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Jazzbobs Blog
vor 7 Jahren - 21.06.2018
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Symphonie der Sinne

Gestern Abend hatte ich das große Glück, nicht nur zum ersten Mal ein Konzert in der Berliner Philharmonie erleben zu dürfen, sondern genauer gesagt das Abschiedskonzert von Sir Simon Rattle als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker mit Gustav Mahlers Symphonie Nr. 6, die auch den Beinamen "Die Tragische" hat. Im Foyer begegnete mir kurz ein Schwall aus verschiedensten Parfums, die sich zu einer merkwürdigen Mischung zusammenfügten. Da war ich froh, vorher nur zwei Sprüher von Fars auf die Handgelenke aufgelegt zu haben.

Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie sehr sich die Sinne gegenseitig beeinflussen. Synästhetiker nehmen diese Verschmelzung in extremster Art und Weise wahr, was oft auch anstrengend sein kann. Blinde hingegen entwickeln aufgrund der fehlenden Sehkraft meist ein besonders gutes Gehör. Wenn zu viele Sinne gleichzeitig angesprochen werden, wird es schwierig, sich auf einen bestimmten zu konzentrieren. So konnte ich mich, im Konzertsaal angekommen, komplett lösen von dem um mich herum und diesen besonderen Abend genießen. Mit unseren Düften sollten wir uns ab und zu ähnlich verhalten - die meisten hier tun es wahrscheinlich auch - und sich Zeit nehmen, sie bewusster wahrzunehmen und sie vor allem für uns selbst genießen, statt nur auf Außenwirkung bedacht zu sein.

10 Antworten
StanzeStanze vor 7 Jahren
Abgesehen von wenigen exotischen Auftritten, hatte ich Parfum eigentlich schon als Teenager immer nur für mich. Das war ja eventuell das Problem für die armen Mitmenschen, die ungewollt einbezogen wurden.
StanzeStanze vor 7 Jahren
Hab schon lange kein klassisches Konzert mehr als Besucher besucht (äh). Denke aber nach dem Lesen dieses Artikels, dass ich eventuell aus Rücksicht gar kein Parfum tragen werde. Im Kino trage ich schon meist Parfum. Aber wir schauen uns immer Filme an, die noch maximal 6 andere Personen sehen wollen, mit anderen Worten, das Kino ist praktisch leer und es entsteht kein Gedränge. Auf dem letzten Metalkonzert auf dem ich war, war es zwar sehr eng, aber kein Parfum hatte eine Chance.
JazzbobJazzbob vor 7 Jahren
Aber spätestens ab dem 2. (langsamen, wunderschönen) Satz wurde es großartig und beim Finale ist unglaublich viel Energie übergesprungen. Da hat der Dirigent schon seinen Einfluss darauf.
JazzbobJazzbob vor 7 Jahren
Danke für den verlinkten Artikel, 3rdear. Ich denke, dass es bei Dirigenten immer verschiedene Meinungen gibt - das bringt dieses schwierige Berufsfeld mit sich. Rattle ist schon ein Kontrollfreak, aber 16 Jahre muss man das erstmal bei den Berlinern hinbekommen... Meine Kollegin war am 19. beim Konzert und fand es nicht ganz überzeugend. Am 20. war es dann auch so, dass sie sich im 1. Satz erst 'eingrooven' mussten und mir persönlich an manchen Stellen etwas Raum/Innehalten fehlte.
3rdear3rdear vor 7 Jahren
Einblicke: https://van.atavist.com/simon-rattle
FRAgrANTICFRAgrANTIC vor 7 Jahren
Weitaus schlimmer als die unvermeidliche Melange von Parfums aller Arten empfinde ich die despektierliche Kleidung vieler Besucher - ungeputze und/oder abgewetzte Schuhe, (absichtlich) zerschlissene und/oder angerotzte Hosen, Röcke, schlabberige und gammelige Oberteile usw. - optisch zu so einem Anlass genauseo ekelhaft wie Schweiß- und Fäkaliengeruch :-( Warum zur Hölle, gibt es an jedem 08/15 Club einen Türsteher, nur hier nicht?
JoHannesJoHannes vor 7 Jahren
Oh .. jetzt hin ich neidisch (nicht wegen dieser Duftmelange, die man immer bei kulturellen Events ertragen muss): Mahler, Rattle und die Berliner. Da ist doch kaum zu toppen, oder? Klasse!
ExUserExUser vor 7 Jahren
Das klingt nach einem sehr besonderen Abend. Ich höre nicht allzu oft Klassik. Aber Mahler geht mir grundsätzlich unter die Haut. Die 6. und die 9. - wer denkt da noch an Außenwirkung?
SeeroseSeerose vor 7 Jahren
Aber Parfüm ist das, was die Zuhörer, ich, mitsamt passender Kleidung, Vorfreude zur Verstärkung und Aufnahmefähigkeit der Hin-Gabe der Musiker oder Schauspieler verwenden. Da gebe ich Dir vollkommen Recht- Oder auch, um die Außenwirkung/Aufmerksamkeit durch zu erhöhen, sich spiegeln zu lassen, solche Zuhörer/Zuschauer sind auch immer dabei. Wenn es so schön war für Dich, dann haben die Musiker und der Dirigent alles gegeben! Man wünscht sich am Ende: Es möge nie aufhören.
SeeroseSeerose vor 7 Jahren
Vor vielen Jahren hörte ich in "The Glasgow Royal Concert Hall" Mahlers 4. Sinfonie mit dem Lied "Das himmlische Leben". Und gegriff warum ich solche komplexen sinfonischen Werke nicht von Tonträgern, im Fernsehen oder im Radio hören mag. Es gehört in ein solche "venue". Ich habe sehr viele Konzerte live gehört und selber in sehr vielen Chorkonzerten und auch Solo gesungen. : Wenn keine Hingabe, Liebe, Dankbarkeit und Respekt vor dem Werk und Publikum da ist, kein Geben ist nur akustische Larve

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