Das "perfekte" Nischenhaus ist ein Mythos. Vielleicht ist aber auch das Konzept eines einzigen Hauses, das alle Duftbedürfnisse erfüllen kann, einfach unrealistisch und gar nicht so wünschenswert. Parfums zu testen, neue Düfte zu entdecken und eine Duftgarderobe aufzubauen ist eine faszinierende Reise, auf der man allerlei großartige Namen, Communitymitglieder und Dufthäuser kennenlernen kann. 

Maison Crivelli ist für mich eine der Entdeckungen gewesen, die mir wirklich gezeigt haben, was Nische kann. Das Konzept von Nischenparfums gefällt mir ungemein: Düfte, die weniger am Mainstream, weniger am aktuellen Zeitgeist entlang fliegen und sich auch mal querstellen, Innovation schaffen, auch mal daneben gehen. Trotzdem reizt mich der Gedanke eine Garderobe aus Düften zu besitzen, die einen gemeinsamen Nenner, einen verbindenden Faktor haben. Eine DNA, die sich durch alle Düfte zieht oder eine Idee, auf der sie basieren. Maison Crivelli hat das. Im Kern haben alle Düfte eine Besonderheit, einen Fokus und eine Kontrastnote, die den Parfums Tiefe gibt. 

Gründer Thibaud Crivelli zieht Inspiration aus seiner Lebenszeit in Asien, legt Wert auf nachhaltigem Rohstoffanbau und großartiges Storytelling zu seinen Kreationen. Jedes der Parfums wird mit einer Erfahrung, einem gedanklichen Bild oder einem Ort verknüpft, und versucht neue Erfahrungen zu schaffen. "Perfume is a living experience" steht es auf der Crivelli Website unter Philosophie. Die Parfumeur:innen, mit denen zusammengearbeitet wird erhalten vorrangig ein Briefing zu der Erfahrung, die die Parfums ausdrücken sollen, stehen aber unter keinerlei Zeitdruck, wie das bei größeren Häusern an der Tagesordnung ist. Seit 2018 hat Crivelli 10 Parfums auf den Markt gebracht, alle unisex, alle gleich gebrandet, alle auf ihre Art sehr besonders.

Bevor wir uns die einzelnen Parfums ansehen, muss ich Crivelli noch ein großes Lob aussprechen. Ich bin Designerin, und lasse mich gern von gut gestalteten Parfums und Packagings verzaubern. Crivelli schafft ein zeitloses, hochwertiges Design in hellem rot, weiß und schwarz. Die Materialien sind durch die Bank hochwertig verarbeitet, haptisch toll mit rauem, ungestrichenem Papier, geprägten Elementen und dem immer wiederkehrenden Logo. Jedes Parfum kommt in einer festen roten Box, die mit dem Logo geprägt ist und enthält eine weiße Verpackung mit schwarzem Print, in der der Duft liegt. Die Flakons selbst sind schwer, die Kappen aus gebürstetem Metall und wirken schlicht und elegant. 

Zum Testen wird ein Sampleset angeboten, das mittlerweile bei stattlichen 38 Euro plus Versand liegt. Nicht günstig, aber trotzdem eventuell einen Blick wert. Beim Kauf eines 100ml Flakons (es gibt 30ml und 100ml) wird der Preis für das Set verrechnet. Ich will hier keine Werbung machen, nur einen Überblick über das Haus geben, dazu gehört für mich aber auch, die Preis-Leistung zu beurteilen. 

Sample Set 

Das Sample Set kommt in der Signature roten Box und besteht aus einer kleineren Boxhälfte aus dem selben Material. Umhüllt wird das Ganze von eine weißen Banderole und enthalten sind die einzeln verpackten Samples à 1,5ml, was gerade zum ausführlich testen reicht. 

Fleur Diamantine (2018)

"The experience: walking through an idyllic white garden with jasmine and orange trees, while eating saffron ice cream.

The surprising contrast: an ethereal combination of white flowers contrasts with the creamy texture of bitter almond.

Fragrance family: floral green.

Key raw materials: saffron, mint essential oil, neroli essential oil, jasmine absolute, musks, bitter almond, oakmoss."

Fleur Diamantine ist für mich ein heller, floral-grüner Duft, der mich stark an frisch afgebrühten Jasmintee erinnert. Die Aromen von Grüntee, Jasmin und dem leicht herben Unterton der Gerbstoffe beim Teetrinken entwickeln sich auf meiner Haut zu einem sehr klaren Duft. Die Bittermandel nehme ich weniger als Duft wahr, als einen Grundton, der sich durch das Parfum zieht. Keine Marzipanssoziationen, rein herbe Untermalung des ansonsten sehr weichen Duftes. Er hat für mich etwas irgendwie melancholisch-beruhigendes. Wie ein Besuch zum Tee, weiche Sofas und ein lauer Wind durch das offene Fenster. 

