AlterHerr

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1 - 5 von 10
AlterHerr vor 3 Jahren 74 38
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Der Herbstzeitlose
Ein merkwürdiger Sommer zieht vorbei. Pandemie und Klimawandel haben das Reisen zu einem zunehmend ambivalenten Erlebnis werden lassen, der stets erhobene Zeigefinger der Enkelkinder mahnt zum Verzicht. Und verdammt - sie haben ja auch recht.

Mein biografischer CO2 Fußabdruck ist beschämend.

Dann kam das Wasser. Ja, ich wohne im Hochwassergebiet, und alleine hätte ich den vollgelaufenen Keller kaum leer bekommen. Danke an die jungen Helfer.

Ich kann nicht zum Alltag übergehen, selbst wenn ich persönlich noch vergleichsweise glimpflich davon gekommen bin. Angehörige, Freunde, Nachbarn und Bekannte sind oft stärker betroffen. Manch einer, der gestern noch privilegiert war, der wohnt jetzt im Gästezimmer eines Freundes. Mit Ü70 fällt der Gedanke an einen Neuanfang nicht leicht. Und dennoch spüren viele - auch meiner Generation - die Notwendigkeit einer Zäsur.

Den Wagen hat es durchgespült, also werde ich erst gar keinen Neuen mehr anschaffen.
Ich hatte ja ohnehin nicht vor, als einer derjenigen Rentner zu enden, die im irrtümlich eingelegten Rückwärtsgang den örtlichen Marktplatz zum Drive-In umzufunktionieren gedenken.

Und erst im Augenblick der Zerstörung spüre ich, dass ich zu lange blind für die üppige Schönheit meiner Heimat geblieben bin. Was gibt es hier nicht für herrliche Ecken und Kleinode?
Erinnerungen an wundervolle und einprägsame Momente meines Lebens...

Nun ist dies hier kein Senioren-, sondern ein Parfumforum, und der vorliegende Gucci-Duft heisst übersetzt folgerichtig auch nicht Erinnerung an den Abschlußball, sondern Mémoire d'une Odeur.
Nicht weniger vermag er auch.

Er erinnert mich daran, wie ich als Lausbube in kurzen Hosen mit meinen Freunden durch die Wäldchen meiner Heimat streifte. Immer auf der Suche nach Abenteuern oder Material zum Dammbau. Die nassen Blätter, der weiche Boden, Regen, Moose, eine Schnecke, ein Regenwurm, ein Bach, welcher sich sanft einen Hang entlang schlängelte, Sonnenstrahlen, die verstohlen durch die Bäume blitzten, den Rost an einem alten Metallfass - selbst das Anorganische wirkte in einer solchen Umgebung organisch.

Die Nesseln brannten, weil dies nunmal die Aufgabe einer Nessel ist, der Pullover kratzte, und ein Holzsplitter verirrte sich dann und wann in einem Finger. Und ich strotzte voller Leben, das mich umgab.
Ich rieche hier mehr als nur einen öden Beuteltee, vielmehr nehme ich die Kamillen als Wildblumen am Feldwegrande wahr, samt der sie umgebenden Erde.

Dieses Eau de Parfum ist der Gegenentwurf zum Instagram Zeitalter. Nicht laut, bunt und knallig.
Stattdessen herb und doch vertraut. Kein Synthetikgourmand, welcher mit klebriger Süße Jedem zu gefallen versucht. Und gerade das macht ihn so authentisch.
Seine Duftnoten bilden die Nuancen und Facetten des Lebens weit trefflicher dar, als diese furchtbaren Zimtpuddingbomben. Ich hätte ehrlicherweise gerade Gucci ein solches Anti Mainstream Statement kaum zugetraut.

Ganz nebenbei wartet Mémoire d'une Odeur mit dem - zumindest für mich persönlich - inzwischen optisch ästhetischsten Flakon meiner Sammlung auf. Eleganter kann sich ein Duft kaum kleiden.
Ich kann den Herbstbeginn kaum erwarten. Ich möchte in meine Schuhe schlüpfen, und in Pfützen springen. Möchte hören, wie der Dreck an meine Hose geschleudert wird. Möchte mich herab beugen, und noch einmal eine Ameise minutenlang bei ihrer emsigen Arbeit bewundern.

