Anarlan

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26 - 27 von 27
Anarlan vor 6 Jahren 23 8
10
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Hände hoch! Das ist ein Überfall!
Als Gartenbesitzer habe ich relativ spät die Liebe zu Rosen entdeckt. Einerseits fand ich die Beschäftigung mit dem ganzen Trara der Rosenkultivierung spiessig und zu zeitaufwändig, andererseits haben mich gerade alte und englische Rosensorten und englische Gärten im Besonderen immer fasziniert, und ausprobieren wollte ich das Ganze allemal. Und so sind sie dann irgendwann bei mir im Garten eingezogen, tragen illustre Namen wie „Ghislain de Feligonde", „Graham Thomas“, „Bobby James“, „Rose de Resht" und so weiter und wuchern sich seitdem sanft kontrolliert durchs Geäst.

Naheliegend war, dass ich als duftversessener Rosenliebhaber auf die Suche nach „dem“ Rosenduft für mich gegangen bin, und um es gleich vorweg zu nehmen, die Suche ist vorläufig beendet. Ich bin dabei sehr unterschiedlichen Düften begegnet, sei es der (auf meiner Haut) irrsinnig intensiven tabakgeschwängerten Ultra-HD-Rose aus Kandahar von Andy Tauer, der (auf meiner Haut) sommerschweissigen Hubba Bubba-Rose aus Lumière noire homme von MFK oder der (auf meiner Haut) biederen, mamsellhaften So-riecht-das-Innere-der-Handtasche-von-Tante-Gertrud-Rose von Lyric Man von Amouage, um einige zu nennen. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben.

Die Dinge änderten sich mit „Nevermore“, und die dazugehörige Rose habe ich zufälligerweise im Garten, hinten, zwischen den Johannisbeerhecken. Dort bildet die Sonne im Hochsommer während der Mittagsstunden einen windstillen Fleck aus Hitze, und abends, wenn die Hitze abgeklungen ist, findet sich unter den Laubbäumen vor den Eiben eine halbschattige Dämmerwelt. Dort sieht man die purpurroten Pompons während der Hauptblüte zu Hunderten über dem mattgrünen Laub schweben. Mit den Jahren ist sie immer mehr zu einem stattlichen zweimeterbreiten Dickicht herangewuchert und hat ihre Wurzeln im schwärzlichen Humus des Komposthaufens versenkt, den man mittlerweile kaum noch erreichen kann, ohne von ihren feinen, zahlreichen und dünnen Dornen die Arme und Beine gehörig zerkratzt zu bekommen. In der Dämmerung ist der leicht malzige, dunkle, herb-erdige Duft am stärksten wahrnehmbar. Nähert man sich den überraschend kleinen, fröhlich aussehenden Bällen mit ihren winzigen, sehr dichten und zahlreichen Blütenblättchen, dann wird der Duft in seiner herben Klarheit noch deutlicher. Man nimmt etwas Dunkles, Würziges wahr, so gar nicht lieblich ist dieser Duft, nichts morgentau-benetzt-silbriges oder golden-vanillig-sonnendurchtränktes wie bei manchen anderen Rosen im Garten. Die Rose de Resht, die alte persische Damaszenerrose, die zu den ältesten Rosen der Welt gehört und die neben einigen wenigen anderen Rosen traditionell zur Gewinnung des kostbaren Blütenöls der Rosen verwendet wurden, sieht vollkommen anders aus, als sie riecht.

Und diese Damaszenerrose bildet das dunkle Herz von Nevermore, einem tollen, ungewöhnlichen Rosenduft, den ich mir an Männern und Frauen gleichermaßen gut vorstellen kann, wenngleich ich eher sagen würde, er passt zu einem Mann, auf jeden Fall aber zu einem Ganoven und Gangster, egal ob männlich oder weiblich…

Der Duft startet harmlos, eindeutig als heller, luftiger Rosenduft. Aber schon nach kurzer Zeit verdüstert sich das Bild, ich bemerke Schiesspulver aus Pfeffer und Muskat und eine gehörige Portion Safran in der Basis, und dann driftet der anfänglich so freundliche Duft kräftig in eine kantige, leicht bittere Grundstimmung ab. Der Safran, es müssen wirklich grössere Mengen davon sein, stellt mich vor die größte Herausforderung, dieses minimal säuerliche, bittere, leicht medizinische und ledrige Aroma bildet mit dem Pfeffer den Kontrapunkt zum eigentlichen Rosenduft in Nevermore. Und spätestens an diesem Punkt ist es aus mit der Sonntagsspazierfahrt. Wir befinden uns jetzt mitten in einem Bankraub, oder besser gesagt, dem Überfall der Postkutsche. Obwohl es kein Vintage-Duft ist, überkommen mich diese Bilder aus vergangenen Zeiten, elegante, gut aussehende Tunichtgute in Maßanzügen mit Knarren. Schwerter, Degen, Augenklappen. Mack the knife. Al Capone. Rauchende Colts. Jamie Lannister. Eine Geld her-oder-Leben-Rose.

