Fabistinkt

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6 - 10 von 29
Fabistinkt vor 4 Jahren 39 28
9
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Adee, Schloßparfümerie!
Dezember. Zemlich warm.
‘s rägert. Hugadubel isch drbej.
Gott sej Dank.
Kenigstraß.
Meh Kettana als inhabergfiehrte Gschäfter.
‘s Moischte drvoh Gruascht.
Wenigschtens dr Tritschler isch no da.
Ond d‘ Huat Hanne.
Die han i au gsäh.
Dass ball Wejhnachte isch, merkt mr bloß an oim:
‘s stenkt nach Fett ous ällana Lechr.
Bsonders ous dr Schualstraß.
Ond en Houfa Boustellana.
Iberall.
Aber i säh e Liacht am End vom Tunnel. Ous ’eme Schaufenschter.
Roja Dove, schee nah drapiert.
Schloßparfümerie.
E bissle oufgrägt ben i scho.
’s isch zwar bloß en Lada.
Aber Reschpekt han i doch jeds Mal.
Portal, Gold.
I hol diaf Luft ond gang nei.
Kronlejchter.
Edle Verkaufsträsa ous glänzendem Holz.
Dahentr standet die Präziosa em Regal.
"Griaß Gott!"
Schwierige Kondin bej dr Kosmätik.
Näber dr Dier en Disch: Reduziert - Collection Heritage vom Jean Patou.
So gfallt mr des.
Verkaifere, ohgfähr in meim Alter:
"Kann i Ihna helfa?"
"Ja, i han letscht Ihrn Honigduft probiert. Denn dät i gern mitnemma."
"Dann kommet Sie mit hentr. Därf i’s Ihna oufsprieha?"
"Noi danke, i kenn‘s ja scho."
"Därf i Ihna sonscht no ebbes zoiga?"
Großer Fähler.
"I han gsäh, Sie fiehret au Caron. Hänt Sie von denna au Tabac Blond?"
Den därf si mr no doch oufsprieha. Dr French Cancan iabrigens au.
Ond d’ Lady Knize. Ond dr Je Reviens. Ond d‘ Habanita.
Die Frau hat e Engelsgeduld.
Wenn i mein oigener Konde wär, i hätt mr scho längscht dr Kraga romdräht.
Fir d‘ Habanita isch koin Blatz meh ouf meim Arm.
Deswäga griag i e Stoffdiachle. Mit Schloßparfümerie-Logo.
Koin läppischa Babierstroifa.
"Was traget Sie ‘enn persönlich, wenn Sie in so ’eme Lada schaffet?"
"I muaß zuagäba, dass i eigentlich koi Parfüm em Gschäft nemm. Aber sonscht mag i bsonders des da."
Quelques Fleurs L’Original Extrait vom Houbigant.
Souber.
‘s wird voller.
"Frau Wolff, i helf Ihna glej."
Kass.
"Brouchet Sie e Giggele?"
"Noi danke, des gaht so."
E Preble vom Tabac Blond kriag i no.
Zejt zom Ganga.
Adee, Schloßparfümerie.
Mei Habanita-Diachle han i ällawejl no.

Duft:
Er fangt lejcht rauchig ah. Donkel.
Ond siaß. Aber 'ett zua siaß. Grad richtig.
Ball kommt dr Honig durch.
Waldhonig, zartbitter.
So blejbts no au. Fascht en Dag lang.
Bloß Vanille kommt no drzua.
Ambra-Vanille.
Back to Black in scheener.
Draum.

Vokabla:
rägern = regnen
Hugadubel = Regenschirm
Gruascht = Kruscht, Krempel
Tritschler und Hut Hanne, Traditionsgeschäfte
Boustellana = Baustellen
‘eme = „einemen“, einem
nah = „hinan“, hin
ganga = gehen
standa = stehen
näber = neben
Verkaifere = Verkäuferin
oufsprieha = aufsprühen
letscht = letztens, zuletzt
no = noch
ebbes = etwas
no = dann
‘enn = denn
Babierstroifa = Papierstreifen
Gugg; Diminutiv: Giggele = Tüte
ällawejl = alleweile, immer
'ett = nicht

So muss es klingen:
https://youtu.be/5jyiFUuiPTs

Wenn ihr etwas nicht versteht, einfach fragen! :-)
28 Antworten
Fabistinkt vor 4 Jahren 52 25
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der Nektar der Ekstase
Miami, drei Damen mittleren Alters sitzen am Küchentisch, eine weißhaarige kleine Gestalt rührt in einem Topf am Herd.