All das Gute war die ganze Zeit so nah.
Danke Señor Morillas, dass sie mich daran erinnert haben...
38 Antworten
AlterHerr vor 3 Jahren 24 9
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Heute zeige ich mich von meiner Schokoladenseite
Disclaimer: Ich bin ein älterer Herr im fortgeschrittenen Rentenalter, welcher Düfte Zeit seines Lebens zur persönlichen Freude aufgetragen hat. Ich besitze weder eine analytische Nase und professionelles Hintergrundwissen, noch den Drang bei Bewertungen möglichst objektiv zu bleiben, soweit dieses bei Düften überhaupt möglich erscheint.

Als Axe Dark Temptation auf den Markt kam, da war ich selbst längst in einem Alter angelangt, in welchem ich mich für gutes Essen weit mehr begeistern konnte, als für neue Bekanntschaften. Außerdem hatte ich die große Liebe und wirklich beste Frau der Welt längst gefunden, und bedauerlicherweise auch viel zu früh wieder betrauern müssen. Dieser Tatsache geschuldet shoppte ich mein erstes Axe Produkt eher in der Aussicht auf sein kakaoiges Profil, denn hinsichtlich der Vorstellung wie ein Rockstar durch die Innenstadt zu hüpfen.

Meine damals schon erwachsenen Söhne mussten dennoch schmunzeln, als sie bei einem Besuch die entsprechende Ware in meinem Badezimmer erspähten. "UUh, Papa macht die Stadt unsicher...", beömmelten sie sich. Ja - der Axe Effekt war damals dank der omnipräsenten Werbung in aller Munde, wobei der dort zelebrierte Chauvinismus ehrlicherweise im Rückblick auch nur noch lächerlich wirkt.

Nun haben mich die dunklen Axe Produkte aromatechnisch nicht wirklich tief enttäuscht, aber die Haltbarkeit des Duftes war naturgemäß eher gering.
Umso positiver vermochte mich der Blindkauf von S.T. Dupont Noir zu überraschen.

Die etwas undifferenziert-dubiose Kopfnote kann man getrost übergehen, da sie ohnehin sehr schnell verfliegt, sollte aber umso mehr die gelungene Folgekomposition erwähnen, bei welcher ich wahrhaftig das Gefühl entwickle, mein "Ich" mit einem zarten Hauch von Nougatschokolade zu umhüllen.

Gewürznelken und Haselnuss wirken im Dryout alles andere als synthetisch, und schaffen es tatsächlich ein kakaoiges Aromaprofil auf der Haut zu fixieren. Ich spreche dabei selbstverständlich nicht von einer zuckersüßen Amber-Oud Bombe aus dem Hochpreissegment, aber gerade dann, wenn Letztgenannte aufgrund der Witterung oder des Überdrusses ein wenig nerven, dann findet man mit S.T. Duponts Noir eine mehr als nur angenehme, leichte Alternative.

Insbesondere in den warmen Sommermonaten, in welchen die Lieblingsschokoladensorten der Feinkosthändler nicht ausgeliefert werden, man sie umso leidenschaftlicher vermisst, schwere Düfte zu sehr auftragen, man aber überhaupt keine Lust auf etwas zitrisch-aquatisches verspürt, schlägt die Stunde von Noir.

Mein Rezept:
Eine lange Dusche mit Dark Temptation Duschgel, danach etwas Hautpflege mit der Chocolat
Hand & Body Lotion von Bettina Barty (ja - ich weiß liebe Kosmetikprofis, dass man im Sommer eigentlich nur ph neutrale Seife nutzen sollte), und anschließend das Kakaoprofil mit S.T. Dupont Noir fixieren.
Wenn man dann noch das ganze mit einem entsprechenden Frühstück krönt (hust...Esze...- jawohl - auch Großväter können Kindsköpfe sein), dann kann der Tag nur noch gelingen.

Der glänzend schwarze, monolithische Flakon ist bei diesem Produkt im übrigen besonders gut gelungen, was den eigentlichen Grund für meinen damaligen Blindkauf darstellte, und der mehr als albern geringe Preis kommt als Sahnehäubchen obendrauf.

