Jingle

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6 - 10 von 16
Jingle vor 3 Jahren 16 6
10
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Fenster auf im Arbeitszimmer
Als großer Fan grüner Düfte auch mit einer konzeptig-synthetischen Ausrichtung war der Papyrus Moléculaire ein klarer Testkandidat für mich. Als ich dann einen kleinen Hype darum zu verspüren glaubte, musste ich natürlich ran! Will ja nicht die letzte sei, die ihn entdeckt.

Papyrus Moléculaire startet grün-gewürzig mit dezenter Pfeffrigkeit, der Koriander meldet sich zuvorderst, das Karottengrün, und ich habe fast einen kampfer-/eukalyptusartigen Eindruck. Der Duft ist herb - toll! - und nicht süß. Ein klassisch grüner Auftakt, gut gemacht, aber auch nichts Neues.
Schon schnell ist das Elemi und Holzigkeit zu riechen, Gras, hier Rasen, und dann leicht bittere Blätter.
Eine gewisse Lebendigkeit ist dabei, über den Tabak, vermute ich, aber sehr dezent. Tonka dagegen müsste ich mir selbst schon stark suggerieren, um es zu riechen.
Herz- und Basis haben dann eine angenehme Harzlastigeit, sehr schön, wirklich, für die es sich fast lohnen würde, aber wegen der wenig originellen Kopfnoten ist, das sage ich gleich direkt, Papyrus Moléculaire kein Kaufkandidat für mich.
Der Papiereindruck, trockene Iris sind angenehm umsetzt, es handelt sich hier deswegen auch nicht um einen naturalistischen Naturduft. Die erwähnte Druckerpapier-/Tonerassoziation kann ich verstehen, ebenso die Safranassoziation, der ja oft auch etwas Papieriges hat.

In Bildern geschildert: Wir haben es hier mit einem Arbeits-/Schreibzimmer einer Autorin zu tun, die die Fenster weit öffnet hin zum Garten, kultivierter Garten wohlgemerkt, geharkt, begärtnert, ohne wuchernde Wilnis. Ein modernes Arbeitszimmer ohne ledergebundene Schinken im Tropenholzregal, sondern mit einem sleeken Notebook, dem Laserdrucker und der obligatorischen Wasserkaraffe. Vielleicht der augenzwinkernde Gedanke nur daran, wie man ein Pfeifchen rauchen könnte im Studierzimmer. Aber man raucht heutzutage nicht mehr.

Spezialanmerkung: Da ich weiß, dass das für manche hier ein Spezialinteresse ist, sei es erwähnt: Durch den grünen Start und die Harzigkeit im Drydown ist ein warm-kalter, aber auch ein saftig-trockener Duft gelungen.

In ähnliche Richtungen gehen meiner Meinung nach Maison Margielas (untitled), den ich gar nicht mal so dolle finde, Comme des Garçons Serpentine (den ich schätze wegen seiner Asphaltnote), Eau d'Italie - Jardin du Poète (Garten as Garten can), Eau de Fleurs - Capucine von Chloé (auch wunderbar grün), oder, für mich neu entdeckt und als großartig befunden, Carthusias Essence of the Park. Wenn ich diese besitze und trage, brauche ich den Papyrus Moléculaire nicht.

Also ingesamt hatte ich mir ein bisschen mehr davon versprochen. Papyrus Moléculaire ist für mich wenig spektakulär und auch nicht aufregender als die Kombi Zeder, Iris + was Grün-Frisches. Wenn die Inspiration Zigarillo rauchende Frauen waren - näääh, das ist hier nicht abgebildet.

Wir kriegen keine Poesie getippt, da im Autorenzimmer, sondern eine Pressemitteilung für den Brotjob; wohlgelaunte Betriebsamkeit aber ist da, man ist so ziemlich zufrieden im Homeoffice.
6 Antworten
Jingle vor 3 Jahren 12 4
10
Flakon
6
Sillage
4
Haltbarkeit
7
Duft
Got my mojo working
Chypre mit Patchouli und Frucht. Ich gebe zu, nicht nur war ich verwundert über die Kombi, ich war auch sehr misstrauisch. Befürchtete altmodisch-moosige Erde, pappige synthetische Frucht und olles Patchouli. Fantasierte ein höllisches Gebräu. Jedoch, ihr ahnt es bereits: Ich lag daneben. Der Duft ist toll!

