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Rezensionen
1 - 5 von 45
Hier gibt's schmutzige Finger
Flieder habe ich schon in einigen Varianten probiert, En Passant A Drop d'Issey Eau de Parfum Lilac Path u.a.), und nun diesen hier zum wiederholten Male.

Cartiers Flieder hinterlässt zunächst mal einen wirklich natürlichen Eindruck und spielt ganz vorne mit, was "Authentizität" anbelangt. Ganz, ganz vorne. Im Guten wie im Schlechten.

Gut ist definitiv die unsüße, super-super-authentische lila Fliedernote, die sogar ein ganz kleines bisschen Indolik mitbringt. Der Fliederduft wird noch "echter" durch das für mich Negative: Ich rieche nicht nur die lilafarbenen, vollaufgeblühten Blüten, sondern auch gequetschte und leicht gematschte grüne, frische Blätter, meine Vorstellung von Chlorophyll. Dazu den Zweig, also das Holz, an dem die Fliederblüten dran sind. Es ist richtig nass, durchs Pflücken angerissen und riecht sehr erdig, feucht, holzig. Kennt Ihr das, wenn Holzrinde nach langem Regen oberflächlich leicht glitschig ist und eine gleichzeitig frische, holzige aber auch muffige Note hat? Diesen Geruch bekomme ich doch sehr präsent. Bis nach ca 4 Stunden vor allem grün-holziger Moschus übrig bleibt.

In der KN und HN ist dieser Flieder wirklich nicht zu übertreffen, wenn es um Authentizität geht. Mir persönlich gefällt dennoch der En Passant besser, auch wenn Cartiers Interpretation erstmal besser projeziert (länger halten tut er auch nicht ...).

Warum? Ich möchte im Parfum manchmal das letzte, nicht so schöne Quäntchen Echtheit nicht haben, wenn es die schöne Essenz trübt. Ich möchte lieber diesen nur in den schönen Facetten extrahierten Flieder, der irgendwo zwischen sehr nahe an echt und dennoch Parfum liegt. Das, was ich rieche, wenn ich am Fliederbusch vorbeilaufe. Vielleicht mit etwas Abstand...

Der Pur Lilas erinnert mich zu sehr an den Pflückvorgang nach einem Regen mit nassen, leicht erdig/holzig verschmierten Fingern, die ich erstmal waschen muss, sobald der Fliederstrauß fertig drapiert in der Vase steht... Und ich möchte mir beim Parfum einfach nicht die Finger schmutzig machen.
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Nussiger Reis und Rhabarber-Popcorn
Art Brüt – eine kleine Manufaktur, die wohl aus Hamburg kommt, aber inzwischen – so sagt das Impressum – den Geschäftssitz in Berlin hat. Auch scheint sich das kreative „Duft-Expertenteam“ etwas anders aufgestellt zu haben. Soweit das Ergebnis einer nicht sehr ausführlichen, entsprechend wenig belastbaren Recherche.

Ich bin zufällig drüber gestolpert und zugegeben, es war der Name „German Angst“, der mich in dieser Zeit (März 2025) sofort gepackt hat. Die Namen einer Handvoll Duftkreationen sind schon sehr aufmerksamkeitsheischend, die Geschichten zu den Düften sind wunderbar zusammenfabuliert, wenn auch nicht unbedingt ihren Duft spiegelnd. Vorweg: nicht vom Drumherum blenden lassen, es handelt sich nicht um gleichermaßen ungewöhnliche Kreationen. Ich frage mich auch, ob man den Parfums einen Gefallen tut, sie dank „Drumherum“ so hoch aufzuhängen. Die Namen führen zu einer ziemlich hohen Erwartungshaltung – die so nicht erfüllt wird.

Aber: Es handelt sich nach meinem Testen des Standard-Discovery-Sets mit vier verschiedenen Proben um sehr solide Kreationen. Ausprobieren lohnt sich. Zumal das Discovery Set im Vergleich zu anderen Marken echt günstig ist, und wenn man sich zum Kauf eines Flakons entscheidet, dazu noch ein Code kommt, der einen Rabatt gewährt. Man verliert also hier wirklich nichts.
 
So, nun zu „Chasing Ghosts“ im Speziellen: Bei Hanf und Marihuana in der Zutatenliste ging natürlich erstmal nur ein „Home-Office-Test“. Ich will ja im Büro nicht nach einem „Doobie“ riechen – viele haben ja die eine oder andere Erfahrung damit gemacht. Erkennen den Geruch also sofort. Ich, erm, ja, ganz sicher auch  Ein Bürotest ginge aber ohne Probleme. Ich behaupte, Marihuana würde ich sofort erkennen, tue ich hier aber nicht.