Blanche: Ich muss euch etwas erzählen. Ich habe endlich die Lösung für mein Problem gefunden!

Dorothy: Welches Problem, Blanche? Dass seit dem Mittagessen noch kein Mann aus deinem Schlafzimmer geschlichen ist?

Blanche: Das ist nicht lustig, Dorothy. Du weißt, es ist schon zwei Wochen her, dass ein Mann mein Blut in Wallung versetzt hat. Zwei Wochen! Ich habe das Gefühl, ich wäre unsichtbar, kein Mann scheint mich zu beachten. Es ist doch nicht möglich, dass Blanche Devereaux ihre Anziehung verloren hat! Das Mädchen, das hunderte junger Männer von Charleston bis Chattanooga in seinen Bann gezogen hat und abweisen musste! Sie standen unter meinem Fenster, voll unerfüllter Leidenschaft und weinten bitterlich vor Schmerz!

Sophia: Ja, weil es danach beim Pinkeln gebrannt hat.

Dorothy: Ma!

Blanche: Mach du nur deine Scherze, Sophia. Die Situation ist tragisch. Ich bin nicht mehr begehrenswert, ich ziehe keine Blicke mehr auf mich. Ich bewundere dich, Dorothy. Es ist beachtlich, wie du jahrein, jahraus damit zurechtkommst.

Dorothy: Es ist nicht einfach, Blanche. Wenigstens stecken mir die Leute auf dem Jahrmarkt manchmal Bonbons durch das Gitter zu!

Blanche: Jedenfalls habe ich die Lösung für diesen Albtraum gefunden, endlich. Ich war am Nachmittag bei Macy’s und ein sehr freundlicher junger Mann hat mir ein neues Parfüm empfohlen.

Rose: Ein Parfüm? Wofür soll das gut sein? In Sankt Olaf hatten wir nie Parfüm. Einmal, da hat Ingrid Ingmarsdottir -

Blanche: - Ja Rose, ein Parfüm. Im Süden geben wir uns nicht mit Kernseife und Wurzelbürste zufrieden wie ihr. Wir nutzen Duft als Aphrodisiakum. Jedenfalls ist dieses neue Parfüm wie ein Spiegelbild meiner selbst. Ein glühendes Feuer, samtig wie die Küsse eines Seemanns auf meiner Pfirsichhaut. Liebliche Blüten von Heliotrop, zart wie meine Züge in der aufgehenden Sonne über Georgia. Tuberose, so süß wie der Nektar meiner Ekstase -

Dorothy: Der Nektar deiner Ekstase, ernsthaft, Blanche?

Rose: Was meint sie damit?

Dorothy: Apfelsaft, Rose.

Sophia: Als ob man Saft aus Trockenobst pressen könnte.

Blanche: Sophia! So kannst du nicht mit mir reden! Sag doch was, Dorothy!

Dorothy: Schattige Pinie, Ma.

Sophia: Schon gut, ich gehe.

Sophia verlässt die Küche.

Dorothy: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Parfüm einen Mann anziehen könnte. Ich habe nachts auch nichts als Chanel N°5 getragen. Und trotzdem ist Stan lieber mit dieser Stewardess durch die Turbulenzen geritten.

Blanche: Was versteht eine Frau wie du schon von der Kunst der Verführung, Dorothy. Ich sprühe nur einen Hauch auf meine filigranen Handgelenke, das genügt schon, so kraftvoll ist das Parfüm. Ich tupfe damit auf meinen Hals, hinter die Ohren, auf das Dekolletee, auf die … jedenfalls überall dorthin, wo der hinreißende Duft die Lippen eines Liebhabers locken soll.

