Jazzbob

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6 - 10 von 119
Jazzbob vor 3 Jahren 6 2
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
One for the money.
Manche Namen von Parfums muss man wörtlich nehmen, bei anderen muss man sie eher als Inspirationsquelle einer bestimmten Situation oder eines bestimmten Lebensgefühls ansehen. So auch Blue Suede Shoes, denn es handelt sich hier nicht um einen wirklich typisch blauen (aquatischen/Duschgel-)Duft – verglichen mit einigen Designern, jedenfalls – und Leder ist auch keine zentrale Note. Stattdessen soll dieser aromatische Fougère ein bisschen Rock'n'Roll verkörpern mit den Kontrasten, die sich hier wiederfinden.

Von den Kopfnoten machen sich Bergamotte und Lavendel eher dezenter bemerkbar, während die würzige Frische kräftiger ausfällt und besonders von einer minzigen, kühlenden Wirkung geprägt wird und glücklicherweise nicht wirklich an Anis erinnert. Außerdem ist gleich die Cumarin-Süße (Tonkabohne) und eine trocken-holzige Note (Zeder) wahrnehmbar, wodurch Blue Suede Shoes eine gewisse Komplexität bekommt, ohne zu schwer zu sein. Mit der Zeit lässt, wie üblich, die Frische nach und außer etwas Lavendel bleibt von den Kopfnoten nichts übrig und der Duft wandelt sich noch mehr in die holzige Richtung und Patchouli kommt stärker zum Vorschein, was dem Ganzen eine dunklere, reifere Facette gibt.

Den gleichnamigen, von Carl Perkins geschriebenen und von Elvis Presley zum Welthit gemachten Song finde ich persönlich ziemlich ausgenudelt und etwas nervig – genauso geht es mir mit einer Komponente, welche sich hier deutlich herausfiltern lässt: Ein ganz bestimmter stechender, synthetisch-holziger Duftstoff ist mir schon öfters begegnet – die Beispiele reichen von Persil-Flüssigwaschmittel bis zu Xerjoffs Alexandria II – und hat für mich mit seiner Penetranz so einige Parfums zerstört. Bei Blue Suede Shoes muss ich aber sagen, dass diese Qualität gerade noch auf einem erträglichen Level ist.

Ansonsten gefällt mir der Duft ziemlich gut und wirkt auch sehr ausgewogen, wobei ich ihn nicht gerade im Hochsommer tragen würde, weil die Frische dafür nicht beständig genug ist. Es gilt wie so oft: Nicht dem kurzen Papiertest vertrauen, sondern längere Zeit auf der Haut riechen. (Viele Düfte wirken auf Papierstreifen frischer/heller.) Mit einer natürlicheren Zedernholz-Note wäre Blue Suede Shoes durchaus interessant für mich, so ist mir das zu wenig für einen Nischenduft.
2 Antworten
Jazzbob vor 3 Jahren 12 2
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Gutes kann so einfach sein
Rivegauche hat in seinem Kommentar Eau de Magnolia schon sehr treffend beschrieben und besonders interessant finde ich dabei die Aussage, man könne den Duft als moderne Interpretation von Chanels Cristalle ansehen. Dessen Eau de Parfum-Version gefällt mir zwar, aber mir fehlt da einfach mehr Frische und die Chypre-Basis weist für meinen Geschmack etwas zu viel Bitterkeit des Eichenmoos auf (im Eau de Toilette sogar noch mehr). Eau de Magnolia geht tatsächlich in eine sehr ähnliche Richtung, wobei jedoch genau diese Probleme behoben worden sind.

