Cravache

Cravache

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16 - 20 von 64
Cravache vor 8 Jahren 14
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
6.5
Duft
Was taugt das Budget-Roja-Dupe? Oder: Warum Frauen doch immer recht haben.
Ich habe einen etwas provokativen Titel gewählt. Dennoch halte ich ihn für sehr treffend. 2015 – Roja Dove bringt seine Tutti Frutti-Linie, Aoud und Gourmand-Noten, auf den Markt. Einige Monate später bringt Lengling, neben einer erstaunlichen Vielzahl an anderen Düften, auch einen Aoud-Gourmand-Duft auf den Markt. Wenn das kein Zufall war…

Jedenfalls erinnert das Konzept unheimlich stark an Sweetie Aoud und Candy Aoud von Roja Dove. Nicht zuletzt weisen die Duftpyramiden ziemlich starke Ähnlichkeiten auf. Lengling gibt zu À la Carte die Duftnoten Oud, Sandelholz, Harze, Pistazie, Toffee, rosa Pfeffer, Vanille bekannt. Das müsste genau meine Kragenweite sein, zumal die Preise, die Lengling verlangt, sich am unteren Ende der Nische bewegen. Das klingt sehr vielversprechend!

Um es vorweg zu nehmen, À la Carte entpuppte sich als ordentliche Enttäuschung in mehrerer Hinsicht. Zusammenfassend enttäuschen mich synthetische Komponenten aus dem Chemiebaukasten des gehobeneren Mainstreams ebenso wie Kanten an Stellen, wo sie nicht hingehören. Wie spitze Ellbogen beim Kuscheln. Und nicht zuletzt stört das nicht eigenständige Konzept des Duftes.

Doch alles der Reihe nach. À la Carte eröffnet mit Pistazie. Durchaus lecker, leicht süß. Mit der Zeit wird die Pistaziennote allerding leicht nervig und vor allem kratzig, vermutlich ist dafür unter anderem auch die Pfeffernote verantwortlich. Eigentlich mag ich Pfeffer, ist doch der ziemlich puristische Pfeffer-Aoud-Duft „Malesia“ von XerJoff einer meiner Aoud-Favoriten.

Alsdann gesellt sich im Hintergrund tragend eine Note von buttrigen Carameltäfelchen dazu. Mehr britisch als deutsch, nur mäßig süß, keineswegs überzuckert, wie man vermuten könnte – das gefällt. Allerdings sind die Carameltäfelchen nicht liebevoll von Tante Mary zubereitet, sondern stammen aus dem Discounter. Schade, wirklich schade.

Allmählich wird der Duft dunkler. Ein paar Weihrauchwölklein und eine scheue Ahnung von dunklem, rauchigem Synthetik-Aoud, ein wenig an die Aoud-Komponente von Ferraris Essence Oud (ein ziemlich gelungener Aoud-Duft, der in jedes Studentenbudget passt) erinnernd, machen sich bemerkbar.

Dann wandelt sich der Duftcharakter. À la Carte wird holziger – allerdings rieche ich kein wunderbares Sandelholz, sondern ein blasses synthetisches helles Kunstholz (ein m.E. sehr treffender Begriff, der Meggi in zahlreichen vorzüglichen Duftanalysen oft verwendet), das zurzeit in vielen Düften auszumachen ist. Dazu gesellt sich ellbogenspitzes und klebriges Harz mit einer gewissen Alkoholnote und süße Vanille. Nicht überzuckert, aber doch mehr synthetisch zähflüssig als natürlich cremig - und sich immer wieder gantelnd in Erinnerung rufend.

Die Haltbarkeit ist gut, auch mehrere Handwäschen lassen den Duft nicht übermäßig verblassen, die Sillage ist eher stark. Die Marketingunterlagen benennen die Düfte hinsichtlich Konzentration als „Extraits de Sentiments“. Ja, was ist es nun? Ein Extrait oder doch nur ein Eau de Parfum? Das mag ich nicht, dass man dem Kunden nicht reinen Wein einschenkt, sondern mit Fantasiebegriffen Nebelpetarden wirft und ihn im Unklaren lässt. Sillage und Haltbarkeit jedenfalls deuten auf ein Eau de Parfum hin.

