Apicius

Apicius

Rezensionen
6 - 10 von 1107
Apicius vor 8 Jahren 35 8
7
Flakon
7
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft
Ein moderner Orientale
Guerlain lebt vom Mythos der Guerlinade - jener geheimnisvollen Duftnote, deren Kern eine besonders zubereitete Vanille sein soll, und die man nur bei Guerlain antreffen konnte. Bei jeder Neuerscheinung schwingt die Erwartung mit: ist sie drin, oder ist sie es nicht? Befeuert von diesem Mythos, bietet uns Guerlain ein reiches Angebot an Orientalen - also Düften, die um die Noten Vanille, Benzoeharz oder auch Tonkabohne herum gebaut wurden.

Der neueste Beitrag zum Thema muss sich daher dem Vergleich stellen, denn dieser drängt sich geradezu auf. Lui ließ mich sofort an Bois d'Arménie denken. Da war die orientalische Wärme, ein vanilleartiger Anklang, aber eben auch eine feine Rauchnote, wie sie uns der Vorgänger so schön präsentiert.

Doch Lui schien sich nicht festlegen zu wollen. Im Verlauf der Entwicklung ging es ein wenig in holzige, leicht herbe, meinetwegen ledrige Bereiche. Lui neigte sich Arséne Lupin Voyou zu, und auch Eau du 68 stand Pate.

Lui bietet das, was man von einem "typischen" Orientalen erwartet - aber modern, in einer schlichten, nicht überladenen Form. Allein die sagenumwobene Guerlinade wird man vielleicht vermissen. Lui ist nicht schlecht gemacht, aber der hätte jetzt auch von einer anderen Marke stammen können. Ich ziehe weiterhin Bois d'Arménie vor, der in seiner eleganten Zurückhaltung mehr Aura als Parfum ist.

Sicher wird Lui seine Käufer finden. Jene, die angesichts der Zurückhaltung von Bois d'Arménie ratlos mit der Schulter zucken. Oder jene, die sich nicht trauen, das strahlende Spiritueuse Double Vanille zu tragen.

Wenn zwischen den genannten Guerlain-Düften noch Platz wäre, Lui könnte ihn einnehmen.
8 Antworten
Apicius vor 8 Jahren 25 6
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
5
Duft
Ein klassischer Beutezug
Mordend und plündernd, Angst und Schrecken verbreitend tauchten sIe mit ihren Langschiffen an den Küsten Britanniens und anderswo auf. Wer ihnen in die Hände fiel, konnte sich noch glücklich schätzen, wenn er nur Hab und Gut verlor. Was mag Creed bewogen haben, ihrem neuen Parfum "Viking" eine solche Story anzudichten?

Ganz klassisch, mit kräftiger Bergamotte eröffnet Viking. Das kennt man, es ist gut und bewährt. Schnell zeigen sich würzige Noten, aber auch Krautiges. Die Würze erinnert stark an Bay Rhum oder Piment, aufgefrischt von ein wenig Minze. Lavendel hält sich im Hintergrund, trägt aber wohl zum krautigen Einschlag bei. Für mich etwas unangenehm war eine gewisse Breite, die geht wohl auf das Konto der als Rose bezeichneten Note. Sie ist der Gegenspieler zu all der Würze und Krautigkeit.

Dieser Duft zeigt eine große Nähe zum Konzept des klassischen Fougères um 1900 - eine Duftrichtung, die für mich das Männerbild vergangener - und überkommener - Zeiten repräsentiert. Insoweit passen dann auch die Wikinger: Denn wenn sich echte Kerle von Anno dazumal ein Duftwasser gönnten, dann durfte das eben nicht nur angenehm sein. Zur Strafe musste musste man auch ein wenig leiden: Schärfe und Pieksigkeit schafften den notwendigen Abstand zu allzu weiblicher Lieblichkeit und Sanftheit. Ein schwieriger Balanceakt muss das gewesen sein - einem Mann ein Parfum anzudrehen, ohne sein patriarchal geprägtes Selbstbild zu beschädigen.

Heute dürfen wir uns einen neuen, unbelasteten Zugang zu klassischen Fougères erarbeiten. Aber wer weiß, bei Creed scheinen sie vielleicht an die übrig gebliebenen Wikinger im Geist gedacht haben. Solche, die gerne richtige Kerle wären und auch mal auf Kaperfahrt mit wollen.

Man mag sich amüsieren über Marketing-Einfälle, aber letztlich empfinde ich Viking - wie so oft bei Creed - als mittelmäßig gemachtes Parfum. Gut gefällt mir der Einsatz von Minze und Lavendel. Krautigkeit und Würze eines Fougères können ihren Reiz haben, aber der entsteht nicht allein durch Verwendung bestimmter Zutaten. Bei Viking fehlt mir einfach dieser "alchemistische Moment", der einen Duft so magisch erscheinen lässt. Der Duft ist übrigens nach zwei Stunden durch, dann greift ganz unklassisch und ernüchternd eine moderne, synthetische Holznote um sich.