Ein galaktischer Auftakt – ich möchte jubeln. Die Mango noch mit grüner Schale und festem Fruchtfleisch, Bergamotte gibt angenehme Frische, trotzdem ist das Bitzeln einer überreifen Frucht mit angedacht, aber ausschließlich lecker, kribbelnd, aufregend. Nicht zu süß, Gott sei Dank, und nicht die generic Mango aus dem Eistee oder dem Pflegeprodukt respektive Raumduft.
Patchouli, ja, untermalend und sauber, seifig fast. Der Duft ist nicht dampfig, sondern wirklich schön erfrischend, wässrig-klar (und ich meine nicht aquatisch) in der Herznote.
Da ist nichts Kantiges, ein easygoing Geruch, wenn man die generelle Richtung mag. Nichts Erdiges bei mir, nichts Moosiges. Gefällig, auf eine gute Weise!

Mein Vorredner muss ich, was das „Geil, geil, geil“ betrifft, beipflichten. Also: Das ist auch ein sexy Duft, und zwar einer, der zu allen Geschlechtern super passt. Intellektuelle, tongue-in-cheek Sexyness mit einem Spritzer Ironie. Mehr der Flirt im Lift als die Verführung über die Tischfunzel hinweg in einer Cocktailbar. Leichtfüßig.

Haltbarkeit und Sillage keine Monster, zumindest nicht auf meinem Handgelenk. Ein leichter, klarer Duft für den Frühling oder den Sommer. Einen Kaffee oder eine Limo in der Sonne mit dem Date, aber auch im Büro, warum nicht? Kaufen werde ich ihn mir nicht, weil seine Vibes nah an Eau de Rhubarbe Écarlate sind, den ich zu solchen Anlässen gerne trage. Und er dürfte für meinen aktuellen Geschmack auch etwas femininer sein, Chypre Mojo/45 ist schon ein Hosenduft sozusagen.

Die Komposition ist nicht das, was ich Chypre nennen würde, niemals, aber das, was ich Mojo nennen würden. Und ich leite über zum obligatorischen Laberteil:

Das titelgebende Mojo ist nicht nur das, was Austin Powers in einem seiner Filme verliert, sondern auch und vielmehr ein Amulett oder gleich der ganze Zauber, den man bei sich trägt. Als Talisman oder als Beutel, jedenfalls nah am Körper. Mojos kennt man aus afroamerikanischer Musik (Anspieltipp: Muddy Water – Got my mojo working); Mojo kommt aus der afrikanischen Hoodooreligion der in die USA verschleppten Sklaven. Südstaaten ja, sumpfiges Chypre, Louisianamoos dagegen nein. Es handelt sich aber um eine romantische, über Bilder, Songs und Bücher kommunizierte Vorstellung, eine ins Parfüm übersetzte Stimmung, nicht um die matschig-organischem Swamps. Das begrüße ich hier!
Aber zurück zum Mojo: Da Liebeszauber immer viel Nachfrage finden und durch Gebrauch und Bedeutungsveränderung des Worts wurde es auch mit dem bereits oben im Zusammenhang mit Austin Powers erwähnten Beiklang anreichert, der da heißt: Libido. Und das passt ja herrlich zu Musik, dem Anlock- und Anbahnungsmittel für amouröses Diesdas seit Anbeginn der Menschheit, eigentlich ganz ähnlich zur Parfümiererei.
4 Antworten
Jingle vor 3 Jahren 16 6
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Trostspender
Milch, eine für mich jenseits von diffuser Rundheit schwer herauszuriechende Note, interessierte mich an diesem Duft besonders - und Elemi gehört zu meinen Favorites. Auf die Vanille war ich insoweit gespannt, als ich sie als eine kniffelige, oft billig gemachte und deswegen mir in weiten Teilen verleidete Duftnote ist. Ich schätze die Vanille in Eau Duelle, in meinem geliebten Santal Carmin, der in Milk Musk näherte ich mich wie den meisten Vanilles skeptisch. Zu unrecht.

