Fragrancexxx

Da ist er nun, der nächste Le Male. Nachdem viele Versuche enttäuschten und erst der Le Mâle Le Parfum für mich wieder einen würdigen Abkömmling darstellte, war die Erwartungshaltung hier nicht sonderlich groß. Aber Siehe da: Jean Paul Gaultier kann noch ! Und wie die können! Ganz starker Auftakt mit der liebgewonnenen LeMale DNA meiner Jugend, aber nochmal etwas gourmandiger und süßer eingebettet als beim Le Mâle Le Parfum . Im Verlauf weicht diese für mich einen Schritt zurück und gibt der Tonkabohne noch mehr Raum, den dieser Duft aber auch wirklich zu füllen vermag: Sillage und Haltbarkeit sind überragend! Für meinen Geschmack noch in Rahmen, ohne aufdringlich zu werden. Trotzdem führt es mich zu meinem wahrscheinlich einzigen Kritikpunkt: Denn du bist so gut, dass ich jetzt schon genervt davon bin, dich in einem halben Jahr an jeder Ecke zu riechen!

Mit der Brooklyn Soap Company tue ich mich persönlich etwas schwer. Klar, Konkurrenz belebt den Markt, aber ich bin im Allgemeinen kein Fan von Newcomern die sich mit Pauken und Trompeten in Nischengewändern positionieren wollen nur um dann doch wieder Mittelmaß abzuliefern. Leider geht es mir mit diesem Parfum genau so. Der Duft an sich ist gut, aber der WoW-Effekt fehlt. Starke holzige und würzig-pfeffrige Noten, die Komposition passt und der Duft ist rund. Aber eben auch nur der Duft, denn die Sillage und die Haltbarkeit sind unteres Mittelmaß, das wäre für ein Eau de Toilette in Ordnung, für ein Eau de Parfum mit entsprechendem Pricing ist das zu wenig. Am Ende bekommt man was drauf steht: Holz. Ebenso stumpf bleibt der Duft dann aber leider auch im Verlauf, denn hier kann ich überhaupt keine Änderung wahrnehmen, bis er dann nach 3-4 Stunden verschwindet..

Selten hat ein Duft auf den ersten Sprüher so viel Erinnerung und Sehnsucht zugleich bei mir hervorgerufen, daher erlaubt mir euch mitzunehmen..
Sofort katapultierst du mich in die kalte Jahreszeit, die Nacht hat ihren Schleier bereits über die Stadt gelegt und nimmt ihre Gerüche gefangen, setzt sich wie eine Kuppel auf den mit Menschen gefüllten Marktplatz. Du stehst mit geschlossenen Augen da und versuchst zu ordnen: eine frische Vanille von leichten Zitrusnoten umspielt, wie sie nur Parfums de Marly einzubetten vermag. Du gehst ein paar Schritte und schon gesellen sich weitere süß-gourmandige Eindrücke hinzu, du schlenderst vorbei an Ständen mit gebrannten Mandeln und Zuckerwatte, rüber zum schweizer Chocolatier der dir seine extravagantesten Pralinenkreationen feilbietet. Gierig greifst du zu und wirst von einer Komposition überwältigt, die deine Sinne vernebelt und längst vergessene Kindheitserinnerungen zurückholt. An Geschenke die du schon öffnen möchtest, an Pralinen die du noch nicht essen darfst, an heißen Kakao auf der Fensterbank bei Schneesturm. Traumtrunken tänzelst du weiter, bis etwas dunkles, mysteriöses den Nebel durchdringt und dich innehalten lässt: Du stehst vor einem groß gewachsenen, orientalisch gekleideten Mann, dein Blick wandert hinunter auf den üppig gefüllten Gewürzstand vor ihm: du erblickst Zimstangen, schimmernde Harze und allerlei seltene Hölzer deren Geruch dich erden und ganz langsam zurückholen. Du blickst auf und der Mann lächelt dich aufrichtig an, auch du beginnst zu lächeln. Du scheinst etwas verstanden zu haben, ohne genau zu wissen was es ist..
Ob du diesen Winter nun selbst der Fliegende wirst Althaïr oder dich wieder auf dein geflügeltes Pferd Pegasus setzt, bleibt dir überlassen. Wichtig ist einzig und allein die Reise.

Habe den Duft in einer Abfüllung etwas unfreiwillig über mein Parfory Abo erhalten und schiebe den Test nun schon etwas länger auf, heute Morgen wanderte mein Griff dann eher aus Langeweile in Richtung der unzähligen, unbeachteten Abfüllungen, die meinen ganz eigenen Tempel der Schande darstellen. Nun sitze ich hier einige Stunden später und bin etwas ratlos. Gut ist er in jedem Fall, sehr würzig und eine sehr feine Abstimmung aus Vanille und einem - für meine Begriffe - sehr dominanten Lavendel. Aber mehr geschieht dann auch im Verlauf nicht, die Haltbarkeit ist allenfalls Mittelmaß, welche aber auch der Eau de Toilette Konzentration geschuldet sein mag, eine starke Sillage konnte ich nicht wahrnehmen. Kurzum: Er ist gut für das was er ist, nur ist das eben kein Komplexitätswunder. Wie will ich heute also einen 90 jahren alten Duft bewerten, der zu seiner Zeit wahrscheinlich zu Recht als völlig herausragend galt, ohne mich selbst als verwöhnten, undankbaren Neuling darzustellen? Gar nicht, aber vielleicht muss ich das auch nicht, denn vielleicht ist heute auch nicht alles schlechter.

Aufgrund des doch recht stolzen Preises wollte ich mir natürlich nicht blind einen Flakon kaufen, sondern konnte dankenswerterweise auf eine Abfüllung aus dem Souk zurückgreifen.
Im Ersteindruck sehr orientalisch, der Weihrauch performt hier schon stark, aber nicht unangenehm oder zu aufdringlich, trotzdem muss man die Richtung schon mögen. Über die Zeit gesellt sich eine gewisse Würze und auch einige holzige Noten hinzu und der Duft wird für mich süßer, runder und gourmandiger. Die Sillage ist mir für einen Amouage Duft irgendwie zu wenig, die Haltbarkeit hingegen gut. Ein Fazit fällt mir hier relativ schwer: Gut ist er definitiv, für mich persönlich aber kein absoluter No-Brainer der in keiner Sammlung fehlen dürfte, gerade auch aufgrund des hohen Preises den Amouage Düfte mit sich bringen. Wer seinen Horizont erweitern möchte sollte aber mal reinschnuppern! :)