À la Carte hat nach Lektüre der Marketingunterlagen mein Interesse geweckt. Wie bereits erwähnt, entsprechen die angegebenen Duftnoten ziemlich genau meinen Vorlieben. Und Rojas Sweetie Aoud und Candy Aoud haben mich begeistert. Ein Nichtkauf (zumal zu einem wirklich attraktiven Preis) wäre da doch eine Überraschung.

„Der wird ihnen nicht gefallen!“, war der Kommentar meiner Lieblingsberaterin in der Stammparfümerie. Ich entgegnete, dass ich mir dies schlicht nicht vorstellen könne, da die angegebenen Duftnoten genau meinen Vorlieben entsprächen und dass ich bereits ähnliche konzipierte Düfte sehr mögen würde. Wohlwissend, dass sie meine Vorlieben eigentlich sehr genau kennt und selten daneben liegt. „Die Qualität…“, antwortete sie mir ganz allgemein. Und so ließ ich mir eine Abfüllung geben, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Und sie sollte nicht daneben liegen, was ich anlässlich meines nächsten Besuches einräumen musste – nicht ohne jedoch zu erwähnen, dass sie auch jenes Mal mich zur vollsten Zufriedenheit beraten hatte. Profis, die ihren Beruf mit Leidenschaft und profunder Fachkenntnis ausfüllen, sind für uns Parfumliebhaber ein Segen.

Würde ich Rojas Tutti Frutti-Düfte nicht kennen, so hätte ich À la Carte bestimmt 7,5 Punkte für das (vermeintlich) neuartige, originelle Konzept gegeben. Zudem gefällt mir, dass der Duft nicht übersüß und nicht überzuckert ist. 1,5 Punkte Abzug vergebe ich für die zahlreichen synthetisch anmutenden Duftbausteine (denen der Charme der Synthetik im Stile von Pierre Guillaume oder CdG abgeht) und das wenig hochwertige und sehr sparsam eingesetzte Aoud. Einen weiteren Punkt Abzug gibt es für das Kratzen und die Kanten, die m.E. am falschen Ort gesetzt wurden.

Nun, wer sich an Roja (oder zumindest an sein Konzept der Tutti Frutti-Düfte) anlehnt, muss sich an ihm messen lassen. Sweetie Aoud resp. Candy Aoud habe ich 9,5 resp. 10 Punkte verliehen. Wer nun Sweetie Aoud und Candy Aoud nicht kennt, den verweise ich auf die wundervollen Kommentare von Kankuro zu diesen Düften (aus Gründen der Objektivität möchte ich nicht auf meine eigenen Kommentare verweisen).

Vergleicht man die beiden Roja-Düfte mit À la Carte, rechtfertigen sich 7 Punkte für den Lengling-Duft nicht. Zumal das Konzept nicht ganz neu ist. Weiter zu bemängeln gilt, dass der Kunde im Unklaren gelassen wird, ob er ein Extrait oder ein Eau de Parfum ersteht. Roja Dove ist diesbezüglich stets transparent. So gebe ich mit viel Goodwill, den ich grundsätzlich jedem Parfum entgegenbringe, 6.5 Punkte. À la Carte-Liebhabern, die meiner Punkte-Berechnung nicht ganz folgen mögen, biete ich gerne ein kleines Pröbli Sweetie Aoud oder Candy Aoud an.
14 Antworten
Cravache vor 8 Jahren 16
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Roja, der Teufels-Parfümeur - Der Herzschlag einer himmlischen Rose
Rose von Roja Dove soll eine Rosenblüte olfaktorisch nachzeichnen, die zuerst geschlossen ist, um sich dann in ganzer strahlender Pracht zu entfalten.

Nach rund 3000 getesteten Parfums bin ich anspruchsvoll und skeptisch zugleich. Kann mich ein Rosenduft noch begeistern? Um es vorweg zu nehmen: Ja, Roja Dove, dieser Paganini unter den Parfumeuren, schafft es. Rose von Roja Dove hinterlässt mich mehr oder weniger staunend und sprachlos. Ich bin verzaubert.

Plakativ, auf Show und Schein aus, ohne Leidenschaft seien die Düfte von Roja Dove, liest man hier gelegentlich. Wie unzutreffend diese Statements sind, zeigt Rose eindrücklich. Man glaubt, als würde man ein zartes Pflänzchen in der Hand halten, das sich zu einer majestätischen Rosenblüte entfaltet, man glaubt, geradezu den sanften Atem und den feinen, aber leidenschaftlichen Herzschlag der Blüte zu spüren.