Ich bekomme eine sehr ausgeprägte Haselnussnote, die sehr schnell von warmem, sehr weichgekochtem, dampfendem weißem Reis ergänzt wird. Insofern wirklich gourmand – für mich tatsächlich bislang der naturgetreuste Reis-Gourmand. Entsprechend wirkt „Chasing Ghosts“ sehr weich, sanft und eben ja, warm. Nach etwa zwei Stunden bekomme ich immer wieder einen sehr leichten, aber klar erkennbaren grapefuitigen Rhabarber-Kick. Immer nur Sekunden, dann überwiegt wieder die zart süße Reis-Nuss-Note, die später auch was Popcornmäßiges bekommt. Mit der Zeit wird der Duft immer moschuslastiger, holziger insgesamt dichter, sehr dicht, aber auch sanft. Andere der gelisteten Noten bekomme ich sonst so nicht in die Nase.
Ich finde das Zusammenspiel aus weich, warm, weiß und Popcorn-Reis mit den leichten, aufblitzenden Frischekicks spannend, angenehm und nicht penetrant für das Umfeld. Man kann „Chasing Ghosts“ überall tragen. Man riecht definitiv nicht nach Kiffer. Für Gourmand-Liebhaber, die es nicht zuuu süß mögen (leicht süß ist er aber), die eine kuschelige Aura, die auf nussigem Reis basiert, möchten, kann ich nur sagen: probieren.

„Chasing Ghosts“ kann im aktuellen Markt locker mithalten. Zumal, auch wenn Ambroxan gelistet ist, ich sagen würde, diese heute typische stechend holzige Störnote fehlt für mich hier völlig. Finde ich sehr positiv.

Die Haltbarkeit und Sillage – hm, haltbar ist er durchschnittlich, ca. 5/6 Stunden würde ich grob ansetzen. Die Sillage ist mittel – man nimmt ihn wahr, da er aber keine wirklichen Ecken hat, fällt er dezent auf. Er kitzelt nicht, er kuschelt ein.

Ob es für einen Flakonkauf reicht, weiß ich noch nicht genau. Mit gefällt er aber wirklich. Im Moment denke ich, spielt durchaus der Gedanke, etwas „Seltenes“ oder schön „Nischiges“ zu haben, mit. Reicht das, schon gut und sehr nischig?

Apropos: Ich glaube tatsächlich, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Art Brüt als Marke mehr Aufmerksamkeit bekommt. Denn auch „German Angst zwei“ und „Weltschmerz“ dürften vielfach Anklang und damit noch viele Fans finden, und so die Marke bekannter machen. Der schwächste im Vierer-Set ist für mich „Disko Disko“ – aber wie immer gilt: Geschmackssache.
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Blumen und die Entwicklung machen den Unterschied
Die Probe wurde mir in der Parfümerie meines Vertrauens sehr ans Herz gelegt. Ich war nicht scharf auf "ganz weicher Weihrauch mit Vanille und...", schließlich habe ich meinen Weihrauchliebling in Babycat bereits gefunden. Wenn es ganz viel und eher frisch sein soll, ist da noch der Griff ins Regal des Gatten möglich, der zu Weihnachten den Copal Azur bekommen hat. Wozu also? Brauche ich nicht! Ich mag auch keine geklauten Ideen...

Ja, aber dann: Zur weihrauchigen (wird sehr schnell sehr dezent) Vanille fügt sich schnell eine (piment)würzige Karamellnote dazu. Immer noch nicht der Kick. Den bringen für mich die blumigen Akzente, die gleichermaßen fruchtig, süß-säuerlich (aber angenehm!) und parfumseifig eine neue Ebene in das Dufterlebnis bringen - und den entscheidenden und gleichzeitig eigenständigen Charakter von Shine Despite Everything ausmachen.

Im Gegensatz zu den verschiedenen zum Vergleich herangezogenen Erfolgsdüften findet dadurch eine sehr starke Entwicklung bei mir statt, die nach dem Drydown etwas ganz, ganz Eigenes wird und für mich einfach wunderbar riecht.

Dieser Atkinsons ist schwer einzuordnen, er ist irgendwie Gourmand, aber irgendwie auch gar nicht. Er ist irgendwie "bekannt", aber durch Rosyfolia (ja, Maiglöckchen stimmt irgendwie...) + Schwertlilie sehr pudrig und blumig und dadurch doch viel parfümiger als ein Gourmand und so anders, dass man den sehr gut neben einem Babycat oder Liquide (für mich stärker ambroxlastig und eher sonnencremig) im Regal haben kann.

Für mich die Entdeckung des Jahres 2024 - so ganz zum Abschluss. Von "Brauch ich nicht" zu "Ich MUSS den im Flakon haben" zack auf die Favoritenliste ganz weit hoch katapultiert.

Fazit: Wer Liquide, Babycat (Ähnlichkeit zum RM No. 5 hat er für mich weniger) mag, der sollte den ruhig testen - und die doch starke Entwicklung abwarten, bevor man ihn zu schnell abkänzelt. Ich finde den Shine Despite Everything als Gesamtpaket fantastisch - seit langem der erste Kandidat, der mich überraschend total geflasht hat.
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Fruchtig-opulenter Alltagsbegleiter statt "große Oper"
Ich bin bei jedem Tragen immer wieder erstaunt, dass Opera als Duft für wenige und nur besondere Gelegenheiten aufgeführt wird. Nur in die "Oper" sozusagen. So ganz kann ich das nicht nachvollziehen.

