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duftentwicklung bedingung für qualität?

duftentwicklung bedingung für qualität? vor 12 Jahren
Vielen Parfüm-Kommentaren und -Kritiken entnehme ich, dass es grundsätzlich eher negativ bewertet wird, wenn ein Parfüm keinen abwechslungsreichen Duftverlauf zu bieten hat.
Ich sehe natürlich ein, dass es für "Abenteurer in Sachen Duft" spannender ist, wenn ein Parfüm Vielseitigkeit und Überraschungen bietet. Andererseits wollen ja viele Leute, die den Duft suchen, auch genau diese Richtung bewahren, oder? Eine aufregende Kopfnote, die nach zwei Minuten verschwunden ist, bleibt eine aufregende Kopfnote, die nach zwei Minuten verschwunden ist...
Muss die "Verlässlichkeit" eines eher eindimensionalen Dufts, der bleibt, wie er ist (vorausgesetzt natürlich, diese eine Richtung ist richtig gut!), unbedingt bedeuten, dass er schlecht gemacht ist? Was meint ihr?
Re: duftentwicklung bedingung für qualität? vor 12 Jahren
Ginster:
Eine aufregende Kopfnote, die nach zwei Minuten verschwunden ist, bleibt eine aufregende Kopfnote, die nach zwei Minuten verschwunden ist...

Laughing Treffend beschrieben! Laughing

Muss die "Verlässlichkeit" eines eher eindimensionalen Dufts, der bleibt, wie er ist (vorausgesetzt natürlich, diese eine Richtung ist richtig gut!), unbedingt bedeuten, dass er schlecht gemacht ist? Was meint ihr?

Nach meinen bisherigen "Studien" der Parfümwissenschaften (bin bei parfumo immatrikuliert) vermute ich, dass der facettenreiche, vielschichtige Duftverlauf so etwas wie die "Haute Cuisine" der Parfümeurskunst darstellt. Ein Duft mit Prädikat muss also mindestens erriechbar die drei Stufen durchlaufen und sollte , wenn möglich, den Tester/Träger dabei auch noch überraschen - und das natürlich positiv.
Eindimensionalität wird - so habe ich das bisher mitbekommen - dagegen als langweilig und als Ausweis mangelnder Kreativität oder schlicht mangelnden Könnens interpretiert, selbst dann, wenn der Kunde mit seinem "langweiligen" Duft sehr zufrieden sein sollte. Tja...
vor 12 Jahren
Ich sehe das nicht ganz so. Ich mag es nicht, wenn sich ein Duft im Verlauf in seiner Stimmung zu sehr ändert. Ich habe schon Parfums erlebt, die als frischwürziger Chypre begannen und nach einer Weile läuft man mit einem Orientalen durch die Stadt.
Re: duftentwicklung bedingung für qualität? vor 12 Jahren
Jifat:
Eindimensionalität wird - so habe ich das bisher mitbekommen - dagegen als langweilig und als Ausweis mangelnder Kreativität oder schlicht mangelnden Könnens interpretiert, selbst dann, wenn der Kunde mit seinem "langweiligen" Duft sehr zufrieden sein sollte. Tja...

Da könnte was dran sein ... Mein Eindruck ist leider aber auch, dass sich hier viele dem Urteil anderer Menschen (insbesondere den üblichen Rezensenten) ungeprüft und unkritisch anschließen; womöglich in der Überzeugung, so schon nix falsch machen zu können. Je länger ich hier mitlese und mir die ganzen hochgelobten Wässerchen durchrieche, umso mehr reift in mir aber die Erkenntnis, dass viele der besonders gepriesenen Wässerchen schlichtweg nur künstlerischen Wert haben, als Gebrauchsgegenstand aber schlichtweg (für mich) unbrauchbar sind.