Für mich hat Milk Musk im Auftakt eine klare Backzutatenassonanz, üppige, essbare Vanille wie in der dick fließenden, vollfetten dänischen Vanillesoße aus dem Tetrapack. Lecker, geborgen, wie bei der Mama daheim. Hier keine dunkle Vanilleschote (die im echten Leben für mich immer etwas Tabakhaftes hat), sondern die in Milch gelöste Schwarze-Pünktchen-Vanille. Eine tolle Vanille, und noch mal ganz anders als die, die ich aus anderen Parfums kenne, aber auch nicht meine favorisierte. (Im Vergleich zu bspw. Eau des Missions ist sie hier: buttriger, weniger würzig, familiärer und mehr gemütlich als elegant.)

Die Tonkabohne stellt im Duft, wie auch beim Würzen mit derselben, eine unterstützende Rolle für die Vanille dar, ohne selbst zu stark hervorzutreten. Das ist gut gelungen, finde ich.

Der Duft hat für mich, nicht der größte Gourmandfan, gourmandige Qualitäten, und Moschus, Ambroxan, Benzoe untermalen nur den essbaren Aspekt. Sie rücken den Duft aus der Naschecke raus, aber nur gerade so weit, dass es parfümig und nicht nach Kuchenbacken riecht. Holzige Noten bekomme ich hier gar nicht (leider, ich liebe Holz), aber das bereits angesprochene Likörige kann ich gut nachvollziehen. Die Süße hält sich meiner Einschätzung nach in Grenzen, zum Glück.

Der Flakon passt wunderbar zu seinem Inhalt übrigens: das sahnige, weiße Böbbelchen obendrauf, wie ein Schneeball, eine Milchbrust, der Bommel auf der Wintermütze. Ihr lest die Bottomline heraus: ein an die Kindheit erinnernder Geborgenheitsduft für die kalte Jahreszeit, zum Einschlafen. Für mich ein Duft, den man im Privaten trägt, zu Hause oder vielleicht unter dem warmen Pullover zu einem tröstlichen Spaziergang. Nichts, was mich für einen Arbeitstag ausrüsten würde, nichts, was ich zum Ausgehen tragen würde.
6 Antworten
Jingle vor 3 Jahren 8 2
9
Duft
Art/Exit über den quietschgrünen Rasen
Alles klar, ich liebe den! Lange umschlichen, Pröbchen um Pröbchen verbraucht, jetzt jedes Mal Kribbeln im Bauch, wenn ich ihn im Schrank spotte.

Ich war noch nie in den Serpentine Galleries, noch nie in London. Und käme ich nach London, würde ich mir auch zuallererst das Barbican ansehen. Die Serpentine Galleries umweht für mich aber eine Faszination, die nur durch Unkenntnis entstehen kann, und die ich auch gar nicht stören will. Eine Freundin erzählte mir von einer Lesung, die sie dort hielt, ich war mörderbeeindruckt, ich fantasierte.

Und dann Tracey Emin, deren Karriere ich nicht wirklich verfolgt habe, deren Zeltkunstwerk „Everyone I Have Ever Slept With“ ich aber nie vergessen habe. Ich hatte es als Teenager einmal in einer Frauenzeitschrift gesehen (und war ehrfürchtig ob der Personenanzahl!). Emin hat den Flakon gestaltet, der mit seinem ausgefransten Print aussieht, als wisse jemand nicht, wie man eine Zeichnung freistellt und/oder sich sagte, egal, das lass ich jetzt so. Eine gewisse Rotzigkeit beim Kunstmachen = me like. Genaugenommen handelt es sich bei Serpentine dann also um einen Promiduft, non?

Viel avantgardiger Kunstnebel also um das Parfum, viel 90er, als Comme des Garçons respektive Rei Kawakubos Mode dem krampfhaft Arte guckenden Kleinstadtmädchen etwas von Ausbrechen, aufregender Zukunft und verheißungsvoller Ferne (Japan!) versprachen.