Santal Volcanique (2018)

"The experience: the scent of scorched sandalwood on the slopes of an erupting volcano.

The surprising contrast: potent and addictive sandalwood, brightened by the vibrant notes of a spicy coffee.

Fragrance family: woody spicy musky.

Key raw materials: ginger essential oil, cardamom essential oil, limette essential oil, sandalwood essential oil, cedar essential oil, ylang ylang essential oil, coffee absolute, musks."


Santal Volcanique ist einer meiner Lieblinge aus der gesamten Kollektion.  Er hat mich beim Testen ziemlich überrascht und mittlerweile durfte der 30ml Flakon bei mir einziehen und wird definitiv nicht der letzte Crivelliduft sein, der dauerhaft in meiner Sammlung unterkommt. Bei der Beschreibung hatte ich einen rauchigeren Sandelduft vermutet, vielleicht mit bitteren Noten, herbem Kaffee. Aber weit gefehlt: Santal Volcanique ist ein rundum eleganter, angenehmer Duft. Das Sandelholz spielt hier klar die Hauptrolle, wird aber von Kardamom und Pfeffer gewürzt und gibt dem Duft eine wundervolle Frische. Ich trage ihn auch gern bei heißen Temperaturen. Vielleicht kommt hier die Vulkanhitze ins Spiel? Kaffee ist weich, würzig und eher ein Beiklang, der dem Duft fast schon etwas heimeliges gibt. Ich trage ihn unglaublich gerne bei der Arbeit. Besonders, elegant und fast schon androgyn kommt der Duft daher und entwickelt sich auf der Kleidung reizvoll kühl, auf der Haut kuschelig warm. 

Bois Datchaï (2018)

"The experience: a taste of spicy black tea and wild berries in the heart of a primitive forest.

The surprising contrast: crisp and lively berries contrast with smoky and enchanting woods.

Fragrance family: woody fruity.

Key raw materials: blackcurrant bud absolute, black tea absolute, cinnamon essential oil, patchouli essential oil, cedar essential oil, leather accord."

Arghhh. Ich würde dich gerne lieben. Aber meinen subjektiven Geschmack triffst du leider nicht, du dunkelbeeriger Lederduft. Die Pyramide finde ich unglaublich spannend, aber die Beeren sind für mich zu dominant. Ich hätte mir etwas mehr Tee gewünscht. Aber das Dufterlebnis insgesamt ist wirklich interessant. Die Beeren kommen nämlich rauchig daher. Der Duft ist insgesamt sehr dunkel und etwas kratzig. Zimt und Zeder zwicken an den Ecken und beißen Stück für Stück an den Beeren, bis das raue Leder zum Vorschein kommt. Ich glaube dieser Duft könnte einige Leute sehr glücklich machen, mich fasziniert er nur. Wie ein Kunstwerk, das ich gerne ansehe, aber nie im Leben in meiner Wohnung aufhängen würde.

Rose Saltifolia (2018)

"The experience: a stroll on the seaside, among fields of freshly blossomed roses blown by the sea winds.

The surprising contrast: sparkling and crystalline rose Centifolia meets salty and silky seaweed.

Fragrance family: floral marine.

Key ingredients: blood orange essential oil, pink peppercorn essential oil, rose Centifolia absolute, seaweed absolute, cashmeran."

Ich bin absolut keine Rosenduftliebhaberin. Zu oft verwendet in jeder Form, zu lange weiblich romantisiert und zu viele Assoziationen mit Valentinstagskitsch. Rose Saltifolia ist nichts davon. Dieser Duft stellt eine junge, kräftig blühende grüne Rose in den Vordergrund. An ihren Blättern kleben Salzkristalle und sie hat ihre Wurzeln in steinig-mineralischen Boden direkt an einer windigen Meeresküste geschlagen. Was ein Duft! Salzig, jung und frisch, sehr grün und dennoch auf eine eigentümlich Art an mir feminin anmuten, ohne mich zum Püppchen werden zu lassen. Rose Saltifolia ist nicht der erste Duft seiner Art. Valentinos Donna Rosa Verde geht in eine sehr ähnliche Richtung, ist dabei aber doch etwas weniger frech und kantig. Wem Donna Rosa Verde zu klassisch ist, oder ihn nicht mehr bekommt: Probiert Rose Saltifolia.