Tolle Entwicklung hin oder her - oftmals bevorzuge ich sogar die Schlichtheit eines sich nicht ändernden Duftes. Tuscan Leather ist für mich das beste Beispiel dafür, dass auch solche Düfte phänomenal gut duften können und keinesfalls langweilig werden müssen (oder gar handwerklich schlecht gemacht sind). Kein anderer Duft konnte mich bisher mit einer derart authentischen Ledernote beglücken.
vor 12 Jahren
Ansich ist gegen ein lineares Parfum nichts einzuwenden, solange ein gutes Zusammenspiel oder Kontrastprogramm seiner Inhaltsstoffe vorliegt.
Kontrast lässt sich allerdings auch in einem Duftverlauf erzielen, was bei linearen Düften kaum gegeben ist (es gibt Düfte, die kratzig-aggressiv anfangen und danach richtig weich, warm und einladend werden z.B. oder spritzig-zitronig starten und sich danach noch etwas cremig-vanilliges einschleicht, sowas finde ich super).

Es ist eher schlimm wenn ein Duft eine interessante Kopfnote hat und danach skelettiert oder generisch und nichtssagend riecht.
vor 12 Jahren
Ich habe nichts dagegen, wenn sich ein Duft entwickelt, aber mir geht es oft so, dass ich die Kopfnote schön finde und dann den Rest langweilig. Oder, wie Turandot oben schon geschrieben hat, sich der Duft komplett wandelt. Das schätze ich nicht besonders. Wink
Grundsätzlich mag ich also Düfte ohne große Entwicklung lieber.
vor 12 Jahren
Turandot:
Ich sehe das nicht ganz so. Ich mag es nicht, wenn sich ein Duft im Verlauf in seiner Stimmung zu sehr ändert. Ich habe schon Parfums erlebt, die als frischwürziger Chypre begannen und nach einer Weile läuft man mit einem Orientalen durch die Stadt.

So ergeht es mir eben auch öfter: dass ich zunächst von den feinen, frisch-eleganten Eingangs-Noten sehr angetan bin und dann von den später dominierenden Basisnoten enttäuscht werde.
Und dabei kommt mir der Gedanke, dass Liebhaber eher schwerer, orientalischer Düfte einer facettenreichen Duftentwicklung vielleicht offener gegenüberstehen, denn letztlich sind es genau diese Noten, die bleiben, während Liebhaber leichterer, frischerer Düfte womöglich ganz gerne Eindimensionalität in Kauf nehmen, Hauptsache, ihre Zitrus- oder andere fein-frischen Substanzen gehen nicht ganz so schnell flöten...
vor 12 Jahren
Ich mag es durchaus, wenn Düfte sich kontrastreich entwickeln, einige meiner Lieblingsdüfte sind aber sehr linear. Ein allgemeines Qualitätskriterium ist das nicht - Jean-Claude Elena setzt bei vielen seiner Düfte sogar ganz bewusst auf einen linearen Duftverlauf.
vor 12 Jahren
Hallo,

so, wie ich jeden Tag in anderer Stimmung bin und vielleicht gerne einen anderen Duft trage, so mag ich auch die Verschiedenheit im Entwicklungsverhalten von Parfums. Wenn mir ein Duft rundum gefällt, dann genieße ich ihn den ganzen Tag oder die ganze Nacht und brauche keine Abwechslung - davon abgesehen, daß selbst ein extrem gleichbleibender Duft von mir je nach Gefühlslage und Perspektive unterschiedlich wahrgenommen wird. So hat mein Mann heute z.B. "Cardinal" aufgelegt, ein Duft, in dem sich entwicklungsmäßig nicht so wahnsinnig viel tut. Da wir heute beim Testen in der Parfümerie in einer sehr herben Ecke unterwegs waren, kam mir "Cardinal" heut unglaublich süß vor. Diese Süße habe ich an ihm sonst gar nicht so wahrgenommen.

Aber ich liebe es auch, wenn ein Duft mich immer wieder mit neuen Duftnoten überrascht, eine Lieblingsnote ab und zu mal aufblitzt und sich dann wieder hinter anderen interessanten Gerüchen versteckt. Ein Parfum darf sich auch gerne komplett über die Zeit hinweg verändern, solange ich ihn dabei noch mag. Klar, beim Kennenlernen von Düften geht man sicherlich das Risiko ein, daß die Entwicklung einem so gar nicht paßt. Aber weiß man erstmal in etwa, wohin ein Duft sich bewegt, kann man ihn auch entsprechend zur Situation auswählen. Heute z.B. habe ich "Bois du Portugal" getestet. Mit seiner unglaublichen Würze und Pfeffrigkeit, die mich anfangs nahezu umgehauen hat, habe ich mich in meinen Tagestätigkeiten angefeuert gefühlt, was ich sehr angenehm fand. Gerade, als mir die Würze anfing auf die Nerven zu gehen, entdeckte ich darunter zartere und süße Noten, die ich mit Neugierde erschnüffelt habe. Jetzt am Abend bin ich etwas müde und freue mich, daß mich der Duft nicht mehr zu Taten drängt, sondern sehr weich und freundlich ruhigere Stunden einläutet.

