vor 9 Jahren
Ich kann die Empörung verstehen. Das ging mir vor 15-20 Jahren mit Rotwein so, genauer Bordeaux: Die großen, bekannten, legendenumrankten Premier und Deuxième Crus wurden jedes Jahr teurer, unabhängig davon, ob der Jahrgang nun gut war oder nicht. Die Nachfrage stieg, die Preisspirale drehte sich immer schneller. Dummerweise nicht nur für die absoluten Spitzenweine, sondern auch für das „gute Mittelfeld“. Erst kamen die US-Amerikaner auf den Geschmack, dann Japaner, später Chinesen, bei nahezu konstantem Angebot. Spekulation mit Subskriptionskäufen war beliebt, es war die große Zeit Robert Parkers, eine Art Luca Turin des Weins - seine Bewertungen in einem Objektivität suggerierenden 100-Punkte-System hatten direkten Einfluss auf die Weinpreise.
Ich fand das höchst ungerecht – als Bafög-Student waren diese Weine dann für mich nicht mehr erschwinglich. Selbst bei einer möglichen monatelangen Umstellung der Ernährung auf Knäckebrot wären sie das nicht gewesen. Ungerecht auch, weil diejenigen, die die Weine dann kauften, vermeintlich oder tatsächlich die Qualität nicht mehr schätzen konnten als ich.
Notgedrungen schaute ich mich nach Alternativen um. Zuerst Bordeaux außerhalb der bekannten Ecken, bevor ich dann Kalifornien, Spanien, Südfrankreich, Burgund und schließlich sogar Weißwein für mich entdeckte. Es hätte mir gar nichts Besseres passieren können! Statt Bordeaux als einzig wahren Wein mag ich jetzt vieles. Ob es so gewesen wäre, wenn die Bordeauxpreise nicht irregeworden wären?
Mit dieser Erfahrung schaffe ich es manchmal, ganz leidenschaftslos auf die Preisschilder von Parfums zu schauen – wenn ein Parfum teuer ist, muss es mir halt mehr rocken. Wenn nicht, ist der Preis kein Skandal, sondern ich kaufe halt nicht. Ganz einfach. Dieser Gleichmut gelingt mir natürlich längst nicht immer und ich kann mich dann SEHR über überzogene Preise aufregen, v.a. wenn ich den Verdacht nicht loswerde, dass der Verkaufspreis nur der sozialen Abgrenzung diene, der Flakoninhalt aber außerordentlich gewöhnlich sei (während viel Aufwand für Swarowskiblingbling und Messinggravurschildchen getrieben wurde). Dieser Verdacht darf natürlich nicht dazu führen, dass ich Besitzerinnen und Besitzern dieser Düfte unterstelle, sie hätten den Kauf getätigt, um sich sozial abzugrenzen. Wer wäre ich denn, über andere und deren vermeintliche Kaufmotive zu urteilen?