Nevermore kommt in meine Waffensammlung, so viel kann ich schon mal sagen.
8 Antworten
Anarlan vor 6 Jahren 14 3
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Schöngeist
Das feuchte, leicht gärige Aroma eines Whiskeyfasses, Getreide und regennasses Holz. Ganz entfernt etwas, das aus der Erde zu stammen scheint, vielleicht feuchter Schiefer. Da ist das merkwürdig herbe Aroma von Birnen, eine Hauch Honig, oder doch Vanille? Die Anmutung einer milden, jodhaltigen Kamillentinktur, ganz leicht metallisch. Sie mischt sich mit dem Duft von warmem Heu, das in der Sonne trocknet. In der Nähe ein niedergebranntes Holzfeuer, winzige Rauchfahnen. Alles weich, warm, anschmiegsam.

Dass jetzt endlich alles gut wird, will er mir sagen.

Seit der Geist des Tals sich auf der Haut meines Unterarms niedergelassen hat, vernebelt er mir die Sinne. Ich möchte dieser heilsame Stimmung nachhängen und mich ihr einfach überlassen. "Spirit of Escapism" wäre wohl auch ein passender Name. So sollte es wohl sein, wenn ein Duft berührt, ohne dass es diese anstrengenden Ambivalenzreibungen gibt, dieses Spannungsfeld aus (Ab-)Scheu und Anziehung, was ich bei dem zweiten Durga, den ich gerade kennengelernt habe, Siberian Snow, so heftig erlebe. But that´s a different story. Spirit of the Glen ist anders, dieser Duft nimmt mich einfach auf, und mit sich auf und davon, und ich habe nichts dagegen.

Auch mit meiner ungeübten Nase nehme ich die merkwürdige Mischung aus Gerüchen und Düften klar unterscheidbar wahr, alles sehr bildhaft und in einer Tableau-artigen Kombination von einzelnen Elementen. Besonders ungewöhnlich finde ich dabei die Kamillennote, die tatsächlich etwas an medizinisches Konzentrat erinnert, aber weich und mit den übrigen Elementen verwoben erscheint. Diese verbinden sich auf meiner Haut überraschend unangestrengt zu einem wunderbaren und ineinander fliessendes Ganzen, das bei mir eine einladende, anschmiegsame, tröstliche Wohligkeit aufbaut (welche nicht vom Schnaps herrührt, damit das mal klar ist). Der Duft ist dennoch eigenartig genug, um zu polarisieren, ist abseitig im positiven Sinne und hat dabei dennoch keine Schrägheiten nötig, um sich interessant zu machen. Dass manche bei einer Kopfnote aus Kamille und Whiskeyfass freiwillig Reissaus nehmen, kann ich mir allerdings dennoch gut vorstellen. Der Duft ist gutartig ohne Biederkeit; präsent, ohne aufdringlich zu sein; bei einer tollen Haltbarkeit von vielen Stunden weich in allen Übergängen. Auch nach vielen Stunden ist Tiefe vorhanden, nichts wirkt verwaschen, aufgegossen oder verwässert, was ich als handwerkliche Hochwertigkeit deute.

Je länger ich Spirit of the Glen gewähren lasse, desto ferner rückt das eigenartige Stilleben aus Birne, Kamille, Heu, Whiskeyfass vor verregneten Hobbit-Auen und macht einer weichen, abstrakten und cremigen Rauchigkeit Platz. Eindrücke von trockenem Holz und Weihrauch und eine Spur pudriger Vanille tauchen in der Basis auf, genau mein Ding. Angesengtes Bourbonfass, oh well, irgendwas abgefahren-hippes musste da wohl noch in die Duftpyramide, für mich ist es einfach Weihrauch. Der wirkt dabei nie kühl, sakral, distanziert und streng wie in manch andere Weihrauchdüften, sondern bleibt körpernah, fast ein Hautduft, warm und schmeichelnd. Wunderbar, Weihrauch ohne klerikalen oder arabesken Beigeschmack, gerade eben präsent genug, um nicht unterzugehen, damit kann ich sehr gut zurecht kommen.

So sehr der Geist des Tals zunächst das Bild einer Landschaft oder Szenerie in mir beschwört, so ungegenständlich wird er im weiteren Verlauf und bleibt seiner Grundstimmung dabei treu.

Ich wusste, dass am Ende alles gut wird.

Was für ein ungewöhnlicher, schöner Duft, den ich Dank dieses grandiosen Forums entdecken und über den ich in meinem ersten Kommentar nachdenken durfte...
3 Antworten
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