Nach dem Aufsprühen ist frische Rosengeranie zu riechen. Die Rosengeranie ist hell- bis mittelrot, frisch, leicht süßlich, eher zart und nicht wirklich tiefgründig, sondern eine noch unschuldige, junge Blüte. Etwas zitrisch-frische Bergamotte unterstreicht die unschuldige florale Morgenfrische der Geranie.

Rasch tritt Mairose hinzu. Die Mairose riecht voll, süßlich, berauschend, warm und nach einer leisen Note von Nektar. Der Duft der Mairose erinnert an die ersten warmen Sonnenstrahlen. Umhüllend, harmonisch, durchaus auch romantisch. Die Mairose wird begleitet von nicht zu prominentem, floral weißem Ylang-Ylang, der Mairose etwas Betörendes und ein süßes Lächeln auf das Antlitz zaubernd.

Nach einiger Zeit beginnt sich die bis anhin zarte Blüte zu entfalten. Ich rieche die Blütenblätter einer roten, strahlend floralen, samtigen Bulgarischen Rose. Galbanum gibt ein frisches, grünliches Gegengewicht, an das Grün einer mittelstieligen Rose erinnernd.

Und dann plötzlich ist die Blüte in ihrer ganzen strahlenden, majestätischen, intensiven Pracht da. Der Geruch einer wunder-, wunder-, wunderschönen Rose entfaltet sich. Taif-Rose. Tief, tiefsinnig, majestätisch, erhaben, in dunklem Rot strahlend, ja sogar strahlendst, intensiv, fleischig, von geradezu atemberaubender, sagenhafter Schönheit. Die Rose wirkt auf eine Weise dreidimensional und charismatisch den Raum einnehmend, als würde man ein einem surreal-prächtigen, märchenhaften Rosengarten stehen.

Etwas Patschuli verleiht der prächtigen Rosenblüte zusätzliche Tiefe und einen leicht erdigen Hauch, orientalische Gewürze, namentlich Pfeffer, Muskatnuss und ein Hauch von Zimt, verleihen eine trocken-warmwürzige Unternote.

Zur Basis hin gesellen sich zur Rose trockene, weiche, warme Vanille und eine hintergründige harzige Note hinzu. Daunenweicher, sanfter Moschus bettet die Rose im Drydown auf ein sinnlich sanftes und rosensamtiges Bett.

Rose zeigt das Duft-Verhalten eines Extraits. Die Silage empfinde ich anfänglich als stark und als im weiteren Duftverlauf, riecht man an der eigenen Haut, abnehmend. Rose ist stark, aber nicht übermäßig laut, von großer innerer Kraft. Der Duft ist wahrnehmbar noch im Raum, wenn man ihn verlässt und nach einiger Zeit wieder hinein kommt.

Mit Rose hat Roja Dove ein weiteres Meisterwerk erschaffen. Eine Rosenblüte, die sich langsam öffnet, um in tief strahlender, intensiver floraler Pracht warm und weich zu erblühen. Preislich ist der Duft auf dem Level der alt-ehrwürdigen Extraits von Guerlain.

Rose ist von solch verführerisch-charismatischer floraler Schönheit, dass es schade wäre, den Duft nicht täglich zu tragen. Ich schwebe im olfaktorischen Rosenhimmel. Wahrlich ein Duft, der mich unglaublich begeistert - authentisch und mit Leidenschaft gesegnet, dass mir die Worte ausgehen.
16 Antworten
Cravache vor 8 Jahren 13
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Die sexy Abenteurerin - Erotisches Vetiver-Oud auf Haut
Scarlet Oud ist ein Vetiver-Oud. Eher feminin, erdig, rauchig, mit grünen Noten. Und sehr, sehr sexy.

Der Scarlet Oud ist der Duft einer starken, erotischen, abenteuerlustigen Frau, die sich im Alltag zu bewähren weiß. Eine Frau, die am Abend ihr Kleid ablegt und nackig, das finden wir Männer besonders erotisch, durch die Wohnung wandelt. Noch nicht clean geduscht, keine klebrige Body Lotion, die den Körperduft überdeckt. Die Schminke vielleicht etwas verschmiert. Einfach nur eingehüllt in die olfaktorische Aura des durchlebten Tages. Wie sexy!

