Calista

Spielen wir ein wenig mit Klischees.
Ich bin nicht gerade das, was man eine "typische Frau" nennen würde.
Ich hasse einkaufen, jeglicher Art.
Ich trage nie hohe Hacken (denn damit, simmer mal ehrlich, würde ich auf die Gosch fallen).
Romantische Filme sind mir zuwider; das Jauchzen, das seinerzeit "Titanic" ausgelöst hat, hat sich mir nie erschlossen (und, abgesehen davon, habe ich den Schinken in Gefühlssoße nie gesehen..wozu auch, ich weiß ja, wie er ausgeht).
Ich rülpse, wenn es mir schmacket, und lache mich halbtot, wenn man deshalb die Nase rümpft, jahaaa!
Kuschelrock bei Kerzenschein hat es bei mir nie gegeben, es gab allenfalls Grablichter mit The Cure auf Repeat..und doch war ich nie Grufti oder Gothic oder wie auch immer sich diese Szene nennt.
Ich bin halt anders, unangepaßt, in stillen Momenten laut und in lauten Momenten still.
Aber - Hand auf's Herz - im tiefsten Inneren bin ich ja doch so'n richtiges Mädchen. Eines, das Schuhe liebt (wenn auch nix hochhackiges) und hübsche Ohrringe und Schminke; eines, das leidenschaftlich gern mit Barbiepuppen spielte und insgeheim total auf Limahl abfuhr.
Für solche Mädchenmomente ist LouLou wie geschaffen.
LouLou ist gepuderter Wumms, laute Stille, Romantik, Schmetterlinge im Bauch. Zugegebenermaßen ein klitzekleines bißchen angestaubt, aber nichtsdestotrotz so fucking beautiful...
Ich kann diesen Duft nicht aufdröseln, kann nicht sagen, wonach er duftet oder welche Note ich besonders herausrieche (auch wenn ich sagen muß, daß man die Verwandtschaft zu Eden sofort erkennt).
Ich kann nur sagen, wie ich mich mit LouLou fühle:
80er Jahre, hochtoupierte Haare ( StuStuStudioline...), Schulterpolster alá Linda Evans, Stulpen und Netzoberteile und mitten in der Pubertät. Hormone tanzen Polonaise und alles ist aufregend und wenn ein anderes Mädchen aus der Klasse denselben Pulli trug, war es der Weltuntergang. LouLou ist Unbeschwertheit, Jugend, Depeche Mode mit pickeligen Gesichtern.
Allein für diese Achterbahnfahrt zurück in DAS Kultjahrzehnt liebe ich LouLou und vergesse für eine Weile Alltagssorgen und Berufsstreß.
Das Mädchen in mir freut sich über jeden Sprühstoß aus dem babyblauen Kitschflakon.

Ich schließe mich Knurli an: die Schneefee hat ihren Beruf verfehlt.
Zahnfee wäre sehr viel passender gewesen, denn statt Schneegestöber gibts Blendi, Blendi und nochmal Blendi.
Jedes Kind meiner Generation putzte sich mit Blendi die Milchzähnchen, wobei ich, wie vermutlich viele andere auch, einen enormen Verschleiß an der rosa Zahncreme hatte. Das Zeug war aber auch lecker!
Heute, 30 Jahre später rieche ich die Schneefee und bin mir nicht sicher: will ich nach Blendi duften? Nach Kinderzahnpasta?
Ich weiß nicht recht...denn die Blendinote hält ziemlich lange vor, es dauert eine ganze Weile eh sich die erwähnten Süßigkeiten blicken lassen.
Aber, alles in allem, ist die Schneefee ab und an eine Zeitreise wert.
Dann seh ich mich im Geiste in meinem Lieblingsschlafanzug (weiß, mit roten Blümchen) im elterlichen Badezimmer stehen (damals wie heute froschgrün gefliest), und irgendwann kommt Mutti rein weil man sich verdächtig lang die Beißerchen putzt.
Dann werde ich ins Bett gepackt und geknuddelt und beim einschlafen hat man den Geschmack von Blendi auf der Zunge.
Danke für schöne, muckelige Erinnerungen.

