Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 7 Jahren - 05.09.2018
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Ab mit euch in die Hall of Shame!

Eigentlich sollte das ja ein Kommentar zu „Joy“ von Dior werden. Aber dann dachte ich, dass es einem so netten, harmlosen, lieblichen, süßen, schönen Duft (erwähnte ich schon nett??) gegenüber doch etwas unfair wäre, und so bin ich kurzerhand auf einen Blog umgeschwenkt. „Ab in die Hall of Shame!“ möchte ich verzweifelt manchem Parfum zurufen, das mir heute in die Nase steigt.

Haben Dior, Chanel, Guerlain, Hermés und wie sie alle heißen mögen, vergessen, wo ihre Stärken einst lagen? Dass man auf die Frage „Was ist das für ein wunderbarer Duft?“ einst mit Stolz sagen konnte „Ich trage Dior….“ oder lässig erwiderte: „Mein neuer Guerlain“ – und das Gegenüber nickte wissend und genoss, genau wie man selbst, die mitunter fundamental neue Dufterfahrung. Ich weigere mich zu glauben, dass es dufttechnisch schlicht und einfach schon alles gab – sondern ich stelle fest, dass ich auf immer mehr (und durchaus sogenannte Nischen!)-Düfte stoße, die sich SEHR, SEHR ähneln.

Andere Düfte driften dagegen in eine Richtung, wo ich mir ab und an denke: Ja, seid ihr denn alle Plemplem???? Das kann doch nicht euer Ernst sein: Asphalt, Benzin, Beton, Schmieröl und etwas, was mich verdammt an gammeligen Fisch erinnert, als DUFT? Das ist doch quasi abgehobene Nasen-Wichserei. Wenn ihr stinkenden Fisch riechen wollt, dann fahrt im Sommer nach Venedig und besucht den Fischmarkt, bevor gereinigt wird, Schmieröl findet ihr dann auch in den Kanälen. Und wenn euch nach dem Geruch von frischem Zement oder Asphalt sein sollte, empfehle ich etwa einen Ferialjob auf dem Bau.

Gibt es wirklich jemanden, der so ein Parfüm tragen will? Und damit meine ich nicht, einmal testen und vor sich hinmurmeln: „Interessantes Bouquet von Spinat an Pyrrhophyta, oder halt nein, entdecke ich da nicht eher doch Cryptophyta??? Und dieser Hauch von Vomitation, wirklich SEHR ungewöhnlich“, sondern ich meine: Eine Flasche von diesem Gebräu kaufen, sich täglich damit zu besprühen UND das auch noch zu genießen.

Doch halt, die Parfumindustrie bietet uns ja eine Alternative: Und dieses „andere“ sind Düfte wie Joy. Das Problem ist nur: dieses andere ist gar nicht so anders als all das andere andere….

Sind wir Parfümträger wirklich so angepasst, so langweilig und schlicht so feig geworden, wie mir die vielen neuen Düfte, die mir freudestrahlend von wunderbar geschminkten, jungen, schönen Menschen unter die Nase gehalten werden, suggerieren? Unweigerlich begleitet von einem „So ein schöner NEUER Duft….“. Haben die Marketing-Strategen ja vielleicht Recht und wir haben alle keinen Mumm mehr in den Knochen?

Oh nein, ich weigere mich, das zu glauben: Denn, haben wir nicht früher mit Charakter-Düften, die eindeutig zu erkennen waren, auch unsere Männer verführt? Haben wir nicht mit Gewürzen, Moos in ordentlicher Dosis, Moschus und Ambra, die den Namen verdienen, auf Bällen gepunktet? Harz und Holz rochen noch nach: bitte festhalten: nach Harz und Holz und wurden nicht verschämt in Mini-Dosierung hinter anderen Duftnoten versteckt.

Nein, ich will hier nicht in Nostalgie-Gesülze verfallen: Manche Düfte, die Gott sei Dank im Schatten der Vergangenheit verschwunden sind, sollen bitte auf jeden Fall dort bleiben. Sogar die bloße Erinnerung an manche 80er Jahre Überdosierung kann mir heute noch Alpträume verursachen.

Aber trotzdem, was zu weit geht zu weit: Dieses Ausmaß an Anpassung, Langeweile und nur niemanden Verschrecken, ist für die einst großen Parfumhäuser dieser Welt eine Schande! Das musste mal gesagt werden!

So: Und jetzt gönne ich mir eine Überdosis „L’heure Bleue“ auf dem einen Arm, Chanel No 5 auf dem anderen, Madame Rochas kommt auf das eine Bein, Vintage Dune auf das andere – und das einzige echte wahre Joy von Patou schütte ich mir einfach aufs Dekolleté!!! Ha!!

