Baux

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11 - 15 von 69
Baux vor 13 Jahren 20 8
7
Duft
Gekauft wie gesehen
Neulich stand ich vor einer schweren Entscheidung. Ich bin ja ein sentimentaler Typ, und so oft steht man nicht vor einem Auto, das im selben Jahr geboren wurde wie man selbst. Nun, die Jüngeren unter uns vielleicht schon. Ich schlich um den Wagen, fuhr mit den Fingern sanft die schwarz abgesetzte Nase entlang, schaute ihm in die Augen und prompt sprach mich jemand über die Schulter an: „Kann ich Ihnen helfen?“ Nein, mir war nicht zu helfen. Ich schluckte ein „Wo muss ich unterschreiben?“ runter und verlangte die Schlüssel zwecks Probefahrt.

Einen Papierkram später röhrte hinter mir der Motor. Durch das offene Dach wirbelte Wind hinein. Ich griff zum Handy und erzählte meiner Liebsten, sie solle Badezeug zusammensuchen und einen Hauch von Sommerkleid anlegen. Ich wäre in 2:56 Minuten bei ihr, wenn die Ampel endlich auf Grün springen würde.
„Neuer Wagen?“, fragte sie.
„Noch nicht.“
Dann fuhren wir über die kurvige Landstraße die Küste hoch. Die Lenkung war sehr direkt. Die Federung auch. Die Gangschaltung etwas hakelig. Aber alle anderen fuhren halt nur Golf und Astra. Ich parkte nah an der Klippe. Wir kletterten die Treppe zum Strand hinab und hatten nichts zu tun, als in der Sonne zu liegen. Dazu braucht man nicht mal Toskana.

Gefühlte drei Tage später warf ich dem Gebrauchtwagenhändler seinen Schlüssel auf den Schreibtisch. Er lächelte wie ein Raubtier.
„Toller Wagen, nicht?“
Ich nickte. Ja, das könnte man öfter mal machen. Aber jeden Tag? So viel Urlaub hab ich dann auch wieder nicht.
„Für 175 Euro mehr mach ich Ihnen auch, dass der wie’n Neuwagen riecht.“
Ich würde es mir überlegen, sagte ich. Aber nicht zu lange, kam die zu erwartende Antwort mit einem wie festgenagelten kumpelhaften Grinsen. Aber eigentlich musste ich mir nichts überlegen. Manche Sachen macht man besser nur einmal. Und manche Momente lassen sich nicht wiederholen. Oldtimer haben ihren eigenen Zauber und nicht den von Neuwagen. Und sie sollten auch nicht wie Neuwagen riechen.

Menschen übrigens auch nicht.
8 Antworten
Baux vor 13 Jahren 1 4
Der Drops ist gelutscht
Minze gibt es in Parfums in zwei Geschmacksrichtungen: Zahnpasta und Pastille. Hier hat man sich für die Pastille entschieden. Zusammen mit Rose wird das dann ein Emetikum. (Die Hamburger Dealer unter euch wissen, was das ist – der Rest darf googlen.) Wenigstens der Name stimmt.
4 Antworten
Baux vor 13 Jahren 3 4
7.5
Haltbarkeit
4
Duft
Ordinäres Maiglöckchen
Wer mehr erwartet, als auf der Flasche steht, wird hier arg enttäuscht. Das Parfum riecht zuerst nach Maiglöckchen, dann im Herz nach Maiglöckchen und kommt schließlich auf einer Basis aus Maiglöckchen zur Ruhe. Maiglöckchen sind dabei natürlich nicht zu verachten. Es gibt wahrscheinlich sogar Leute, die Maiglöckchen für etwas ganz Besonderes halten. Biologen zum Beispiel. Biologen dachten zunächst, Maiglöckchen wären ein Liliengewächs, später erst hat man umgeschwenkt und dem Blümchen eine eigene Gattung in der Familie der Spargelartigen gegeben: Convallaria, was so viel heißt wie „wächst im Tal“. Aus dieser verworrenen Forschungsgeschichte erklärt sich auch der englische Name Lily of the valley. Wie sich der schweizerische Name Maieriesli erklärt, kann ein Schweizer beantworten.

Der Duft des Maiglöckchens spiegelt sich in dieser lange anhaltenden Identitätskrise der Pflanze wider. Maiglöckchen riechen so grün, dass man meinen könnte, dass Spargelgewächs hat lange Zeit selbst nicht gemerkt, dass es eine Blume ist. Mit diesem grünen kühlen Duft kann man tolle Sachen anstellen, etwa wenn man ihn gegen andere Blumendüfte stellt oder einer süßen warmen Basis etwas Schwebendes verleihen möchte. Was daran extraordinaire sein soll, muss Van Cleef & Arpels mir noch erklären, für mich wäre das eher ein Layerkandidat im Stile Jo Malones oder ein Simpelsoliflore von Yves Rocher.

Ich würde gerne etwas Interessanteres zu dem Parfum schreiben, es ist nur leider völlig belanglos.
4 Antworten
Baux vor 13 Jahren 11 6
7.5
Haltbarkeit
2
Duft
Fishing for ...
Insgeheim sind wir doch alle attention whores. Die schöne Fremde soll sich von der S-Bahn-Haltestange lösen, auf ihren Absätzen kehrt machen, tief einatmen und dann fragen, wie man so unverschämt gut riechen kann. Tja, die Realität sieht anders aus. Ist auch schwer, bei Minusgraden unter dickem Wintermantel eine vernünftige Projektion zu entwickeln. Wer Reaktionen will, sollte Jasper Conrans Mister probieren.

