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vor 3 Jahren - 26.12.2020
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Und warum Laos? (Dritter Teil und so ähnlich wie Schluss)

Gipfelkapelle mit Katze

Der Hausberg in der Mitte von Luang Prabang, der "zweiten Hauptstadt" von Laos , wurde bereits erwähnt, gezeigt wurden allerdings bislang nur die Bilder vom Gipfel hinab auf Stadt und Fluss. Der Aufstieg und der Abstieg gestalten sich unterhaltsam, weil überall am Wegesrand pittoreske Gebäude (unklarer Zweckbestimmung) und - nach Art eines buddhistischen Themenparks - Statuen und Heiltümer postiert sind.

Auf dem Gipfel angelangt, erwartet den Wanderer eine Art verschachtelter Komplex von Schutzhütten, dessen Bewirtschaftung allerdings lediglich aus einer Katze besteht, die das Ensemble souverän kontrolliert. Da andere Kulturen andere Prioritäten setzen, dienen die Unterstände auch weniger dem Genuss von Radlermaßen, Landjägern und Schüttelbroten, als vielmehr dem Verrichten des ein oder anderen Gebets vor den zu diesem Behuf aufgestellten Buddhastatuen. Die Katze passt auf, dass die kleinsten der Bergwanderer sich zwar angemessen amüsieren, aber keine allzu unheiligen Dinge treiben.

Vergessen werden sollte über dem ganzen Alpinismus jedoch nicht, dass Laos (fast) ebenso wie von den Bergen, von denen es wahrlich genug hat (nicht nur solche innerstädtischer Art, sondern auch richtige unzugängliche, wilde Bergmassive), auch von seinen Flüssen geprägt ist, insbesondere vom Mekong, den ich inzwischen mehr ins Herz geschlossen habe als meinen heimatlichen RHENVS FLVVIVS.

Lao Lifestyle

Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Grenzen von Laos, ähnlich wie die anderer asiatischer Staaten, seit Monaten geschlossen. Dass es nach offiziellen Angaben auch praktisch keine Krankheitsfälle in Laos gibt, halte ich trotz des Mangels an Pressefreiheit für plausibel, da es in anderen Ländern Asiens, auch solche mit mehr oder minder demokratischer Verfassung, ähnlich aussieht. Über die mutmaßlichen Gründe dafür zu sinnieren, würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, praktisches Ergebnis ist aber, dass touristische Besuche in Laos derzeit nicht möglich sind.

Wenn sich das einmal geändert haben wird, kann ich Laos - vorbehaltlich der allgemeinen Einwände gegen Fernreisen und unter der Voraussetzung, dass man auf den etwas raueren Charme kleiner und weniger entwickelter Länder vorbereitet ist - als Reiseland sehr empfehlen. Für die möglichen Unternehmungen und Reiseziele sei auf einschlägige Reiseführer, für eine vertiefte Vorbereitung zu Land und Leuten auf historische und länderkundliche weke verwiesen. Die Auswahl sollte weniger schwer fallen als vor einer Reise nach Thailand oder Kalifornien, weil die Zahl der Titel zu Laos extrem begrenzt ist. Stefan Loose und Lonely Planet gehen natürlich immer; das sehr kenntnisreiche und humorvolle "Culture Shock Laos" von Robert Cooper datiert schon von 2011, für historisch interessierte ist mein Geheimtipp "Creating Laos" von Sören Ivarsson (überflüssig zu sagen: Band 112 der natürlich allgemein bekannten Schriftenreihe des Nordic Institute of Asian Studies).

An dieser Stelle bloß einige grobe Tipps und Hinweise, welche die Chance erhöhen, sowohl einen guten Eindruck aus Laos mitzunehmen, als auch, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Alles, was dabei zur Kultur gesagt wird, gilt für die Mainstreamkultur der laotisch sprechenden und buddhistischen Tieflandlaoten. Für die Angehörigen eines animistischen Bergvölker-Stammes, den man beim Trekking entdeckt, mag anderes gelten.

Man sollte vor der Reise wissen, dass Laos noch immer, trotz eines gewissen Booms in den letzten 10-20 Jahren (in dessen Zuge auch die Lebenserwartung von etwa 57 auf etwa 67 Jahre angestiegen ist) ein sehr armes und wenig entwickeltes Land ist. Das nachfolgende Bild zeigt nicht etwa eine Bruchbude der Ärmsten der Armen, sondern ein ziemlich mittelständisches Wohn- und Geschäftshaus in der Provinz (aber am Rande einer wichtigen Fernstraße): geräumiger Wohnbereich auf Stelzen zum Schutz vor Ameisen und Überschwemmungen, und ein ebenerdiges Ladenlokal mit Gemischtwarenladen, in dem die Bauern der Umgebung und die durchfahrenden Trucker alles Erforderliche (Speiseöl, Batterien, Heiligenbilder und etwa 1000 andere Artikel) kaufen können.