Michael Boadi hat ab 2011 unter dem Label Illuminum eine ganze Reihe von eher preisgünstigen Nischendüften auf den Markt gebracht. Jeder einzelne Duft ist auf seine Weise speziell, manchmal eigenwillig, oft sinnlich bis erotisch. Leider scheint Illuminum inzwischen finanziell am Ende zu sein.

Scarlet ist eine umwerfende Naturschönheit. Lange dunkle Naturlocken, tiefblaue Augen, in die man versinken möchte. Markante Wangen, wohlgeformte, leicht muskulöse Arme und Beine.

Scarlet wohnt alleine in ihrem einsamen alten Gehöft am Rande eines großen dunklen Waldes. Ihr Haus hat kein fließendes Wasser, sie wäscht sich an einer nahen Quelle im erdigen Wald. Gekocht und geheizt wird mit flechtenbewachsenem Holz am offenen Feuer. Scarlet jagt und erlegt ihr Essen selber, am liebsten zieht sie aus zur Eberjagd. Auch das Holz für den Ofen und den alten Kamin schlägt sie selbst. Oft und gerne reitet Scarlet alleine auf ihrem stattlichen, temperamentvollen Pferd durch den dunklen Wald, ohne Angst vor Wolf und Bär. Sie raubt den Wildbienen etwas vom blütenschweren Honig, stibitzt den flinken Eichhörnchen einige Nüsse weg.

Scarlet beschließt, den lebhaften Markt eines nahen kleinen Dorfes aufzusuchen, das in einer großen Lichtung inmitten des dunklen Waldes liegt. Scarlet sattelt ihr stolzes Pferd, packt ihren feuerroten derben Umhang, in dem sich von den vielen Marktbesuchen der Geruch der dort feilgebotenen pikanten, herbalen und krautigen Gewürzen festgesetzt hat.

Scarlet bricht auf und reitet durch den dichten Tannenwald. Holzfäller haben vor kurzem am Wegrand einige balsamisch riechende Tannen gefällt. Wo der Waldboden feucht und etwas sumpfig ist, wächst kräftig grüner, stark erdiger Vetiver. Nach kurzem Ritt am Dorfrand angekommen, riecht Scarlet den Duft von Oud, das gerade in der großen Markthalle geräuchert wird. Einige Äste der gefällten Tannen werden ebenfalls in dichtem Rauch verbrannt.

Nach den erfolgten Besorgungen auf dem Markt reitet Scarlet wieder auf ihr einsames Gehöft zurück. Sie zieht ihren roten Umhang aus. Scarlet kann die kräftigen Gerüche des erlebten Tages an ihrem Umhang schnuppernd noch einmal Revue passieren lassen. Rauchiges, nicht sehr animalisches Oud, tiefgrüner, erdiger Vetiver, balsamisch-grüne Tanne, einige Tropfen Wildhonig und ein paar Körnchen schwarzer Pfeffer.

Scarlet zieht ihr enges ledernes Beinkleid und ihre lederne Bluse aus und setzt sich entblößt vor den rauchenden Kamin zum Ausruhen hin. Ihr Körper ist noch warm von den Erlebnissen und Anstrengungen des Tages. Ihre Haut riecht ein wenig nach dem süßlichen Leder ihrer abgestreiften Kleidung, süßlich ihr frischer Schweiß, welcher sich mit dem Rauch des Kamins vereint.

Die Kopfnote von Scarlet Oud riecht nach Honig mit einer harzigen Facette. Die Honignote ist jedoch weder klebrig noch mädchenhaft-lieblich, sondern es ist vielmehr flüssiger Wildhonig. Die Kopfnote wird aufgepeppt von einer reizvollen pikanten Pfeffernote.

Nach kurzer Zeit wird die Kopfnote von der Herznote überlagert, betont rauchiges, dichtes, dunkles, fast gar nicht animalisches Oud (kein Kuhstall, nicht medizinisch), sehr erdiger, tiefgrüner Vetiver sowie grüne Noten von der Balsamtanne.

Nach rund 6 Stunden ist die Herznote verblasst, in der Basis verbleiben warme, süßlich ledrige, leicht animalische Noten. Weiches, warmes Bibergeil und eine kaum wahrnehmbare Nuance Zibet.

