MrWhite

Hallo liebe Boadicea-Verantwortliche, ist das wirklich euer Ernst? Ich hätte auf 50 bis 60 getippt oder gar auf einen Rasasi für 12 Euro. Eröffnet wird wie unzählige andere Rosen/Ouds. Ich müsste lügen, wenn ich jetzt sagen müsste: "aber hochwertiger als die anderen". Nein, gar nicht. Eher schlechter sogar, "Oud Silk Mood" z.B. zeigt wie sowas geht. Der "Nemer" riecht mir persönlich dagegen zu nichtssagend und zu unspektakulär, klingt "minimalistisch" besser? Terra hat aber Recht, "Nemer" ist kein Rosenduft und auch kein süßer Karamellduft. Die Rose verschwindet sogar recht bald nach 2 bis 3 Stunden fast vollständig und das Karamell taucht gar nicht erst auf, zumindest bei mir nicht. "Nemer" ist viel mehr ein einfach gestrickter und simpel gehaltener Rose/Oud-Duft. Mit Oud habe ich ja eh so meine Probleme, taste mich aber immer mehr heran. Angefangen mit den Nasomattos, dann weiter über die süßen Vertreter wie "M7" und "Cruel Intentions" bis zu den verstörenden Meisterwerken von Kurkdjian. In der Zwischenzeit "Oud" von Reminiscence, "Oud Shamash" und viele andere kennengelernt. Selbst die strengen Xerjoffs weiß ich mittlerweile zu schätzen und zu respektieren, auch wenn sie nicht mein Geschmack sind, die können aber wirklich was.

"Nemer" stellt mich jetzt allerdings vor eine ganz neue Oud-Hürde: nicht fäkal und nicht animalisch, aber für meine Nase trotzdem eher unangenehm, dieses Oud kommt mir aus "Lavande 44" bekannt vor. Irgendwie leicht müffelig wie die Haut nach einem Hallenschwimmbadbesuch mit verschmutztem Becken und kaputter Dusche danach. Und viel mehr passiert auch nicht, nach 20 Minuten ist die Entwicklung auf meiner Haut quasi völlig durch. Lediglich der übriggebliebene Rest der wunderschönen, klaren Rose versöhnt ein bisschen. Das muss ich dann nun wirklich nicht haben, wünsche aber jedem, der "Nemer" mag, allzeit viel Spaß beim Tragen des Duftes und beim Bewundern des tollen in 24 Karat vergoldeten Flakons. Für meinen Geschmack leider aber einer der schlechteren Boadiceas und völlig unabhängig vom Preis und der leichten Muffigkeit ein kraftloser, einfallsloser und ausdrucksloser Duft ohne besonderen Wiedererkennungswert...

Nur 9 Besitzer-/innen bei parfumo? Bei lediglich 73% Durchschnittswertung? Da kann doch etwas nicht stimmen. Ok, die quasi unentschiedene weiblich-männlich-Zuordnung unten in der Torte kann ich voll unterschreiben. Liegt es vielleicht aber genau daran? Den Herren zu weiblich und bei den Damen umgekehrt. Das kann aber eigentlich auch nicht sein, denn ich teste den Duft nun schon seit Tagen und würde mich als Gourmand-Kenner und -liebhaber bezeichnen. Und an "El Born" stimmt eigentlich alles, und zwar in unisex. Es duftet herrlich nach gerösteten Mandeln, ich laufe zwei mal die Woche an einem Stand am Hauptbahnhof vorbei, der allerlei leckere Nüsse anbietet. Dabei verströmt dieser kleine Stand einen unfassbar herrlichen Duft, dem ich unmöglich widerstehen kann und der mich jedesmal denken lässt, so ein Parfüm wäre doch wunderbar.