Außerhalb der Touristenanlagen und der Städte Vientiane und Luang Prabang ist die Armut gelegentlich auch schreiend, aber Laos ist kein Land, das von Elend geprägt ist. Menschen, die im Müll leben, aufdringliche Bettler und dergleichen wird man eher nicht finden. Das verhindert weniger ein (trotz kommunistischer Staatsform kaum vorhandener) Sozialstaat als weitläufige Familienstrukturen und kulturell-religiöse Verhaltenscodes.

Übrigens ist Laos trotzdem sehr teuer. Nicht nur kostet ein Kühlschrank oder Auto das Doppelte wie in Thailand (weil es von dort importiert wird), auch ein Ei auf dem Bauernmarkt kostet mehr als das gleiche Ei im Supermarkt in Thailand. Laos ist kein Budget-Urlaubsziel.

Das Praktische ist, dass die laotische Kultur, sowohl hinsichtlich des Verhaltens der Einheimischen unter sich als auch betreffend die Erwartungen, die man an Ausländer hat, ziemlich tolerant ist. Es lauert nicht hinter jeder Ecke ein soziales Tabu, für dessen Verletzung man aus dem Land oder ins Umerziehungslager geworfen wird. Bis zu einem gewissen Grade gilt "leben und leben lassen". Viele soziale Konventionen sind fluide. Am Rande sei erwähnt, dass neben Männern und Frauen noch zwei weitere soziale Geschlechter allgemein anerkannt sind: die khatoeys, die man grob als biologische Männer, die Frauenrollen leben (eine Art Transgender) bezeichnen kann, und die tomboys, betont maskulin lebende Frauen.

Das bedeutet aber nicht, dass in Laos völliges laissez-faire gilt. Es gibt durchaus Verhaltensweisen, mit denen man extrem unangenehm auffallen kann. Leider wird man es selten merken, da man auch dann, wenn man gerade ganz tief ins Klo gegriffen, für alle Ewigkeit sein Gesicht verloren und ein weiteres Mal bestätigt hat, dass alle Europäer Vollidioten sind, trotzdem freundlich angelächelt wird.

Laos ist wie die meisten asiatische Kulturen konsens- und harmonieorientiert. Sich aufzuregen, herumzugestikulieren oder gar in der Öffentlichkeit laut und aggressiv zu werden, belegt, dass man entweder geistesgestört oder ein Barbar an der Grenze zum Tier ist. Man wird damit auch nichts erreichen und sollte es daher konsequent lassen. Freundlich lächeln und sein Gesicht bewahren ist immer Trumpf.

Anders als z.B. Japan und Korea (vielleicht aber auch Vietnam) ist die laotische Kultur nicht von Leistungsdenken und Effizienz geprägt, sondern von Gemütlichkeit. Leistungdenken bedeutet Stress und die laotische Kultur ist sehr, sehr gegen Stress. Die Dinge gehen langsam. Arbeiten werden wirklich ungewöhnlich vielen Mitarbeitern ausgeführt: Damit immer die Möglichkeit besteht, ein Schwätzchen untereinander zu halten, ein Schläfchen zu machen oder auf dem Handy zu spielen während die Kollegen weiterarbeiten und einfach damit niemand arbeitslos ist. Also nie drängeln und unruhig werden.

Zwei sehr laotische (und mir persönlich sympathische) Sekundärtugenden sind Sauberkeit (auch in Richtung einer gewissen Adrettheit) und Großzügigkeit. Westliche Touristen, die unangenehm riechend und in zerrissenen Klamotten durch die Straßen rennen, werden ihren Kaffee serviert bekommen, aber in aller Regel verachtet werden. Ein Dreiteiler beim Trekking in den Bergen ist nicht erforderlich, aber ein frisch gebügeltes weißes kurzärmliges Hemd mit sauberen langen Jeans und geputzten Schuhen (mit oder ohne Socken) beim Stadtbummel durch Vientiane sind gewiss ein Plus. Nach dem Essen, oder, noch absurder, nach dem Kaffeetrinken, die Rechnung innerhalb der Gruppe individuell auseinanderzufusseln bedeutet den sofortigen sozialen Tod. Halb/halb machen dürfte akzeptabel sein. Den Kellner um separate Rechnungen bitten würde ebensowenig verstanden wie wenn man ihn bitten würde, die Rechnung bitte rasch in Marmor einzumeißeln.