Scarlet Oud ist ein Oud-Duft, der von erdigem Vetiver, rauchigen und balsamisch-grünen Noten bestimmt wird. Der Duft ist auf eine erotische Weise leicht animalisch, aber nicht anstrengend oder herausfordernd. Scarlet Oud ist eher mit femininen Genen gesegnet, jedoch durchaus als Feierabend- und Wohlfühlduft für Herren geeignet, sei es mit Kaminfeuer und Wein - oder ohne.
13 Antworten
Cravache vor 8 Jahren 11
10
Flakon
6
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Bibergeile Nacht mit Rojas olfaktorischem Hasi
Roja Dove wurde vor einigen Jahren von einem Journalisten als Pornograph der Parfumerie bezeichnet. Von Rojas Kleidungsstil, der durchaus ziemlich porno ist, darauf zu schließen, ob ihm diese Bezeichnung gefällt, ist hier zielführend. Denn Roja Dove war von dieser Bezeichnung begeistert und machte sich sogleich an die Arbeit. Resultat: die „Parfums de la Nuit“-Reihe. Drei Parfums mit durchwegs schlüpfrigem Hintergrund: olfaktorische Betthasis. Drei in ihrem Wesen unterschiedliche Gespielinnen.

Die Düfte der Parfums de la Nuit-Reihe setzen unsere ureigenen menschlichen Grundbedürfnisse in Szene: drei Oden an die bettbezogenen amourösen Aktivitäten. Roja schreibt: „Desire calls when darkness falls“. Die Dunkelheit ruft die Lüste und Begierden hervor, die tagsüber in uns schlummern. Sexuell aufgeladene Düfte, keine Romantiker wie die Profumi D’Amore-Düfte von Roja (Amore Mio, Ti Amo, Un Amore Eterno).

Die Nummer 1 ist der Raubkatze gewidmet. Jage das Fleisch, töte das Fleisch, iss das Fleisch. Um es vorweg zu nehmen: zarte Seelen mögen diesen Kommentar nicht lesen, sondern gleich die rote Melde-Fahne unten anklicken. Denn Roja komponiert hier nicht jugendfrei.

Die Raubkatze lauert vor warmem, ledrigem, weichem Bibergeil im Hintergrund, ein Tröpflein Zibet mag ich auch nicht ausschließen. Dieser hintergründige Bibergeil-Vibe zieht sich durch den ganzen Duft. Am nächsten verwandt ist die Nummer 1 mit Enslaved (Nelke, Labdanum) und etwas weiter entfernt verwandt auch mit Fetish pour Homme, das insgesamt vordergründig lüsterner und ledriger sowie orientalischer in der Würzigkeit ist. Parfum de la Nuit Nummer 1 ist sehr sinnlich, sexuell aufgeladen, sehr warm, ledrig, würzig und harzig-süß.

Nummer 1 startet mit einem Bergamotte-Flash, der nur einen Augenblick dauert. Zack, dann ist das Kleidchen weg. Auf ein ausgiebiges Vorspiel und pseudo-originelle Miederkreationen steht die Raubkatze nicht. Dann macht sich Roja-typisches Labdanum breit. Ledrig-hell, lendenhautwarm, lendenhauterotisch, lendenhautanimalisch. Ein Geruch, also ob man der Raubkatze mit der Nase den String, ein Hauch von Nichts, auszieht und dabei an ihrer erregten Haut schnuppert.

Nach einigen Minuten entfaltet sich vor Lust flirrende Gewürznelke. An den Geruch von erregten Genitalien erinnernd. Frisch geduschte Genitalien, würde Charlotte Roche bemängeln. Kraftvoll, würzig-aromatisch, warm, nicht dreckig, süsslich-pudrig, sehr erotisch, sexuell. Ein Hauch von leicht bitterem Safran kitzelt das noch heraus.

Nach rund einer halben Stunde Raubkatzenbeilager nimmt sich das wilde Kätzchen für einen Moment etwas zurück. Zuerst gibt Balsam eine warme Weichheit, ganz wenig Vetiver betont dabei die grüne Facette des balsamischen Dufteindrucks. Alsbald machen sich helle, süßliche bis aromatische helle Hölzer bemerkbar. Ein wenig undreckiger und unrauchiger Patschuli verleiht dem Duft die Tiefe der Nacht.

