Floyd

Floyd

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441 - 445 von 452
Floyd vor 5 Jahren 21 6
9
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Ein Song für den Herbst, der vom Winter erzählt
"I always liked simple songs" (John Lennon)
Ähnlich wie Düfte scheint auch die Musik in der Lage, sich unmittelbar in Emotionen einklinken zu können. Die komplexeren tonalen Kompositionen hinterlassen dabei oft erst im Nachgang einen bleibenden Eindruck, wenn sich alles zusammengefügt hat, manchmal braucht es dann dafür auch mehrere Anläufe, diese lieben zu lernen. Einfache Songs sprechen dagegen häufig direkter die Gefühle der Hörer an. John Lennon war sicherlich ein Paradebeispiel dafür, dass beides aus der Feder eines Komponisten stammen kann.
Penhaligon's "Roaring Radcliff" ist ein einfacher Song. Im Gegensatz zu komplexen Zutaten- und Duftfeuerwerken wie etwa "Halfeti" setzt er auf nur drei Zutaten: Rum, Tabak und Gewürze. Und das funktioniert ausgesprochen gut. Da ist zunächst eine dunkle, fast sirupartige Süße, die entfernt an Bienenwachskerzen erinnert, nur dass diese mit einem Hauch warmer Vanille und zähflüssiger Zimtschokolade übergossen wurden. Auch die übrigen Zutaten sind von Beginn an gut wahrzunehmen, der Rum erzeugt dunkelrote Tiefe, die Vanille könnte auch im eher helleren Pfeifentabak stecken. Das ganze ist enorm rund und ausgewogen. Radcliff ist ein ruhiger Song, ein Gourmand der eine Erinnerung kreiert, die so noch nicht existierte, ein Lied das man unbewusst summt, nachdem man es nur ein einziges Mal gehört hat, weil es ruhige, gute, ausgeglichene Laune macht. Ein Song für den kühlen Herbst, der vom Winter erzählt und dabei Wärme transportiert.
Eine großartige Entwicklung findet nicht statt. In den neun bis zwölf Stunden Haltbarkeit findet lediglich ein andauernder, scheinbar unendlicher Fadeout statt. Überhaupt erinnert die Entwicklung an den 12-Piano-Schlussakkord von "A Day in the Life", ein Akkord mit seeehr laaangem Nachhall, bei stets moderater, eher eng anliegender Sillage. Dabei ist "Radcliff" ein Song ohne leidigen Männerschmerz, ohne unglückliche Liebe oder herzzerreißenden Verlust, schlicht ein extrem leckerer Unisex-Duft für kühlere Tage.
6 Antworten
Floyd vor 5 Jahren 12 5
9
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft
Peñha Ligòns taufrische Wiesen im morgendlichen Nebel
Ich treffe Peñha Ligòn, einen schrulligen alten Spanier, in dessen Cottage mit großem Garten in Südostengland. "Is zeig dirr, warum is ier errgekommen biin!" grinst er und führt mich, mit einer Hand an meinem Oberarm durch seine malerische Orangerie. Wie beiläufig pflückt er ein paar Mandarinen und Tangerinen von den Bäumchen und Büschen, während er über die Briten fabuliert und zwischendurch immer wieder herzlich lacht. Bevor er mich in seinen Garten führt, wirft er die Zitrusfrüchte wie selbstverständlich in einen großen Bastkorb mit Seifen. "Die Engländer mögen es im Sommer nach Seife su rriechenn, is wie frriisch gewaschenn." Sagt er und lacht wieder, als er die Verwunderung in meiner Mimik bemerkt.
Dann treten wir nach draußen ins Freie. Der Nebel liegt noch über den saftigen Wiesen und die Kälte der vergangenen Nacht ist unmittelbar auf den Kleidern zu spüren. Für einen Moment hält Ligòn inne: "Siehs du, dessalb bin is irrergekommen! Die Engländer nennen diese Temperraturr Crisp." Wieder lacht er. "Is denke dann immer an Cornflakes." Er macht einen Schritt auf die Wiese und man hört, wie das vom Tau leicht gefrorene Gras unter seinen Schuhen knirscht. "Das findest Du nisst in España. Knusprig fris!" Dann schneidet er einige Hände voll davon ab und wirft das ganze in seinen Korb, bevor er an anderer Stelle noch etwas Gras samt Erde und Moos ausreißt und dazustopft. Auf dem Weg zurück rupft er noch ein Paar Lavendel und Pomeranzenblüten aus der Wiese und legt sie auf das Grünzeug. "Blumen sind immer gut." sagt er und nimmt auf dem Weg in die Küche noch einige Büschel Zitronengras aus seinem Vorgarten mit. Auch hier ist ein Knistern zu hören, als er die Büschel packt. In seiner Küche schließlich kippt er den Korbinhalt samt Zitrusfrüchten (mit Seifenkrümeln), ein paar Gewürzen und Rinden in eine große alte Presse und beginnt, an einem überdimensionierten Holzschraubstock zu drehen. Schon rinnt der grün-gelbliche Sirup in eine Schüssel. Er taucht ein kleines Teströhrchen hinein, verschließt es mit einem Zerstäuber und steckt es mir in die Hosentasche. "Sprrüh es Dirr auf im Verano, ääm, Sommer." sagt er, bevor er sich grinsend mit einem freundlichen "Bayolea!" verabschiedet.