Am ehesten tabumäßig besetzt sind die Füße. Mit den Füßen (insbesondere den nackten) auf andere zu zeigen, beleidigt das Gegenüber ähnlich, als würde man es anspucken. Das sollte man (insbesondere beim Sitzen auf dem Boden) beachten. Drinnen werden die Schuhe in aller Regel ausgezogen. Das gilt nicht nur für Tempel und Privathäuser, sondern in einigen Fällen auch für Hotels und Ladengeschäfte (normalerweise wird es durch Logos angezeigt, also kein Stress).

Thailandbesucher wissen, dass die Begrüßung dort in aller Regel durch wai erfolgt: Die Hände werden vor der Brust flach zusammenengelegt und der Kopf dabei geneigt. Die Geste kann subtil variiert werden, je nachdem, ob der Gegrüßte sozial gleichrangig, überlegen oder sehr überlegen ist (einen sozial Unterlegenen grüßt man nicht mit wai, so wie in Wien auch nicht der Gast im Café Sacher den Kellner mit "ein Stück Torte bitte, Herr Hofrat!" anreden würde).

In Laos gibt es den wai auch. Er heißt dort nop. Die Kommunisten wollten ihn ursprünglich abschaffen (feudal-bourgeoises Relikt) und propagierten daher ausgesrechnet den handshake der französischen Kolonialherren (nicht den Wangenkuss; bei aller laotischen Toleranz auch in Geschlechterfragen würde das eindeutig zu weit gehen). Später hat sich der nop wieder ein bisschen Terrain zurückerobert, heute ist die Lage unklar und im Fluss. Man kann daher nicht allzu viel falsch machen.

Vielleicht der wichtigste Hinweis ist der, dass (ähnlich wie in Thailand) Mönchen unbedingter und unhinterfragbarer Respekt entgegengebracht wird und dass dies auch von Ausländern erwartet wird. Das hat (für mich) durchaus eine soziale Berechtigung, die man mit vielen Worten erklären und diskutieren könnte, wofür hier jedoch ebenfalls nicht genug Platz ist. Daher nur der platte Hinweis: Auch wenn man persönlich Religion für Opium fürs Volk hält, sollte man sich entsprechend verhalten: When in Rome, do as the Romans do!

Um zu illustrieren, wie weit diese Grundregel geht, sei erwähnt, dass es in laotischen Flughäfen oder Busbahnhöfen statt einer VIP-Lounge eine Mönchs-Lounge gibt, die oft das einzige klimatisierte Objekt in der Gegend ist. Ist irgendwo eine Bank vorhanden, ist es vollkommen klar, dass jede(r), und zwar auch der schmierige, gewissenlose und korrupte Geschäftsmann, der örtliche Bürgermeister und die alte Dame mit Gehbehinderung aufstehen, wenn ein Mönch sich der Bank auf mehr als 500 Meter nähert. Bei einer öffentlichen Kulturveranstaltung ist es selbstverständlich, dass die Mönche (einschließlich der 14-jährigen Novizen, falls die eingeladen sind) in der ersten Reihe sitzen und der Vorsitzende des Politbüros der Laotischen Arbeiterpartei sowie der US-Botschafter erst in der Reihe dahinter.

Nun hatte ich eine Laos-Trilogie angekündigt, dieser Beitrag ist nun aber schon sehr lang geworden, ohne dass Küche und Krimis angesprochen wurden. Aus dieser Klemme löse ich mich mit laotischer Eleganz, indem ich diese beiden Themen in einen Anhang ausgliedere, den ich später schreibe. Er wird zwar Bilder, aber keine eigenen Reisefotos mehr enthalten. Die restlichen Reisefotos, die ich für teilenswert halte, daher jetzt zum (halben) Abschluss (alle sind aus Luang Prabang):

Französische Kolonialarchitektur meets Sowjetstil (beide Bilder). Die eine Dame auf dem Moped auch ohne Corona mit Mundschutz. Kind fährt vor dem Mopedlenker mit: auf diese Weise sieht man gelegentlich auch vier- oder fünföpfige Familien (ggf. plus Einkäufe und Tiere) auf einem Moped.

Leckere Baguettes und guter Kaffee:


Einer der schönsten kleinen Tempel:


Der für mich allerschönste Tempel (das Baummotiv findet sich immer wieder in der laotischen Volkskunst, zu dem Baum gehört eine buddhistische Märcherzählung):


ENDE
(Anhang zu den Themen Küche und Krimis folgt).

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