Auffällig beim Testen waren für mich einerseits die Wahrnehmung auf Haut und Papier und andererseits die unterschiedliche Intensität von Probe und Flakon. Auf dem Papier ist die Bergamotte nämlich wesentlich präsenter und lässt den Duft noch zitrischer daherkommen, als auf der Haut. Das ist ein bisschen schade, weil ich die meisten Hesperiden sehr mag, aber das Ziel war ja auch, einen echten Soliflor zu kreieren. Und aus dem Flakon gesprüht, ist die Sillage kräftiger als aus der Probe und damit nicht zu unterschätzen, wirkt dennoch zugleich zart und transparent. Ich bin nicht der große Kenner allzu vieler Blütendüfte, meine jedoch behaupten zu können, dass die Magnolie hier sehr authentisch wiedergegeben wird, denn ich nehme diesen als hell, leicht frisch, sauber, nicht wirklich süß, aber minimal cremig wahr. Außerdem hat er eine recht langanhaltende luftige Qualität, welche den Eindruck erweckt, als ob der Duft um einen schweben würde. Somit steht die Magnolie stets klar im Zentrum der Aufmerksamkeit, während, nachdem die Bergamotte verflogen ist, mehr und mehr von der leicht herben, grünen und nur dezent holzigen Basis durchkommt. Amber kann ich hier überhaupt nicht ausmachen.

Eau de Magnolia evoziert demzufolge hervorragend die Vorstellung, inmitten blühender Sträucher/Bäume zu stehen und wirkt sehr frühlingshaft, wobei der Duft aufgrund der guten Balance ganzjährig tragbar ist. Einigen könnte er allerdings zu schlank sein und zu wenig Kontraste haben. Ab und zu mag ich solche Parfums zur Abwechslung und Gutes muss schließlich nicht immer hochkomplex sein.
2 Antworten
Jazzbob vor 3 Jahren 56 7
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Der Duft-Detektiv – Ebenholz
Für Bois d'Ébène gibt dessen Schöpfer Aurélien Guichard nur vier Noten an, welche einen dunklen, ambrierten Holzduft ergeben sollen und die mich auf Anhieb dazu brachten, genauer unter die Lupe zu nehmen, was hier eigentlich vorgeht...

DER FALL EBENHOLZ

Es ist immer wieder spannend zu beobachten, wie viel Marketing zu fast jedem einzelnen Parfum betrieben wird und wie viele Menschen das zu wenig hinterfragen. Beispielsweise hört man bei den ganzen YouTubern fast ausschließlich Formulierungen wie „this fragrance has ... in it“ / „this contains ...“. Dabei beschreiben Duftnoten in erster Linie das, was wahrgenommen werden soll, nicht zwangsläufig, was tatsächlich Verwendung findet. Echtes Rosenabsolut etwa ist viel zu teuer, als dass es in so vielen Parfums enthalten sein könnte. Letztendlich ist auch nur die Frage wichtig:

Was rieche ich?

Bei Bois d'Ébène dachte ich sofort, dass mir der Duft insgesamt sehr vertraut vorkommt. Er wirkt im Wesentlichen so wie der Basis-Akkord von einigen holzigen, angesüßten Parfums. Kurz gesagt, nehme ich folgende Facetten wahr:

- die flüchtige (!) Kopfnote ist leicht ätherisch-harzig und Kardamom kommt mir in den Sinn
- trockenes Zedernholz bzw. leicht angekokeltes Gujakholz
- eine Sandelholz-Komponente wie Javanol
- eine stark ambrierte Facette, aber nicht so sauber wie reines Ambroxan, sondern in Hautnähe dezent dreckig, was mich auf Cetalox schließen lässt
- etwas Süßlich-Cremiges, dass wohl in Form von Vanillin und Tonkabohne (Cumarin) hinzugefügt wurde

Die Farbassoziation zum kostbaren Ebenholz ist also durchaus passend, da die Hölzer insgesamt schon etwas dunkler wirken, aber durch den süßlich-cremigen Gegenpol eine kuschelige Atmosphäre bekommen. Doch was hat es mit den Noten, die der Parfümeur angibt, auf sich?