Letzten Samstag auf einer Geburtstagsfeier gewesen.
Musik: viel zu laut.
Location: Partykeller.
Getränk: Sambuca.
Essen: Chili con Carne.

Unterhielt mich mit nem Mädel, das lange blonde Haare bis zu den Kniekehlen hatte.
Ich: Alien?
Sie: Hä?
Ich: Dein Parfum.
Sie: Ne, das ist so'n lilanes.
Ich: Ach.
Sie: Ist von Diesel.
Ich: Loverdose?
Sie: Genau.
Und sie schüttelte weiter ihr Haar zur Musik

Ich hätte schwören können, dass sie Alien trug. Sambac ohne jede Gnade, aber genial.
Hmm.

Daheim: Loverdose aufgelegt.
Duft: Lakritz, Lakritz und viiiel Lakritz.
Sambac: Nicht wirklich. Jedenfalls nicht so wie bei dem blonden Mädel.

Don't get me wrong, ich mag Loverdose.
Echt jetzt.
Aber Sambac läßt sich bei mir/ an mir nicht riechen. Das ist bei Alien ja das Zeug, das dessen Suchtfaktor ausmacht.
Loverdose hält und hält.
Lakritz mit Vanille, konfektig.
Aber Suchtfaktor? Fehlanzeige.
Könnte ich mehr Sambac ausmachen, aber neee, Pustekuchen.
Loverdose tanzt nicht Sambac mit mir.

Kennt ihr den?
Das ist ein seeehr gewürziger, ayurvedischer Tee, der eine halbe Stunde auf dem Herd kochen muss. Anschließend wird er durch ein Sieb gegossen, mit Milch aufgefüllt und der intensive Duft verbreitet sich in der ganzen Wohnung.
Weihnachtlicher geht's eigentlich kaum, denn hier sehr präsent: Zimt, Nelke und Kardamom.
Außerhalb der Weihnachtszeit riecht man diese Gewürzbombe nur in indischen Restaurants.
Coeur de Noisette ist quasi tragbar gemachter Yogi-Tee.
Ich rieche weder Nüsse noch Blumen heraus, allenfalls Trockenfrüchte, aber auch nur mit viel Phantasie.
Der Gewürz-Flash ist mit einem winzigen Sprühstoß sofort da.
Leider besitze ich davon lediglich ein klitzekleines Pröbchen, würde ihn jedoch am liebsten den ganzen Advent über tragen.
Coeur de Noisette, das ist Lebkuchen und Spekulatius, Coca-Cola-Weihnachtswerbung, Zimtsterne, Lichterglanz, Yogi-Tee, Christstollen und Friede auf Erden.
Und Wham's "Last Christmas", auf Repeat.

Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Das will ich sein im tiefen Tal
dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hats auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart,
für mich so tief im Haar verwahrt...
Ich such ihn schon die lange Nacht
Im Wintertal, im Aschengrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Beerenkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei,
Und habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
...ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!
(François Villon)

Nein, gemeint ist nicht die gestöhnte Kinski-Version, und auch nicht die von Jo Van Nelsen.
Es ist eine Liebeserklärung, die ich persönlich von keinem dieser Herren vorgetragen oder gar vorgestöhnt würde haben wollen.
Es ist eine Liebeserklärung an den Sommer.

Der Sommer jedoch schwindet, der Herbst kommt mit großen Schritten und mit ihm auch dunkelgraue, kalte und unfreundliche Regentage.
Für solche Tage ist Ultrared wie geschaffen. Er ist wie eine süße Verheißung, eine Erinnerung, von der man an diesen Tagen zehren kann.
Prägnant: die Erdbeere, reif, prall und rot, verführerisch und sinnlich.
Ultrared ist ein warmer Sommerabend mit Erdbeeren und eiskaltem Sekt, trotz aller Süße erfrischend, nicht erdrückend, schwebend geradezu.
Glühwürmchen schwirren herum, Grillen zirpen und es gibt nichts zu verbessern, der Abend ist vollkommen.
Bis auf die Wehmut, die aufkommt, wenn er vorbei ist.
Sommer, mußt du denn wirklich schon gehen?