Und nach 1-2 Stunden, plötzlich ist volle Vanille da. Voll wie Lippen. Rote lüsterne Lippen. Warm strahlend, pudrig und süß. Das Labdanum rückt wieder stärker in den Vordergrund, etwas ledriger als zuvor.

Zur Basis hin tritt immer mehr goldenes Harz hinzu. Ich rieche vor allem Styrax und Benzoe. Warm, fast heiß, irgendwo zwischen Honig-Anklang und ambratisch, lustvoll, süß und sehr, sehr sinnlich. Ein Geruch, als ob man warme Haut ganz sinnlich und innig massiert. Nackt, heiße Körper, innig, lustvoll. Man weiß nicht, ob man schon abhebt oder noch bebend da liegt.

Duftet nun Parfum de la Nuit Nummer 1 pornographisch? Hintergrund des Duftes ist warmes, ledriges, weiches Bibergeil. Zu Beginn, ratsch, ist das Kleidchen der Raubkatze auch schon weg. Auf ein Vorspiel steht die Raubkatze nicht. Das Raubkätzchen zeigt sich zunächst fordernd, wild, zielstrebig, auf die Lenden fokussiert, provokativ. Dann legt es eine kurze Ruhepause ein, kühlt mit hellem Holz, Balsam und Vetiver etwas ab.

Der Duft verändert seinen Charakter. Patschuli verleiht nächtliche Tiefe, das wilde Kätzchen ist nicht mehr beliebig in seinen lendenhautanimalischen Leidenschaften und Begierden, es ist nur noch auf eine bestimmte Person ausgerichtet. Nummer 1 riecht nun nach Liebe - wie die Bettwäsche. Nach Paarliebe.

Zur Basis hin wird Nummer 1 sehr sinnlich, sehr warm, süß-harzig. Liebkosend, massierend, sich steigernd, überschwappend, schmelzend, im Himmel schwebend.

Parfum de la Nuit Nummer 1 zeigt das typische Verhalten eines Extraits. Auf der Haut hält es locker mehr als 12 Stunden. Der Träger wähnt sich in einer erotischen Aura, empfindet den Duft als vermeintlich hautnah. Verlässt man den Raum und betritt ihn wieder, empfindet man Nummer 1 jedoch als im Raum präsent.
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Cravache vor 8 Jahren 11
7
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Märchenhafter Orient: Sultan Ehcavarcs fliegender Teppich
Casbah ist ein Duft, der einen zu einer Traum-Duftreise in den märchenhaften Orient einlädt. Auf einem fliegenden Teppich in der warmen und trockenen Wüstenluft, über einer alten orientalischen Stadt. Über dem emsigen, von Gerüchen pulsierenden Markt schwebend, beseelt von der warmen, würzigen Kraft und pulsierenden Lebendigkeit eines Soq.

Ein fliegender Teppich ist ein mythisches Fortbewegungsmittel, das bei uns mit den orientalischen Märchen aus 1001 Nacht in Verbindung gebracht wird. Meist handelt es sich um einen bunten Orientteppich. Doch entgegen der weit verbreiteten Vorstellung kommen in den Erzählungen aus 1001 Nacht nur einige wenige fliegende Teppiche vor. Auch bei „Aladin und die Wunderlampe“ kommt ein fliegender Teppich in der ursprünglichen Fassung nicht vor (anders als im bekannten Trickfilm von Disney).

Casbah ist ein sehr schöner, moderner, klarer, orientalischer Weihrauchduft. Es dominiert ein unsakraler, trockener, leicht rauchiger Weihrauch mit Ledernoten. Eingebettet ist der trockene Weihrauch in würzige und grüne Noten mit rauchig-holzigen und trockenen und rauchig-floralen Facetten. Im Gegensatz zu den Incense-Düften von Comme des Garçons ist Casbah aber uneingeschränkt alltagstauglich, ohne auf eine charakteristische, moderne Weihrauchnote verzichten zu wollen.

„Casbah“ ist in der ursprünglichen Bedeutung die arabische Bezeichnung für eine innerhalb oder außerhalb von Städten gelegene Festung, meist im Maghreb. Casbah bezeichnet im modernen Arabisch auch den alten Teil einer Ortschaft (resp. die historische Altstadt) in Nordafrika oder im Nahen Osten. Meist befindet sich in diesem Altstadtquartier der Soq. Der Soq ist das traditionelle, pulsierende, lebendige Geschäftsviertel mit dem lokalen Markt für die Dinge des Alltags. Olfaktorisch machen sich natürlich primär die 1001 angebotenen Gewürze bemerkbar.