31 Antworten
FrauLohseFrauLohse vor 7 Jahren
Bedarf scheint also da. Insofern wird wohl einfach am Baum gerüttelt und geguckt, was runter fällt und einer von 100 Düften wird es dann sein, der alles überlebt. ;) Der Trend zur Nachhaltigkeit kommt wieder & je mehr wir unsere Kinder dazu erziehen, desto schneller ist er da. :)
FrauLohseFrauLohse vor 7 Jahren
Um jetzt nicht weiter den "Früher war mehr Lametta" Ton zu füttern, die jede Generation von sich gibt & immer behauptet, die Generation nach ihr sei einfältig, eintönig & habe einen schlechten Geschmack: wir sind in allen Bereichen eine furchtbare Wegwerfgesellschaft, warum erwartet man da, dass die Parfumindustrie es anders macht. Wie das Handy für exakt 2 Jahre ausgelegt ist, ist Parfum auch nur eine Saisonware. Hier schreit man zudem auch stetig nach neu & innovativ, alles alter Hut. Der....
TIA1971TIA1971 vor 7 Jahren
Da bin ich ganz bei Dir. Gerade heute morgen im Bus: Zwei "Damen" so um die 20 - beide riechen genau gleich. Gut, vielleicht nutzen sie auch das gleiche, weil gute Freundinnen oder so, ABER: Die rochen auch genau, wie meine junge Nachbarin von oben! Die hat nicht unbedingt den gleichen Duft, riecht aber genau so. Andererseits: Sind Schlaghosen in, tragen (fast) alle Schlaghosen, sind Skinnyjeans in...Ihr wisst was ich meine, es wird getragen, sowohl Hose, als auch Duft, als auch...weil "in"...
Hasiputz80Hasiputz80 vor 7 Jahren
Stimme ganz mit Blauemaus überein....
SeeroseSeerose vor 7 Jahren
Du hast ja soooo Recht. Ich kann nur eine Ursache mit vermuten: Die optimierte Gaschromatographie-Technik, damit hat die Turboherstellung von Duftstoffen und eben Parfüms begonnen. Jetzt kann man damit sehr viel mehr Geld machen, weil man VIEL und große Massen an Parfüms ohne Mühe billig herstellen kann.
DuftsuchtDuftsucht vor 7 Jahren
Ich glaube, ich muss gleich noch einen Blog schreiben: Ich finde es gut, wenn manche Dinge gegen den Zeitdruck und das immer-schneller gehen. Unser- ganz junger und hervorragender Tischler, der ein echter Künstler ist, überzieht jeden Liefertermin und meinte dann treuherzig "Meine Kunden warten eigentlich alle ganz geduldig...":) Und das tun sie, weil die Dinge, die er macht, so liebevoll gearbeitet und wunderschön sind, dass es vorher Vorfreude ist und sich das Warten lohnt!!!
DuftsuchtDuftsucht vor 7 Jahren
Für mich ist eine tolle Ausnahme: Nasengold! Als ich nachfragte, ob (endlich) wieder einmal ein neuer Duft käme, kam die Antwort: "Kann sein, dass wieder etwas Neues kommt, aber da lasse ich mir immer viel Zeit". Die Einstellung, dass es Zeit braucht, um etwas zu erschaffen, hinter dem man als Schöpfer auch stehen kann, ist doch super! Bei Nasengold gefallen mir auch nicht alle Düfte gleich gut, aber da habe ich trotzdem immer das Gefühl, es stecken neue Ideen-und Mut zum Risiko- dahinter.
JoTJoT vor 7 Jahren
Um bei der Marke zu bleiben: Damals hatte man für einen wirklich noch guten Lacoste (1984) noch rund 40-50 DM für einen großen Flakon bezahlt. Die Marke war neben anderen heute Hochpreisigen im unteren bis mittleren Preissegment im Mainstreamsektor angesiedelt. Heute zahlt man umgerechnet das Dreifache für nen aktuellen Duft, inzw. dann von Coty, L'Oreal, Procter & Gamble usw und produziert oder vermarktet, die mit null Herz/Liebe an die Sache gehen und nur profitorientiert arbeiten. Traurig!
JoTJoT vor 7 Jahren
Seit Jahren krieg ich nen Föhn, wenn ich durch die Parfümerien wandere - gepflegte Langeweile mit ein paar wenigen Ausrutschern in die richtige Richtung. Wenn ich mir dann noch die Preisentwicklung ansehe, wird mir schlecht. Qualität runter, Preis rauf!
Warum zahle ich hier in einer der beiden großen Parfümerieketten D/P um die Ecke für einen extrem langweiligen und (ohne jetzt einen der Träger persönlich beleidigen zu wollen) beliebigen, überflüssigen Duft mittlerweile 70 Euro oder mehr?