Absinthe Boréale (2019)

"The experience: drinking a shot of icy absinth under the magnetic movements of the Northern lights.

The surprising contrast: a frosted artemisia contrasts with the comforting softness of musks.

Fragrance family: aromatic musky.

Key raw materials: juniper berries essential oil, eucalyptus essential oil, mint essential oil, lemon essential oil, lavender essential oil, artemisia essential oil, musks."

Absinth-nein, Boreal-ja. Der Duft entwickelt sich auf mir sehr frisch, herb und grün. Moschus nehme ich erst im Drydown wahr, aber zu Beginn umwabert ein fast schon mystischer Geruch meine Nase. Zaubertrank vielleicht eher? Irgend etwas, das Miraculix hätte brauen können (entschuldigt die Asterixanspielung, machmal geht es mit mri durch). Herbe Würze dominiert hier und eisige, frische Sprenkel tanzen wie Lichter an der Decke. Zum Schluss hin treten Wacholder und Moschus auf die Bühne und umarmen sich heftig. Leider geht dann das Nordlicht aus und der Duft ist einfach verschwunden, weg und ich habe vergessen, ein Erinnerungsfoto zu machen. Aber manchmal ist die Erinnerung an ein (Duft) Bild besonderer als alle Fotos, die man davon machen könnte.

Citrus Batikanga (2019)

"The experience: the taste of a cocktail of citruses heightened with chilli, in a colorful tropical market.

The surprising contrast: icy, juicy and spicy bergamot contrasts with the warmth of vetyver and myrrh.

Fragrance family: citrusy spicy woody.

Key raw materials: bergamot essential oil, orange bigarade essential oil, chili essential oil, vetyver essential oil, cedar essential oil, myrrh absolute."

Ja!

Ja, ja, ja! Liebe auf den ersten Riecher. Ich mag allgemein Zitrusdüfte, habe aber ein Problem mit deren kurzer Halbarkeitn. Citrus Batikanga ist der heilige Gral und ich habe so etwas noch nie gerochen. Würzige Bergamotte und Myrrhe knallen mir gegen die Nase. Leicht benommen halte ich sie dichter über mein Handgelenk und mir läuft ein wohliger Kardamomschauer über den Rücken. Wahnsinn. Tut mir Leidfür die bildreiche Beschreibung, aber dieser Duft ist so ziemlich alles, was ich von einem zitrischen Parfum will: Frisch, kräftig gewürzt, unverwechselbar eigen, kantig, dunkelorange und hält sich wirklich lange auf der Haut. Tage später rieche ich noch einmal an dem Shirt, das ich an diesem Tag anhatte und bin sofort wieder verliebt. Tiefe, warme Erinnerung an ein großartiges Parfum. Der Flakon muss her, ich habe mich nur noch nicht ganz entschieden, ob gleich die 100ml oder erst einmal die 30...

Papyrus Moléculaire (2020)

"The experience: discovering papyrus root powder with a group of tattooed women smoking cigarillos.

The surprising contrast: milky, woody and powdery papyrus contrasts with deep and rebellious tobacco.

Fragrance family: woody powdery spicy.

Key raw materials: coriander essential oil, papyrus essential oil, sandalwood essential oil, black pepper essential oil, tonka bean absolute, tobacco absolute, leather accord."

In meiner Rezesion habe ich ihn als den Duft einer alten ägyptiscen Grabkammer beschrieben. Den Moment, wen das archäologische team endlich den großen Fund vom Sand freigelgt hat und eine andere zeit betritt. Knisterndes, uraltes Papyrus, staubtrockene, sandige Luft, kalter Tabak. Tonka bietet einen reizvollen Kontrast, Koriander macht den Duft etwas frischer, sodass die Grabkammer spannend bleibt und nicht zum flüchten auffordert. Hier erkunde Ich gerne, sehe mich genau um und bade in der geheimnisvollen Aura längst vergangener Zeiten.

Iris Malikhân (2020)

"The experience: the mind-blowing discovery of flourishing iris fields on the edge of a desert.

The surprising contrast: verdant and powdery iris contrasts with a combination of vanilla and leather, turning this scent into an intoxicating and addictive accord.

Fragrance family: woody gourmand powdery.

Key raw materials: cypress essential oil, lentisque essential oil, galbanum absolute, orris butter, mimosa absolute, vanilla, leather accord, amber, musks."