Wer die Schärfe und Würzigkeit der klassischen Fougères sucht, wird etwa bei Castle Forbes (1445) Interessanteres finden.
6 Antworten
Apicius vor 8 Jahren 15 10
5
Flakon
10
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Anglomania für den Herrn
Wer erinnert sich noch an die „roten“ Düfte, die Ende der 1980er Jahre so populär waren? An Jil Sanders Feeling Man, Gainsboros G-Man und vor allem Joop! Homme, das die Zeiten überdauert hat? Die Farbe rot, als Teil der Verpackung, schien irgendwie ihre geruchliche Entsprechung im Duft zu haben – und nicht nur dort. Aromatisierter Tee mit Wildkirscharoma war hip – und mancher Parfumkäufer, ohne sich dessen bewusst zu sein, ließ sich vielleicht von seiner Geschmackserfahrung beim Parfumkauf beinflussen.

Liegt es an der roten Färbung des Parfums, dass mir ganz kurz ein winziger Hauch Joop! Homme in die Nase stieg? Howard Jarvis, unser Freund aus Australien, stellt seinen neuesten Herrenduft jedenfalls in einen ganz anderen Zusammenhang. Da ist vom einem Wald aus Redwood (Mammutbaum) die Rede, und von Flechten und Moosen. Feucht und neblig ist es, und schließlich erscheint der Drache, offenbar ein friedlicher Drache, denn er lässt den Wanderer einen Blick auf sein golden schimmerndes Gelege werfen.

Wie Drachenbaumöl – eine selten anzutreffende Note – pur duftet, weiß ich leider nicht. Vielleicht vermag das tatsächlich diesen nicht ganz zutreffenden Eindruck von roten und schwarzen Beeren zu begründen. Wie dem auch sei, ein kräftiges dunkles Rot wurde hier in ein Parfum umgesetzt. Manchmal kann man Farben wirklich riechen…

Wild Dragons Blood hält sich nicht mit langem Vorspiel auf. Der rote Duft ist sofort präsent, prächtig, schön und raumgreifend. Vorsicht ist geboten: schon wenige Spritzer genügen, um einen Raum zu fluten. Die Sillage ist zu kräftig für‘s Büro. Besser am Abend tragen, vielleicht auf einer Tour durch verräucherte Kneipen. Etwas Mut gehört trotzdem dazu, denn dieser Drachenduft ist nicht gerade leise.

Dieses Parfum trägt die Handschrift seines Erschaffers. Im Drydown, der nach etwa einer Stunde langsam einsetzt, wird die zunächst erscheinende Holzigkeit des Zedernöls zunehmend von einem harzigen Akkord verdrängt, den ich auch schon in anderen Bud Parfums wahrgenommen habe.

Mir gefällt an diesem Duft die Balance der einzelnen Inhaltsstoffe. Nur wer es darauf anlegt, wird hier und da Weihrauch oder Bienenwachs heraus riechen können. Mehr als das rieche ich die Arbeit, die es gekostet haben mag, diese Balance hin zu kriegen.

Doch zurück zur Farbe Rot: da gab es mal einen wunderbar kräftigen, roten und sehr robusten Damenduft, bei dem ich wirklich bedauerte, dass er für mich als Mann nicht tragbar war: Vievienne Westwoods Anglomania. In Stil und Ausdruck kommt Wild Dragons Blood dem ziemlich nahe, bleibt aber mit holzig-harzigen Noten auf der maskulinen Seite.

Mit Wild Dragon‘s Blood leistet Howard Jarvis einen gelungenen Beitrag zu einer eher seltenen anzutreffenden Duftkategorie. Seine Bitte, über Wild Drans Blood zu schreiben, habe ich gerne erfüllt.
10 Antworten
Apicius vor 9 Jahren 17 3
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Nomen est Omen
Wer sich in der Parfumkunst einem puristischen Stil verpflichtet fühlt, muss gut auswählen. Die wenigen Duftnoten müssen perfekt abgestimmt sein. Und vor allem sollte auch ein solcher Duft mindestens eine Komponente enthalten, die besonderes Interesse weckt. Nur Holz - das wäre doch zu wenig.

The Big Bad Cedar bringt zunächst 2 Aspekte der Zeder in gleicher Gewichtung zusammen - das herbe Holz und den ätherischen, fast scharfen Duft der grünen Nadeln. Es entsteht ein gewisser medizinischer Eindruck, den ich sehr attraktiv finde. Recht lange hält die Balance an, bevor dann doch eine reine Holzbasis den Duft bestimmt.