Der Duft weckt sofort Emotionen und Reaktionen – ein Protokoll:
„Uah, wart ihr gestern noch lange in der Kneipe?!“
„Kaum ist es etwas kälter, schon haben wir Smog.“
„Bist du in was reingetreten?“
„Du wolltest doch den Müll runterbringen...“
„Der Hund stinkt bei diesem Wetter auch wieder mehr, nicht?“
„Uiuiui, müssen wir schon wieder Windeln wechseln, dutzi, dutzi.“
„Ist Opa tot?“

Dabei beginnt der Duft nicht übel. Etwas boozy – welches Getränk will ich jetzt nicht spekulieren –, aber dann mufft er ziemlich schnell auf den Drydown zurück, und der besteht aus einer brutalen Tabaknote, der irgendwer übel mitgespielt hat. Das soll männlich sein und ist es auch. Aber es ist so männlich wie, nein, nicht die haarige Brust von Tom Selleck als Magnum P.I., sondern dessen Schnauzer. Und zwar, wenn man den Zigarettenrauch immer schon durch die Nasenlöcher in den Bart pustet.
Wer allerdings beim Selberdrehen schon immer dachte: toll, sexy, Wahnsinn! Der sollte Mister Aschenbecher eine Chance geben. Ich lüfte jetzt – trotz der Kälte.
6 Antworten
Baux vor 13 Jahren 9 7
5
Haltbarkeit
4
Duft
Historisches Missverständnis
Napoleon stand für diesen Duft Modell, so lehrt uns die Creed-eigene Duftbeschreibung. Stärke, Entschlossenheit, Durchsetzungskraft, Souveränität verknüpft der historisch interessierte Parfumconnaisseur mit dem französischen Kaiser. Vom Soldaten zum Imperator, zum „Weltenzerstörer“, wie Preußens Staatskanzler Hardenberg einst ihn nannte, so ein Aufstieg ist beispiellos. Noch heute träumen viele Korsen von dieser Zeit, wenn im Sommer der Wind den sanften Geruch von Neroli heranträgt. Dass ausgerechnet diese von Napoleon nachweißlich sehr geschätzte Duftzutat fehlt, sollte skeptisch machen. Tatsächlich ist die Geschichte ganz anders gelaufen.

Creeds Marketing wird zwar nicht müde zu betonen, dass die Parfums moderne, wenn auch klassisch gehaltene Kreationen unserer Zeit sind. Die 200-jährige Tradition des Hauses spiele natürlich eine Rolle, aber natürlich seien die Düfte nicht 200 Jahre alt. Zu fantastisch wäre auch eine Geschichte, die behaupten würde, diesen Duft hätte Henry Creed (damals hießen sie alle Henry) für Bonaparte komponiert. Wahrscheinlich hat nicht einmal Olivier Creed Hand angelegt, sondern ein geheimer Meisterparfumeur. Die Geschichte des Parfums wäre damit so flau wie sein Geruch.

Die Wahrheit ist viel spannender. Dieser Duft sollte eigentlich ein Parfum für Frauen werden. Napoleon Bonaparte wollte damit seiner Geliebten Maria Walewska eine Freude machen, schließlich hatte er mit Marie Louise von Österreich gerade eine andere geheiratet, was die verschmähte Mutter seines unehelichen Sohnes Alexandre ein wenig verdross. Um ihr eine Freude zu machen, sollte sie am Jahrestag (1. Januar) der beiden ein exclusives Parfum aus dem Hause Creed erhalten, das damals schon für seine Parfums berühmt war. Napoleon wäre allerdings nicht Napoleon, wenn er Henry Creed in der Sache völlig freie Hand gelassen hätte. In einer Audienz gab er dem Meisterparfumeur genaue Instruktionen, wie die schöne Polin künftig riechen sollte. Henry Creed machte sich entsprechende Notizen und komponierte verschiedene Versionen des Maria-Walewska-Parfums, die der Kaiser wohlwollend begutachtete, ohne sich jedoch definitiv zu entscheiden. Noch bevor das Parfum fertiggestellt wurde, kam Napoleon der Russlandfeldzug dazwischen.

Knapp 200 Jahre später fanden Erwin und Olivier Creed Henrys Notizen aus jener Audienz, in der dieser den Auftrag für das Parfum erhielt. Es waren nur ein paar flüchtige Worte, denn eigentlich brauchte Henry keine Hilfe, um sich zu merken, was der Kaiser wollte. Pinie sollte das Herz des Duftes ausmachen, denn Maria liebte die warmen südfranzösischen Nadelbäume, die so anders waren als die Bäume ihrer Heimat. Aber ein solcher Duft, warf Henry ein, wäre vielleicht nicht weiblich genug für eine schöne junge Frau. Vielleicht würde der Kaiser eine fruchtige Note bevorzugen. Ja, der Kaiser gab ihm recht. Aber er wollte auf die Pinie nicht verzichten. Vielleicht sollte eine süße und zugleich frische Note hinzukommen. Apfel, entschied Napoleon, wobei er auch auf die Symbolik der Frucht wissen musste, die er für seine Liaison mit einer Maitresse für mehr als angemessen hielt. Henry Creed war begeistert und begann sogleicht mit der Arbeit.

Auf dem Zettel, der mittlerweile arg vergilbt und ohnehin unleserlich geschrieben war, las Olivier Creed nur einen vagen Hinweis, den er für seinen eigenen napoleonischen Duft nutzen konnte: pineapple. Herausgekommen ist deshalb nur ein unglückliches Ananaswasser.
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