Rose: In Sankt Olaf haben wir dafür Ahornsirup benutzt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, in welche Krise unser Dorf deswegen gestürzt ist! Nach dem Krieg kamen viele Männer wieder nach Hause und alle mussten monatelang trockene Pfannkuchen essen, weil der Ahornsirup ausverkauft war. Es war schrecklich!

Dorothy: Halt die Klappe, Rose. Wo ist eigentlich Ma?

Rose: Was ist das für ein Gestank?

Die Küchentür geht auf.

Dorothy: Ma, was hast du getan?!
25 Antworten
Fabistinkt vor 5 Jahren 32 12
9
Flakon
6
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Scherben bringen Glück
Es begann im Souk. Chanel N°5, das pure Parfum, 7 ml, ungeöffnet, erschwinglich. Sogar vintage! Ich kaufte es blind, sagte mir die Erfahrung doch, dass mein trocken-würziges EdT noch nicht das höchste der Gefühle sein konnte - im Extrait würden bestimmt noch weitere Wunder warten. Das Päckchen kam und ich nahm den Flakon aus der leicht vergilbten Plastikschachtel. Der schwarze Faden war noch um Hals und Stopfen geschlungen. Vorsichtig zerschnitt ich ihn. War das richtig so? Mir fehlt gänzlich die Routine beim Öffnen von Chanel Extraits. Und jetzt der Kristalldeckel. Er fühlte sich fester an als der dünnwandige Flakon. Herausziehen ging nicht. Ich versuchte, ihn zu drehen. Auch das ging nicht. War da im Laufe der Jahre Parfum zwischen Stopfen und Flaschenhals geraten, das jetzt das Ganze zusammenklebte? Ich erhöhte den Druck.
Krrrrrrrrrrrrk. Verdammt. Mir rann das kostbare Nass über die Hand. Die komplette obere Seite des zarten Fläschchens war abgebrochen und in sich, vom Hals ausgehend, auseinandergekracht. Ruhig Blut. Das Meiste war noch in der unteren Hälfte des Flakons gefasst. Was tun damit? Vorsichtig balancierte ich die Trümmer in die Küche. Noch vorsichtiger stellte ich die teure Ruine am Spülbecken ab. Mit jeder Bewegung lief bernsteinfarbenes Parfum heraus. Wohin damit? Ich erinnerte mich an meinen Bleiglasflakon vom Meraner Flohmarkt. Viel zu groß, aber unbenutzt und leer. Abfülltrichter geholt und vorsichtig hineingeträufelt. Wieder ging Flüssigkeit verloren, doch alles in allem dürften 3-4 von den ursprünglich 7 Millilitern gerettet sein. Da ich mir nicht sicher bin, wie dicht der Glaspfropfen des Flohmarktstücks hält, werde ich den Duft in nächster Zeit einfach regelmäßig benutzen, bevor alles verdampft. Gezwungen zum Luxus - es könnte mich durchaus schlimmer treffen.

Der Duft

Haupteindruck: Aldehyde, rauchig und wächsern. Präsent von Anfang bis fast zum Ende. Ganz leicht herb durch eine edle Rose mit einem Hauch von Vetiver. Es herrscht eine perfekte Balance zwischen allen Inhaltsstoffen, nichts sticht hervor. Trotz der Distanz und emotionalen Kühle, die er verströmt, ist eine gewisse Nahbarkeit vorhanden. Der Kerzenrauch ist sehr dicht und pudrig. Fast hat man das Gefühl, man könnte ihn anfassen und mit den Fingern verreiben. Der gesamte Eindruck ist extrem hochwertig. Man spürt, dass man Qualität unter der Nase hat, daher auch Null Kopfschmerzgefahr. Eine Sillage ist nur gering ausgeprägt, das Dufterleben bleibt intim und wird niemals laut. Wenn sich das Parfum setzt, werden die Aldehyde heller und schlagen eine sauber-orangeflorale Richtung ein, sodass die Verwandtschaft mit den seifig-strahlenden Kindern aus den 60ern und 70ern deutlich wird.