Guten Appetit...
9 Antworten
AlterHerr vor 3 Jahren 40 7
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Wellness aus dem Flakon
Disclaimer: Ich bin ein älterer Herr im fortgeschrittenen Rentenalter, welcher Düfte Zeit seines Lebens zur persönlichen Freude aufgetragen hat. Ich besitze weder eine analytische Nase und professionelles Hintergrundwissen, noch den Drang bei Bewertungen möglichst objektiv zu bleiben, soweit dieses bei Düften überhaupt möglich erscheint.

Manchen Dingen im Leben sollten man beim ersten Male vorzugsweise blind begegnen, um das eigene Urteilsvermögen nicht a priori durch persönliche Ressentiments zu trüben.
Auf dem Tisch vor mir befindet sich eine Flasche 1964er Château Margaux - ein Spontankauf aus einer Weinauktion - und wahrlich kein besonderer Bordeaux-Jahrgang. Kein 1945er oder 61er, und erst nicht der legendäre Margaux aus dem Jahre 1900. Hatte ich nicht schon mehrfach gelesen, dass insbesondere der 64er völlig Margaux untypisch anmuten soll?
Und doch bleibt der große Name...
Andererseits können sich ja gerade Margaux Rotweine überraschend gut entwickeln, aber für eine Blindverkostung war es jetzt ohnehin zu spät.

Mit anderen Worten befand ich mich einmal mehr kurz davor, eine veritable Dosis "Neurose" in mein altes Moser Glas einzuschenken. Eigentlich schien eine objektive Beurteilung gar nicht mehr greifbar.

Mit guten Düften verhält es sich ähnlich. Wenn Name und Ruf groß genug sind, und weit vorauseilen, dann vernebelt die eigene Erwartungshaltung vollkommen jegliche Sinne - was umso mehr bei einem höheren Preisschild Geltung findet.
Enttäuschung und Enthusiasmus musizieren dann meist in ähnlich entrückten Gefilden.

Klarheit gewinnt man indes jedoch durch Wiederkehr. Wenn man immer wieder zu einem Objekt der Begierde zurückkehrt, dann gehört es wirklich zu einem.
Xerjoffs Alexandria II ist für mich in den letzten Jahren ein solches Wesen geworden. Seine pudrige Süße wirkt alles andere als belastend schwer. Vielmehr hüllt es den oder die Träger/in in eine warme Kaschmirdecke, unter welcher alle Probleme der Welt vergessen scheinen. Xerjoff hat es hier wirklich vollbracht, Wohlbehagen in einen Flakon zu transportieren. Wenn keine Zeit für einen Wellness Tag verbleibt, oder graue Wolken auf das Gemüt drücken, dann reicht ein Sprühstoff aus, um wieder zu lächeln.

Dabei wirkt Alexandria II vom ersten Tag an vertraut.

Ich fände es müßig bei diesem Duft über die einzelnen Ingredienzien zu philosophieren.
Jede Einzelne ist zweifellos von hoher Qualität, aber wichtiger noch ist ihr Zusammenwirken als Gesamtkomposition.
Ja, man kann die Rose in der Herznote wahrnehmen, aber sie fügt sich eben so subtil in das Ambra Vanille Nirvana ein, dass jeder Vergleich mit einem üblichen Blumenbouquet völlig deplaziert erscheinen muss. Wie die einzelnen Instrumente eines guten Orchesters spielen die Inhaltsstoffe harmonisch vollendet zusammen.

Ebenso ungerecht würde der Vergleich mit einem durchschnittlichen Designerduft anmuten.
Es sind schlicht unterschiedliche Welten.
Kraft, Sillage, Haltbarkeit, Ausdruck, Sinnesreiz spielen hier in einer ganz anderen Dimension.
Der Duft selbst wird zum Protagonisten. Und ja - man kann das Preisschild in der Tat riechen.

Weiterhin kann man auch nicht häufig genug darauf hinweisen, dass von einem solchen Duft ein einzelner Sprühstoß genügt, während man so manchen Designer mehrmals am Tag kräftig resprayen muss, weil dessen Haltbarkeit und Sillage jeder Beschreibung spotten. Dies relativiert die höheren Anschaffungskosten ungemein.

Insbesondere erhält man mit Xerjoffs Alexandria II aber zweifellos ein Parfum, mit welchem man sich unabhängig von eigenen Geschlecht ohne Scham auf jeder noch so großen Abendgalaveranstaltung präsentieren kann. Es ist ein Meisterwerk der Parfumeurskunst, welches ich ungeachtet meiner einleitenden Worte uneingeschränkt empfehlen darf.