In einem kurzen Video stellt er das Duftkonzept vor (https://vimeo.com/375868040). Hauptbestandteil sei das dunkle und rauchige Guajakholz aus Paraguay, während indonesisches Patchouli und Cypriol (Nagarmotha) den Duft intensivieren und erdiger machen sollen. Brasilianisches Cabreuva verstärke hingegen die Amber-Facetten und hätte eine beinahe malzige Qualität. Wenn man bei 0:49 pausiert, kann man jedoch die handgeschriebenen Komponenten lesen:

Ambroxan
Cypriol Essence
Iso E Super
Vertofix Coeur
Cashmeran
Cedramber
Amber Core

(Base Potion)

Es ist also ziemlich eindeutig, dass Bois d'Ébène auf mich deshalb so vertraut wirkt, weil hier so viele Aromachemikalien enthalten sind, die quasi omnipräsent in der Welt der holzigen/ambrierten Düfte sind. Ob Aurélien Guichard nun gar keine Essenzen von Guajakholz, Patchouli und Cabreuva verwendet, lässt sich daraus natürlich nicht genau ableiten, doch es verdeutlicht uns eben, was ich eingangs erklärt habe.

Geografische Angaben zu den Duftnoten lassen diese möglicherweise nicht nur authentischer erscheinen, sondern auch die Kundschaft mitunter denken, es wären Rohstoffe aus aller Welt verarbeitet worden. Ich will hier auf keinen Fall in Abrede stellen, dass dies auch sehr häufig geschieht, aber gleichzeitig etwas zur Demystifizierung mancher abendteuerlichen, erfinderischen Duftpyramiden beitragen. (Aktuell finden sich auf Parfumo zum Beispiel nur 21 andere Düfte, bei denen Cabreuva als Note angegeben ist.)

Meiner Meinung nach ist Bois d'Ébène trotzdem gelungen, denn er hält, was er verspricht – ein dunkler, ambrierter Holzduft zu sein. Nicht mehr und nicht weniger. Weil er relativ linear ist, sollte man sich vor dem Kauf schon auf wenigstens einen kompletten Testtag einlassen, um festzustellen, ob er auf Dauer nicht zu monoton wird. Denn er schafft eine ziemlich langanhaltende, moderate Sillage, die ihn zu einem vielseitigen Begleiter in den kälteren Jahreszeiten machen.

EDIT 04/05/2022:

Im Livestream von Persolaise auf YouTube hat Aurélien Guichard meine Frage, wie viele natürliche Inhaltsstoffe er für den Duft verwendet, (diplomatisch) beantwortet: Er ging darauf ein, dass es seine Absicht war, Guajakholz (der Hauptbestandteil), dunkler zu machen und er dafür bewusst auf Cypriol und Patchouli zurückgegriffen hat und Cabreuva als weiteres Holz. Synthetische Bestandteile seien notwendig, um ein modernes Parfum zu gestalten und er halte nicht so viel von rein natürlichen Parfums (die es ja auch kaum gibt).
7 Antworten
Jazzbob vor 3 Jahren 17 5
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Sonniger Vetiver
Die Assoziation von Farben zu Düften geschieht eigentlich immer automatisch, weil man seine Umgebung logischerweise immer mit verschiedenen Sinnen gleichzeitig wahrnimmt und somit viele Verknüpfungen herstellt. Bei Hiram Greens Vetiver entsteht bei mir innerlich auch so ein konkretes Bild, zu dem die Farbe des Parfums bestens passt.

Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Die langen, sonnigen Tage haben den Boden ausgetrocknet. Die Luft ist noch sehr warm, doch es weht ein leichter Wind, der den Geruch von Heu mit sich trägt. Die Landschaft erstrahlt goldgelb und die Welt scheint sich hier in den Abendstunden langsamer zu drehen.