Rubikon66Rubikon66 vor 7 Jahren
Alles völlig richtig! Aber bitte nicht vergessen: Die meisten Menschen die Parfüm kaufen interessieren sich nicht oder nur am Rande für Düfte. Die Leute orientieren sich an dem was die anderen so haben, was die Werbung wärmstens empfiehlt, Werbevideos und Blogs im Internet.
Viele der alten großen Parfümhäuser wurden in Holdings zusammengefasst und existieren eigentlich nicht mehr.
80er Überdosierung: Lieber unterhaltsame Albträume als keine Träume.
DuftsuchtDuftsucht vor 7 Jahren
Es geht mir gar nicht um den Geschmack derer, die ein Parfum tragen. Aber die Gewinnmaximierungs-Strategien früher großartiger Parfumerzeuger halte ich für eine Sackgasse. Diese Massen an Parfums, die in schneller Folge auf den Markt geworfen werden, wirken zum Teil nicht mehr sorgfältig und liebevoll komponiert. In meiner Sammlung findet sich ja auch ein buntes Durcheinander!
KnickzimtKnickzimt vor 7 Jahren
Jede Epoche hat halt ihren sound und ihren Duft. Ich mag das auch nicht, aber wir sind doch alle frei. Ich finde so fundamentales Gemecker an bestimmten kulturellen Gegebenheiten immer recht fruchtlos. ich weiß, was du meinst, natürlich. Aber mach dir doch keinen Kopf drum, was die „meisten“ sagen oder finden. Du hast deine eigene Art, das ist das wichtigste.
KnickzimtKnickzimt vor 7 Jahren
Ich seh es so: Es gibt nach wie vor das Besondere. Wir sind Experten und können uns ch zum Glück daran bedienen. Uns kann es doch gleich sein, wie der Massengeschmack ist. Der soll immer so sein, wie er ist. Man muss ihn nicht teilen. Wenn du Klassiker magst, ist das doch cool. Ich mag zum Beispiel keine. Ich mag aber auch nur wenige Düfte, die Douglas führt. Es ist doch nicht so schwarz und weiß. Jeder darf sich auf der Welt seine Nische suchen. Und viele suchen sich halt die aus, wo alle sind.
SchwälbchenSchwälbchen vor 7 Jahren
Sehr gut geschrieben, ich bin ganz deiner Meinung. Selbst die reformulierten Oldies übertreffen den heutigen Einheitsbrei um Längen.
MantusMantus vor 7 Jahren
... einen teilweise dummdreisten Preis zu verkaufen.
MantusMantus vor 7 Jahren
Die Dufthäuser machen ja solche "Umfragen" an den potenziellen Kunden und orientieren sich an diesem "Geschmack" und genau sowas wird dann auf den Markt geschmissen. Ganz ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, dass da echte Menschen, sondern Roboter gefragt werden, denn unter so einer extremen Geschmacksverkalkung kann nun wirklich niemand leiden. Aber es ist eben auch dem wirtschaftlichen Aspekt geschuldet. So weng wie möglich Geld einsetzen, so wenig wie möglich Arbeit investieren, um es zu..
MeggiMeggi vor 7 Jahren
Selbst wenn. Die Bemerkung halten die aus, müssen die aushalten. Spannend, werde ich testen. Vielen Dank!
DuftsuchtDuftsucht vor 7 Jahren
Oh je, oh je! Ich hätte wissen müssen, dass diese Frage kommt, Meggi: Sel Marin von Heeley ist (sicher nur auf meiner Haut und in meiner Nase :)))) der allerschlimmste gammelige Fisch.... die zahlreichen Besitzer sehen das ganz sicher nicht so.....
MeggiMeggi vor 7 Jahren
Welche Düfte erinnern Dich an gammeligen Fisch? *vor-neugier-fast-platz*
MokkaMokka vor 7 Jahren
In den 80ern trug ich Öle aus den Indienläden oder wo diese kleinen Fläschchen verkauft wurden. Später dann echtes Amberöl, z.T. direkt aus Indien. Meine Mitmenschen sind heute froh, wenn ich nur nach Garage dufte. :-)
MokkaMokka vor 7 Jahren
Ich habe Guerlain etc. nie wirklich kennengelernt und wusste bis vor kurzem noch nicht mal, was ein Flanker ist. Allein schon die Duftnoten in den meisten Parfums schrecken mich ab und lassen mich das Weite suchen. Warum nicht morgens auf dem Garagenboden wälzen und gut beduftet in den Tag starten? :-)
CocktailCocktail vor 7 Jahren
