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vor 5 Jahren - 31.03.2019
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Kleine literarische Tonka-Trouvaille

Wir Parfumos kennen - und einige von uns, wie ich, lieben - die Tonkabohne als würzige, leicht vanillige Duftnote, die u.a. gerne mal die Basisnote schöner Herrendüfte bereichert. Manche von uns haben auch mal gelesen, dass die Tonkabohne auch als Küchengewürz verwendet wird (wegen des Kumarin-Anteils nicht unumstritten, obwohl man das Zeug wahrscheinlich futtern müsste, um Schaden zu nehmen). Ich vermute, die wenigsten von uns haben sie tatsächlich schon als Würzmittel verwendet.

Ich persönlich dachte bisher, die aus Südamerika stammende Bohne würde vielleicht seit 50 Jahren in der Duftindustrie verwendet und erst seit kurzem (als der allerneueste Schrei für die, die sonst schon jedes exotische Gemüse, Obst und Superfood durch haben) in der Küche gebraucht, jedenfalls hätte ich so vermutet, wenn man mich gefragt hätte.

Von daher hat es mich doch sehr überrascht, in dem schönen Roman von Theodort Fontane "Schach von Wuthenow", der 1883 geschrieben wurde, aber schon 1806 (in Berlin) spielt, folgende Szene zu finden, die mit Sicherheit, wie alles bei Fontane, exakt recherchiert ist. Drei männliche Protagonisten des Romans kehren des Abends in Berlin in das (historisch verbürgte) italienische Restaurant "Sala Tarone" ein (also gab es italienische Restaurants in Deutschland schon vor über 200 Jahren; ob es da auch Pizza gab, würde ich aber bezweifeln), und einer von diesen dreien spricht mit dem Kellner Fritz:

Sagen Sie, Fritz, wie verhält sich die Firma Sala Tarone zur Maibowle?

Gut. Sehr gut.

Aber wir haben erst April, und sosehr ich im Allgemeinen der Mann der Surrogate bin, so hass' ich doch eins: die Tonkabohne. Die Tonkabohne gehört in die Schnupftabaksdose, nicht in die Maibowle, verstanden?

Zu dienen, Herr Sander.

Gut denn. Also Maikräuter...

In den Anmerkungen findet sich dazu noch folgender Eintrag:

Tonkabohne: südamerikanische Baumfrucht, deren Auszug u.a. zu Tabaksbeize und als Maitrankessenz verwendet wird.

Wir müssen dazu wissen, dass die vor 200 Jahren wohl höchst populäre Maibowle hergestellt wurde, indem leichter Weißwein (gerne von der Mosel) über Waldmeisterblätter (alter Name: "Maikraut") gegossen wurde; man ließ dies eine Zeit ziehen und goß dann mit Champagner auf. Der vorsichtige Gast ließ sich die Champagnerflasche getrennt und geschlossen zum Selberaufgießen an den Platz bringen, um sicher zu gehen, dass der Wirt nicht mit Brause aufgegossen hatte.

Da Waldmeister (der ebenfalls kumarinhaltig ist!) meist erst ab Mai gepflückt werden kann, scheint es also damals üblich gewesen zu sein, statt dieses Krauts, das man zudem etliche 20 Minuten ziehen lassen musste, einfach eine Prise Tonkabohne in den Wein zu geben, was schneller ging und auch außerhalb des Wonnemonats funktionierte - sozusagen das Zaubermittel zur Produktion von Instant-Maibowle. Es scheint dann ähnlich wie Waldmeister zu schmecken.

In diesem Sinne wünsche ich (mit einem Glas Waldmeisterlimo vor mir auf dem Tisch) einen schönen Frühling. Und bitte jetzt nicht euer Parfüm in den Schampus kippen!

Ergänzung: Heute scheint die Funktion "Antworten-auf-Blogs" defekt zu sein. Wenn ihr etwas loswerden wollt, schreibt mir vielleicht am Besten etwas auf die Pinnwand.

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