Biberfrau

Gehen wir zurück in das Jahr 2019. Damals waren frische, "seichte" und vor allem Rosendüfte ein Graus. Als würde man den Teufel mit Weihwasser benetzen, einem Vampir Knoblauch ins Gesicht drücken (gilt nicht für die Twilight-Vampire), mich 3 Tage beim Wacken-Festival aussetzen, ich könnte ewig so weitermachen. Es galt nur laut, schwer, süß, raumfüllend, Dosierung? Pah! Interessiert mich nicht! Wie mir Idole unter die Nase gekommen ist, ist mir echt ein Rätsel, aber ich habe ihn trotz allem getestet. Naja, erwartet habe ich nicht viel und habe auch nicht viel bekommen. Damals habe ich nur Rose gerochen und das wars. Eine aufdringliche, nervige Rose. Geendet ist der Test mit Kopfschmerzen und dem üblichen Versuch, den unliebsamen Duft vom Handgelenk zu bekommen, aber wie wir wissen, kleben solche Düfte ja wie Pattex an einem...
Dann kam Corona und alles hat sich verändert. Irgendwas in mir wollte den Duft unbedingt mögen. Lag es an der Werbung? Zendaya ist halt schon echt in meinen Top Ten der weiblichen Schauspielerinnen. Oder lag es am Lied? War es die Kombination aus allem? Jedenfalls habe ich nicht aufgegeben und immer wenn sich die Möglichkeit ergeben hat, habe ich tapfer getestet und versucht, den Duft zu mögen. Es war jedes Mal das gleiche, eine furchtbare Enttäuschung, weil wirklich JEDES VERDAMMTE MAL sich diese blöde Rose in den Vordergrund drängen und alles übertönen musste. Irgendwann hab ich dann aufgegeben. In der Schwangerschaft und der ersten Zeit nach der Geburt habe ich das Thema Parfum eh erst mal ganz sein lassen.

Jetzt drei Jahre später ist alles anders. Die Krawallschachteln (ich meine meine lauten, schweren Düfte) sind ausgezogen und haben Platz für Neues gemacht. Fast meine komplette Sammlung ist ausgetauscht und jetzt ratet mal, wer gleich mit zwei Schwestern eingezogen ist...
Passiert ist das so: Meine Kollegin steht morgens am Wasserspender und duftet einfach nur unfassbar gut. Mein Gehirn geht sämtliche Düfte durch, aber gibt mir kein Ergebnis, also frage ich sie was an ihr so toll duftet. Es riecht wie morgens gut geschlafen, pfeifend/summend ins Bad gewackelt, eine aufmunternde Dusche genommen und singend zum Lieblingslied mit Sonnenstrahlen im Gesicht sich für den Tag fertig machen. Man geht zum Kleiderschrank und sucht sich sein Lieblingswohlfühloutfit für "draußen" (Arbeit, Einkaufen, etc.) raus. Es riecht frisch gewaschen, Spuren von rosigem Weichspüler schwingen mit. Der Duft verändert sich über Stunden hinweg kaum, nur gegen Ende zündet jemand noch eine Vanilleduftkerze an.
Als sie mir sagt, dass sie Idole trägt, bin ich völlig perplex. Ich frage, ob das irgendein Flanker ist. Nein, es ist das "stinknormale". Uff, das muss sich erst mal setzen. Daheim direkt nach der Probe gesucht und plötzlich war er wieder da, der Zauber, den ich morgens am Wasserspender erlebt hatte. Das war die erste Probe, die ich jemals leergemacht habe.

Lange Rede kurzer Sinn, 30 ml sind eingezogen und wurden zu meinem täglichen Begleiter. Jetzt residieren hier 100 ml inkl. Bodylotion und den Schwestern Now und Nectar und ich frage mich, liegt es am "Alter"? Sind es die Hormone? Ach eigentlich ist es mir egal, ich bin so froh, dass ich meinen Signature gefunden habe.