Und nun habe ich es in "El Born" fast genauso gefunden, lediglich etwas mehr Durchschlagskraft hätte noch gefehlt, aber Carner ist ja auch nicht Profumum Roma. Denn "El Born" ist auch kaum süß im Gegensatz zu den genannten, italienischen Düften. Höchtsens erahne ich ein klitzekleines Fitzelchen von süßem Naturhonig. Sonst dominieren die Mandeln, dazu etwas rauchiges und vielleicht gar leicht salziges. Von Lakritz und Sellerie keine Spur, mich überrascht das Review von Flui etwas, aber die Nasen ticken nun mal anders und stimmungsabhängig ist die ganze Sache vermutlich auch noch.

Für mich ist "El Born" ein erwachsener, unsynthetischer Wohlfühlduft, der sofort und direkt meine Stimmung anhebt und aufhellt. Denn schlechte Düfte gibt es mehr als genug, mit denen man sich regelmäßig rumplagen muss beim Testen und so bißchen an diesem schönen Hobby zweifeln lässt. Nicht so "El Born", hier heißt die Devise, Parfüms sind herrlich und toll. An den 90% schrammt "El Born" nur ganz knapp bei mir vorbei, da ich dann doch etwas müde geworden bin von dieser Duftrichtung und meine Lieblinge schon längst gefunden habe. Aber ich behalte mir eine Erhöhung in Zukunft dennoch vor, denn wenn es einem schlecht geht, dann weiß man solch fein gemachte Düfte noch viel mehr zu schätzen. Sie machen unser aller Hobby aus...

Beim ersten Aufsprühen dachte ich "Oh Mann, ist der gut, das wird jetzt aber teuer für mich". Es riecht süß, frisch, fruchtig und nach Kaffee und Zimt. Das duftet mal so richtig gut, ja gar überragend gut. Ein typischer Mainstream-Effekt, bei dem die Kopfnote oftmals fantastisch riecht zwecks Förderung von Spontankäufen. Zusätzlich kam mir "Intoxicated" auch noch total bekannt vor, diesen Duft kenne ich doch sehr gut. Zuerst dachte ich kurz an "Rochas Man". Aber der konnte es nicht sein, den habe ich ja in der Sammlung. Sondern es ist Muglers "A*Men". Die Ähnlichkeit ist hier so groß, dass ich von einem ganz deutlichen fast 100%-Zwilling sprechen möchte. Auch ist "Angel" in "Intoxicated" verarbeitet, das macht die Sache rund und unisex. Dennoch sehr frech das Ganze, das ist ja mal so was von dreist geklaut, viel mehr möchte ich dann dazu auch nicht schreiben. Hier haben wir einfach "A*Men" für Leute mit Geld, vielleicht etwas weicher und hochwertiger. Einziger Vorteil neben des Prestige-Effekts (der durch Verwechslungen aber wieder ad absurdum geführt wird): die eklige Kopfnote von "A*Men" mit dem Klostein ist bei "Intoxicated" eliminiert, wobei ich ehrlich gesagt auch hier ganz kurz an Zitrusreiniger gedacht habe, das möchte ich noch erwähnen.

Fazit:
Kilian macht hervorragende Düfte, die drei neuen miteingeschlossen, aber für diese neue Kollektion wird er garantiert keinen Innovationspreis bekommen...

Und zwar eine mit ganz viel Marzipan und Mandeln (und vermutlich Kerzen, die angezündet werden wollen, wenn man den Namen des Duftes bedenkt). So lecker startet also "Light my Fire", das neueste Werk von Kilian neben zwei anderen aus der neuesten Kollektion "Addictive State of Mind". Zu dem Marzipan und den Mandeln gesellt sich dann immer mehr feiner Tabak hinzu, sofort schießen mir da Erinnerungen an "Tonka Imperiale" hoch. Ich krame meine Guerlain-Probe jetzt aber nicht zum Direktvergleich heraus, die Ähnlichkeit sollte auch so erkannt sein. Und weiter geht's mit den Assoziationen: ja ganz klar "Dolce Acqua" von Profumum Roma bzw. "Heliotrope" von Etro. Noch ist es nicht ganz Weihnachten, aber mit Kilian riecht es jetzt schon so. Eine lecker Mischung aus den genannten Düften und mit Sicherheit auch ein guter Schuss von Tom Fords "Tobacco Vanille", fertig ist der gute Kilian-Teig. Alles sehr süß, sehr hochwertig, elegant, durchaus noch unisex (der Tabak ist herb!) und macht mir einfach nur den Mund wässrig, Bißspuren in der Hand inklusive.