Der Vergleich

Parfum und Eau de Toilette sind die originalen Konzentrationen, in denen N°5 lanciert wurde. Wie so oft beim Verhältnis von Extrait zu niedriger Konzentration ist auch hier das EdT einfacher zu lesen und einzelne Noten sind besser erkennbar. Es ist leichter, die Aldehyde sind luftiger und durch trockenen Vetiver kratzt es an der Grenze zum Chypre. Leider sind die Noten untereinander nicht gut ausgewogen und der Vetiver ist immer negativ herauszuhören. Im Parfum dagegen sind alle Noten in perfekter Balance dicht verwoben und bilden ein harmonisches Gesamtkunstwerk. Eine minimale Bitterkeit sorgt dabei genau für den richtigen Kontrast, damit es nicht in Kitsch abdriftet. Als Parfum hat N°5 auf Anhieb mein Herz erobert, während mir beim EdT der würzige Vetiver zu laut ist.

Zur allgemeinen Einordnung kann ich endlich meine geliebte Tosca von 4711 in Extraitkonzentration in den Kommentar schmuggeln. Sie ist gleich alt wie N°5, hat genauso viele Aldehyde, war zeitweise sogar erfolgreicher im Verkauf und ist die wärmere, ambrierte Variante.
Die vielen künstlichen Aldehyde als dominante Duftnote waren damals wohl revolutionär und kamen den Vorlieben der Menschen sehr entgegen. Man liebte das Moderne, das Glänzende und Neue, schnelle Autos und Fernzüge, Stahl, Chrom, Edelmetall – sogar Holzmöbel wurden in den 20er-Jahren poliert und lackiert, um Chrom zu imitieren. Was passt dazu besser als ein Parfum, das eine chemische Verbindung als Hauptnote verwendet? Mit dem man quasi selbst Modernität und Synthetik verströmt, vielleicht sogar selbst nach Rauch aus einer schnellen Dampflok oder einem Fabrikschornstein riecht?
Ich habe gelesen, dass Chanel N°5 nicht immer das selbe Prestige wie in den letzten Jahrzehnten genossen hat. Um den Krieg herum soll ihm schon einmal der Ruf von Bückware vorausgeeilt sein. Seine Popularität stieg in den 50ern wieder an, als im westlichen Kulturkreis so gut wie alles Pariserische verehrt wurde. Marilyn dürfte mit ihrem berühmten Ausspruch ihr Übriges getan haben. Es ist möglich, dass die zahllosen Aldehyddüfte von Häusern wie Hermes und YSL der folgenden zwei Jahrzehnte Versuche darstellten, auch ein Stück vom parfümierten Kuchen ab zu bekommen, was den Trend von aldehydlastigen Chypredüften losgetreten haben könnte (Caleche, Calandre, Rive Gauche, First etc.). Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das Eau de Parfum, das schließlich in den 80ern entwickelt wurde, immer noch nicht richtig getestet habe.

Der Flakon

Passenderweise feiern wir dieses Jahr 100 Jahre Bauhaus und am Wochenende wurde sogar das Bauhausmuseum in Dessau eröffnet. Und im Kontext dieses Geistes ist der Flakon zu verorten: Er ist linear gestaltet ohne jegliche Verzierung, auf die Funktion reduziert und kann im Geschäft durch seine flache Form platzsparend aneinandergereiht werden, natürlich im ebenfalls flachen Karton. Ob Chanel tatsächlich die ersten waren, die derartige Flakons nutzten, weiß ich nicht. Wenn man sich auf Parfumo durch die frühen 1920er Jahre klickt, tauchen jede Menge eckiger Flakons mit großem Kristallstopfen bei unterschiedlichsten Häusern auf.