Ein Moschus-Träumchen ist eingezogen und ich finde es immer noch gut! Ich weiß gar nicht wie und wo ich anfangen soll. Kennt jemand noch das rosa Plastik-Ei von Ulric de Varens? Hieß mal lily prune, mal Cotton musk und dann wars weg. Was für ein Verlust! Ersatz war nie wirklich zu finden, bis MAC 2017 die Shadescents rausgebracht und Creme d'nude seinen Weg zu mir gefunden hat. 3 Flakons später wieder eingestellt () und wieder kein Ersatz zur Hand. Inzwischen habe ich Ersatz für das rosa Plastik-Ei ebenfalls von Ulric de Varens und nennt sich (Überraschung) Cotton Musk und jetzt hat sich Kayali Musk 12 still und heimlich reingeschlichen.
Für die, die alle Düfte nicht kennen:

Das Plastik-Ei/Cotton Musk ist ein süßer Moschusduft, der leichte Anklänge von frischer Wäsche hat, getrocknet durch salzige Meerluft.

Creme d'nude ist ein weicher Moschusduft, der ein bisschen "hautig" duftet. Keine Wäsche, kein Moschus-Ochse, eher kurz vor der Arbeit geduscht, aber eben nicht mehr ganz frisch.

Musk 12 ist eine Mischung aus beiden Düften mit einem Hauch Prada Candy. Er kommt in sanften, weichen Wellen und hüllt mich in einen seidigen Kokon. Sillage ist nicht weltbewegend, aber um sich gepflegt und wohl zu fühlen reicht es. Man will ja nicht immer gleich mit der Tür ins Haus fallen.

Hätte nicht gedacht, dass nach meiner fast zweijährigen Duftflaute doch mal wieder was so einschlägt. Bin dann mal wieder in meinem Kokon.

Seit Monaten habe ich auf den Tag hingefiebert, an dem dieses Wässerchen bei mir eintrifft. Was hatte ich mir schon bereitgelegt. Einen Text, garniert mit den besten Stellen meines Lieblingsliedes von den Ärzten (Wie es geht). Die Lobeshymne schlechthin sollte das hier werden. Diese Kombination an Duftnoten schreit doch förmlich nach mir. Was ist? Alles mit einem Sprüh weggesprüht. Wie vom Winde verweht. Nix. Aus und vorbei.

Die Duftnoten waren so verführerisch und genau mein Beuteschema. Ich meine, was soll da schon schiefgehen? Seit ein paar Monaten bin ich, was das Testen angeht, nicht mehr so experimentierfreudig und sprühe lieber erstmal auf einen Teststreifen bevor die Haut dran ist. So auch bei This is us. Der erste Moment ist eine süße Wucht aus Vanille und Sandelholz. Meine Nase ist Granaten ja gewohnt, aber das war schon etwas zuviel des Guten. Und ja, da riecht tatsächlich was nach Dill. Gedanken hierzu waren von "Hm" über "doch, eigentlich gar nicht schlecht", "Uff, ich weiß ja nicht" zu "Nee, sorry". Aber ich gebe ja nicht einfach so auf. Das ist DER Duft, der, den ich in Gedanken schon zu meinem neuen Signatur auserkoren hatte. Das kann ich nicht akzeptieren, wie das hier grad läuft. Also dem Ganzen Zeit gegeben. Und da war es. Mit der Zeit hat sich ein sanfter, vanilliger Moschus-Duft entwickelt und eingestellt. Da ist es! Genauso hab ich es mir vorgestellt und rauf aufs Handgelenk. Aber was wird das denn jetzt wieder? Das Sandelholz meint es zu gut oder fühlt sich viel zu wohl. Es nimmt eine Keule in die Hand und schlägt damit mit voller Wucht immer wieder zu. Zwischendurch darf die Vanille auch mal ran und so geht das immer zu im Wechsel. Irgendwann einigen sich beide und machen gemeinsame Sache. Sie zeigen dir, wer hier das Sagen hat. "This is us", "Wir gegen den Rest der Welt", aber ohne mich. Die beiden ziehen sich nach ihrer Krawallzeit kurz zurück und dann wird der Duft irgendwie... ja, wie beschreib ich das jetzt... hohl. Ihm fehlt was. Schwächer wird er nicht, das ist es nicht. Irgendwie unstimmig wird er jetzt und dann kommt auch schon nach kurzer Verschnaufpause die süße Wucht zurück. Wie gesagt, ohne mich. Wo bleibt mein Retter in der Not? Wo ist das Patchouli? Eingeschüchtert? Keine Lust? Anderweitig beschäftigt? Besseres zu tun?