Und je mehr man sich zum Tortenboden durchfrisst, d.h. näher zur Duftbasis kommt, desto stärker wird plötzlich eine würzig-animalische Note, die ich als Nelke, Zimt und Moschus vermutet hätte, es ist aber hier wohl der Kreuzkümmel. Hat also der gute Kilian auch noch eine halbe Flasche von "Musc Ravageur" reingekippt, um nicht einfach einen weiteren belanglos-süßen Duft zu kreieren. Und ab hier wird es dann endgültig unisex, wenn nicht gar leicht maskulin. Somit ist "Light my Fire" ein komplexer Duft im Verlauf. Und genau darum liebe ich Nische, "L'Homme Ideal" z.B. riecht beschämend schlecht und minderwertig dagegen.

Braucht man "Light my Fire"? Nur dann, wenn man nicht schon genügend andere, ähnliche Süßkracher hat. Aber auch dann lohnt es sich mal reinzuschnuppern, Kilian zitiert gekonnt, fasst zusammen, was zusammen gehört und liefert insgesamt einen ganz tollen, etwas anderen Gaumenschmaus ab. Applaus!

"Smoke for the Soul" startet mit einer ganz merkwürdigen Mischung aus kaltem, abgestandenem Rauch und irgendetwas organischem, grünem. Diese Kopfnote finde ich irgendwie eklig, erinnert mich auch so bisschen an "Kinski", oweia. So könnte auch ein gefälschtes und auch schon gekipptes "Aventus" riechen, halt ein Aschenbecher mit irgendeinem grünen Pflanzensaft übergossen. Zum Glück wird der Duft dann aber schnell deutlich besser, der Rauch wird wärmer und angenehmer. Und das Grünzeug ist jetzt viel würziger und ebenso angenehmer in der Nase als noch beim harschen Beginn. Eukalyptus oder für mich eher Minze verleiht dem Ganzen dann noch die typische "Wrigley's Spearmint"-Frische.

"Smoke for the Soul" ist meiner Meinung nach ein durchaus komplexer und dunkler Duft. Mich erinnert er an eine Mischung aus "Memoir Man", "Opus VII" und "Encre Noire", wenn auch bei Weitem nicht so durchschlagskräftig wie die Vorbilder. Wer also auf der dunklen Seite der Macht steht, sollte den neuen Kilian vielleicht mal probieren und sich länger mit diesem Duft beschäftigen. Mein Fall ist er nicht wirklich, denn mir ist das alles zu schwarz und zu pessimistisch, auch wenn der Rauch immer mehr schwindet und die bitter-grüne Pflanzigkeit immer mehr die Oberhand gewinnt. Darum habe ich mich auch nicht sehr lange mit "Smoke for the Soul" beschäftigt und noch nicht alle Facetten des grünen Saftes entdeckt. Aber dieser sehr gute, hochwertige Duft hinterlässt dennoch einen faszinierenden, ruhigen Eindruck auf mich und wird bei vielen Parfumos vermutlich Anklang finden.

Irgendwie kommt mir da auch ständig das Wort "Künstlerseele" in den Sinn, natürlich ein völlig durchgeknallter, exzentrischer Künstler mit Faible für das Morbide und Verbotene. In einer anderen Duftpyramide habe ich übrigens Cannabis entdeckt, das dürfte das von mir erwähnte Grünzeug sein und könnte dann nach meinem Gefühl wohl ein ziemlich realistisches Abbild dieser Pflanze sein, auch wenn ich den Geruch von Cannabis nicht wirklich kenne. Wie gesagt, Testempfehlung für alle Dunkelmänner und -frauen und die, die es noch werden wollen...