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vor 4 Jahren - 05.12.2019
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Mischen (einmal ist keinmal)

Über die Sinnhaftigkeit des Mischens (und Layerns) von Düften ist auf Parfumo schon mehrfach mit einer Heftigkeit gestritten worden, als ob es (mindestens) um die Frage Bilderverehrung vs. Ikonoklasmus oder um die Richtigkeit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung 2015 gegangen wäre. Ich habe diese hohen emotionalen Wellen nie so recht verstanden, steht es doch jedem Menschen frei, entweder das Mischen von Düften zu meiden wie der Teufel das Weihwasser oder aber sich ganze Sets von Duftnotenmischbatterien zuzulegen und zusätzlich noch alle (Marken-Fertig-) Düfte aus seinem Schrank in täglich wechselnden Kombinationen zusammenzukippen.

Meine höchstpersönliche Haltung zu dieser Frage (nur für mein eigenes kleines Leben und ohne Präjudiz für alle meine Mitparfumos, die das völlig anders sehen können) war stets klar: Das Mischen von einzelnen Duftnoten zu einer Gesamtkomposition, also die Kreation neuer Parfüms, beherrschen Parfumeure besser als ich; sollen die das machen und ich mache das, wozu ich eine Ausbildung habe - als Hobby genügt mir die Benutzung von Düften und gelegentlich das Schreiben darüber. Und das Zusammengießen von Fertigparfums finde ich suspekt; ich würde das aus einem gewissen Respekt vor dem Werk des Künstlers nicht tun wollen und glaube auch nicht so recht daran, dass dabei wirklich mehr herauskommt, als wenn man ein halbvolles Glas Gin Fizz mit Whisky Sour aufgießt oder über eine Tonspur mit Beethovens Vierter "The Wall" drüberlegt.

Konsequent bin ich dabei freilich nicht: Wenn ich mir morgens ein Rasierwasser oder einen leichten Morgenduft auflege, überlege ich manchmal schon, welcher Nachmittagsduft geplant ist, um in der Übergangszeit eine Art Layering-Erlebnis zu haben und mal zu schauen, ob das passt. Wie auch immer, ich gehöre an sich zur Puristen-Fraktion.

Im Sommer allerdings bekam ich von meiner Lieblingskollegin einen Gutschein für eine individuelle Duftmischung von Harry Lehmann geschenkt, und das war für mich der Anlass, einmal eine Ausnahme zu machen. Denn man sollte ja nie zum Dogmatiker erstarren, und einmal ist keinmal. Und es lockte das Fachgespräch mit Herrn Lehmann und die Aussicht, mit der Kollegin auf "unseren Duft" blicken zu können, was zwar nicht so romantisch ist wie "unser Lied" (da hätte vielleicht auch meine Frau etwas dagegen), aber immerhin.

Die Sache entwickelte sich denn auch so erfreulich wie der einmalige Gang des Glücksspiel-Hassers ins Spielcasino, bei dem er gleich die Bank sprengt. Mit Herrn Lehmann hatte ich eine ausgesprochen nette, spritzige, anregende Konversation, in der wir ausgehend von den (sehr heißen) Witterungsverhältnissen, meinen Lehmann-Lieblingsdüften und ein paar witzigen Stichworten, die durch die Luft flogen, innerhalb kürzester Zeit gemeinsam ein Grundkonzept entworfen hatten.

Natürlich sollte mein (auch von der betreffenden Kollegin sehr geschätzter) Lehmann-Liebling "Springfield", im Kern ein Agrumen-Duft, der aber durch allerlei geheimnisvolle, bis ins subtil Animalische gehende Nuancen so geheimnisvoll aufgepeppt ist, dass unser lieber Yatagan ihm eine "10" verpasst hat, in der Mischung enthalten sein. Von Lehmann kam die (von mir sogleich aufgegriffene) Idee, den Springfield angesichts der brüllenden Hitze draußen vor der Tür mit Superfrisch-Zitrik zu pimpen und zu tunen; wir einigten uns schnell auf die strahlend monochrome "Orange" und das mattherbe und vielleicht wie Springfield ebenfalls etwas geheimnisvolle Lehmannsche "Neroli". Mein Vorschlag - dem wiederum Herr Lehmann schnell beipflichtete - war es, der Chose noch etwas Tiefe zu verleihen, indem der erdig-grüne Geheimtipp "L'Avion" beigefügt wird (den Ttfortwo gestern nicht ganz so gnädig besprochen hat). Auch farblich passen ja erdige und grüne Töne gut zu orange und gelb. Und von den Duftspektren her gibt es allemal Andock-Flächen zwischen Springfield und dem Flugzeug.

Flugs entwickelte Herr Lehmann einen Mischungsentwurf; 20 ml L'Avion (stärkste Dosierung, damit die Noten durch die ganze Zitrik der drei anderen Düfte durchkommen), 15 ml Orange und je 7,5 Springfield und Neroli. Mir war das zu viel Orange (ich mag die Lehmannsche Orange, aber sie ist wirklich sehr monofruct und etwas dominant) und zu wenig Springfield; ich wollte dem Meister aber auch nicht allzu umfassend widersprechen. Da er sich mit der Orange sehr sicher war, dass das gut passt, einigten wir uns auf 20 Avion / 15 Orange / 10 Springfield / 5 Neroli.

Als ich nach einer Stunde anderweitiger Erledigungen wiederkam, war die Mischung fertig, beschriftet und verpackt; dem Rat des Künstlers zufolge waren nun etwa 2 Liegetage angezeigt, bis alles sich harmonisch verbunden habe. Seither benutze ich diesen persönlichen Duft ausgesprochen gerne, und er gefällt, was ja auch Sinn der Übung war, auch der Schenkenden sehr gut. Den Neroli rieche ich nicht separat heraus; ich nehme eine sehr kongeniale Springfield-Avion-Melange (Zitrusbäume mit grünen Blättern und entsprechenden Früchten in erdigem Untergrund) wahr, die von einer bei kritischer Betrachtung etwas überdimensionierter, bei wohlwollender Sicht aber spaßiger Riesen-Orangen-Aura eingeläutet und auf der ersten Hälfte des Weges begleitet wird.

Das war also mein Ausflug ins "Spielcasino", und, um in dem Vergleich zu bleiben, wenn man beim ersten Besuch alles abgeräumt hat, dann sollte man für den Rest des Lebens die Finger davon lassen (was mir nicht schwer fällt).

Und obwohl es mein (oder unser) persönlicher Duft ist: Wer sich von der obigen Mischung angesprochen gefühlt hat, ist natürlich zum Nachmischen eingeladen.

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