Dieser Duft ist also nicht deswegen sommerlich, weil er besonders erfrischend ist, wie die Kopfnoten vielleicht vermuten ließen, sondern aufgrund der hellen Wärme, die er ausstrahlt. Wie bei Profumum Romas Acqua Viva sind die Zitrusfrüchte (für mich hier eigentlich nur Zitrone) nicht so richtig frisch, sondern gehen eine enge Symbiose mit den holzigen Noten ein – nur, dass sie hier deutlich dezenter zu erahnen sind. Auch der Ingwer wurde etwas seiner Schärfe beraubt, was für mich etwas schade ist, anderen wiederum entgegen kommen könnten, denn manchmal wirken Düfte durch diese Note zu schroff. Vetiver ist eben namensgemäß die Hauptnote von Anfang bis Ende und zeigt sich sehr natürlich, ein wenig grün und vor allem holzig und ein wenig erdig. Man könnte also meinen, dass die jeweiligen Extreme von haitianischem Vetiver (grasig-grün, mit Akzenten, die mitunter an Grapefruit erinnern können) und Java-Vetiver (erdiger und mit rauchigen Facetten) abgeschwächt wurden und sich in der Mitte treffen.

Die Marke wirbt ja auch damit, nur natürliche Rohstoffe zu verwenden und so kann ich auch die Basisnoten gut wiedererkennen. Während Zedernholz die Trockenheit und Holzigkeit weiter verstärkt, wird durch Ambrettesamen eine für mich fast schon pudrige Seite hinzugefügt, die den Duft etwas weicher wirken lässt. Als süß würde ich ihn nicht so richtig bezeichnen – wenn, dann nur minimal. Auf der Haut kommt diese Note bei mir übrigens weniger durch als auf dem Papier. Zum Glück...

Wie es sich für ein anständiges Vetiver-Parfum gehört, hält Hiram Greens Kreation schon recht lange auf der Haut, wird aber relativ schnell etwas intimer. Aber es ist ja auch eher ein beruhigender Duft zum Wohlfühlen und in Gedanken schwelgen.
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Jazzbob vor 3 Jahren 14 2
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Auch ohne zitrische Erfrischung gut
Bei so heißen Temperaturen von über 30 Grad, wie an diesem Wochenende, sind klassische Zitrus-Düfte die beste olfaktorische Erfrischung. Wer nun bei dem Namen Rêverie de Bergamote (Bergamotte-Träumerei) und dem gelben Flakon genau dies erwartet, dürfte ziemlich enttäuscht werden, denn das schafft der neue Duft von Miller Harris nicht. Doch während bei einigen Parfums die angegebenen Duftnoten eher irreführend sind, empfinde ich sie hier – von kleinen Ausnahmen abgesehen – als durchaus stimmig.

Die Bergamotte ist zu Beginn gleich in saftig-saurer Form präsent, aber sofort wird klar, dass ebenfalls ein recht klassischer Fougère-Akkord verbaut wurde: Lavendel steuert eine aromatische und dezent pudrige Seite bei und die holzig-moosige Basis sorgt für ein herbes und stereotyp maskulines Fundament. Es fehlt hier glücklicherweise fast gänzlich an der sonst üblichen Cumarin-Süße – zumindest ist sie nur gering wahrnehmbar. Die grünen Noten sind für mich nur Beiwerk und Leder kann ich überhaupt nicht ausmachen. Letzteres hätte ich auch nicht als passend dazu empfunden.

Somit wird Rêverie de Bergamote insgesamt ziemlich schnell von einer warm-würzig-holzigen Melange geprägt und hat dadurch vielleicht auch etwas Träumerisches an sich. Definitiv ist er meiner Meinung nach klassisch und natürlich gehalten und wirkt eher reif, aber nicht altmodisch. Der leicht seifige Einschlag des Fougère-Akkordes sticht hier jedenfalls nicht besonders heraus. Und während der Duft anfangs sogar recht kräftig projiziert, wird er mit der Zeit sanfter und leiser, ist aber lange genug wahrnehmbar.

Als typischen Sommer-Duft würde ich ihn deshalb nicht einordnen, sondern als am besten geeignet für Frühling und Herbst, aber er ist absolut ganzjährig tragbar, da er bei hohen Temperaturen nicht süßlich-schwülstig wird und genügend Wärme vermittelt, um auch im Winter Einsatz zu finden.
2 Antworten
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