Gestern hat eine Parfuma, die ganz in der Nähe wohnt, mein EdT von N°5 gekauft. Es ist ihr Signaturduft, erhält bei ihr also die Wertschätzung, die ich ihm nicht entgegenbringen kann. Nach und nach wird mein Parfum weniger werden und ich werde jeden Tropfen genießen. Auf der Haut natürlich. Und vielleicht landet irgendwann wieder ein richtiger Flakon bei mir. Oder besser das Travelspray, das ist nicht so schnell kaputt zu kriegen.
12 Antworten
Fabistinkt vor 5 Jahren 33 9
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Gonna Take a Sentimental Journey
Heute Abend nach der Vorlesung sitze ich im Auto, es ist kurz vor sieben, die Bayern1-Stimme kündigt die Nachrichten an. Erst eine kurze Übersicht, bevor sie dann einzeln vorgelesen werden. Was war das, Hollywood-Schauspielerin gestorben? Ich hatte nicht richtig hingehört, auf der Straße ist einiges los. Jetzt die eigentliche Meldung, Hollywood-Schauspielerin und Sängerin Doris Day ist heute im Alter von 97 Jahren gestorben. Ich hatte mich nicht verhört. Oh je. Doris Day war irgendwie eine feste Größe, einfach immer da, wie die Queen. Jedes Weihnachten schallt zuverlässig ihr „Winter Wonderland“ aus den Lautsprechern, genau wie ihr Duett „Baby it’s cold outside“ mit Dean Martin.

„Dream a little dream of me“, „Que sera sera“, „Sentimental Journey“ – die Liste ihrer Klassiker lässt sich noch ziemlich lange fortführen. Sie stammen fast alle aus den 40er und 50er Jahren, in denen ihre Film- und Gesangskarriere so richtig Fahrt aufgenommen hatte. Das muss man sich einmal vorstellen, sie musste 1937 als 14jährige unfallbedingt ihren Traum vom Tanzen aufgeben und hatte stattdessen ab 1939 ihre Laufbahn als Sängerin und später als Schauspielerin eingeschlagen. Und dabei drehte sie nicht irgendwelche Filme, sie stand mit Größen wie Cary Grant und Ginger Rogers vor der Kamera – Namen, die zu einer längst vergangenen Zeit gehören, in der jedem noch die große Depression in den Knochen steckte und es erst seit wenigen Jahren Tonfilme gab. Doris Day war eine Zeitzeugin und Akteurin dieser Ära und hatte bis gestern die lebendige Erinnerung daran in sich getragen. Und jetzt ist sie tot.

Als Retro-Parfumjunkie stellt sich mir da natürlich nach dem ersten Schock die Frage: Hmm, was könnte die gute Frau denn getragen haben? Wie roch eine Dame wie Doris Day? Wenn ich mir durchlese, welche Filme sie gedreht hat (Hitchcocks „Mitternachtsspitzen“ zum Beispiel), frage ich mich, woher in aller Welt das Bild stammt, das ich von ihr habe. In meiner Erinnerung ist sie irgendwie die gut gelaunte Sauberfrau aus den 50er Jahren, die singend durch die Küche tanzt, während draußen die Disney-Vögel auf dem Fensterbrett zwitschern. Und zu dieser Frau gibt es kaum einen passenderen Duft als L’air du Temps. Er entstand im Jahr 1948, genau wie Days erster Film „Zaubernächte in Rio“. Er ist floral und fröhlich, hat einen unschuldigen Charme und duftet nicht nur sauber, sondern rein. Eine zarte Nelke, kaum würzig, vielmehr elegant, perfekt repräsentiert durch die hellgelbe Farbe des Duftes.