Ja, opulent ist Opera - fruchtig, rosig, ledig, würzig, holzig. Hier trifft sich fast alles an Duftrichtungen, was es gibt. Auf eine sehr runde Weise - nicht wie man meinen könnte, erstickend. Zu viel. Denn besonders durch die fruchtigen Noten und bei mir auch präsentes Ylang-Ylang bekommt er eine - stimmt - kaugummiartige, aber auch helle, durch das Leder und Vetiver geerdete, gemilderte und nicht banale Fruchtigkeit, die ihn für mich eher opulent hell und freundlich macht.

Wenn ich dagegen sehr süße, schwere, honig-tabakgetränkte, boozy, rauchige oder z.B. deutlich oudige Kandidaten als quasi Alltagsdüfte erlese, und daran denke, dass andere Xerjoffs wie der Naxos oder Alexandria und seine Flanker dagegen zu - man riecht es ja - sehr alltäglichen Gelegenheiten getragen werden, bin ich immer erstaunt. Diese sind für mich deutlich schwerer, deutlich gewichtiger und deutlich weniger universell. Dagegen ist Opera ein "Leichtgewicht" und viel versatiler. Für mich ehrlich gesagt, auf der Langstrecke deutlich gefälliger sogar.

Ich habe vielmehr das Gefühl - nur meine persönliche Meinung -, dass sich viele vom Namen in eine bestimmte Richtung führen lassen, die der Duft selbst so nicht mitbringt. Für mich ist Opera nämlich ein durchaus sehr vielseitiger Duft, irgendwo habe ich gelesen, die erwachsene Version des Erba Pura (auch wenn eigentlich schwer vergleichbar - Frucht und Xerjoff sind da die "Maßstäbe"), ist das nicht so falsch... ergänzen würde ich: nicht pieksig, nicht so chemisch, nicht so aufdringlich, runder, feiner und deutlich weicher und im Gegensatz zu EP auch allgemein (v)erträglich.

Für mich grundsätzlich eine Unisexduft mit deutlicher Tendenz ins Feminine.
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Surprise, surprise: Santal et Coco complet!
So ist das bei Parfums: Da sucht man ewig eine Kokosnuss, natürlich, leicht süß, aber nicht zu süß, mit holzigem Charakter. Einmal endet es in Raffaello (ist schon auch toll), einmal in synthetischer Bombe mit wenig H/S, dann ist zuviel Karibik oder Cocktail drum rum, dann wieder eindimensionale - wenn auch unfassbar natürliche - Kokosnussschale, aber (noch!) teuer... und alles nicht so richtig wie gesucht.

Diese Suche habe ich frustriert aufgegeben, stattdessen kam ich auf Sandelholz. "Da fehlt mir noch was Schönes." Natürlich streift die Recherche irgendwann den Santal Complet. Nirgends im Umkreis zu testen, so neugierig geworden aus der Duftnotenlistung, habe ich eine Gelegenheit ergriffen, einen Restflakon für einen Spitzen-Schnapper-Preis zu kaufen. Blind. Das wollte ich nie wieder tun nach einem Reinfall. Also erstmal bibbern.

Diesmal habe ich richtig Glück gehabt. Und eine Überraschung gab es gratis dazu: Nicht nur ein moschusgebettes, nicht zu trockenes, dadurch aber auch "sauber" oder rein wirkendes Sandelholz habe ich bekommen. Passt. Sehr gut sogar. Schön!

Und dann muss ich plötzlich grinsen, denn hier kommt die Kokosnuss, also die, die ich meinte, gleich mit. Süß, cremig, leicht, ambriert weich und fein und nicht künstlich in meiner Nase.

KN/HN und Basis schwingen bei mir zusammen, also gibt es wenig Entwicklung im eigentlichen Sinne, wobei der Pfeffer kein Pfeffer ist, sondern leichte Würze - aber nicht die orientalische Würzigkeit, sondern holzig und dezent, als Farbe vielleicht unbehandelt graubraun. Auch das Veilchen kann ich wahrnehmen, allerdings würde ich definitiv nicht soweit gehen, von floralen Akkorden zu sprechen.

Die Zitrone in der KN? Nein. Eine kurze sekundenschnell flüchtige Frische, ja. Aber die ist für mich zu vernachlässigen bzw. so schnell weg, dass ich sie nicht raus destillieren hätte können.

Also bleibt ein leicht süßer, gar nicht mal soooo dezenter Sandelholzduft mit Kokos - keine neue Erkenntnis im Vergleich zu unten stehenden Rezensionen.

Höchstens überraschend für diejenigen, die wie ich, genau diese irgendwie distinguierte Art von Kokos gesucht haben.

Für mich ein ganz feines Match: "Santal et Coco complet"! Mission beendet.
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