Ja, aber wie riecht er jetzt? Zu Beginn ist sofort der Rasen zu erkennen, rasiert-domestiziertes, sauberes Gras, die Blumigkeit der Iris meldet sich, Galbanum. Der Eindruck ist hell, flächig, wie ein Park inmitten einer Stadt, in der sich künstlich angelegte Hügel vor einem Blick in die Weite ausbreiten, darüber wolkenloser Himmel im Juni. In der Ferne ein paar Hochhäuser, denn es handelt sich um einen urbanen Duft. Ich nehme an, das rührt von der Asphaltnote und den ozonischen Noten, der häufig genannte synthetische Eindruck. Den finde ich angenehm, aufgeräumt! Wer unberührte Natur sucht, ist hier falsch – bei Serpentine darf man bei Gras schon fast den Rollrasen oder Plastikrasen mitdenken, das Science-Fiction-Gewächshaus. Moschus ist deutlich, über den Muskat kommt dazu eine kleine Sexyness mit rein. In der Basis kriege ich nichts Differenziertes raus, betrachte die eher als funktional. Ich war froh, dass ich das Guajak nicht rausrieche (oder vielleicht habe ich das unter den Muskat subsumiert).

Der Duft ist sommerlich leicht, projiziert nicht stark, aber er – Achtung, Wortspiel! - hilft mir, fett zu projizieren und wieder dieses verheißungsvolle Gefühl zu channeln, dieses Kunstversprechen, es gäbe was unglaublich cooles Erhabenes, und naja, was man empfindet ist immer echt, und mit Serpentine fühle ich mich state of the art und träume und assoziiere so rum, wie ich der Profanität entkäme.
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Jingle vor 7 Jahren 7
Zum weißen Sommerkleid
Bergamotte, Gardenie und weiße Blüten, etwas Pfeffer - dieses Parfum hatte es nicht schwer, mein Herz zu erobern. Dieses Parfum hat es, meine ich sogar, bei vielen nicht schwer, denn es ist gefällig, geht kein Risiko ein und ist auf eine erholsame Art und Weise amerikanisch-mainstreamig. Damit meine ich: man will ja nicht jeden Tag herausfordernd duften, sondern manchmal auch einfach nur gute, nette und schöne Pleasantness.
Zum Glück kann ich hier keine aquatische Note herausriechen, die für mich zumeist ein Dealbreaker ist. Sollte aber ein wenig Grapefruit in der Kopfnote dabei sein, würde es mich nicht wundern.
Das, was man gemeinhin "betörend" nennt, ist dieser Duft für mich. Exotisch und überwältigend schön. Ein heller, feierlicher Duft für Hochzeitseinladungen und Sommerfeste, bei denen man weiß gekleidet Rücken und gebräunte Arme nackt trägt. Oder weniger romantisch, die Raffaello-Werbung mit dem großen weißen Hut.
Ich finde, er passt wunderbar zu jedem Alter und am besten in den Sommer, aber das mag auch an den Assoziationen, die sich während der Zeit, als ich ihn öfter trug, entwickelt haben und derer da seien: amerikanische Südstaaten, die faszinierende Blüte der Gardenie, die Billie Holiday so häufig hinter dem Ohr trug. Heißes drückendes Wetter, Langsamkeit, eine müde, faule Schwere der Mittagszeit, am Abend eine Feier im Garten und ein leichter Wind in den Bäumen.
Ich bereue, den Duft weiterverkauft zu haben. Wie kam es dazu? Gardenien können etwas pilzig riechen, und eines Tages schnupperte mein Freund an mir, lobte den Duft zwar und forderte mich auf, ihn öfter zu tragen, sagte aber auch - er ist der Meister prosaischer Anmerkungen zu allem Ästhetischen - "das riecht nach Champignons". Und es stimmt, wenn man es weiß, ich konnte das nicht un-gerochen machen, und jedesmal der Gedanke an eine blaue Plastikpackung gefüllt mit frischen Champignons, wenn ich den Duft auftrug, das war zuviel, und ich konnte die Note und das Bild einfach nicht aus dem Kopf kriegen.
Aber der Duft ist so wunderbar für den Hochsommer! Ich vermisse ihn. Vielleicht kauf ich ihn mir wieder, ich Dummerle, wenn es Juli wird.
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