Mein Vintage-Flakon des puren Parfums ist flach, wird durch einen annähernd kugelförmigen Glasstopfen verschlossen und liegt in einer gelben Schachtel, die nach oben aufklappbar ist. Die legendären Friedenstauben, die passend für einen Duft aus der unmittelbaren Nachkriegszeit die Flakons von L’air du Temps zieren, sind bei meinem Fläschchen vorn flächig auf dem Bauch angebracht und nicht auf dem Deckel. Da ich auch schon das aktuelle Eau de Toilette besessen habe, kann ich sagen, dass L’air du Temps die Jahre wohl ohne größere Schäden, auch bekannt als Reformulierungen, überdauert hat. Das neue Eau de Toilette ist unverkennbar derselbe Duft wie der in meinem alten Flakon des puren Parfums. Ich bin froh, dass ein Schätzchen, das es nun seit über 70 Jahren gibt, immer noch produziert und verkauft wird.
Jetzt tupfe ich mir ein paar Tröpfchen davon auf den Arm, für Doris.
9 Antworten
Fabistinkt vor 5 Jahren 22 5
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Rotgoldenes Guerlinaden-Leder
Es ist höchste Zeit, endlich einen Kommentar zu meinem Habit Rouge zu schreiben. „Meins“ deshalb, weil es zu den allerersten Düften gehört, mit denen um 2010 herum meine Duftleidenschaft begonnen hatte. Auf Sir Irisch Moos und Old Spice folgten irgendwann Concentrè d’orange verte von Hermès und Habit Rouge. Irisch Moos war mir positiv an einem Klassenkameraden aufgefallen, an dem es aber weniger billig und seifig gerochen hatte als schließlich an mir selbst. Auf Concentrè d’orange verte, Old Spice und Habit Rouge stieß ich dann durch Katie Puckrik, über deren Videos ich zufällig auf YouTube gestolpert war. Sie beschrieb Habit Rouge als „… about as light as I go - this is my idea of a summer fragrance.“ So light fand ich ihn dann gar nicht, als ich ihn im Heilbronner Douglasregal entdeckt hatte. Vielmehr warm, rund und enorm vertraut. Woher weiß ich leider nicht, aber ich musste Habit Rouge bereits gekannt haben und es war wie das Wiedersehen mit einem alten Freund. Den roten Frack trug ich dann auch konstant über Jahre hinweg, allerdings sparsam, sodass ich immer noch einen kleinen Rest im ersten Flakon von 2011 habe. Letztes Jahr dann brauchten wir beiden eine Pause, bis aktuell ein frisches Fläschchen davon bei mir eingezogen ist.

Zum Duft:
HR ist nicht ganz einfach einzuordnen. Keine einzelne Note steht auf dem Präsentierteller und sagt „Hey, das ist ein Lederduft!“. Vielmehr ist Habit Rouge ein Gesamtkunstwerk. Ein wärmendes und gleichzeitig erfrischendes, dunkelrot umarmendes Gefühl von klassischer Eleganz und vertrauter Intimität.
Trotzdem möchte ich auseinanderklamüsern, was meine Nase in dem roten Wölkchen Glück erkennt:
Die Basis von Habit Rouge besteht Guerlain-typisch aus Vanille und Benzoe und rückt ihn in die orientalische Ecke. Wegen dieser dunklen Vanille wird es auch gern als das Shalimar für den Herren bezeichnet, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Die beiden sind schon sehr unterschiedlich. Die Vanille kommt auch nie allein zum Vorschein, sie ist fest mit den Bestandteilen der nächsten Etage verwoben, nämlich Leder, Orange und Rose. Das Leder ist keines von der modernen Tom-Fordigen Sorte, deshalb mögen es manche auch vergeblich in Habit Rouge suchen. Es ist vielmehr ein traditionelles Juchtenleder/Cuir de Russie, von Orange und etwas Patchouli auf Körpertemperatur erwärmt und mit Rose verfeinert. Ganz obenauf tanzt eine saftige Zitrone, die beim Aufsprühen den Eindruck erstmal dominiert. Allerdings ist sie nicht frisch, spritzig und sonnig, sondern trägt bereits die ledrig-rosige Wärme in sich und leuchtet eher golden als gelb-grün.
Man merkt wahrscheinlich, dass mir Habit Rouge ziemlich am Herzen liegt, doch er hat auch ganz praktische Seiten: Er ist schlicht und einfach der ideale Allrounder. Man ist grundsätzlich perfekt damit angezogen, egal ob in der Arbeit, im Theater, bei einem Date, im Sport oder beim Schäfchenzählen. Erfrischend orangig im Sommer und wärmend kuschlig im Winter.
Wenn ich meine Version von 2011 mit der aktuellen vergleiche, so gibt es minimale Unterschiede. Mir kommt vor, als hätte die Zitrone mehr Kraft als früher und irgendeine Kleinigkeit im Kern ist anders, ich kann aber nicht mit dem Finger darauf zeigen. Es ist ungefähr so, als wäre das Eau de Toilette einen Schritt näher in die Richtung des modernen Eau de Parfums gerückt und hätte einen (verschwindend kleinen) Teil seiner Tiefe dabei eingebüßt. Oder mein altes Habit Rouge ist über die Jahre nachgereift wie ein guter Wein.
5 Antworten
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