Ich persönlich bevorzuge dabei seit seinem Erscheinen das Xerjoff Discovery Set III, da in diesem neben Alexandria II mit Naxos und Golden Dallah gleich zwei weitere Lieblingsdüfte aus gleichem Hause enthalten sind.

Abschließend möchte ich noch die Schönheit der Xerjoff Flakons erwähnen dürfen.
Das Funkeln der goldenen Verschlußkappen wirkt nämlich ähnlich bezaubernd wie der Inhalt, und sorgt für einen wirklichen Eye Catcher im eigenen Bade- oder Ankleidezimmer.

Xerjoffs Alexandria II ist inzwischen zu einem Teil meines Lebens geworden, welchen ich nur ungerne vermissen würde, was ich vom Eingangs erwähnten 1964er Margaux wahrlich nicht behaupten kann...
7 Antworten
AlterHerr vor 3 Jahren 48 20
10
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Herbstreife
Disclaimer: Ich bin ein älterer Herr im fortgeschrittenen Rentenalter, welcher Düfte Zeit seines Lebens zur persönlichen Freude aufgetragen hat. Ich besitze weder eine analytische Nase und professionelles Hintergrundwissen, noch den Drang bei Bewertungen möglichst objektiv zu bleiben, soweit dieses bei Düften überhaupt möglich erscheint.

Wenn die ersten Tage im August vergangen sind, dann sitzt man mitunter am abendlichen Gartentisch, genießt ein Glas portugiesischen Rotwein, und man erinnert sich.
Läßt den Sommer Revue passieren, zieht Bilanz darüber, ob man seine kurze Erdenzeit in den zurückliegenden Wochen wohl auch brav und sinnvoll genutzt hätte, und merkt gar nicht wie der Blick ganz sanft in eine dunkle Ecke des Gartens gezogen wird, welche aber überhaupt nicht düster, sondern eher glückverheißend wirkt.
Dort ganz am Ende, noch hinter den Gemüsebeeten und Kräutern wachsen an einem alten Zaune - vermutlich schon seit über hundert Jahren - die schmackhaftesten Brombeeren dieser Erde.
Und dann steht man auf, geht bedächtig dorthin, riecht daran, und freut sich auf die geringe Ernte der nun kommenden Wochen.

In meinen Augen fängt kaum ein Duft das Gartenthema so wundervoll ein wie Versaces The Dreamer.
Seine fruchtige Süße ist von solch einem zarten Liebreiz, dass sie sich nahezu schöpferisch wildwachsend mit den kräutrigen Aromen verbindet. Ich möchte bei diesem Eau de toilette bewusst keine einzelnen Duftnoten aufspüren, sondern den ganzen Garten auf mich wirken lassen.

Keinen von diesen grässlichen Betongärten mit Baumarktkübelpflanzen in Antikdesigntöpfen, und auch keinen durchdesignten Protzgarten mit Koikarpfenteich und Holzbrücke - nein, ich spreche von einem richtigen Garten wie man ihn bei Großeltern findet, wo hunderte Farben und Gerüche auf einen kleinen Menschen niederprasseln, mit Kirsch- und Apfelbäumen, wo Gurken wachsen, das braungelbe Laub der Bäume den Rasen bedeckt, und alte Holzlatten an der Böschung eines kleinen Dorfbaches vermodern.

Möglicherweise ist dieses Bild so kitschig wie die Synthetik dieses Duftes, möglicherweise weil die Gegenwart zu hektisch geraten ist, um solche Gärten mit all ihrer rückenschweren Arbeit überhaupt noch überleben zu lassen, möglicherweise reagieren wir deshalb zuweilen zynisch auf diese Form der Nettigkeit, und möglicherweise liebe ich Versaces The Dreamer genau aus diesem Grunde umso mehr.

Dass dieser Duft nebenbei mit einen der geschmackvollsten Flakons am Markt und einem sehr attraktiven Preis verführt, dies sei erwähnt, ohne die Schönheit des eigentlichen Duftes aber auch nur im Geringsten relativieren zu wollen.
20 Antworten
AlterHerr vor 3 Jahren 18 13
6
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Walk of shame
...oder aber wie ich das Gefühl entwickelte, in die Fänge eines Enkeltrickbetrügers geraten zu sein.