Die Haltbarkeit ist (wie bei allen Düften, die man nicht so toll findet) natürlich bombastisch. Der Teststreifen beduftet immer noch das Zimmer (seit heute Mittag), aber Duschen konnte dem Ganzen zumindest auf der Haut ein Ende setzen. Der Flakon ist jetzt auch kein Highlight. Ich wollte ihn unbedingt mögen, aber das wird nichts. Da wurde ich heute unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Selten geht es mir so. Ich rieche, denke joa bast scho. Sprühe ein paar Tage später wieder, denke wieder joa bast scho. So gehen dann Wochen, Monate ins Land und ich weiß einfach nicht was ich davon halten soll. Irgendwas lässt mich nicht los, irgendwas will aber nicht so recht. Ich muss es immer wieder aufs Neue probrieren; jedes Mal sammel ich neue Eindrücke. Bin ich gut drauf, ist auch der Duft völlig in Ordnung, bin ich weniger gut drauf (was die letzten Monate OFT vorkam) oder gestresst oder was auch immer, auf alle Fälle nicht guter Dinge, vermiest mir das mein Dufterlebnis. Aber richtig.
Vanille West Indies kam letztes Jahr im März zu mir. Genau da, als die Grippewelle wütete und auch nicht vor mir Halt gemacht hat. Dieser unschuldige Duft kam bei mir an und ich habe ihn verteufelt. Bäh, süße, pappige, künstliche Vanilleplörre (liebes Vanille West Indies, hör bitte weg, das war nicht so gemeint). Bäh. Ich war einfach nur enttäuscht, weil ich mir so viel davon erhofft habe und was war? Nix wars! Ich dachte mir echt, das ist der Duft der hier so hochgelobt wird?? Euer Ernst?? Ich gebe zu, der Grippewahn hat 90 % dazu beigetragen, dass ich diesen Schatz erstmal ein fast ein Jahr links liegen gelassen habe.

Zeitsprung. Oktober 2018. Zu diesem Zeitpunkt steckte ich mitten in schweren Zeiten. Was macht man in schwierigen Zeiten? Man sucht nach Entspannung, Erleichterung, was muschelig-kuscheliges. Ich, rastlos auf der Suche nach DEM Duft, dachte mir, Mensch, du hast so viele Abfüllungen, mach doch die erst mal leer, bevor du gleich wieder kaufst. Ok, gesagt getan. In schweren, unruhigen Zeiten zieht es mich zu den süßen, einlullenden und warmen Düften. So ein Gefühl von Geborgenheit, ihr wisst schon... Aber was sollte das sein, das mir dieses Gefühl vermittelt? Ich ging meine Abfüllungen durch und blieb bei Vanille West Indies hängen. Ähh das war doch der pappig süße? Der hat dir nicht gefallen, lass es. Aber nein. Ich dachte mir, oh den hast du aber schon lang nicht mehr probiert. In der Weiterziehen-Ecke ist er nicht gelandet, also muss er doch irgendwie passen...
Joa, ein Sprüher aus der Abfüllung und ich denke mir so hmmm joa... hmm... *schnüffel schnüffel* nicht schlecht.... Das Spiel ging einen Monat, immer wieder ein Sprüher auf den Handrücken und schüffel, schnüffel, schnüffel.
Als ich mich dann in einen wandelnden Vanillepudding verwandelt habe und inzwischen schon drauf angesprochen wurde, was hier denn so (wie schon erwähnt) nach Vanillepudding riecht ("Riecht schlecht??" "Nee, voll gut.") , habe ich mich dazu entschieden, den Flakon einziehen zu lassen. Ich bereue es bis heute nicht.