Ich liebe einfach die Diversität der Duftwelt, für mich ist die vorhandene oder nicht vorhandene Duftentwicklung keine Frage der Qualität, sondern eine Frage meiner eigenen Stimmung. Wink

oYo
vor 12 Jahren
Ich mag bei Düften eigentlich auch gerne, wenn ich am besten von vorne weg weiß, woran ich bin.
Mir hat in diesem Zusammenhang folgendes "Interview mit Bertrand Duchaufour" sehr gefallen. Besonders interessant ist folgende Aussage von ihm:
"...I try to work my formulae more and more precisely in order to give the best efficiency through the best readability. I try to get the best equilibrium through a certain vacuity of creation. That doesn't mean I work easily. Simplicity is the opposite of easiness. Simplicity is the the hardest thing to get!..."
Es wird also m.E. wiedermal auf eine Geschmacksfrage hinauslaufen, ob man lineare oder sich dauernd verändernde Düfte präferiert.
vor 12 Jahren
Es gibt Düfte mit einem geradezu erlebnisreichen Verlauf, und das schätze ich auch sehr, wenn nicht unpassende Brüche stören.
Doch es gibt auch sehr gelungene Parfums, die sich nicht stark ändern und sehr schön sind- durch originelle Zusammenstellungen von Ingredenzien. Pauschal würde ich da kein Urteil abgeben wollen.
vor 12 Jahren
Ein altes, französisches Sprichwort sagt:
Tant qu'il est à développer quelque chose.
(Hauptsache, es entwickelt sich überhaupt irgendwas.)
vor 12 Jahren
Ich mag es, wenn Düfte sich entwickeln und beim Tragen verändern - aber natürlich sollen dabei möglichst keine Phasen durchlaufen werden, in denen ich den Duft nicht mag! Und wenn sich zwischendrin der Charakter sehr stark ändert, finde ich ihn schwer tragbar.
Bei linearen Düften (das sind doch die, die sich nicht oder fast nicht verändern?) passiert es mir leichter, dass ich den Duft an mir selbst nach einiger Zeit gar nicht mehr rieche. Und das gefällt mir gar nicht.
vor 12 Jahren
Duftentwicklung finde ich schön und spannend, wenn sie harmonisch wirkt und keine völlig unvorhergesehenen Wendungen durchmacht. Es gibt Düfte, die frisch, grün, zitronig, chyprig anfangen und das bis zur Herznote durchziehen, und dann kommt am Ende plötzlich der "Turnaround" Richtung Süß, Orientalisch, Gourmandig. Solche Wendungen mag ich gar nicht. Wenn mir nach "chyprig" ist, sprüh ich mich entsprechend ein, und wünsche mir, dass nach ein paar Stunden immer noch Chypre vorherrscht, wobei harmonische Änderungen im Duftverlauf durchaus sein dürfen. Und spritzige Kopfnoten, die erst mal ein kleines Feuerwerk bieten, haben auch was für sich.

Ein gelungenes Beispiel für harmonischen Duftverlauf ist für mich "Tommygirl" von Hilfinger.

Mir gefallen aber auch viele lineare Düfte, die einfach so bleiben, wie sie sind, z.B. Estee Lauders "Private Collection Amber Ylang-Ylang".
vor 12 Jahren
@ Antoine: volle Zustimmung!

Nein, die Duftentwicklung allein ist kein Qualitätsindikator.
Darin bildet sich u.a. die Kreativität des Parfumeurs ab, weiterhin trifft sie den subjektiven Geschmack, oder eben nicht.