Disclaimer: Ich bin ein älterer Herr im fortgeschrittenen Rentenalter, welcher Düfte Zeit seines Lebens zur persönlichen Freude aufgetragen hat. Ich besitze weder eine analytische Nase und professionelles Hintergrundwissen, noch den Drang bei Bewertungen möglichst objektiv zu bleiben, soweit dieses bei Düften überhaupt möglich erscheint.

Der Mensch wird als Rentner nicht beschäftigungslos. Vielmehr muss er zusätzlich zu allen zu vollziehenden Handlungen eben jene zuvor auch noch selbstständig suchen, finden und notfalls erfinden, ohne dabei um Gottes Willen nicht die strikt strukturierten und geplanten Routinen der jüngeren und ordentlicher beschäftigteren Generationen zu torpedieren.

Und weil Pandemie und Lockdown völlig unempathisch gegenüber der Sanduhr meines Lebens reagieren, so habe ich mir nun just zum ersten Male DEN Crowdpleaser schlechthin, nämlich das berüchtigte Dior Sauvage Edt. als Blindbuy erworben, um einmal dem Geheimnis seines globalen Erfolges ganz persönlich auf den Grund zu gehen, wobei die Tiefe dieses Sees - wie sich schnell herauskristallisieren sollte - in seiner ganzen Schlichtheit eher zum Nichtschwimmerbereich zu zählen wäre.

Das eigentliche Fundament des hier vorliegenden Duftes ist eine sehr runde, cremige und gefällige Süße, welche wir in ähnlicher Form schon bei anderen Hypedüften kennenlernen durften, zB bei Jean Paul Gaultiers Le Mâle oder auch JS Sun Men .
François Demachy und sein Team verstecken aber dieses süße Bouquet raffiniert dornröschengleich inmitten einer ruppigen Hecke aus herb-bitteren Hölzern und einer ganz dezenten Patchouli Modrigkeit (beinahe in der Art wie ein Barkeeper einen Schuss Noilly Prat Vermouth im süßen Strawberry Cocktail versenken würde), was dem Duft nicht nur eine größere Kultiviertheit verleihen, sondern auch für den Duftmarkt der Post-Neunziger bereit machen soll.

Dass Sauvage ein ganz gefälliger Duft ist, daran besteht überhaupt nicht auch nur der leiseste Zweifel, und ich verstehe durchaus, warum sich Heerscharen junger Damen die parfumierten zerknüllten (und zufällig vergessenen) Shirts ihrer aktuellen Liebschaften obsessiv über das eigene Anlitz reiben.

Meine eigene Begeisterung ist allerdings ein wenig gedämpfter. Bei der allabendlichen Spazierrunde fühle ich mich bei dem paranoiden Gedanken ertappt, dass mir ein zufällig entgegenkommender Unbekannter aufgrund dieser schon ein wenig schmierig prolligen Synthetik Kernsüße stillschweigend eine pathologische Form von Opportunismus unterstellen könnte, was eben nicht nur dem Bekanntheitsgrad dieses Eau de toilettes geschuldet wäre, sondern auch der wenig subtilen Konstruktion.

Ich fühle diesbezüglich immer wieder kleine Wellen von Scham in mir aufsteigen, muss dennoch an dieser Stelle beichten, dass ich an diesem Abend noch oft an meinem Handgelenk schnuppern würde, und fühle mich dabei wie das Opfer eines Enkeltricks. Ich kenne die Methode, verstehe das Vorgehen, bilde mir ein, dass mir so etwas niemals widerfahren würde, und tappe doch in die Falle ......

.....allerdings einer süßen, bei welcher die eigenen Enkel ein leeres Portemonnai an einem Reißfaden hinwegziehen, sobald man sich als Großvater danach bückt.

Eine Empfehlung auszusprechen erübrigt sich an dieser Stelle, da eine Begegnung mit diesem Duft für jeden Parfumaficionado zwangsläufig so unausweichlich wie der eigene Tod erscheinen muss.
Und deshalb erspare ich es mir auch, die Ästhetik des Flakons als nur mittelmäßig zu beschreiben, weil ja andere und günstigere Designerdüfte in diesem Bereich weit mehr leisten, müsste doch eine solche Betrachtung so sinnvoll wie die ästhetische Bewertung der eigenen Graburne anmuten.

In diesem Sinne
Memento mori






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