Am schönsten ist dein Begriff "Nasen-Wichserei":-)))) Das wird hier wirklich manchmal betrieben und ich kapier es auch nicht;-))) Was den Joy betrifft handelt es sich wirklich um ein laues, völlig überteuertes Düftchen, aber wenigstens nicht um übersüße Zuckerwatte-Plörre.
LilauLilau vor 7 Jahren
Du hast recht! Ich finde Joy gar nicht mal schlecht und durchaus angenehm, aber, der duftet ab der Herznote genau wie mein Allure!;( Dann zahlt man für diesen Neuen gleich mal mehr, nämlich 67 Euro. Wenn man dann am Tag ein paar Mal nachsprühen muss, ist der 30 ml Flakon in 2-3 Wochen leer! Dann wird wohl Ende des Jahres ein Joy Intense auf den Markt geschmissen, der kostet dann gleich doppelt so viel und im Frühjahr kommt das Joy, EdT raus, für die, die's frischer mögen! Wetten!;-)
Marion387Marion387 vor 7 Jahren
Und auf den Rücken bitte noch eine grosse Portion "Je Reviens"!
Turandot und Duftsucht: Wo kann ich bitte mitunterschreiben???
Veritas23Veritas23 vor 7 Jahren
Gutes Beispiel auch dafür: damals gab es zu jedem Duft eine ganze Serie von Pflegeprodukten dazu.( After Shave Balm, Deo Stick etc. Heute bekommt höchstens der Original Duft noch ein Duschgel.
Veritas23Veritas23 vor 7 Jahren
Zch denke vieles was du beschreibst idt leider auch der immer schneller werdenden Konsumschleife geschuldet. "Früher" kam ein Duft von einem Hersteller so alle 5 Jahre gefühlt raus. Die Erschaffung eines Duftes dauerte schon solange.Heute wird im halbjahres Takt ein neuer Flanker heraus geschleudert. Was du beschreibst mit dem Geniesen ist leider zu einem_" ja riecht ganz nett, wann kam nochmal der neue von (insert random Firmennamen). Früher war nicht alles besser, aber Ruhiger.
IziaIzia vor 7 Jahren
Mich stört es auch sehr, dass es so viele Neuerscheinungen pro Jahr gibt, vor allem die Flankerei. Ich mag Flanker, aber dann bitte gut gemischt und dauerhaft in der Linie. Das Ersetzen durch Veränderung der Duftoten wie es Dior immer mal wieder mit bspw. Miss Dior macht, empfinde ich nicht sehr kundenfreundlich. Auch Guerlain ersetzt gerne mal einen Duft der Linie mit einem völlig unterschiedlichen (z.B. bei La petite robe noire). Das nervt mich.
TurandotTurandot vor 7 Jahren
Wo kann ich unterschreiben? Wenn früher Guerlain einen neuen Duft brachte, dann konnte man sicher sein, dass man das Ergebnis noch nie vorher gerochen hatte, dass das Parfum eben nicht so ähnlich war wie XY, weil XY sich gerade so gut verkaufte. Trotzdem waren die Düfte nicht nur intensiver als heute - das glaube ich gar nicht - sie waren charakteristischer, ohne auf Teufel komm raus originell sein zu wollen.
DuftsuchtDuftsucht vor 7 Jahren
Stimmt alles, und ich finde den Joy von Dior ja gar nicht schlecht. Aber ich würde mir sehr wünschen, dass nicht gefühlt jede Woche neue Düfte, die mitunter recht verwechselbar sind, in den Geschäften auftauchen würden. Wo bleibt die Vorfreude, wo das Unverwechselbare? So schnell, wie diese Düfte auftauchen, so schnell verschwinden sie auch wieder..,
IziaIzia vor 7 Jahren
Naja die Mehrheit der Leute möchte einfach nett duften, viele haben keine besonderen Ansprüche an den Duft, er soll nicht neu und mutig sein. Viele beschäftigen sich auch nicht ausgiebig mit Parfums, deswegen glaube ich, dass er sich gut verkaufen wird, da er sich zumindest von den dauerhaft lancierten süßen Düften unterscheidet.
BlauemausBlauemaus vor 7 Jahren
Die Zeiten ändern sich halt - und somit auch die Duftgewohnheiten. Und ob es damals nun wirklich das Non-Plus-Ultra war, so intensive Düfte zu tragen, bezweifle ich. ;) Ausserdem ähnelten sich Düfte damals auch alle - irgendwie. Sie rochen nur anders als heute. Und es gab auch nicht so viele Neuerscheinungen gleichzeitig. Ich bin Jahrgang 1970 und trauere den Düften von damals in keinster Weise nach, ich find sie heute nur zu seltenen Gelegenheiten tragbar (und für mich noch nicht mal dann ;))

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