Aber: Parfums mit viel Duftentwicklung wird man im preiswerten Segment eher selten finden.
vor 12 Jahren
Ich liebe einfach die Diversität der Duftwelt, für mich ist die vorhandene oder nicht vorhandene Duftentwicklung keine Frage der Qualität, sondern eine Frage meiner eigenen Stimmung..[forexlivecharts.info/img] Embarassed
vor 12 Jahren
Asphaltblume:
Bei linearen Düften (das sind doch die, die sich nicht oder fast nicht verändern?) passiert es mir leichter, dass ich den Duft an mir selbst nach einiger Zeit gar nicht mehr rieche. Und das gefällt mir gar nicht.

Das ist ein gutes Argument. Tatsächlich passiert es bei eher gleichbleibenden Düften vielleicht schneller, dass man sich sattriecht oder sie an sich selber nicht mehr dauerhaft wahrnimmt. Ein facettenreicheres Changieren hingegen bietet immer wieder einen Hallo-Parfum!-Moment, der einen angenehm aufwecken kann...
Re: duftentwicklung bedingung für qualität? vor 12 Jahren
Jifat:
Ginster:
Eine aufregende Kopfnote, die nach zwei Minuten verschwunden ist, bleibt eine aufregende Kopfnote, die nach zwei Minuten verschwunden ist...

Laughing Treffend beschrieben! Laughing

Muss die "Verlässlichkeit" eines eher eindimensionalen Dufts, der bleibt, wie er ist (vorausgesetzt natürlich, diese eine Richtung ist richtig gut!), unbedingt bedeuten, dass er schlecht gemacht ist? Was meint ihr?

Nach meinen bisherigen "Studien" der Parfümwissenschaften (bin bei parfumo immatrikuliert) vermute ich, dass der facettenreiche, vielschichtige Duftverlauf so etwas wie die "Haute Cuisine" der Parfümeurskunst darstellt. Ein Duft mit Prädikat muss also mindestens erriechbar die drei Stufen durchlaufen und sollte , wenn möglich, den Tester/Träger dabei auch noch überraschen - und das natürlich positiv.
Eindimensionalität wird - so habe ich das bisher mitbekommen - dagegen als langweilig und als Ausweis mangelnder Kreativität oder schlicht mangelnden Könnens interpretiert, selbst dann, wenn der Kunde mit seinem "langweiligen" Duft sehr zufrieden sein sollte. Tja...

Sehe ich anders. Handwerklich ist es glaub ich schwieriger hinzubekommen, dass ein Duft seine Duft oder zumindest im grossen und ganzen seinen Duft ueber den ganze Verlauf beibehaelt. Einen Verlauf bekomme ich automatisch hin, wenn ich Leichsieder, Mittelsieder und Schwersieder zusammenkippe. Da muss ich mir nur eim paar physikalische Daten der Stoffe - oder vereinfacht gesagt die Strukturformel der Molekuele anschaun. Als Zusatzinfo kann ich noch die durchschnittliche Geruchsschwelle als Mass fuer die Intensitaet bei gegebener Molekuelkonzentration in der Atemluft hinzuziehen. Das muss dann aber noch nicht gut riechen! D.h. die Existenz eines Verlaufs ist m.E. keine grosse Kunst und kein Qualitaetsmerkmal. Wenn der Verlauf in sich stimmig, harmonisch, interessant, wohlriechend ist, die Kopfnoten eine gute Einleitung ins Duftthema und die Herznoten eine geschickte Ueberleitung in die Basis darstellen, ist das fuer mich Kunst. Ein Duft mit linearem Duftverlauf kann sogar ein besonders gutes Beispiel dafuer sein. Eine linearen Duftverlauf erreiche ich entweder dadurch, dass ich einige wenige Komponenten mit aehnlichen Fluechtigkeiten verwende (auch nicht so kompliziert), das Ergebnis wird idR nicht besonders harmonisch sein - oder indem ich Kopf-, Herz- und Basisnoten waehle, die so gekonnt eingesetzt sind, dass ein linearer Geruchseindruck entsteht. Das ist m. E. nicht trivial. Also Fazit, eine Duftentwicklng ist fuer mich weder notwendige, noch hinreichende Bedingung, um von einem guten Duft sprechen zu koennen.
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