Ein dritter Aspekt spielt hinein, schon zu Anfang: eine süßlich-animalische Note. Nur angedeutet, rückt sie den Duft etwas in eine arabische Richtung, denn von dort kenne ich die Note in extremer Ausprägung. Wenn ich das näher beschreibe, laufe ich leider Gefahr, den Leser zu verschrecken - sei's drum: es handelt sich um allerbeste Landluft, konkret: Schweinestall. Mit der schweren Süße eines voll erblühten Ginsterstrauchs wäre das auch schlüssig, aber vielleicht etwas zu harmlos beschrieben.

Hier gilt: die Dosis macht das Gift. Und diese Dosis ist sehr, sehr schwach. Doch ich verstehe ihren Sinn. Ohne eine solche Animalität wäre der Duft ziemlich tot. Man könnte den dann auch statt Fichtennadelschaumbad in die Badewanne kippen. Erst diese kleine, dreckige Tiernote macht aus Big Bad Cedar ein erotisches Parfum.

In den letzten Jahren haben wir viele puristische Holzdüfte gesehen. The Big Bad Cedar lotet in diesem Bereich ganz vorsichtig eine schwierige Grenze aus, als Mittel gegen die Langeweile, die bei reinen Holzdüften so schnell aufkommen kann. Das gelingt gut: ich finde den Duft tragbar, attraktiv und interessant.

Persönlich mag ich diese herben Holzdüfte sehr gerne riechen - aber nur an anderen. Denn zum selber tragen ist mir das zu anstrengend. Irgendwann würde mich die bittere Holznote stören - doch da gehen die Wahrnehmungen sicher auseinander.

Wer von Terre d'Hermès nicht lassen kann, dem kann man mit The Big Bad Cedar bestimmt eine Freude machen. Andere könnten den als einen Funktionsduft schätzen, der mehr der Attraktivität als dem Wohlbefinden des Mannes dient. Eingeordnet als Unisex-Duft, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass das bei Trägerinnen in gleicher Weise funktionieren kann.
3 Antworten
Apicius vor 9 Jahren 22 6
8
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft
Auf ungewohntem Terrain
Ein maritimer Duft aus dem Hause Micallef? Das passiert selten, denn Jean Claude Astier kennen wir vor allem als Meister der orientalisch-opulenten Richtung. Genau gesagt, im Herrenduftsortiment passierte es 10 Jahre zuvor mit dem Parfum Avant Garde. Zwischen beiden Düften ist nicht nur der zeitliche Abstand groß.

Obwohl nur als Kopfnote ausgewiesen, prägt eine salzige, aber dezent bleibende Aquatik den gesamten Duftverlauf von Osaïto. Im Kopf vermag ich noch ein sehr schönes Zusammenspiel mit Grapefruit wahr zu nehmen, danach, muss ich gestehen, rieche ich nichts anderes mehr als eben jenen maritimen Akkord vor einem undeutlichen Hintergrund ohne jegliche eigene Aussage.

Der Wasserakkord ist von klassischer Art, man hat ihn irgendwie noch von ganz früher in der Nase. Er ist salzig, eher irisierend als frisch und vermag es , bei mir ganz unterschiedliche Empfindungen hervorzurufen. Da sind Respektabilität, Distanz und Kühle einerseits, aber dann auch wieder Körperlichkeit und Nähe. Während die aquatischen Düfte des Massenmarktes mich schnell dazu bringen, mich von dem Träger abzuwenden, weiß ich es bei Osaïto nicht so recht.

Und genau dieser Schwebezustand zwischen Anziehung und Abstoßung ist es, der Aufmerksamkeit erzeugen kann, nicht nur für den Duft, sondern auch für die Person, die ihn trägt. In diesem Sinne ist Osaïto ein hervorragend komponiertes Parfum.

Dass ich ansonsten fast nichts rieche, finde ich merkwürdig. Ob es da nur mir so geht? Ganz eindeutig ist Osaïto den feinen, dezenten Düften zuzurechnen. Alles, was hier noch verwendet wurde, scheint nur dem Zweck zu dienen, die feine aquatische Note in Szene zu setzen. Das war vor 10 Jahren ganz anders, wo eine gewagte Kombination mit schokoladigen Noten dem Parfumnamen alle Ehre machte.

Sofern mich im Fall von Osaïto nicht doch die Duftblindheit geschlagen hat, würde ich das Parfum einem puristischen Ansatz zuordnen, wie man ihn aus dem Hause Micallef eigentlich nicht kennt.

Mit Osaïto zeigt Jean Claude Astier sein Können auf ungewohntem Terrain. Es liegen Welten zwischen Osaïto und den Aquatics des Massenmarkts. Osaïto kann auch solche Parfumliebhaber ansprechen, die um Aquatisches meist einen großen Bogen machen.
6 Antworten
6 - 10 von 1107