Als ich es an einem sehr warmen Frühlingstag teste, verstehe ich, warum er nach England zog. Die seifig frische, zitrische Kopfnote wirkt wie eine kurze Erfrischung, nicht stechend, eher wie frisch geduscht. Schon bald dominant ist hier das Zitronengras, welches den Duft nach 15 bis 30 Minuten hinüber ins Grüne geleitet, wo sich die würzigen blumigen Noten dazugesellen und für einige Zeit diesen für mich bislang einzigartigen Eindruck von angefrorenen, taufrischen Wiesen vermitteln. Kantig kommt das daher, rauh, jedoch niemals stechend, was sicherlich der Zeder und dem Moos zuzurechnen ist. Leider hält dieser wundervolle Eindruck nur etwa vier bis höchstens fünf Stunden an, ehe sich der Bayolea mit einem eher flüchtigen Anklang von hellem Moschus und etwas Ambra verabschiedet.
Trotz der kurzen Haltbarkeit wird er mein Sommerduft, die knusprig grüne frische Morgenluft.
5 Antworten
Floyd vor 5 Jahren 13 5
9
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Camden Market Hippieladen
Bunt gefärbte Tücher und Batik-T-Shirts in allen nur erdenklichen Farben hängen an verschlissenen Bindfäden entlang der roten Backsteinwände. Durch eine enge Seitengasse bin ich dem fürchterlichen Treiben am Camden Market entkommen, als mir ein zunächst beißender, etwas undefinierbarer Geruch in die Nase steigt. Ich folge dem Geruch und zwänge mich durch den schmalen Gang zwischen alten Holzständen mit verschiedenen frischen Zitrusfrüchten und Gewürzen (vor allem Basilikum) hindurch, die ihre herbe Frische in der Mittagshitze auszuschwitzen scheinen.
Nach einer Weile spült es mich durch die Eingangstüre eines Hippieladens, den ich wie durch Zufall zwischen den dichten Ständen erspäht - oder vielleicht auch errochen habe. Dicht hintereinander, wie auf einer endlosen Reihe von Wäscheleinen, die man an der Decke gespannt hat, hängen auch hier wieder riesige bunte Batiktücher mit einzigartigen Mustern. Doch es sind nicht die Tücher an sich, die mich in ihren Bann ziehen, es ist ihr Geruch. Bei einem guten Wein kann man seine Lagerung an Geruch und Geschmack erkennen, mit diesen Tüchern scheint es ähnlich zu sein. Mit der Nase in die Tücher getaucht lasse ich mich mit geschlossenen Augen durch den Laden treiben, immer geradeaus, Tuch für Tuch. Nach dem Färben hat man sie offenbar mit Waschmittel gewaschen und teilweise Nag Champa Räucherstäbchen und verschiedenste Blumenduftseifen darin eingewickelt, dunkle Rose und Lavendel glaube ich zu erkennen. Eine genaurere Identifikation der weiteren Blumen und Zitrusfrüchte scheitert am allgegenwärtigen Nag Champa Stäbchen. Wundervoller Flashback, denke ich mir und kann meine Nase nicht von den Tüchern lassen, Stundenlang. Wer eine echte Hippiefreundin hatte, kennt diesen Geruch, verbindet ihn mit jugendlichem Ungestüm, besetzten Häusern, Sommer im VW-Bus oder auf der Wiese eines Festivals, der Moment, in dem man an ihren Dreadlocks riecht oder nachts im Zelt auf ihrem Strickpullover schläft, über beide Ohren verliebt, versteht sich. Ein Duft mit moderater Sillage aber erstaunlicher Haltbarkeit - in den Kleidern, Haaren und der Erinnerung.
Nach weiteren Stunden glaube ich etwas harziges Holz wahrzunehmen, welches langsam durch meine Lücken in der Erinnerung diffundiert. Ich muss irgendwo in einer Ecke des Laden eingeschlafen sein, vermutlich auf einer alten englischen Sandelholzbank.
Als ich mich irgendwann nachts auf der Straße wiederfinde, hängt der Duft noch in meinen Kleidern. Unbewusst pfeife ich einen alten Motorpsychosong, "I'm still wearing your smell", so wie früher.
Muss ich für diesen Duft wieder ein junger Hippie sein, frage ich mich.. Blödsinn, ich höre ja auch gerne die Musik von damals, spüre gerne die Erinnerungen. Der alte Vintage-Flakon passt da eigentlich perfekt dazu. Also gut!
