelner Rohstoffe nicht reproduzierbar. So wird der Wind der Inseln diesen Duft bald verweht haben. Es gilt ihn bewusst zu genießen, sein Verduften zu feiern, solange es ihn gibt.
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