Die orientalische Duftreise von Piguets Casbah beginnt im klimatisierten Geländewagen von Sultan Ehcavarc (auch die Fürsten aus 1001 Nacht gehen bei der Wahl ihres Transportmittels gelegentlich mit der Zeit). Ehcavarc öffnet die Tür seines klimatisierten Autos. Die trockene Hitze aus der nahen Wüste schlägt ihm entgegen. Frische exotische Gewürze vom nahen Soq kitzeln seine Nase. Sultan Ehcavarc verharrt einen Augenblick und zögert, ob er sein bequemes, klimatisiertes Fahrzeug verlassen will oder ob er sich auf den bunten Soq begeben will.

Der Auftakt von Casbah ist etwas harsch, vielleicht sogar etwas unfreundlich, trocken und sehr warm. Feurige, würzige Muskatnuss und schwarzer pikanter Pfeffer kitzeln die Nase. Bald tritt Engelwurz dazu, krautig und grün, würzig balsamisch und leicht bitter im Geruch.

Sultan Ehcavarc beschließt trotz der trockenen Hitze seinen fliegenden Teppich aus dem Kofferraum seines Wagens zu holen. Er rollt ihn aus, setzt sich auf seinen Teppich und schwebt damit über den lauten, überfüllten, wimmelnden, etwas hektischen Soq.

Auf seinem fliegenden Teppich sitzend umströmt ihn die warme und trockene Wüstenluft. Während er nun über den Soq schwebt, nimmt er aus allen Winkeln und Ecken der engen, verwinkelten Altstadtgässchen einen Hauch Weihrauch wahr, der in der heißen Luft trocken, etwas ledrig und harzig holzig riecht. Und er riecht die orientalischen, farbenfrohen, enthusiastisch duftenden Gewürze in den mannigfaltigen exotischen Gerichten, die in den zahlreichen offenen Soq-Küchen vor sich her kochen.

Sultan Ehcavarc lässt sich von seinem fliegenden Teppich über den duftenden Markt tragen und atmet das Gewusel der 1001 exotischen Düfte ein. Nach einiger Zeit schwebt er zu einer kleinen grünen Oase am Rande des Soq. Diese grüne Insel gewährt den Marktbesuchern etwas Ruhe und Abkühlung vom emsigen Treiben und Lärm des hektischen Soq. Weihrauch und Muskatnuss liegen noch in Ehcavarcs Nase, doch er vernimmt nun auch, mit seinem Teppich über der grünen Insel schwebend, trockene florale Noten (Iris), welche die warme Wüstenluft angenehm abkühlen, und grüne Noten, welche die trockene Luft etwas befeuchten.

Nachdem Sultan Ehcavarc einige Zeit über der grünen Insel verweilt hat, lässt er sich von seinem fliegenden Teppich weitertragen. In seinem Teppich hat sich der Geruch des rauchigen Weihrauchs festgesetzt, sodass er ihm auf seinem Flug folgt, auch wenn der Geruch des Weihrauchs immerzu etwas schwächer wird.

Allmählich wird die Wüstenluft etwas weniger trocken, Ehcavarc glaubt, feuchten Sand zu riechen. Und Sultan Ehcavarc gelangt an einen mit duftenden grünen Zedern umsäumten unbevölkerten Küstenstreifen am Meer. Er lenkt seinen fliegenden Teppich zu Boden. Er landet zwischen den Zedern, der feuchten Erde, dem Sand des Strandes und einigen vorgelagerten Vetiver-Büscheln, die vom nahen Meer ein wenig salzig riechen.

Während Casbah ziemlich harsch und sogar etwas unfreundlich startet, wird der weitere Duftverlauf von einer interessanten, in der Nase kitzelnden Spannung des Zusammenspiels der drei dominierenden Noten (Weihrauch, trockene Iris und Muskatnuss) geprägt. Während der Auftakt durch die krautige, grüne und würzige Engelwurz eher maskulin geprägt ist, ist Casbah im weiteren Verlauf unisex. Der Duft ist würzig, ohne jedoch übermäßig üppig, opulent, schwer oder überladen-orientalisch zu werden.
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