Buttrig tiefe Iris trifft auf herbe Harze und verliebt sich. Die Nachtluft legt sich weich auf meine Haut und ich atme ein. Sinnliche Iris, Leder und Galbanumnoten vereinen sich zu einem tiefen, dunklen Duft, der trotz meiner Abneigung gegen klassische Irisdüfte mein Herz erobert. Eleganz, Klasse und eine gute Dosis Sexappeal vereinen sich hier zu einer dunklen Iris, die über Nacht zu kühler, nicht weniger eleganten Vanille wird. Wenn ich einen Irisduft besitzen würde, dann wäre es dieser hier. Er ist für mich das farbliche Gegenstück zu Citrus Batinkanga. Dunkle Lilatöne, hellgelbe Kontraste und Nachtluft.

Osmanthe Kōdoshān (2021)

"The experience: discovering osmanthus flowers on a tropical mountain shrouded in mist.

The surprising contrast: a leather and verdant osmanthus contrasts with moist and mysterious woody notes.

Fragrance family: chypre fruity leather.

Key raw materials: star anise essential oil, Sichuan pepper essential oil, osmanthus absolute, black tea absolute, patchouli essential oil, tobacco absolute, cistus absolute."

The odd one out. Du hast mich verwirrt und bist mir irgendwie nicht so in Erinnerung geblieben. Schade eigentlich, denn als ich dich jetzt noch einmal schnuppere finde ich dich ganz nett. Nur eben nicht so spannend, wie die anderen Crivellidüfte. Die Nebelassiziation kann ich nachvollziehen. Feuchtigkeit, winzige Tropfen auf der Haut. Ein Hauch von Leder, vielleicht von den Wanderstiefeln, ein wenig Anis und wo ist bitte mein Tee? Ist meine Thermoskanne undicht? Wo sind die dunklen Noten, die majästhetischen Berge. Nein, so geht das nicht. Ich muss weiter hochsteigen. Die Aussicht ist mir noch nicht spektakulär genug, die Blüten noch zu weit weg. Aber vielleicht bin ich auch einfach die falsche Route gegangen? 

Lys Sølaberg (2021)

"The experience: discovering lilies during a night hike on a fjord.

The surprising contrast: a smoky, pearlescent lily contrasts with a moist, amber note.

Fragrance family: amber woody floral.

Key raw materials: lily flower, quince, calamus essential oil, gaiac wood, ambroxan, oak moss absolute, cedar essential oil, torrefied oak chips absolute, tobacco absolute, cistus labdanum essential oil."

Die Neue im Bunde. Dich habe ich noch nicht testen dürfen, habe aber deine Geburt auf Instagram mitverfolgt (Storytelling dieser Marke again...) und war doch sehr gespannt. Abfüllung ist unterwegs und ich angsvoll erwarte Ich dich, denn die Rezensionen hier auf Parfumo lassen mich vermuten, dass du leider viel synthetischer daherkommst, als ich gerne hätte. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass du ein rauchig-florales kleines Meisterwerk bist, das auf meiner Haut holzigen Amber hinterlässt und Crivellitypisch irgendwo eine kleine Ecke eingebaut hast, einen Störer, einen Kontrast. 

Schlussstrich und Anfang

Was ziehe ich aus dem Ganzen hier? Entschuldigt die Textlänge, aber ich glaube ich war noch nie so fasziniert von einem Nischenhaus. Ich glaube, wenn ich alle meine Düfte austauschen würde, könnte ich eine garderobe aus Crivellidüften aufbauen. Die kleinen Besonderheiten und die gesamte Philosophie hinter den Parfums imponiert mir und ich bin gespannt, was wir in Zukunft von diesem kleinen Haus bewundern dürfen. Was mir noch fehlt ist ein tiefer, dunkelgrün-waldiger Duft. Irgend etwas, das vielleicht eher aus der skandinavischen Ecke kommt. Außerdem fände ich einen aquatischen Ansatz spannend, denn die Salznote aus Rose Saltifolia lässt mich auf tiefe, authentische Meeraquatik hoffen, auf Treibholz und Algen und wenig Synthetik, auf Pazifikküste und Teakholz, knarzende Segel und tiefblaues Wasser. 

Das hier ist definitiv nicht das Ende meiner Reise mit Maison Crivelli. Mehr ein Anfang, eine Idee, die ich teilen möchte. Wie sind eure Erfahrungen mit Maison Crivelli? Gibt es jemanden, der/die ebenso verliebt ist, wie ich? Oder habt ihr eine ähnliche Liebelei mit einem anderen Haus? 

Quelle: 
Parfumo (offensichtlich. Danke für großartige Beiträge und Community!)

Maison Crivelli Website (https://maisoncrivelli.com/en/)

Fotos:Von mir, in dem Packaging des Hauses aufgenommen