Meggi
Top Rezension
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Der Duft zum Konzert
Womöglich ist es allein Eltern vergönnt, die letzten, die höchsten Gipfel der Niedlichkeit zu erschauen. Die eine oder andere Szene brennt sich tief ins Gedächtnis ein (ein Fotoapparat hätte alles zerstört!) und löst noch nach Jahren erinnerungsseliges Lächeln und ein Weißt-Du-noch? aus. Dies betrifft keineswegs nur die ganz kleinen Kinder; jüngst kam ein neues Erlebnis hinzu:
Seit Beginn des laufenden Schuljahrs, mit dem Wechsel an die weiterführende Schule, spielt meine Tochter in einer Streicherklasse Cello und bereits kurz vor Weihnachten fand das erste Konzert statt, bei dem die Neuen natürlich lediglich einen kleineren Part übernehmen konnten. Das tat dem Stolz und dem Eifer keinen Abbruch. Wie hübsch sie sich zurechtgemacht hatte! Mit einem kurzen schwarzen Kleidchen, einer schwarzen Strumpfhose mit Glassteinbesatz und – sehr wichtig – sogenannten „Klacker-Schuhen“. Die Nägel hatte sie sich lackiert und sogar ein wenig Lidschatten und Lipgloss benutzen dürfen. Und dann saß sie dort mit ihrem Dreiviertel-Cello, die kurzen Passagen wurden voller Konzentration und Inbrunst gezupft und gestrichen. Nur ein paar Minuten dauerte der Auftritt ihrer Gruppe, aber vergessen werde ich ihn wohl nicht.
Sie hatte außerdem Satiné aufgelegt. Schon seit einiger Zeit besitzt sie davon ein Pröbchen. Mit einem rosa Schleifchen darum und einem Aufsatz mit kleinen Löchern zum Auftupfen. Bis dato gehütet wie einen Schatz. Doch nun war endlich der richtige Anlass gekommen, für den – wie sie selbst kindlich-kundig analysierte – Petite Chérie nicht ernsthaft genug und Aloha Tiaré viel zu aufdringlich war. Also Satiné. Der passte perfekt zu diesem Abend.
Und der Papa durfte später testweise auch einmal naschen: Es eröffnet Heliotrop, eher der unvanillige Aspekt, und mischt sich apart mit einer Cumarin-Note, so dass die Süße der beiden jeweils Verantwortlichen fein ausbalanciert wird. Der rosa Pfeffer steuert keine Schärfe bei, sondern ätherisches Aroma. Schön.
Kurz darauf erscheint die typische Lalique-Frische. Wässrig, allerdings nicht im negativen Sinne; eine Note, die mich immer an soeben aufgeschnittene Salatgurke denken lässt. Unverzichtbar ist derlei als Gegenspieler, denn die Einstufung als Gourmand – angesichts der Zutaten wäre sie naheliegend – wird dadurch behutsam ausgebremst.
Die Duftentwicklung ist insgesamt sehr sanft und dezent. Erst nach gut zwei Stunden ist der Duft merklich süßer geworden, dennoch schwebt stets eine Frische mit, die inzwischen nicht mehr (positiv)-wässrig, sondern luftig-duftig ist. In seiner Entwicklung kommt der Duft damit weitgehend zur Ruhe. Obgleich der weitere Verlauf noch eine weiche Ledernote bringt und meinetwegen auch ein wenig Holz, ordnen sich all diese unter und verändern den Charakter des Duftes kaum. Im Laufe der achten Stunde ist dann überraschend zügig Schluss, bloß ein ätherischer, zuckriger Schleier verbleibt ein bisschen länger.
Satiné ist gewiss kein anspruchsvoller Duft. Sanft, anschmiegsam, kuschelig, das macht er alles prima. So weiblich er eindeutig ist, er beschränkt sich definitiv auf eine unschuldige, mädchenhafte Femininität. Das ist möglicherweise der Grund, weshalb meine Frau ihn bislang nie benutzt hat, obwohl sie - trotz meiner Bedenken - davon mal einen 100ml-Bembel blind einge-bucht-et hatte. Zu ihr passt das einfach nicht, sie ver-/trägt üppigere Dinger wie Seville à l’Aube oder neuerdings Lyric Man (der ihr wesentlich besser steht als mir…). Ich bin mir im Lichte der jüngsten Ereignisse ziemlich sicher, wo die große Flasche Satiné in absehbarer Zeit hinwandern wird.
Noch ein Wort zum Flakon, angeblich einem Ballerina-Röckchen unter Fliehkraft nachempfunden. Mich erinnert das an einen weiteren unübertreffbaren Gipfel der Niedlichkeit: Als Papa zu erleben, wie ein kleines Mädchen im rosafarbenen Tutu umherhüpft, auf dem Gesicht jenen anrührenden Ernst, den ausschließlich kleine Kinder empfinden können.