5 Antworten
Floyd vor 5 Jahren 11 4
5
Flakon
5
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft
Stilvolles Understatement ohne Überraschungen
MischerPrice Baukastenduft No. 602: Aus Bon Parfumeurs Düften zum selber Layern, Mischen u.s.w. sagt man dem 602er nach, dass er einer der wenigen Düfte sei, die durchaus für sich alleine stehen könnten. Nach mehrmaligem ausgiebigen Testen kann ich dies - mit wenigen Abstrichen - so eigentlich unterschreiben. Um den insgesamt eher schlanken Duft jedoch etwas facettenreicher zu erleben, sollte man aber - aufgrund der eher moderaten Sillage und seiner doch schon fast mageren Ausdauer (etwa vier bis fünf Stunden) - gleich etwas ordentlicher auflegen.
Würzig-harzige Noten untermalt von warmen, leicht rauchigen Holz-Nuancen sind dann zunächst wahrzunehmen. Zitrisches ist da wirklich nur sehr kurz und auch eher im Hintergrund. Eine etwas reifere Zeder sowie der Weihrauch spielen in den ersten ein bis zwei Stunden die Hauptrolle, das Benzoe-Harz sorgt hier für die harzig-warme Verbindung. Danach verschiebt sich der Duft etwas mehr ins Erdige: Während die leicht beweihräucherte Zeder hinter das süße Benzoe zurücktritt, schiebt sich ein sehr angenehmes Patchouli (ohne Kellermuff) nach vorne, wodurch die Entwicklung dann auch schon abgeschlossen ist.
Das klingt sicherlich alles wenig originell, funktioniert aber im Alltag als Duft für die Arbeit ganz gut, wird man doch selbst und auch sonst niemand im Umfeld großartig davon überrascht oder erschlagen, und dennoch ist der 602er in seiner Machart durchaus rund und wertig, eher stilvolles Understatement, ein "Booze and Bacci" in kurz und zurückhaltend.
Weniger stilvoll im Understatement ist der Kleber auf dem schlichten Flakon. Könnte man aber sicher leicht entfernen, um anschließend der eigenen Kreativität in der Gestaltung freien Lauf zu lassen - Stichwort: Paper Art, wer's mag..
Da vom oben angeführten Vetiver im 602er für mich nichts wahrzunehmen ist, empfiehlt sich für all jene, die Düfte gerne etwas vielschichtiger mögen und dem MischerPrice Baukastenprinzip gerecht werden wollen, auf dat Janze gleich vorneweg noch ein Sprüher vom 601er (Vetiver, Ceder, Bergamotte). Das macht den Auftakt deutlich grüner und frischer und das Vetiver bringt auch in Herz und Basis noch etwas angenehme Unruhe, bügelt dafür aber dem 602er etwas die Kanten weg.
4 Antworten
Floyd vor 5 Jahren 11 5
5
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Dunkelgünes Mosaiksteinchen
MischerPrice-Baukastenduft No. 601: Man sagt diesen Bon Parfumeur-Düften zum selbst Kombinieren, Mischen, Layern ja nach, dass manche davon eher mittelmäßig, andere dagegen ganz ordentlich bis gut gelungen seien. Der 601er gehört für mich eher zu den ganz ordentlichen.
Der Auftakt ist dabei für mich sehr gut gelungen. Die leicht würzige zitrisch-frische Kopfnote, bei welcher ich am ehesten die Grapefruit dominant finde, bindet bereits viele der weiteren Bestandteile mit ein. Ich glaube, einen schönen Akkord von Blumen und dem hier zunächst alles bestimmenden Vetiver wahrzunehmen. Schon nach etwa einer halben Stunde wechselt der Eindruck vollständig ins Dunkelgrüne: Das Zusammenspiel von Zeder und Vetiver ist hier sehr rund, langanhaltend und gar nicht so sehr holzig. Nach weiteren drei Stunden wechselt der Duft dann wieder seinen Charakter: Nun tritt warmes Sandelholz zum Vorschein, löst alle übrigen Bestandteile ab und bleibt weitere zwei bis drei Stunden sehr eng anliegend wahrnehmbar.
Um für sich allein zu stehen, ist 601 vielleicht nicht raffiniert genug, jedoch in seiner soliden Schlichtheit für manchen im täglichen Leben wiederum genau die richtige Wahl. Mit moderater bis eng anliegender Sillage bei ganz guter Haltbarkeit ist dieser Unisexduft eine gute Option für berufliche Alltagssituationen, damit wird sich sicher niemand belästigt fühlen.
Zum Layern in seiner ureigentlichen Baukastenfunktion empfehle ich ihn zum Drüberlegen für No. 602 (Pfeffer, Zeder, Patchouli), allerdings nur ein kleines Bisschen davon, das verleiht dem 602er eine etwas frischere und grünere Kopfnote und das Vetiver stiftet anschließend in der Herznote auch noch etwas angenehme Unruhe. So wird 601 zu einem netten, dunkelgrünen Mosaiksteinchen.
Edit: Nach längerem Tragen und im Vergleich zu anderen, auch höherpreisigen Grünen, bin ich in der Bewertung nochmals hochgegangen. Der hat wirklich was!
5 Antworten
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