Vanille West Indies ist einer der wenigen Düfte, der in mir das ultimative Wohlfühlgefühl auslöst. Wenn ich ihn trage, fühle ich mich einfach wunderbar, entspannt und einfach toll. Vanille West Indies umarmt mich, wenn ich dringend eine Umarmung brauche, er gibt mir ein wohlig, heimelich-geborgenes Gefühl. Er eckt niemals an und stört niemanden. Er schreit nicht Hier ich bins, nicht mit brachialer Gewalt, wie es manch andere aus meiner Sammlung handhaben. Nein, er hält sich dezent zurück, bleibt aber trotzdem gut wahrnehmbar. Ein toller Duft, der mit nur einem Sprüher auskommt und sich so lansgam in mein Herz geschlichen hat. Als ob er einen den ganzen Tag über in Watte packt und vor "schrecklichen Ereignissen" bewahren möchte.
Wer hier einen komplexen Duft sucht, sucht leider vergeblich. Wie schon erwähnt What you see (smell) is what you get. Vanille at its best. Es gibt keinen Duftverlauf. Aufgesprüht bleibt er wie er ist und das wirklich den ganzen Tag. Ich beschreibe Düfte gern mit Liedern und dieser hier ist für mich Dreams von Fleetwood Mac.

Vanille West Indies ist meine Auszeit, mein Ruhepol, mein Rückblick auf vergangene Zeiten, durch die ich das geworden bin, was ich gerade bin. Er erdet mich und bringt mich zurück ins Hier und Jetzt. Mit ihm hat sogar meine rastlose Suche ein Ende gefunden. Niemals mehr ohne dich.

Oh, thunder, only happens when it's raining
Players, only love you when they're playing
They say women, they will come and they will go
When the rain washes you clean, you'll know
You'll know

Alien. Du warst damals mein Endgegner. Mein Gott warst du heftig. Viel zu laut und zu schrill. Außerdem warst du "der Neue". Erstmal abgelehnt. Ich wiederhole damals. Gott sei Dank verändert man sich im Lauf der Jahre und so auch der Geschmack und die Wahrnehmung. Was für ein Glück, auch diesen Sinneswandel durchgemacht zu haben. Du zählst seitdem zu meinen unstreitbaren Lieblingen.

Es war einer dieser Tage, an denen ich wusste, heute passiert etwas außergewöhnliches. Irgendwas war nicht so wie immer. Ich kannte dich vom Hörensagen. Du hattest dich auch schon teilweise unter die Menschheit gemischt und im Verborgenen deine Operationen ausgeführt, Menschen mit deinem betörenden Duft zu narkotisieren und sie unfähig des Denkens und Handelns zu machen und um dann eiskalt zuzuschlagen. Diese Mischung aus ambriertem Holz und Jasmin, absolut tödlich. Deine lila Erscheinung lässt einen aber auch erstarren! Wie wunderschön das ist! Wer auf diesen außerirdischen Angriff nicht vorbereitet ist, hat gnadenlos verloren. Nimmt man den bitteren metallischen Anfang wahr, ist es schon zu spät. Das nicht-irdische Gemisch aus Jasmin und Amber breitet sich im menschlichen Nervensystem aus und legt alles lahm, vergiftet alles bis in die letzte Nervenzelle. Wird zweimal gesprüht, ist man einer ihrer. Man wird ins Raumschiff gebeamt und kann sich an nichts mehr erinnern (es sei denn, man heißt Eric Cartmann). Deren Geheimwaffe ist eindeutig süßer Jasmin, der (oder die?) seine (ihre) Tentakel ausfährt und einem damit umschlingt und alles vergessen lässt, weil man sich völlig im Delirium befindet. Wacht man am nächsten Tag in seinem Bett wieder auf, fühlt man sich leicht mitgenommen, aber irgendwie wohlig und zufrieden. Wie soll man das beschreiben? Was ist passiert? Tja, könnte ich mich dran erinnern, würde ich es euch sagen können ;)

Mal in der Jetzt-Zeit:
Ja, ich kann mich erinnern. Und ich erinnere mich jedes mal gern. Diese Reisen mit meinem Alien mache ich nun schon lange mit und ich werde nicht müde. Ich könnte jeden Tag damit auf die Reise gehen, ich liebe sie. Müsste ich Alien (bzw. meine Reisen) mit einen Lied beschreiben, wäre es Happy days are here again von den beiden wundervollen Frauen Barbra Streisand und Judy Garland.
Alien. Ich fühle mich so gut mit dir. Du bist mein Rückenstärker, mein Seelentröster, du fährst mich runter (bzw. hoch, wenn es nötig ist), mein Ich-fühle-mich-heute-ultimativ-bombastisch-gut-Duft, mein Stimmungsaufheller, du bist meins!